Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 15 KR 348/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 679/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.08.2018 geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung einer Rechnung über stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassenes Krankenhaus in Jülich.
Dort wurde der 1963 geborene, berufstätige und bei der Beklagten krankenversicherte B V (im Folgenden: der Versicherte) in der Zeit vom 21. bis zum 23.09.2015 vollstationär behandelt. Er litt nach langjährigem Verlauf (erstmalige Schilderung einer Asthma-Symptomatik 1991) unter einem schweren nicht kontrollierten Asthma bronchiale mit Zeichen eines "airway remodeling" und teilfixierter Obstruktion sowie nahezu dauerhafter systemischer Steroidbedürftigkeit. Unter "airway remodeling" versteht man einen pathologischen Umbauprozess der Atemwege, bei dem elastische Fasern zunehmend durch Kollagenfasern ersetzt werden, wodurch sich die Bronchialwände verdicken und die Lungenfunktion immer weiter verschlechtert.
Seit 2013 war der Versicherte wegen dieser Erkrankung wiederholt arbeitsunfähig. Vom 05. bis 26.05.2014 absolvierte er zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre Reha-Maßnahme in der M-Klinik C.
Die geplante Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus der Klägerin erfolgte zur Durchführung einer "bronchialen Thermoplastie" (BT), die am 21.09.2015 durchgeführt wurde, nachdem zuvor (leitliniengerecht) eine medikamentöse Behandlung stattgefunden hatte. Eine erneute BT war für den 02.11.2015 geplant. Bei der BT, die hier von dem Oberarzt der Klinik - Facharzt für Innere Medizin Pneumologie - X vorgenommen wurde, wird ein kleiner Schlauch mit Hilfe eines flexiblen Bronchoskops durch Mund oder Nase in die Luftröhre des Patienten eingeführt. Durch hochfrequente elektromagnetische Wellen wird kontrolliert Wärme an die Wände der Atemwege abgegeben, wodurch sich die glatte Muskulatur in den Bronchialwänden zurückbildet und die Verkrampfung der Bronchienmuskulatur längerfristig entspannt. Der Eingriff wird unter Vollnarkose durchgeführt und dauert etwa eine halbe Stunde. Nach einigen Tagen kann der Patient die Klinik wieder verlassen. Für eine vollständige BT-Behandlung sind üblicherweise drei Sitzungen erforderlich, die im Abstand von jeweils etwa einem Monat durchgeführt werden. (vgl. dazu etwa https://www.florence-nightingale-krankenhaus.de/de/leistungsspektrum/kliniken/klinik-fuer-pneumologie-kardiologie-und-internistische-intensivmedizin/klinikleistungen/bronchiale-thermoplastie.html sowie https://www.lungeninformationsdienst.de/aktuelles/news/alle-news-im-ueberblick/aktuelles/article/wie-wirkt-die-bronchiale-thermoplastie//index.html - beide abgerufen am 28.05.2020)
Für die Krankenhausbehandlung vom 21. bis zum 23.09.2015 stellte die Klägerin der Beklagten mit Datum vom 29.09.2015 auf der Grundlage der Fallpauschale (DRG) E02C (Andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen ohne aufwändigen Eingriff, ohne schwerste CC, Alter 9 Jahre, mehr als ein Belegungstag) bei weiterer Kodierung des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 5-320.5 (Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus: bronchoskopische Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur) - nach Abzug einer Eigenbeteiligung des Versicherten i.H.v. 30 EUR - einen Betrag i.H.v. 3.266,73 EUR in Rechnung.
Diese Forderung beglich die Beklagte vollständig, beauftragte aber wegen "Auffälligkeiten" (unter ausdrücklichem Hinweis auf § 275 Abs. 1c SGB V) den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung des Behandlungsfalles (Fragen an den MDK: Bestand die medizinische Indikation zu einer bronchoskopischen Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur (OPS 5-320.5)? War die stationäre Aufnahme sowie die Verweildauer medizinisch notwendig?). In einer gutachtlichen Stellungnahme vom 26.02.2016 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass eine "primäre Fehlbelegung" vorliege. Die BT entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und falle daher außerhalb von Studien und Erprobungsverfahren nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Medikamentöse Alternativen ständen zur Verfügung.
Unter dem 01.03.2016 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des MDK-Gutachtens mit und wies darauf hin, dass sich ein strittiger Betrag von 3.296,73 EUR ergebe. Die Klägerin möge die Abrechnung bis zum 29.03.2016 korrigieren. Anderenfalls werde sie den überzahlten Betrag verrechnen.
Da die Klägerin den erhaltenen Betrag nicht erstattete, rechnete die Beklagte mit ihrem (vermeintlichen) Rückforderungsanspruch i.H.v. 3.266,73 EUR gegen den (unstreitigen) Zahlungsanspruch der Klägerin aus dem Behandlungsfall des Versicherten I X1(Rechnung vom 07.04.2016, Fallnummer xxx, Rechnungsnummer 000, Rechnungsforderung 4.206,43 EUR) auf, worüber sie die Klägerin mit Schreiben vom 21.04.2016 informierte.
Die Klägerin wandte vorprozessual ein, die Methodenbewertung unterliege der abschließenden Zuständigkeit des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der zu der BT bislang noch nicht Stellung genommen habe. Da somit ein Anwendungsverbot nicht vorliege, sei die Methode zur (stationären) Behandlung von Versicherten in der GKV erlaubt (§ 137c SGB V). Es handele sich bei der BT auch nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 6 Abs. 2 KHEntgG und ebenso nicht um ein (unbewertetes, zu verhandelndes) Zusatzentgelt. Denn sie sei nach P001f der Kodierrichtlinien (DKR) eindeutig mit dem OPS 5-320.5 abzubilden, was zur Abrechnung nach der Basis DRG E02 führe. Ferner legte die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme des Herrn X vom 13.04.2016 vor, in der dieser unter Darstellung der wissenschaftlichen Evidenz die Behandlung des Versicherten rechtfertigte. Die Kunst der Behandlung mittels BT liege in der Auswahl und Rekrutierung der entsprechenden Patienten sowie einem guten periinterventionellen Management. Deshalb solle die BT in der Hand erfahrener Pneumologen bleiben, was in dem Krankenhaus der Klägerin gewährleistet sei.
Am 25.10.2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Aachen erhoben. Ergänzend zu ihren vorprozessualen Ausführungen hat sie geltend gemacht, die BT sei eine medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, die den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entspreche, weil die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehe" (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R). Die BT finde seit über 10 Jahren (inzwischen auch in mehreren Kliniken in der Bundesrepublik) Anwendung und werde in evidenzbasierten Therapie-Leitlinien berücksichtigt. Sie sei daher als bereits etabliert anzusehen. Die Methode habe z.B. Eingang in die GINA (Global Initiative for Asthma) -Guidelines, die Empfehlungen der BTS (British Thoracic Society) zum Management des Asthma und die ERS/ATS (European Respiratory Society/American Thoracic Society)-Guidelines gefunden. Die in einer Projektstudie (Feasibility) erhobenen Daten zeigten zum einen eine hohe Sicherheit für die so behandelten Patienten und zum anderen eine Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität im inhalativen Provokationstest mit Metacholin. In der (an 112 Patienten durchgeführten) AIR-Studie hätten sich nach der Behandlung mittels BT bei den Patienten einige signifikante Verbesserungen im Vergleich zu der Kontrollgruppe gezeigt: Pro Patient durchschnittlich 10 leichtgradige Asthma-Exazerbationen weniger pro Jahr, 400 Hübe weniger Rescue-Medikation, 86 symptomfreie Tage mehr pro Jahr, bessere peak-flow-Werte und eine verbesserte Lebensqualität sowohl im ACQ (Asthma Control Questionnaire) als auch im AQLQ (Asthma Quality of Life Questionnaire). Besonders günstig seien die Ergebnisse bei gleichzeitiger hochdosierter ICS-Therapie gewesen. Die Verbesserung des FEV1-Wertes und der Metacholin P20-Provokation seien in der AIR-Studie zwar nicht signifikant gewesen, allerdings habe eine erhebliche Verbesserung der Lungenfunktion in der RISA-Studie belegt werden können. Verbesserungen in der Häufigkeit der Reliever-Anwendungen und in der Lebensqualität seien bestätigt worden. Die RISA-Studie habe jedoch auch gezeigt, dass mit einer vorübergehenden Verschlechterung der Asthmasymptome in den ersten sieben Tagen zu rechnen sei. Die AIR2-Studie sei randomisiert gewesen, doppelblind mit Scheinprozeduren und habe 288 Patienten in 30 Zentren eingeschlossen. Die positiven Ergebnisse der vorherigen Studien hätten damit auf einem sehr hohen Evidenzniveau bestätigt werden können. Obwohl sich diese Methode in allen Untersuchungen durch eine hohe Sicherheit ausgezeichnet habe, seien in Einzelfällen dennoch Komplikationen wie Hämoptysen, Atelektasen oder Pleuritis aufgetreten. Die Beschwerdesymptomatik des Patienten dürfe keine wesentlichen anderen Ursachen haben und die konservative Therapie des Asthmas solle über einen angemessen langen Zeitraum optimal durchgeführt worden sein. Die bronchoskopischen Prozeduren müssten akribisch genau und routiniert durchgeführt werden. Der mechanische Reiz des Bronchoskops in den Atemwegen könne einen schweren Asthmaanfall sofort oder nach einem Intervall auslösen. Deshalb seien nur Einrichtungen geeignet, die solche Risikosituationen sicher beherrschen könnten. Unter diesen Voraussetzungen sei der positive Effekt allerdings gut belegt und könne über fünf bis sieben Jahre anhalten. Es gebe einen ersten Hinweis dafür, dass auch die Eosinophilenzahl im Blut vermindert und möglicherweise die systemische Inflammation beim Asthma positiv beeinflusst werde. Die BT, die allein ohne pharmakologische Zwischenschritte direkt an der Bronchialmuskulatur ansetze, erweitere damit das therapeutische Spektrum. Durch die Rückbildung der pathologisch hypertrophierten Bronchialmuskulatur werde eine wesentliche Ursache der Bronchialkonstriktion langfristig günstig beeinflusst. Alle anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieverfahren würden dabei nicht beeinträchtigt und könnten deshalb leitliniengerecht weitergeführt werden. Im Anschluss an die initiale Therapiephase seien nach den bisherigen Erkenntnissen langfristig keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten. Die BT könne damit für geeignete Patienten eine zusätzlich zur medikamentösen Therapie eigenständig wirksame und deshalb besonders wertvolle Säule in der Therapie des schweren Asthmas sein. Medikamentöse oder rehabilitative Alternativen hätten im vorliegenden Fall nicht zur Verfügung gestanden. Eine denkbare Therapie mittels Anitcholerinergika IgE (Omalizumab) sei bereits von vorbehandelnden Pneumologen verworfen worden, da es im Falle des Versicherten mangels hoher IgE-Werte an einer Indikation gefehlt habe. Eine "Therapie-Eskalation" mit Omalizumab (zu dem Zeitpunkt das einzige Präparat auf dem Markt mit Eskalationsmöglichkeit) wäre sinnvoll nur "off-label" möglich gewesen. § 137c Abs. 3 SGB V (in der seit dem 23.07.2015 geltenden Fassung) stehe dem Vorgehen der Klägerin nicht entgegen, da das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.12.2018 - B 1 KR 17/17 R (zur Lungenvolumenreduktion durch Coils) mit dem Regelungszweck des § 137c Abs. 3 SGB V nicht in Einklang zu bringen sei. Schließlich hat sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf eine Parallelentscheidung des Sozialgerichts Aachen (Urteil vom 20.06.2018 - S 1 KR 84/17 nachgehend LSG NRW - L 5 KR 540/18) gestützt, in dem entschieden worden sei, dass der BT nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative abgesprochen werden könne.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.296,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.05.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die zu beachtenden Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsstandards nicht eingehalten. Die BT sei eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, deren Wirksamkeit nicht hinreichend durch Studien belegt sei. Das Institut für das Entgeltsystem (InEK) im Krankenhaus habe sie 2015 mit dem niedrigsten Status (NUB 4) bewertet. Daraus folge, dass die Kriterien für eine Bewertung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG nicht erfüllt seien. Aus diesem Grund habe die Klägerin unzulässigerweise wohl auch eine Kodierung nach dem OPS 5-320.5 vorgenommen. Im stationären Bereich bedürfe eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode zwar grundsätzlich keiner besonderen Zulassung und sei nur dann ausgeschlossen, wenn der G-BA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben habe (§ 137c SGB V). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R und vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R) ergebe sich jedoch auch aus § 137c SGB V keine generelle Erlaubnis zur Anwendung aller beliebigen Methoden im stationären Bereich. Vielmehr sei ein Krankenhaus auch dann, wenn (noch) kein Verbot einer konkreten Behandlungsmaßnahme ausgesprochen worden sei, im konkreten Einzelfall nicht von der Einhaltung des Qualitätsgebotes nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V und dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V entbunden. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V gebe vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen hätten. Hierzu genüge es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte gewirkt habe. Ferner sei es nicht Aufgabe der Krankenkassen medizinische Forschung zu finanzieren. Die BT genüge dem Qualitätsmaßstab des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V nicht. Insoweit sei die Situation im vorliegenden Fall nicht anders zu beurteilen als bei der Lungenvolumenreduktion durch Coils, wozu das Bundessozialgericht in dem Urteil vom 19.12.2018 - B 1 KR 17/17 R entschieden habe, dass das Qualitätsgebot durch § 137c nicht außer Kraft gesetzt werde. Im Übrigen habe die Klägerin selbst angegeben, die BT erst seit Ende 2013 an 30 Patienten erprobt zu haben. Aus den von ihr angeführten Studien ergebe sich ferner nicht, dass es sich um eine evidenzbasierte Methode handele, sondern eher um eine experimentelle Behandlungsform für einen sehr eingegrenzten Personenkreis, was sich insbesondere aus den mitgeteilten Komplikationen entnehmen lasse. In den von der Klägerin benannten Studien hätten sich keine signifikanten Vorteile der BT gegenüber einer Scheinbehandlung gezeigt bzw. die sich daraus ergebenden Empfehlungen zu Gunsten der BT seien nur zurückhaltend ausgefallen. Auch unter Berücksichtigung des Abschlussberichts des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen - IQWIG - (abrufbar unter www.iqwig.de/downloads/N14-04 Abschlussbericht LVR-beim-schweren-Lungenemphysem.pdf - Fazit) sei weiter davon auszugehen, dass die Wirksamkeit der BT wissenschaftlich nicht belegt sei und mangels eindeutiger Studienlage nicht den Qualitätskriterien entspreche. Eine Anwendung der Methode komme aktuell nur im Rahmen von Studien in Betracht. Dass der Versicherte im Rahmen einer solchen Studie behandelt worden sei, sei jedoch ebenso wenig ersichtlich wie der Umstand, dass die (medikamentöse) Standardtherapie nicht habe durchgeführt werden können. Nach Prüfung der Patientenakte durch den MDK (Gutachten vom 03.11.2017 nebst Anlage vom 26.10.2017 des Fachbereiches Methodenbewertung des MDK inklusive Auseinandersetzung mit der Studienlage) habe es bereits an einem wesentlichen Einschlusskriterium für die Teilnahme des Versicherten an einer Studie gefehlt. Die maßgebliche AIR2-Studie sehe einen FEV1-Wert von )/= 60 % vor, wohingegen der Versicherte vor dem Eingriff lediglich einen FEV1-Wert von 51 % aufgewiesen habe. Sein IgE-Wert sei nicht bekannt, so dass nicht beurteilt werden könne, ob eine medikamentöse Therapie als Alternative zur Verfügung gestanden habe. Mangels "Nikolaussituation" komme es auf die Möglichkeit einer Alternativbehandlung im Übrigen auch gar nicht an. Schließlich ermöglichten die strukturellen und personellen Anforderungen der BT bei komplikationslosem Verlauf nach Auffassung des MDK grundsätzlich eine Anwendung in ambulanter Form. Daher müsse auch die Notwendigkeit des stationären Vorgehens per se in Frage gestellt werden. Selbst wenn man die (stationäre) Durchführung einer BT im vorliegenden Fall für indiziert halten würde, hätte die Behandlung in einer Lungenfachklinik erfolgen müssen, zu denen das Krankenhaus der Klägerin nicht gehöre.
Das Sozialgericht hat die im Krankenhaus der Klägerin geführte Patientenakte über die in Rede stehende Behandlung des Versicherten beigezogen und mit Einverständnis der Beteiligten am 16.08.2018 ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden, wobei es der Klage in voller Höhe des eingeklagten Betrages von 3.296,73 EUR nebst Zinsen stattgegeben hat. Die Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Zeit vom 21. bis zum 23.09.2015 sei erforderlich gewesen (§ 12 Abs. 1 SGB V; § 3 S. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VV). Dies gelte auch dann, wenn es sich bei der BT um eine neue Behandlungsmethode handele, zu der der G-BA noch keine Empfehlung abgegeben habe. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen habe, dürften nach Maßgabe des § 137c Abs. 3 S. 1 (jedenfalls seit dem 23.07.2015) im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative böten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge. Dies gelte sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach § 137c Abs. 1 S. 1 SGB V gestellt worden sei, als auch für Methoden, deren Bewertung nach § 137c Abs. 1 SGB V noch nicht abgeschlossen sei (§ 137c Abs. 3 S. 2 SGB V). Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die BT sei eine Behandlungsmethode, die nach der klinischen Standardpraxis und der ihr zu Grunde liegenden Behandlungsempfehlungen nicht ambulant zu erbringen und im vorliegenden Fall von den Beschäftigten des Krankenhauses der Klägerin bei entsprechender Indikation nach den Regeln der ärztlichen Kunst bei dem Versicherten zur Anwendung gelangt sei. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der BT um eine neue Behandlungsmethode handele, zu deren Zulassung der G-BA eine Empfehlung abgeben müsse. Denn aus den Ausführungen des Herrn X sowie den vom MDK in seinen Stellungnahmen vom 26.10 und 03.11.2017 dargelegten wissenschaftlichen Berichten ergebe sich, dass die BT (bereits) im September 2015 im Sinne von § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V das Potential einer Behandlungsalternative geboten habe. Auch habe der G-BA bis September 2015 weder eine Ausschluss- noch eine Erprobung-Richtlinie (gemäß § 137c Abs. 1 S. 2 bzw. S. 3 SGB V) zu dieser Methode erlassen. Der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (etwa in dem Urteil vom 21.03 2013 - B 3 KR 2/12 R, an der es in dem Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R möglicherweise auch für die hier maßgebende seit dem 23.07.2015 geltende Rechtslage festgehalten habe), wonach § 137c (Abs. 3) SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis zur Anwendung von Methoden im Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden dürfe, sei nicht zu folgen. Diese Auffassung widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, der im Sinne einer Konkretisierung und Klarstellung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I S. 1211) mit Wirkung vom 23.07.2015 § 137c Abs. 3 SGB V geschaffen und in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/4095, S. 121 f.) seine Beweggründe sowie die Zielrichtung ausführlich dargelegt habe. Daraus folge für die Kammer unzweifelhaft, dass die bei dem Versicherten durchgeführte BT zu Lasten der Beklagten habe erbracht werden können und von dieser zu vergüten sei. Wenn das Bundessozialgericht (etwa in dem Beschluss vom 15.07.2015 - B 1 KR 23/15 B) und andere Gerichte (etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.2016 - L 5 KR 1101/16) meinten, die Einfügung von § 137c Abs. 3 SGB V (nebst § 137e SGB V) habe an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert und lediglich Raum für den G-BA geschaffen, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergebe, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt sei, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative biete, überschreite dies die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, da man sich hierdurch in klaren Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers setze.
Gegen dieses ihr am 13.09.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.09.2018 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf einer unzutreffenden, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts widersprechenden Auslegung des § 137c SGB V. Für die Anwendung einer neuen Methode im stationären Bereich reiche es - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht aus, dass diese zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung das Potential einer Behandlungsalternative zur herkömmlichen Therapie geboten habe. Das Qualitätsgebot gelte auch nach Einführung des § 137c Abs. 3 SGB V fort. Danach müsse die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworten und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden, Gegenstimmen abgesehen über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen. Dies setze im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen sei - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten. Der Erfolg müsse sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien zur Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie müsse in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. § 137c Abs. 3 SGB V sei nicht im Sinne einer generellen Ausweitung auf innovative Behandlungsmethoden zu verstehen, die dann im stationären Rahmen erfolgen könnten und dorthin verlagert würden. Die Vorschrift sei vielmehr eng auszulegen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung die schwersterkrankten Versicherten in den Blick genommen, deren Versorgung auch durch die Anwendung von Methoden auf einem Level unterhalb ausgewiesener Studien gestärkt, d.h. verbessert habe werden sollen (BT-Drs. 18/5123, Seite 135). § 137c Abs. 3 SGB V sei vor diesem Hintergrund im Sinne einer Fortführung des Gedankens des "Nikolausbeschlusses" des Bundesverfassungsgerichts anzusehen und allein darauf gerichtet, schwererkrankten Versicherten den Zugang zu erfolgversprechenden neuen Verfahren nicht zu versperren. Zudem ergebe sich, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten müsse. Dies könne nach der Gesetzesbegründung der Fall sein, wenn sie aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden sei, dass sie andere aufwändigere, für die Patienten invasivere oder nicht erfolgreiche Methoden ersetzen könne (BT-Drs. 18/4095, Seite 122). Im Wege des Umkehrschlusses ergebe sich daraus, dass nicht erforderliche oder im Verhältnis zu anerkannten Behandlungsmethoden invasivere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus nicht in den Anwendungsbereich von § 137c Abs. 3 SGB V fallen könnten. Zugleich ergebe sich aus der Voraussetzung der Erforderlichkeit der Behandlungsalternative, dass bereits dann ein Anspruch auf Kostentragung ausscheide, wenn vergleichbare, zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehörende Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden und angewendet werden könnten, die gegenüber der gewählten Untersuchungs- und Behandlungsmethode gleich wirksam oder/und invasiv seien. Das Bundessozialgericht habe in der Entscheidung vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R erneut bestätigt, dass die Änderung des § 137c SGB V und Einfügung der Regelung des §§ 137e SGB V durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert habe. Sie habe lediglich Raum für den G-BA geschaffen, Richtlinien zu Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des §§ 137c SGB V ergebe, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt sei, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative biete. Nach der bekannten Studienlage (unter Berücksichtigung der des Abschlussberichts des IQWIG und der Gutachten des MDK) weise die BT nicht das notwendige Potential im Sinne von § 137c Abs. 3 SGB V auf. Auch wenn die Methode inzwischen (2016) mit dem NUB-Status 2 bewertet werde, genüge dies nach den Kriterien der NUB-Vereinbarungen nicht. Auch in den nationalen Leitlinien werde die BT nicht als Behandlungsoption genannt. In der internationalen Leitlinie ERS/ATS werde ihre Anwendung lediglich im Rahmen von Studien befürwortet. Aus den im Berufungsverfahren angestellten Ermittlungen ergebe sich keine abweichende Beurteilung des Sachverhaltes. Der Versicherte sei 2014 in gebessertem Zustand und vollschichtig arbeitsfähig aus der Reha entlassen worden. Asthmabedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten seien danach bis zu der hier streitigen Behandlung nicht mehr aufgetreten, sodass von einer guten Einstellung des Versicherten unter Standardtherapie ausgegangen werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.08.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. In dem Urteil sei ausführlich dargelegt, dass und warum die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mit dem Willen des Gesetzgebers bzw. dem Regelungszweck des § 137c SGB V zu vereinbaren sei. Sie stellt klar, dass Gegenstand des Klageverfahrens "nur" ihr (Rest-) Anspruch gegenüber der Beklagten aus der Behandlung des Patienten I X1(Rechnungsnummer 000) i.H.v. 3.266,73 EUR ist.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes den Reha-Entlassungsbericht der M-Klinik C über den Aufenthalt des Versicherten vom 05. bis 26.05.2014 beigezogen.
Ferner ist Herr X um die Erstattung eines Befundberichts und nähere Erläuterung seiner Ausführungen gebeten worden, wonach eine medikamentöse Therapie des Versicherten sinnvoll nur "off-label" möglich gewesen sei. Herr X hat unter dem 18.10.2019 mitgeteilt, dass die Beschwerden des Versicherten täglich bestanden hätten und teilweise nur mit einer systemischen Cortison-Therapien zu lindern gewesen seien. Auf lange Sicht habe wegen der Co-Morbiditäten und der systemischen Cortison-Therapie eine die Lebenszeit verkürzende Erkrankung vorgelegen. Auch die Erkrankung selbst sei als lebenszeitverkürzend anzusehen. Die BT sei bei dem Versicherten mit der Zielsetzung der Lebensqualität- und Prognoseverbesserung zur Anwendung gelangt.
Der den Kläger seit 2012 behandelnden Facharzt für Innere Medizin und Pneumologen Dr. T hat in einem vom Senat angeforderten Befundbericht vom 10.07.2019 mitgeteilt, die Erkrankung des Versicherten sei zwar nicht akut, aber potentiell lebensgefährdend gewesen. Es habe sich in jedem Fall um ein zweifelsfrei sehr ausgeprägtes instabiles Asthma bronchiale gehandelt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakten und den Inhalt der beigezogen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Patientenakte der Klägerin zu dem Behandlungsfall des Versicherten), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Gegenstand der nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaften und im Übrigen zulässigen Berufung ist - nach entsprechender Reduzierung der Klageforderung im Berufungsverfahren nur noch - die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten aus dem Behandlungsfall I X1(Rechnungsnummer 000) die Zahlung von weiteren 3.266,73 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 verlangen kann.
B) Die Klage ist zwar als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 3.266,73 EUR aus dem Behandlungsfall I X1(Rechnungsnummer 000).
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 28.03.2017 - B 1 KR 29/16 R Rn. 9 m.w.N.).
1. Davon ausgehend war die Beklagte einem Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Behandlungsfall I X1, der sich in der Zeit vom 09. bis 23.03.2016 zur Behandlung eines Pleuraergusses zur stationären Behandlung in dem Krankenhaus der Klägerin befand, i.H.v. 4.206,43 EUR ausgesetzt. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die in der Rechnung 07.04.2016 ausgewiesene Forderung in voller Höhe gerechtfertigt war. Eine weitere Prüfung erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R Rn. 9 m.w.N.).
2. Diese Forderung ist jedoch durch (unstreitige) Teilzahlung eines Betrages von 939,70 EUR in dieser Höhe erfüllt (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB); im Übrigen - also in Höhe des Restbetrages von 3.266,77 EUR - gilt sie durch wirksame Aufrechnung als erloschen (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 389 BGB).
Eine Aufrechnung ist wirksam (vgl. dazu im Einzelnen etwa BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R Rn. 11 ff.), wenn bei bestehender Aufrechnungslage (§ 387 BGB - dazu b)) die Aufrechnung erklärt wird (§ 388 BGB - dazu a)) und keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen (dazu c)).
a) Die Aufrechnung als empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung erfolgt nach § 388 S 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Sie setzt voraus, dass sowohl die Hauptforderung (Passivforderung) als auch die Gegenforderung (Aktivforderung) hinreichend konkret bezeichnet werden. Die Erklärung braucht nicht ausdrücklich abgegeben zu werden, es genügt die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens, selbst wenn der wirkliche Wille nur unvollkommen oder andeutungsweise aus der Erklärung erkennbar wird. Dabei ist auf den für die Auslegung von Willenserklärungen (§ 133 BGB) maßgebenden objektiven Empfängerhorizont abzustellen (zum Ganzen BSG a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).
Hier hat die Beklagte spätestens durch das Schreiben vom 21.04.2016 klar gemacht, dass sie mit ihrem (behaupteten) Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten (Gegenforderung) gegen die unstreitige Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall I X1 (Hauptforderung) i.H.v. 3.266,73 EUR aufrechnen wollte. In Zusammenschau mit dem vorangegangenen rechnerischen Vollzug und der Ankündigung einer Aufrechnung in dem Schreiben vom 01.03.2016 liegen damit Handlungen und Äußerungen der Beklagten vor, die unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizontes von der Klägerin als Aufrechnungserklärung zu verstehen waren.
b) Eine Aufrechnungslage ist gegeben, wenn die in Rede stehenden Forderungen gleichartige Leistungen betreffen und die Beteiligten jeweils Gläubiger/Schuldner der Forderung sind, wobei die Hauptforderung erfüllbar und die Gegenforderung sowohl fällig als auch durchsetzbar sein muss (vgl. § 387 BGB).
aa) Die beiden Forderungen sind gleichartig, weil sowohl der (behauptete) Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten als auch der Vergütungsanspruch aus dem Behandlungsfall des I X1 auf Geldzahlung gerichtet sind.
Die Beteiligten sind jeweils wechselseitig Gläubigerin bzw. Schuldnerin dieser beiden Forderungen.
Die Hauptforderung aus dem Behandlungsfall des I X1 war erfüllbar. Denn die Beklagte konnte und durfte im Zeitpunkt der Aufrechnung auf den von der Klägerin am 07.04.2016 in Rechnung gestellten Betrag Zahlungen leisten.
bb) Für das Bestehen einer Aufrechnungslage kommt es damit letztlich entscheidend darauf an, ob die Gegenforderung - also der behauptete Erstattungsanspruch der Beklagten aus der Behandlung des Versicherten - im Zeitpunkt der Aufrechnung fällig und durchsetzbar war.
(1) Als Rechtsgrundlage hierfür kommt allein der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht, der voraussetzt, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R Rn. 9 m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 27.10.2016 - L 5 KR 132/16. m.w.N.). Das ist der Fall, wenn die Klägerin gegenüber der Beklagten für die hier in Rede stehende stationäre Behandlung des Versicherten einen Vergütungsanspruch von weniger als 3.266,73 EUR hatte.
Die (oben unter I.) bereits näher dargelegten Voraussetzungen eines Vergütungsanspruches für eine (vollstationäre) Krankenhausbehandlung sind nicht erfüllt, sodass die Klägerin von der Beklagten für die Behandlung des Versicherten vom 21. bis 23.09.2015 keine Vergütung zu beanspruchen hatte.
Dabei sei dahingestellt, ob die Voraussetzungen schon deshalb nicht vorliegen, weil die BT - wie die Beklagte behauptet - nicht den Bedingungen einer stationären Krankenhausversorgung bedurfte, sondern auch im Rahmen eines ambulanten Settings hätte durchgeführt werden können.
Denn bei der BT handelte es sich (jedenfalls im September 2015) um eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung von Versicherten nach dem SGB V. Die Behandlung war daher nicht im Sinne § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich mit der Folge, dass die Klägerin hierfür keine Vergütung beanspruchen kann.
(a) Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 28/15 Rn. 13 m.w.N.). Das Qualitätsgebot gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V und wird in § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V auch als allgemeiner Grundsatz des Leistungserbringungsrechts im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V ausdrücklich hervorgehoben. Somit gilt das Qualitätsgebot nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht. Das SGB V macht keine Ausnahme hiervon für die Krankenhausbehandlung. Die Leistungen der zur Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten zugelassenen Krankenhäuser müssen demzufolge grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot genügen, um überhaupt zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar zu sein (vgl. BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R m.w.N.).
Das Qualitätsgebot erfordert - wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt hat und was zwischen den Beteiligten wohl auch nicht streitig ist, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG a.a.O. Rn 14 m.w.N.).
Mit diesem strengen Maßstab schränkt das Bundessozialgericht die eher liberale Konzeption des Gesetzgebers in § 137c Abs. 1 und Abs. 3 SGB V nicht unerheblich ein (vgl. Makoski in jurisPR-MedizinR 3/2018 Anm. 3). Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen auch im Rahmen einer stationären Krankenhausversorgung also nur dann angewendet werden, wenn der Behandlungserfolg "aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode" abzulesen ist (vgl. dazu auch Hauck, GesR 2014, 257 sowie Clemens, KrV 2018, 1, 7 f.). Sobald diese Daten vorliegen, handelt es sich jedoch meist schon nicht mehr um eine "neuartige" Methode, sondern eine Methode im Rahmen des medizinischen Standards, die dann sogar zwingend anzuwenden ist (so Makoski a.a.O.).
(b) Ebenso wie der MDK und die Beklagte ist der Senat davon überzeugt, dass die Anwendung der BT (jedenfalls im September 2015) nicht dem Qualitätsgebot in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprach.
Wie in dem Konsiliargutachten des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung des MDK vom 26.10.2017 nachvollziehbar ausgeführt ist, war aus der damaligen Studienlage die Wirksamkeit der Methode nicht zweifelsfrei abzulesen. Denn es lagen insgesamt nur drei randomisierte Studien (AIR, AIR2, RISA) vor, die ihrerseits sowohl nicht unerhebliche Nebenwirkungen bzw. Gefahren der Behandlung beschrieben, sondern z.T. nicht einmal einen statistisch signifikanten Vorteil gegenüber einer Scheinbehandlung nachwiesen.
Die dagegen von der Beklagten unter Berufung auf die Ausführungen des Herrn X vorgebrachten Einwände überzeugen den Senat nicht. Selbst Herr X konstatiert, dass die BT den Patienten (lediglich) eine "Chance" biete, die Behandlungsergebnisse und damit ihre Lebensqualität zu verbessern. Den Einwänden des MDK - etwa zur Einbindung bestimmter Patientengruppen z.B. in die AIR2-Studie - stimmte er ausdrücklich zu.
Hinzu kommt, dass die BT in den Informationen des InEK nach § 6 Abs. 2 KHEntgG für 2015 mit der Statusziffer 4 und für die Zeit ab 2016 bis 2019 mit der Statusziffer 2 versehen war. Dies bedeutet, dass die übermittelten Informationen die Kriterien der NUB-Vereinbarung zur Bewertung der BT im Sinne des Verfahrens nicht ausreichend darstellten (Statusziffer 4, 2015) - hierauf wurde von der Beklagten bereits hingewiesen - bzw. ab 2016 (Statusziffer 2) die Methode die Kriterien der NUB-Vereinbarung nicht erfüllte.
Die BT mag daher im Sinne von § 137c Abs. 1 bzw. Abs. 3 SGB V ggf. das "Potential" einer erforderlichen Behandlungsalternative geboten haben. Die hohen, sich aus den §§ 2 und 12 SGB V ergebenden Anforderungen erfüllt(e) sie (jedenfalls 2015) nicht.
(c) Demzufolge streiten die Beteiligten zu Recht im Kern darum, ob sich aus § 137c (Abs. 3) SGB V ein davon abweichendes Ergebnis rechtfertigen lässt. Diese Frage ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat (weiterhin) anschließt, zu verneinen.
(aa) Dabei ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass die bisherige Grundkonzeption, d.h. dem "Vorrang" des Qualitätsgebots (s.o.), durch die mit Wirkung zum 01.01.2012 vorgenommene Änderung des § 137c SGB V bzw. die gleichzeitige Einfügung des § 137e SGB V durch das Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.2011 (BGBl I 2011, Seite 2983) unangetastet geblieben ist. Mit dieser Änderung wurde lediglich die Möglichkeit geschaffen, unter gewissen Voraussetzungen Erprobungsrichtlinien zu erlassen (vgl. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R Rn. 20-22).
(bb) Die mit Wirkung zum 23.07.2015 eingefügte Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I 2015, Seite 1211) hat den Vorrang des Qualitätsgebots in diesem Bereich ebenfalls nicht beseitigt. Auch dies hat das Bundessozialgericht bereits entschieden (vgl. Urteile vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R Rn. 16 ff. und vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R Rn. 23; zustimmend LSG NRW, Urteil vom 17.09.2019 - L 11 KR 10/17 Rn. 62 ff.; LSG Bayern, Urteil vom 27.11.2018 - L 20 KR 525/17 - Rn. 44 ff. sowie Mittelbach, NZS 2019 Seite 64 ff.; ablehnend Schifferdecker NZS 2018 Seite 698 ff.).
((1)) Seine Rechtauffassung, die der erkennende Senat für überzeugend hält, hat das Bundessozialgericht im Wesentlichen aus dem Gesetzeswortlaut und systematischen Erwägungen gewonnenen.
Aus der Formulierung in § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V "dürfen angewandt werden" könne - insbesondere im Vergleich zu der Formulierung in § 2 Abs. 1a SGB V "können beanspruchen" - abgeleitet werden, dass § 137c Abs. 3 SGB V keine Aussage zu Leistungsansprüchen von Versicherten treffe, sondern diese vielmehr voraussetze (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R Rn. 16).
Ferner sei der Zweck der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten an dem Qualitätsgebot zu berücksichtigen, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Mitteleinsatzes zu gewährleisten, dass eine nicht ausreichend erprobte Maßnahme nicht zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden dürfe (a.a.O. Rn. 17 ff.).
Schließlich hat das Bundessozialgericht (a.a.O Rn. 20) auf eine sachwidrige Ungleichbehandlung Versicherter und damit auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG für den Fall hingewiesen, dass der Vorrang des Qualitätsgebotes aufgegeben würde. Denn die Gruppe der Versicherten, die dem Qualitätsgebot entsprechende Leistungen benötigt, hätte einen rechtlich gesicherten Zugang zu diesen Leistungen auch dann, wenn sie im Inland überhaupt nicht oder jedenfalls nicht innerhalb des Leistungserbringungssystems zur Verfügung stehen oder rechtswidrig verweigert werden. Die Gruppe der Versicherten, die Potentialleistungen als Regelversorgung begehrte, hätte hingegen keinen rechtlich gesicherten Anspruch auf die Potentialleistungen. Würde die Potentialleistung im Inland nicht durch nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser erbracht, könnte diese Gruppe sich die Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen weder in Krankenhäusern außerhalb des Leistungserbringungssystems, sei es im Inland, sei es im Ausland, beschaffen, noch wäre eine Leistungsablehnung durch die Krankenkasse rechtswidrig mit der Folge der Selbstbeschaffungsmöglichkeit (§ 13 Abs 3 S 1 2. Var. SGB V).
((2)) Soweit von der Klägerin geltend gemacht und von dem Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung entscheidungstragend ausgeführt wird, die (nach Wortlaut, Systematik und Regelungsziel) vorgenommene Auslegung widerspreche dem in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/4095, S. 121 f.) unmissverständlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, hat sich das Bundessozialgericht auch damit (a.a.O. Rn. 23) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überzeugend auseinandergesetzt. Es hat u.a. darauf hingewiesen, dass die Gesetzesmaterialien nur mit Vorsicht und unterstützend sowie insgesamt nur insofern heranzuziehen seien, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen ließen und im Gesetzeswortlaut eine Stütze fänden.
Der Einwand, das Bundessozialgericht habe damit die Grenzen richterlicher Rechtsauslegung überschritten, greift nicht durch.
Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte stehen mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Einklang, wenn sie sich in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegen. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, dass gerichtliche Entscheidungen diesen Anforderungen genügen. Das schließt richterliche Rechtsfortbildung nicht aus. Sie gehört traditionell zu den Aufgaben der Rechtsprechung. Der Gesetzgeber hat sie anerkannt und den obersten Gerichtshöfen des Bundes die Aufgabe der Rechtsfortbildung (z.B. in § 41 Abs. 4 SGG) ausdrücklich überantwortet. Dies belässt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, in unerwünschte Rechtsentwicklungen korrigierend einzugreifen und so im Wechselspiel von Rechtsprechung und Rechtsetzung demokratische Verantwortung wahrzunehmen. Die Anwendung des einfachen Rechts obliegt den Fachgerichten, wobei sie den Methoden der Auslegung zu folgen haben. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben Wortlaut und Systematik den Gesetzesmaterialien eine Indizwirkung zu. So verwirklicht sich die in Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG vorgegebene Bindung der Gerichte an das Gesetz. Sie ist eine Bindung an die im Normtext zum Ausdruck gebrachte demokratische Entscheidung des Gesetzgebers, dessen Erwägungen zumindest teilweise in den Materialien dokumentiert sind. (vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 - 1 BvL 7/14 Rn. 73-75 und Beschluss vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17 Rn. 29-32 - beide m.w.N.).
Davon ausgehend sind hier die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung nicht überschritten. Denn wie oben näher ausgeführt, hat sich das Bundessozialgericht an den Herkömmlichen Auslegungsgrundsätzen (Wortlaut, Systematik, Telos) orientiert und hieraus seine Überzeugung gewonnen. Die Gesetzgebungsmaterialien hat es dabei ausdrücklich in seine Überlegungen einbezogen und diese lediglich im Rahmen einer Gesamtabwägung der einzelnen Auslegungsgesichtspunkte in den Hintergrundtreten lassen. Ein Hinwegsetzen über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers war damit nicht verbunden. Denn weder dem Gesetzeswortlauf noch der Gesetzesbegründung war zu entnehmen, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 137c Abs. 3 SGB V den Vorrang des Qualitätsgebotes und damit die bisherige Grundkonzeption aufgeben wollte. Dies ist - nach Überzeugung des Senats - vielmehr erst durch die jüngste am 18.12.2019 in Kraft getretene Änderung des § 137c durch das Implantateregister-Einrichtungsgesetz vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019 Seite 2494) geschehen, indem § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V (erstmals) als Anspruchsnorm ausgestaltet und dazu flankierend die leistungsrechtliche Bestimmung in § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V entsprechend angepasst wurde.
(d) Entsprach die Anwendung der BT (jedenfalls im September 2015) nicht dem Qualitätsgebot und ergibt sich aus § 137c Abs. 3 SGB V keine andere Beurteilung des Falles, kommt eine Vergütung der von den Mitarbeitern des Krankenhauses der Klägerin erbrachten Leistungen hier auch nicht ausnahmsweise unter dem Aspekt der grundrechtsorientierten Leistungsauslegung nach den Vorgaben in § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V in Betracht (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 Rn. 31).
Nach § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V können nur Versicherte mit einer lebensbedrohlichen, einer regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer damit zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine vom Qualitätsgebot abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Ob mittels BT im Falle des Versicherten eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestand, kann offenbleiben. Denn es fehlt jedenfalls an einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer damit zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung und damit an einer nach § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V erforderlichen notstandsähnlichen Situation (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 19.03.2020 - B 1 KR 22/18 R sowie BSG, Urteil vom 20.03.2018 - B 1 KR 4/17 R Rn. 21).
Die notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 20.03.2018 - B 1 KR 4/17 R Rn. 21).
Nach diesem Maßstab sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V mit Blick auf die Ausführungen des Herrn X und des Dr. T in ihren Berichten vom 18.10.2019 bzw. 10.07.2019 nicht als erfüllt anzusehen. Denn keiner der beiden Ärzte hat auf die entsprechend formulierte Frage des Senats eine unmittelbar lebensbedrohliche Situation bzw. einen in dieser Hinsicht rapiden Krankheitsverlauf beschrieben. Insbesondere Herr X hat sich in seinem Bericht lediglich auf die potentiell - und damit nicht akut - lebensverkürzende Wirkung der systemischen Therapie bezogen. Der beigezogene Reha-Entlassungsbericht der M-Klinik C vom 23.07.2014 bestätigt zwar den durchaus schweren Krankheitsverlauf, eine notstandsähnliche Situation ergibt sich jedoch auch aus diesem Bericht nicht. Der Versicherte wurde vielmehr nach "gewisser Stabilisierung des Allgemeinzustandes" als in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitsfähig für seine zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit entlassen. Gegen das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation im Behandlungszeitpunkt spricht - wie bereits der MDK in seiner Stellungnahme vom 03.11.2017 zu Recht angemerkt hat - schließlich auch, dass der Versicherte elektiv in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen wurde.
(2) Die Erstattungsforderung ist im Augenblick der Überzahlung (d.h. hier wohl noch im Jahr 2015) entstanden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 Rn. 44 m.w.N.) und war damit im Zeitpunkt der Aufrechnung auch fällig. Denn mangels Sonderregelung - § 15 Abs. 1 S. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V findet auf Erstattungsforderungen keine Anwendung - trat Fälligkeit nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 271 Abs. 1 BGB) mit dem Entstehen des Anspruches ein.
Gegen die Durchsetzbarkeit der Erstattungsforderung bestehen keine Bedenken. Einreden hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
c) Aufrechnungsverbote greifen nicht ein. Weder §§ 8 f. PrüfvV 2015 noch § 15 Abs. 4 S. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V stehen der Wirksamkeit der Aufrechnung entgegen.
aa) Die Regelungen der PrüfvV 2015 finden auf den vorliegenden Fall Anwendung. Denn die Vereinbarung ist zum 01.09.2014 in Kraft getreten (vgl. § 12 S. 1 PrüfvV 2015) und gilt für die Überprüfung bei Patienten, die - wie hier der Versicherte - ab dem 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind (§ 12 S. 2 PrüfvV 2015). Sie ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar, da eine Auffälligkeitsprüfung durchgeführt wurde, die - anders als eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung eines Krankenhauses - der Anwendung der PrüfvV 2015 unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 18/16 R). In § 2 Abs. 1 PrüfvV 2015 ist insoweit bestimmt, dass "diese Vereinbarung für die gutachtlichen Stellungnahmen nach § 275 Abs. 1c SGB V zur Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V" gilt. Die Beklagte hat den MDK unter ausdrücklichem Hinweis auf § 275 Abs. 1c SGB V wegen "Auffälligkeiten" mit der Prüfung der Abrechnung des Behandlungsfalles beauftragt. Auch die an den MDK gerichteten Fragen (Bestand die medizinische Indikation zu einer bronchoskopischen Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur (OPS 5-320.5)? War die stationäre Aufnahme sowie die Verweildauer medizinisch notwendig?) betrafen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V), sodass es um eine Auffälligkeitsprüfung und nicht um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ging.
Die näheren Vorgaben, die § 9 PrüfvV 2015 für Aufrechnungen macht, sind eingehalten. Denn zum einen liegt zwischen der Behandlung in der Aufrechnung ein Zeitraum von deutlich weniger als 9 Monaten (vgl. § 9 S. 1 i.V.m. § 8 S. 3 PrüfvV 2015). Zum anderen hat die Beklagte die Hauptforderung (also die Forderung aus dem Behandlungsfall des I Werner), gegen die sie mit ihrem Erstattungsanspruch aufgerechnet hat, hinreichend konkret benannt (vgl. § 9 S. 2 PrüfvV 2015).
bb) Damit steht auch § 15 Abs. 4 S. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V einer Aufrechnung nicht entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob § 9 PrüfvV 2015 ein sich aus § 15 Abs. 4 S. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V ergebendes Aufrechnungsverbot als Spezialregelung verdrängt (so Urteil des erkennenden Senats vom 26.04.2018 - L 5 KR 593/17 Rn. 28) oder ein solches Aufrechnungsverbot im Anwendungsbereich von § 9 PrüvV 2015 nicht nur nachrangig, sondern sogar nichtig ist (so BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R Rn. 25-27).
II. Da die Klägerin schon mit ihrer Hauptforderung nicht durchdringt, liegen auch die Voraussetzungen für den geltend gemachten Zinsanspruch (gemäß § 15 Abs. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V) nicht vor.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
D) Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG sind nicht erfüllt, weil sich die Entscheidung an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 137c SGB V orientiert.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung einer Rechnung über stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassenes Krankenhaus in Jülich.
Dort wurde der 1963 geborene, berufstätige und bei der Beklagten krankenversicherte B V (im Folgenden: der Versicherte) in der Zeit vom 21. bis zum 23.09.2015 vollstationär behandelt. Er litt nach langjährigem Verlauf (erstmalige Schilderung einer Asthma-Symptomatik 1991) unter einem schweren nicht kontrollierten Asthma bronchiale mit Zeichen eines "airway remodeling" und teilfixierter Obstruktion sowie nahezu dauerhafter systemischer Steroidbedürftigkeit. Unter "airway remodeling" versteht man einen pathologischen Umbauprozess der Atemwege, bei dem elastische Fasern zunehmend durch Kollagenfasern ersetzt werden, wodurch sich die Bronchialwände verdicken und die Lungenfunktion immer weiter verschlechtert.
Seit 2013 war der Versicherte wegen dieser Erkrankung wiederholt arbeitsunfähig. Vom 05. bis 26.05.2014 absolvierte er zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre Reha-Maßnahme in der M-Klinik C.
Die geplante Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus der Klägerin erfolgte zur Durchführung einer "bronchialen Thermoplastie" (BT), die am 21.09.2015 durchgeführt wurde, nachdem zuvor (leitliniengerecht) eine medikamentöse Behandlung stattgefunden hatte. Eine erneute BT war für den 02.11.2015 geplant. Bei der BT, die hier von dem Oberarzt der Klinik - Facharzt für Innere Medizin Pneumologie - X vorgenommen wurde, wird ein kleiner Schlauch mit Hilfe eines flexiblen Bronchoskops durch Mund oder Nase in die Luftröhre des Patienten eingeführt. Durch hochfrequente elektromagnetische Wellen wird kontrolliert Wärme an die Wände der Atemwege abgegeben, wodurch sich die glatte Muskulatur in den Bronchialwänden zurückbildet und die Verkrampfung der Bronchienmuskulatur längerfristig entspannt. Der Eingriff wird unter Vollnarkose durchgeführt und dauert etwa eine halbe Stunde. Nach einigen Tagen kann der Patient die Klinik wieder verlassen. Für eine vollständige BT-Behandlung sind üblicherweise drei Sitzungen erforderlich, die im Abstand von jeweils etwa einem Monat durchgeführt werden. (vgl. dazu etwa https://www.florence-nightingale-krankenhaus.de/de/leistungsspektrum/kliniken/klinik-fuer-pneumologie-kardiologie-und-internistische-intensivmedizin/klinikleistungen/bronchiale-thermoplastie.html sowie https://www.lungeninformationsdienst.de/aktuelles/news/alle-news-im-ueberblick/aktuelles/article/wie-wirkt-die-bronchiale-thermoplastie//index.html - beide abgerufen am 28.05.2020)
Für die Krankenhausbehandlung vom 21. bis zum 23.09.2015 stellte die Klägerin der Beklagten mit Datum vom 29.09.2015 auf der Grundlage der Fallpauschale (DRG) E02C (Andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen ohne aufwändigen Eingriff, ohne schwerste CC, Alter 9 Jahre, mehr als ein Belegungstag) bei weiterer Kodierung des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 5-320.5 (Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe eines Bronchus: bronchoskopische Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur) - nach Abzug einer Eigenbeteiligung des Versicherten i.H.v. 30 EUR - einen Betrag i.H.v. 3.266,73 EUR in Rechnung.
Diese Forderung beglich die Beklagte vollständig, beauftragte aber wegen "Auffälligkeiten" (unter ausdrücklichem Hinweis auf § 275 Abs. 1c SGB V) den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung des Behandlungsfalles (Fragen an den MDK: Bestand die medizinische Indikation zu einer bronchoskopischen Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur (OPS 5-320.5)? War die stationäre Aufnahme sowie die Verweildauer medizinisch notwendig?). In einer gutachtlichen Stellungnahme vom 26.02.2016 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass eine "primäre Fehlbelegung" vorliege. Die BT entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und falle daher außerhalb von Studien und Erprobungsverfahren nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Medikamentöse Alternativen ständen zur Verfügung.
Unter dem 01.03.2016 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis des MDK-Gutachtens mit und wies darauf hin, dass sich ein strittiger Betrag von 3.296,73 EUR ergebe. Die Klägerin möge die Abrechnung bis zum 29.03.2016 korrigieren. Anderenfalls werde sie den überzahlten Betrag verrechnen.
Da die Klägerin den erhaltenen Betrag nicht erstattete, rechnete die Beklagte mit ihrem (vermeintlichen) Rückforderungsanspruch i.H.v. 3.266,73 EUR gegen den (unstreitigen) Zahlungsanspruch der Klägerin aus dem Behandlungsfall des Versicherten I X1(Rechnung vom 07.04.2016, Fallnummer xxx, Rechnungsnummer 000, Rechnungsforderung 4.206,43 EUR) auf, worüber sie die Klägerin mit Schreiben vom 21.04.2016 informierte.
Die Klägerin wandte vorprozessual ein, die Methodenbewertung unterliege der abschließenden Zuständigkeit des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der zu der BT bislang noch nicht Stellung genommen habe. Da somit ein Anwendungsverbot nicht vorliege, sei die Methode zur (stationären) Behandlung von Versicherten in der GKV erlaubt (§ 137c SGB V). Es handele sich bei der BT auch nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne von § 6 Abs. 2 KHEntgG und ebenso nicht um ein (unbewertetes, zu verhandelndes) Zusatzentgelt. Denn sie sei nach P001f der Kodierrichtlinien (DKR) eindeutig mit dem OPS 5-320.5 abzubilden, was zur Abrechnung nach der Basis DRG E02 führe. Ferner legte die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme des Herrn X vom 13.04.2016 vor, in der dieser unter Darstellung der wissenschaftlichen Evidenz die Behandlung des Versicherten rechtfertigte. Die Kunst der Behandlung mittels BT liege in der Auswahl und Rekrutierung der entsprechenden Patienten sowie einem guten periinterventionellen Management. Deshalb solle die BT in der Hand erfahrener Pneumologen bleiben, was in dem Krankenhaus der Klägerin gewährleistet sei.
Am 25.10.2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Aachen erhoben. Ergänzend zu ihren vorprozessualen Ausführungen hat sie geltend gemacht, die BT sei eine medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, die den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entspreche, weil die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworte und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehe" (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R). Die BT finde seit über 10 Jahren (inzwischen auch in mehreren Kliniken in der Bundesrepublik) Anwendung und werde in evidenzbasierten Therapie-Leitlinien berücksichtigt. Sie sei daher als bereits etabliert anzusehen. Die Methode habe z.B. Eingang in die GINA (Global Initiative for Asthma) -Guidelines, die Empfehlungen der BTS (British Thoracic Society) zum Management des Asthma und die ERS/ATS (European Respiratory Society/American Thoracic Society)-Guidelines gefunden. Die in einer Projektstudie (Feasibility) erhobenen Daten zeigten zum einen eine hohe Sicherheit für die so behandelten Patienten und zum anderen eine Reduktion der bronchialen Hyperreagibilität im inhalativen Provokationstest mit Metacholin. In der (an 112 Patienten durchgeführten) AIR-Studie hätten sich nach der Behandlung mittels BT bei den Patienten einige signifikante Verbesserungen im Vergleich zu der Kontrollgruppe gezeigt: Pro Patient durchschnittlich 10 leichtgradige Asthma-Exazerbationen weniger pro Jahr, 400 Hübe weniger Rescue-Medikation, 86 symptomfreie Tage mehr pro Jahr, bessere peak-flow-Werte und eine verbesserte Lebensqualität sowohl im ACQ (Asthma Control Questionnaire) als auch im AQLQ (Asthma Quality of Life Questionnaire). Besonders günstig seien die Ergebnisse bei gleichzeitiger hochdosierter ICS-Therapie gewesen. Die Verbesserung des FEV1-Wertes und der Metacholin P20-Provokation seien in der AIR-Studie zwar nicht signifikant gewesen, allerdings habe eine erhebliche Verbesserung der Lungenfunktion in der RISA-Studie belegt werden können. Verbesserungen in der Häufigkeit der Reliever-Anwendungen und in der Lebensqualität seien bestätigt worden. Die RISA-Studie habe jedoch auch gezeigt, dass mit einer vorübergehenden Verschlechterung der Asthmasymptome in den ersten sieben Tagen zu rechnen sei. Die AIR2-Studie sei randomisiert gewesen, doppelblind mit Scheinprozeduren und habe 288 Patienten in 30 Zentren eingeschlossen. Die positiven Ergebnisse der vorherigen Studien hätten damit auf einem sehr hohen Evidenzniveau bestätigt werden können. Obwohl sich diese Methode in allen Untersuchungen durch eine hohe Sicherheit ausgezeichnet habe, seien in Einzelfällen dennoch Komplikationen wie Hämoptysen, Atelektasen oder Pleuritis aufgetreten. Die Beschwerdesymptomatik des Patienten dürfe keine wesentlichen anderen Ursachen haben und die konservative Therapie des Asthmas solle über einen angemessen langen Zeitraum optimal durchgeführt worden sein. Die bronchoskopischen Prozeduren müssten akribisch genau und routiniert durchgeführt werden. Der mechanische Reiz des Bronchoskops in den Atemwegen könne einen schweren Asthmaanfall sofort oder nach einem Intervall auslösen. Deshalb seien nur Einrichtungen geeignet, die solche Risikosituationen sicher beherrschen könnten. Unter diesen Voraussetzungen sei der positive Effekt allerdings gut belegt und könne über fünf bis sieben Jahre anhalten. Es gebe einen ersten Hinweis dafür, dass auch die Eosinophilenzahl im Blut vermindert und möglicherweise die systemische Inflammation beim Asthma positiv beeinflusst werde. Die BT, die allein ohne pharmakologische Zwischenschritte direkt an der Bronchialmuskulatur ansetze, erweitere damit das therapeutische Spektrum. Durch die Rückbildung der pathologisch hypertrophierten Bronchialmuskulatur werde eine wesentliche Ursache der Bronchialkonstriktion langfristig günstig beeinflusst. Alle anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapieverfahren würden dabei nicht beeinträchtigt und könnten deshalb leitliniengerecht weitergeführt werden. Im Anschluss an die initiale Therapiephase seien nach den bisherigen Erkenntnissen langfristig keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten. Die BT könne damit für geeignete Patienten eine zusätzlich zur medikamentösen Therapie eigenständig wirksame und deshalb besonders wertvolle Säule in der Therapie des schweren Asthmas sein. Medikamentöse oder rehabilitative Alternativen hätten im vorliegenden Fall nicht zur Verfügung gestanden. Eine denkbare Therapie mittels Anitcholerinergika IgE (Omalizumab) sei bereits von vorbehandelnden Pneumologen verworfen worden, da es im Falle des Versicherten mangels hoher IgE-Werte an einer Indikation gefehlt habe. Eine "Therapie-Eskalation" mit Omalizumab (zu dem Zeitpunkt das einzige Präparat auf dem Markt mit Eskalationsmöglichkeit) wäre sinnvoll nur "off-label" möglich gewesen. § 137c Abs. 3 SGB V (in der seit dem 23.07.2015 geltenden Fassung) stehe dem Vorgehen der Klägerin nicht entgegen, da das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.12.2018 - B 1 KR 17/17 R (zur Lungenvolumenreduktion durch Coils) mit dem Regelungszweck des § 137c Abs. 3 SGB V nicht in Einklang zu bringen sei. Schließlich hat sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf eine Parallelentscheidung des Sozialgerichts Aachen (Urteil vom 20.06.2018 - S 1 KR 84/17 nachgehend LSG NRW - L 5 KR 540/18) gestützt, in dem entschieden worden sei, dass der BT nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative abgesprochen werden könne.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.296,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.05.2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe die zu beachtenden Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsstandards nicht eingehalten. Die BT sei eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, deren Wirksamkeit nicht hinreichend durch Studien belegt sei. Das Institut für das Entgeltsystem (InEK) im Krankenhaus habe sie 2015 mit dem niedrigsten Status (NUB 4) bewertet. Daraus folge, dass die Kriterien für eine Bewertung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG nicht erfüllt seien. Aus diesem Grund habe die Klägerin unzulässigerweise wohl auch eine Kodierung nach dem OPS 5-320.5 vorgenommen. Im stationären Bereich bedürfe eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode zwar grundsätzlich keiner besonderen Zulassung und sei nur dann ausgeschlossen, wenn der G-BA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben habe (§ 137c SGB V). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R und vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R) ergebe sich jedoch auch aus § 137c SGB V keine generelle Erlaubnis zur Anwendung aller beliebigen Methoden im stationären Bereich. Vielmehr sei ein Krankenhaus auch dann, wenn (noch) kein Verbot einer konkreten Behandlungsmaßnahme ausgesprochen worden sei, im konkreten Einzelfall nicht von der Einhaltung des Qualitätsgebotes nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V und dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V entbunden. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V gebe vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen hätten. Hierzu genüge es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte gewirkt habe. Ferner sei es nicht Aufgabe der Krankenkassen medizinische Forschung zu finanzieren. Die BT genüge dem Qualitätsmaßstab des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V nicht. Insoweit sei die Situation im vorliegenden Fall nicht anders zu beurteilen als bei der Lungenvolumenreduktion durch Coils, wozu das Bundessozialgericht in dem Urteil vom 19.12.2018 - B 1 KR 17/17 R entschieden habe, dass das Qualitätsgebot durch § 137c nicht außer Kraft gesetzt werde. Im Übrigen habe die Klägerin selbst angegeben, die BT erst seit Ende 2013 an 30 Patienten erprobt zu haben. Aus den von ihr angeführten Studien ergebe sich ferner nicht, dass es sich um eine evidenzbasierte Methode handele, sondern eher um eine experimentelle Behandlungsform für einen sehr eingegrenzten Personenkreis, was sich insbesondere aus den mitgeteilten Komplikationen entnehmen lasse. In den von der Klägerin benannten Studien hätten sich keine signifikanten Vorteile der BT gegenüber einer Scheinbehandlung gezeigt bzw. die sich daraus ergebenden Empfehlungen zu Gunsten der BT seien nur zurückhaltend ausgefallen. Auch unter Berücksichtigung des Abschlussberichts des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen - IQWIG - (abrufbar unter www.iqwig.de/downloads/N14-04 Abschlussbericht LVR-beim-schweren-Lungenemphysem.pdf - Fazit) sei weiter davon auszugehen, dass die Wirksamkeit der BT wissenschaftlich nicht belegt sei und mangels eindeutiger Studienlage nicht den Qualitätskriterien entspreche. Eine Anwendung der Methode komme aktuell nur im Rahmen von Studien in Betracht. Dass der Versicherte im Rahmen einer solchen Studie behandelt worden sei, sei jedoch ebenso wenig ersichtlich wie der Umstand, dass die (medikamentöse) Standardtherapie nicht habe durchgeführt werden können. Nach Prüfung der Patientenakte durch den MDK (Gutachten vom 03.11.2017 nebst Anlage vom 26.10.2017 des Fachbereiches Methodenbewertung des MDK inklusive Auseinandersetzung mit der Studienlage) habe es bereits an einem wesentlichen Einschlusskriterium für die Teilnahme des Versicherten an einer Studie gefehlt. Die maßgebliche AIR2-Studie sehe einen FEV1-Wert von )/= 60 % vor, wohingegen der Versicherte vor dem Eingriff lediglich einen FEV1-Wert von 51 % aufgewiesen habe. Sein IgE-Wert sei nicht bekannt, so dass nicht beurteilt werden könne, ob eine medikamentöse Therapie als Alternative zur Verfügung gestanden habe. Mangels "Nikolaussituation" komme es auf die Möglichkeit einer Alternativbehandlung im Übrigen auch gar nicht an. Schließlich ermöglichten die strukturellen und personellen Anforderungen der BT bei komplikationslosem Verlauf nach Auffassung des MDK grundsätzlich eine Anwendung in ambulanter Form. Daher müsse auch die Notwendigkeit des stationären Vorgehens per se in Frage gestellt werden. Selbst wenn man die (stationäre) Durchführung einer BT im vorliegenden Fall für indiziert halten würde, hätte die Behandlung in einer Lungenfachklinik erfolgen müssen, zu denen das Krankenhaus der Klägerin nicht gehöre.
Das Sozialgericht hat die im Krankenhaus der Klägerin geführte Patientenakte über die in Rede stehende Behandlung des Versicherten beigezogen und mit Einverständnis der Beteiligten am 16.08.2018 ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden, wobei es der Klage in voller Höhe des eingeklagten Betrages von 3.296,73 EUR nebst Zinsen stattgegeben hat. Die Krankenhausbehandlung des Versicherten in der Zeit vom 21. bis zum 23.09.2015 sei erforderlich gewesen (§ 12 Abs. 1 SGB V; § 3 S. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VV). Dies gelte auch dann, wenn es sich bei der BT um eine neue Behandlungsmethode handele, zu der der G-BA noch keine Empfehlung abgegeben habe. Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen habe, dürften nach Maßgabe des § 137c Abs. 3 S. 1 (jedenfalls seit dem 23.07.2015) im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative böten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolge. Dies gelte sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach § 137c Abs. 1 S. 1 SGB V gestellt worden sei, als auch für Methoden, deren Bewertung nach § 137c Abs. 1 SGB V noch nicht abgeschlossen sei (§ 137c Abs. 3 S. 2 SGB V). Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Die BT sei eine Behandlungsmethode, die nach der klinischen Standardpraxis und der ihr zu Grunde liegenden Behandlungsempfehlungen nicht ambulant zu erbringen und im vorliegenden Fall von den Beschäftigten des Krankenhauses der Klägerin bei entsprechender Indikation nach den Regeln der ärztlichen Kunst bei dem Versicherten zur Anwendung gelangt sei. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der BT um eine neue Behandlungsmethode handele, zu deren Zulassung der G-BA eine Empfehlung abgeben müsse. Denn aus den Ausführungen des Herrn X sowie den vom MDK in seinen Stellungnahmen vom 26.10 und 03.11.2017 dargelegten wissenschaftlichen Berichten ergebe sich, dass die BT (bereits) im September 2015 im Sinne von § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V das Potential einer Behandlungsalternative geboten habe. Auch habe der G-BA bis September 2015 weder eine Ausschluss- noch eine Erprobung-Richtlinie (gemäß § 137c Abs. 1 S. 2 bzw. S. 3 SGB V) zu dieser Methode erlassen. Der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (etwa in dem Urteil vom 21.03 2013 - B 3 KR 2/12 R, an der es in dem Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R möglicherweise auch für die hier maßgebende seit dem 23.07.2015 geltende Rechtslage festgehalten habe), wonach § 137c (Abs. 3) SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis zur Anwendung von Methoden im Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden dürfe, sei nicht zu folgen. Diese Auffassung widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, der im Sinne einer Konkretisierung und Klarstellung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I S. 1211) mit Wirkung vom 23.07.2015 § 137c Abs. 3 SGB V geschaffen und in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/4095, S. 121 f.) seine Beweggründe sowie die Zielrichtung ausführlich dargelegt habe. Daraus folge für die Kammer unzweifelhaft, dass die bei dem Versicherten durchgeführte BT zu Lasten der Beklagten habe erbracht werden können und von dieser zu vergüten sei. Wenn das Bundessozialgericht (etwa in dem Beschluss vom 15.07.2015 - B 1 KR 23/15 B) und andere Gerichte (etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.2016 - L 5 KR 1101/16) meinten, die Einfügung von § 137c Abs. 3 SGB V (nebst § 137e SGB V) habe an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert und lediglich Raum für den G-BA geschaffen, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergebe, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt sei, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative biete, überschreite dies die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, da man sich hierdurch in klaren Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers setze.
Gegen dieses ihr am 13.09.2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.09.2018 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Entscheidung des Sozialgerichts beruhe auf einer unzutreffenden, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts widersprechenden Auslegung des § 137c SGB V. Für die Anwendung einer neuen Methode im stationären Bereich reiche es - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht aus, dass diese zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung das Potential einer Behandlungsalternative zur herkömmlichen Therapie geboten habe. Das Qualitätsgebot gelte auch nach Einführung des § 137c Abs. 3 SGB V fort. Danach müsse die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürworten und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden, Gegenstimmen abgesehen über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen. Dies setze im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen sei - zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten. Der Erfolg müsse sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien zur Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie müsse in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. § 137c Abs. 3 SGB V sei nicht im Sinne einer generellen Ausweitung auf innovative Behandlungsmethoden zu verstehen, die dann im stationären Rahmen erfolgen könnten und dorthin verlagert würden. Die Vorschrift sei vielmehr eng auszulegen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung die schwersterkrankten Versicherten in den Blick genommen, deren Versorgung auch durch die Anwendung von Methoden auf einem Level unterhalb ausgewiesener Studien gestärkt, d.h. verbessert habe werden sollen (BT-Drs. 18/5123, Seite 135). § 137c Abs. 3 SGB V sei vor diesem Hintergrund im Sinne einer Fortführung des Gedankens des "Nikolausbeschlusses" des Bundesverfassungsgerichts anzusehen und allein darauf gerichtet, schwererkrankten Versicherten den Zugang zu erfolgversprechenden neuen Verfahren nicht zu versperren. Zudem ergebe sich, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten müsse. Dies könne nach der Gesetzesbegründung der Fall sein, wenn sie aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit der Erwartung verbunden sei, dass sie andere aufwändigere, für die Patienten invasivere oder nicht erfolgreiche Methoden ersetzen könne (BT-Drs. 18/4095, Seite 122). Im Wege des Umkehrschlusses ergebe sich daraus, dass nicht erforderliche oder im Verhältnis zu anerkannten Behandlungsmethoden invasivere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus nicht in den Anwendungsbereich von § 137c Abs. 3 SGB V fallen könnten. Zugleich ergebe sich aus der Voraussetzung der Erforderlichkeit der Behandlungsalternative, dass bereits dann ein Anspruch auf Kostentragung ausscheide, wenn vergleichbare, zum Leistungskatalog der Krankenkassen gehörende Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden und angewendet werden könnten, die gegenüber der gewählten Untersuchungs- und Behandlungsmethode gleich wirksam oder/und invasiv seien. Das Bundessozialgericht habe in der Entscheidung vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R erneut bestätigt, dass die Änderung des § 137c SGB V und Einfügung der Regelung des §§ 137e SGB V durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz an der bisherigen Grundkonzeption nichts geändert habe. Sie habe lediglich Raum für den G-BA geschaffen, Richtlinien zu Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des §§ 137c SGB V ergebe, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt sei, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative biete. Nach der bekannten Studienlage (unter Berücksichtigung der des Abschlussberichts des IQWIG und der Gutachten des MDK) weise die BT nicht das notwendige Potential im Sinne von § 137c Abs. 3 SGB V auf. Auch wenn die Methode inzwischen (2016) mit dem NUB-Status 2 bewertet werde, genüge dies nach den Kriterien der NUB-Vereinbarungen nicht. Auch in den nationalen Leitlinien werde die BT nicht als Behandlungsoption genannt. In der internationalen Leitlinie ERS/ATS werde ihre Anwendung lediglich im Rahmen von Studien befürwortet. Aus den im Berufungsverfahren angestellten Ermittlungen ergebe sich keine abweichende Beurteilung des Sachverhaltes. Der Versicherte sei 2014 in gebessertem Zustand und vollschichtig arbeitsfähig aus der Reha entlassen worden. Asthmabedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten seien danach bis zu der hier streitigen Behandlung nicht mehr aufgetreten, sodass von einer guten Einstellung des Versicherten unter Standardtherapie ausgegangen werden könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.08.2018 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. In dem Urteil sei ausführlich dargelegt, dass und warum die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht mit dem Willen des Gesetzgebers bzw. dem Regelungszweck des § 137c SGB V zu vereinbaren sei. Sie stellt klar, dass Gegenstand des Klageverfahrens "nur" ihr (Rest-) Anspruch gegenüber der Beklagten aus der Behandlung des Patienten I X1(Rechnungsnummer 000) i.H.v. 3.266,73 EUR ist.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes den Reha-Entlassungsbericht der M-Klinik C über den Aufenthalt des Versicherten vom 05. bis 26.05.2014 beigezogen.
Ferner ist Herr X um die Erstattung eines Befundberichts und nähere Erläuterung seiner Ausführungen gebeten worden, wonach eine medikamentöse Therapie des Versicherten sinnvoll nur "off-label" möglich gewesen sei. Herr X hat unter dem 18.10.2019 mitgeteilt, dass die Beschwerden des Versicherten täglich bestanden hätten und teilweise nur mit einer systemischen Cortison-Therapien zu lindern gewesen seien. Auf lange Sicht habe wegen der Co-Morbiditäten und der systemischen Cortison-Therapie eine die Lebenszeit verkürzende Erkrankung vorgelegen. Auch die Erkrankung selbst sei als lebenszeitverkürzend anzusehen. Die BT sei bei dem Versicherten mit der Zielsetzung der Lebensqualität- und Prognoseverbesserung zur Anwendung gelangt.
Der den Kläger seit 2012 behandelnden Facharzt für Innere Medizin und Pneumologen Dr. T hat in einem vom Senat angeforderten Befundbericht vom 10.07.2019 mitgeteilt, die Erkrankung des Versicherten sei zwar nicht akut, aber potentiell lebensgefährdend gewesen. Es habe sich in jedem Fall um ein zweifelsfrei sehr ausgeprägtes instabiles Asthma bronchiale gehandelt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakten und den Inhalt der beigezogen Akten (Verwaltungsvorgänge der Beklagten und Patientenakte der Klägerin zu dem Behandlungsfall des Versicherten), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Gegenstand der nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaften und im Übrigen zulässigen Berufung ist - nach entsprechender Reduzierung der Klageforderung im Berufungsverfahren nur noch - die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten aus dem Behandlungsfall I X1(Rechnungsnummer 000) die Zahlung von weiteren 3.266,73 EUR nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 verlangen kann.
B) Die Klage ist zwar als (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von weiteren 3.266,73 EUR aus dem Behandlungsfall I X1(Rechnungsnummer 000).
Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 28.03.2017 - B 1 KR 29/16 R Rn. 9 m.w.N.).
1. Davon ausgehend war die Beklagte einem Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Behandlungsfall I X1, der sich in der Zeit vom 09. bis 23.03.2016 zur Behandlung eines Pleuraergusses zur stationären Behandlung in dem Krankenhaus der Klägerin befand, i.H.v. 4.206,43 EUR ausgesetzt. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die in der Rechnung 07.04.2016 ausgewiesene Forderung in voller Höhe gerechtfertigt war. Eine weitere Prüfung erübrigt sich insoweit (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R Rn. 9 m.w.N.).
2. Diese Forderung ist jedoch durch (unstreitige) Teilzahlung eines Betrages von 939,70 EUR in dieser Höhe erfüllt (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB); im Übrigen - also in Höhe des Restbetrages von 3.266,77 EUR - gilt sie durch wirksame Aufrechnung als erloschen (§ 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. § 389 BGB).
Eine Aufrechnung ist wirksam (vgl. dazu im Einzelnen etwa BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R Rn. 11 ff.), wenn bei bestehender Aufrechnungslage (§ 387 BGB - dazu b)) die Aufrechnung erklärt wird (§ 388 BGB - dazu a)) und keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen (dazu c)).
a) Die Aufrechnung als empfangsbedürftige einseitige Willenserklärung erfolgt nach § 388 S 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Sie setzt voraus, dass sowohl die Hauptforderung (Passivforderung) als auch die Gegenforderung (Aktivforderung) hinreichend konkret bezeichnet werden. Die Erklärung braucht nicht ausdrücklich abgegeben zu werden, es genügt die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens, selbst wenn der wirkliche Wille nur unvollkommen oder andeutungsweise aus der Erklärung erkennbar wird. Dabei ist auf den für die Auslegung von Willenserklärungen (§ 133 BGB) maßgebenden objektiven Empfängerhorizont abzustellen (zum Ganzen BSG a.a.O. Rn. 16 m.w.N.).
Hier hat die Beklagte spätestens durch das Schreiben vom 21.04.2016 klar gemacht, dass sie mit ihrem (behaupteten) Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten (Gegenforderung) gegen die unstreitige Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall I X1 (Hauptforderung) i.H.v. 3.266,73 EUR aufrechnen wollte. In Zusammenschau mit dem vorangegangenen rechnerischen Vollzug und der Ankündigung einer Aufrechnung in dem Schreiben vom 01.03.2016 liegen damit Handlungen und Äußerungen der Beklagten vor, die unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizontes von der Klägerin als Aufrechnungserklärung zu verstehen waren.
b) Eine Aufrechnungslage ist gegeben, wenn die in Rede stehenden Forderungen gleichartige Leistungen betreffen und die Beteiligten jeweils Gläubiger/Schuldner der Forderung sind, wobei die Hauptforderung erfüllbar und die Gegenforderung sowohl fällig als auch durchsetzbar sein muss (vgl. § 387 BGB).
aa) Die beiden Forderungen sind gleichartig, weil sowohl der (behauptete) Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall des Versicherten als auch der Vergütungsanspruch aus dem Behandlungsfall des I X1 auf Geldzahlung gerichtet sind.
Die Beteiligten sind jeweils wechselseitig Gläubigerin bzw. Schuldnerin dieser beiden Forderungen.
Die Hauptforderung aus dem Behandlungsfall des I X1 war erfüllbar. Denn die Beklagte konnte und durfte im Zeitpunkt der Aufrechnung auf den von der Klägerin am 07.04.2016 in Rechnung gestellten Betrag Zahlungen leisten.
bb) Für das Bestehen einer Aufrechnungslage kommt es damit letztlich entscheidend darauf an, ob die Gegenforderung - also der behauptete Erstattungsanspruch der Beklagten aus der Behandlung des Versicherten - im Zeitpunkt der Aufrechnung fällig und durchsetzbar war.
(1) Als Rechtsgrundlage hierfür kommt allein der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht, der voraussetzt, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R Rn. 9 m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 27.10.2016 - L 5 KR 132/16. m.w.N.). Das ist der Fall, wenn die Klägerin gegenüber der Beklagten für die hier in Rede stehende stationäre Behandlung des Versicherten einen Vergütungsanspruch von weniger als 3.266,73 EUR hatte.
Die (oben unter I.) bereits näher dargelegten Voraussetzungen eines Vergütungsanspruches für eine (vollstationäre) Krankenhausbehandlung sind nicht erfüllt, sodass die Klägerin von der Beklagten für die Behandlung des Versicherten vom 21. bis 23.09.2015 keine Vergütung zu beanspruchen hatte.
Dabei sei dahingestellt, ob die Voraussetzungen schon deshalb nicht vorliegen, weil die BT - wie die Beklagte behauptet - nicht den Bedingungen einer stationären Krankenhausversorgung bedurfte, sondern auch im Rahmen eines ambulanten Settings hätte durchgeführt werden können.
Denn bei der BT handelte es sich (jedenfalls im September 2015) um eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung von Versicherten nach dem SGB V. Die Behandlung war daher nicht im Sinne § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich mit der Folge, dass die Klägerin hierfür keine Vergütung beanspruchen kann.
(a) Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 S. 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 28/15 Rn. 13 m.w.N.). Das Qualitätsgebot gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V und wird in § 70 Abs. 1 S. 1 SGB V auch als allgemeiner Grundsatz des Leistungserbringungsrechts im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels des SGB V ausdrücklich hervorgehoben. Somit gilt das Qualitätsgebot nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht. Das SGB V macht keine Ausnahme hiervon für die Krankenhausbehandlung. Die Leistungen der zur Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten zugelassenen Krankenhäuser müssen demzufolge grundsätzlich bereits dem Qualitätsgebot genügen, um überhaupt zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar zu sein (vgl. BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R m.w.N.).
Das Qualitätsgebot erfordert - wie die Beklagte mit der Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt hat und was zwischen den Beteiligten wohl auch nicht streitig ist, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode - die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist - zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG a.a.O. Rn 14 m.w.N.).
Mit diesem strengen Maßstab schränkt das Bundessozialgericht die eher liberale Konzeption des Gesetzgebers in § 137c Abs. 1 und Abs. 3 SGB V nicht unerheblich ein (vgl. Makoski in jurisPR-MedizinR 3/2018 Anm. 3). Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen auch im Rahmen einer stationären Krankenhausversorgung also nur dann angewendet werden, wenn der Behandlungserfolg "aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode" abzulesen ist (vgl. dazu auch Hauck, GesR 2014, 257 sowie Clemens, KrV 2018, 1, 7 f.). Sobald diese Daten vorliegen, handelt es sich jedoch meist schon nicht mehr um eine "neuartige" Methode, sondern eine Methode im Rahmen des medizinischen Standards, die dann sogar zwingend anzuwenden ist (so Makoski a.a.O.).
(b) Ebenso wie der MDK und die Beklagte ist der Senat davon überzeugt, dass die Anwendung der BT (jedenfalls im September 2015) nicht dem Qualitätsgebot in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprach.
Wie in dem Konsiliargutachten des Medizinischen Fachbereichs Methodenbewertung des MDK vom 26.10.2017 nachvollziehbar ausgeführt ist, war aus der damaligen Studienlage die Wirksamkeit der Methode nicht zweifelsfrei abzulesen. Denn es lagen insgesamt nur drei randomisierte Studien (AIR, AIR2, RISA) vor, die ihrerseits sowohl nicht unerhebliche Nebenwirkungen bzw. Gefahren der Behandlung beschrieben, sondern z.T. nicht einmal einen statistisch signifikanten Vorteil gegenüber einer Scheinbehandlung nachwiesen.
Die dagegen von der Beklagten unter Berufung auf die Ausführungen des Herrn X vorgebrachten Einwände überzeugen den Senat nicht. Selbst Herr X konstatiert, dass die BT den Patienten (lediglich) eine "Chance" biete, die Behandlungsergebnisse und damit ihre Lebensqualität zu verbessern. Den Einwänden des MDK - etwa zur Einbindung bestimmter Patientengruppen z.B. in die AIR2-Studie - stimmte er ausdrücklich zu.
Hinzu kommt, dass die BT in den Informationen des InEK nach § 6 Abs. 2 KHEntgG für 2015 mit der Statusziffer 4 und für die Zeit ab 2016 bis 2019 mit der Statusziffer 2 versehen war. Dies bedeutet, dass die übermittelten Informationen die Kriterien der NUB-Vereinbarung zur Bewertung der BT im Sinne des Verfahrens nicht ausreichend darstellten (Statusziffer 4, 2015) - hierauf wurde von der Beklagten bereits hingewiesen - bzw. ab 2016 (Statusziffer 2) die Methode die Kriterien der NUB-Vereinbarung nicht erfüllte.
Die BT mag daher im Sinne von § 137c Abs. 1 bzw. Abs. 3 SGB V ggf. das "Potential" einer erforderlichen Behandlungsalternative geboten haben. Die hohen, sich aus den §§ 2 und 12 SGB V ergebenden Anforderungen erfüllt(e) sie (jedenfalls 2015) nicht.
(c) Demzufolge streiten die Beteiligten zu Recht im Kern darum, ob sich aus § 137c (Abs. 3) SGB V ein davon abweichendes Ergebnis rechtfertigen lässt. Diese Frage ist unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat (weiterhin) anschließt, zu verneinen.
(aa) Dabei ist im Ausgangspunkt festzuhalten, dass die bisherige Grundkonzeption, d.h. dem "Vorrang" des Qualitätsgebots (s.o.), durch die mit Wirkung zum 01.01.2012 vorgenommene Änderung des § 137c SGB V bzw. die gleichzeitige Einfügung des § 137e SGB V durch das Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.2011 (BGBl I 2011, Seite 2983) unangetastet geblieben ist. Mit dieser Änderung wurde lediglich die Möglichkeit geschaffen, unter gewissen Voraussetzungen Erprobungsrichtlinien zu erlassen (vgl. dazu ausführlich BSG, Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R Rn. 20-22).
(bb) Die mit Wirkung zum 23.07.2015 eingefügte Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 (BGBl. I 2015, Seite 1211) hat den Vorrang des Qualitätsgebots in diesem Bereich ebenfalls nicht beseitigt. Auch dies hat das Bundessozialgericht bereits entschieden (vgl. Urteile vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R Rn. 16 ff. und vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R Rn. 23; zustimmend LSG NRW, Urteil vom 17.09.2019 - L 11 KR 10/17 Rn. 62 ff.; LSG Bayern, Urteil vom 27.11.2018 - L 20 KR 525/17 - Rn. 44 ff. sowie Mittelbach, NZS 2019 Seite 64 ff.; ablehnend Schifferdecker NZS 2018 Seite 698 ff.).
((1)) Seine Rechtauffassung, die der erkennende Senat für überzeugend hält, hat das Bundessozialgericht im Wesentlichen aus dem Gesetzeswortlaut und systematischen Erwägungen gewonnenen.
Aus der Formulierung in § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V "dürfen angewandt werden" könne - insbesondere im Vergleich zu der Formulierung in § 2 Abs. 1a SGB V "können beanspruchen" - abgeleitet werden, dass § 137c Abs. 3 SGB V keine Aussage zu Leistungsansprüchen von Versicherten treffe, sondern diese vielmehr voraussetze (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 13/16 R Rn. 16).
Ferner sei der Zweck der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten an dem Qualitätsgebot zu berücksichtigen, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Mitteleinsatzes zu gewährleisten, dass eine nicht ausreichend erprobte Maßnahme nicht zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden dürfe (a.a.O. Rn. 17 ff.).
Schließlich hat das Bundessozialgericht (a.a.O Rn. 20) auf eine sachwidrige Ungleichbehandlung Versicherter und damit auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG für den Fall hingewiesen, dass der Vorrang des Qualitätsgebotes aufgegeben würde. Denn die Gruppe der Versicherten, die dem Qualitätsgebot entsprechende Leistungen benötigt, hätte einen rechtlich gesicherten Zugang zu diesen Leistungen auch dann, wenn sie im Inland überhaupt nicht oder jedenfalls nicht innerhalb des Leistungserbringungssystems zur Verfügung stehen oder rechtswidrig verweigert werden. Die Gruppe der Versicherten, die Potentialleistungen als Regelversorgung begehrte, hätte hingegen keinen rechtlich gesicherten Anspruch auf die Potentialleistungen. Würde die Potentialleistung im Inland nicht durch nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser erbracht, könnte diese Gruppe sich die Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen weder in Krankenhäusern außerhalb des Leistungserbringungssystems, sei es im Inland, sei es im Ausland, beschaffen, noch wäre eine Leistungsablehnung durch die Krankenkasse rechtswidrig mit der Folge der Selbstbeschaffungsmöglichkeit (§ 13 Abs 3 S 1 2. Var. SGB V).
((2)) Soweit von der Klägerin geltend gemacht und von dem Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung entscheidungstragend ausgeführt wird, die (nach Wortlaut, Systematik und Regelungsziel) vorgenommene Auslegung widerspreche dem in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/4095, S. 121 f.) unmissverständlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, hat sich das Bundessozialgericht auch damit (a.a.O. Rn. 23) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überzeugend auseinandergesetzt. Es hat u.a. darauf hingewiesen, dass die Gesetzesmaterialien nur mit Vorsicht und unterstützend sowie insgesamt nur insofern heranzuziehen seien, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen ließen und im Gesetzeswortlaut eine Stütze fänden.
Der Einwand, das Bundessozialgericht habe damit die Grenzen richterlicher Rechtsauslegung überschritten, greift nicht durch.
Anwendung und Auslegung der Gesetze durch die Gerichte stehen mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Einklang, wenn sie sich in den Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung bewegen. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, dass gerichtliche Entscheidungen diesen Anforderungen genügen. Das schließt richterliche Rechtsfortbildung nicht aus. Sie gehört traditionell zu den Aufgaben der Rechtsprechung. Der Gesetzgeber hat sie anerkannt und den obersten Gerichtshöfen des Bundes die Aufgabe der Rechtsfortbildung (z.B. in § 41 Abs. 4 SGG) ausdrücklich überantwortet. Dies belässt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, in unerwünschte Rechtsentwicklungen korrigierend einzugreifen und so im Wechselspiel von Rechtsprechung und Rechtsetzung demokratische Verantwortung wahrzunehmen. Die Anwendung des einfachen Rechts obliegt den Fachgerichten, wobei sie den Methoden der Auslegung zu folgen haben. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben Wortlaut und Systematik den Gesetzesmaterialien eine Indizwirkung zu. So verwirklicht sich die in Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG vorgegebene Bindung der Gerichte an das Gesetz. Sie ist eine Bindung an die im Normtext zum Ausdruck gebrachte demokratische Entscheidung des Gesetzgebers, dessen Erwägungen zumindest teilweise in den Materialien dokumentiert sind. (vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018 - 1 BvL 7/14 Rn. 73-75 und Beschluss vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17 Rn. 29-32 - beide m.w.N.).
Davon ausgehend sind hier die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung nicht überschritten. Denn wie oben näher ausgeführt, hat sich das Bundessozialgericht an den Herkömmlichen Auslegungsgrundsätzen (Wortlaut, Systematik, Telos) orientiert und hieraus seine Überzeugung gewonnen. Die Gesetzgebungsmaterialien hat es dabei ausdrücklich in seine Überlegungen einbezogen und diese lediglich im Rahmen einer Gesamtabwägung der einzelnen Auslegungsgesichtspunkte in den Hintergrundtreten lassen. Ein Hinwegsetzen über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers war damit nicht verbunden. Denn weder dem Gesetzeswortlauf noch der Gesetzesbegründung war zu entnehmen, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung von § 137c Abs. 3 SGB V den Vorrang des Qualitätsgebotes und damit die bisherige Grundkonzeption aufgeben wollte. Dies ist - nach Überzeugung des Senats - vielmehr erst durch die jüngste am 18.12.2019 in Kraft getretene Änderung des § 137c durch das Implantateregister-Einrichtungsgesetz vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019 Seite 2494) geschehen, indem § 137c Abs. 3 S. 1 SGB V (erstmals) als Anspruchsnorm ausgestaltet und dazu flankierend die leistungsrechtliche Bestimmung in § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V entsprechend angepasst wurde.
(d) Entsprach die Anwendung der BT (jedenfalls im September 2015) nicht dem Qualitätsgebot und ergibt sich aus § 137c Abs. 3 SGB V keine andere Beurteilung des Falles, kommt eine Vergütung der von den Mitarbeitern des Krankenhauses der Klägerin erbrachten Leistungen hier auch nicht ausnahmsweise unter dem Aspekt der grundrechtsorientierten Leistungsauslegung nach den Vorgaben in § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V in Betracht (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 Rn. 31).
Nach § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V können nur Versicherte mit einer lebensbedrohlichen, einer regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer damit zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine vom Qualitätsgebot abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Ob mittels BT im Falle des Versicherten eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestand, kann offenbleiben. Denn es fehlt jedenfalls an einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer damit zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung und damit an einer nach § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V erforderlichen notstandsähnlichen Situation (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil vom 19.03.2020 - B 1 KR 22/18 R sowie BSG, Urteil vom 20.03.2018 - B 1 KR 4/17 R Rn. 21).
Die notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG, Urteil vom 20.03.2018 - B 1 KR 4/17 R Rn. 21).
Nach diesem Maßstab sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a S. 1 SGB V mit Blick auf die Ausführungen des Herrn X und des Dr. T in ihren Berichten vom 18.10.2019 bzw. 10.07.2019 nicht als erfüllt anzusehen. Denn keiner der beiden Ärzte hat auf die entsprechend formulierte Frage des Senats eine unmittelbar lebensbedrohliche Situation bzw. einen in dieser Hinsicht rapiden Krankheitsverlauf beschrieben. Insbesondere Herr X hat sich in seinem Bericht lediglich auf die potentiell - und damit nicht akut - lebensverkürzende Wirkung der systemischen Therapie bezogen. Der beigezogene Reha-Entlassungsbericht der M-Klinik C vom 23.07.2014 bestätigt zwar den durchaus schweren Krankheitsverlauf, eine notstandsähnliche Situation ergibt sich jedoch auch aus diesem Bericht nicht. Der Versicherte wurde vielmehr nach "gewisser Stabilisierung des Allgemeinzustandes" als in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitsfähig für seine zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit entlassen. Gegen das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation im Behandlungszeitpunkt spricht - wie bereits der MDK in seiner Stellungnahme vom 03.11.2017 zu Recht angemerkt hat - schließlich auch, dass der Versicherte elektiv in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen wurde.
(2) Die Erstattungsforderung ist im Augenblick der Überzahlung (d.h. hier wohl noch im Jahr 2015) entstanden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 Rn. 44 m.w.N.) und war damit im Zeitpunkt der Aufrechnung auch fällig. Denn mangels Sonderregelung - § 15 Abs. 1 S. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V findet auf Erstattungsforderungen keine Anwendung - trat Fälligkeit nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 271 Abs. 1 BGB) mit dem Entstehen des Anspruches ein.
Gegen die Durchsetzbarkeit der Erstattungsforderung bestehen keine Bedenken. Einreden hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
c) Aufrechnungsverbote greifen nicht ein. Weder §§ 8 f. PrüfvV 2015 noch § 15 Abs. 4 S. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V stehen der Wirksamkeit der Aufrechnung entgegen.
aa) Die Regelungen der PrüfvV 2015 finden auf den vorliegenden Fall Anwendung. Denn die Vereinbarung ist zum 01.09.2014 in Kraft getreten (vgl. § 12 S. 1 PrüfvV 2015) und gilt für die Überprüfung bei Patienten, die - wie hier der Versicherte - ab dem 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen worden sind (§ 12 S. 2 PrüfvV 2015). Sie ist auch in sachlicher Hinsicht anwendbar, da eine Auffälligkeitsprüfung durchgeführt wurde, die - anders als eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung eines Krankenhauses - der Anwendung der PrüfvV 2015 unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 18/16 R). In § 2 Abs. 1 PrüfvV 2015 ist insoweit bestimmt, dass "diese Vereinbarung für die gutachtlichen Stellungnahmen nach § 275 Abs. 1c SGB V zur Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V" gilt. Die Beklagte hat den MDK unter ausdrücklichem Hinweis auf § 275 Abs. 1c SGB V wegen "Auffälligkeiten" mit der Prüfung der Abrechnung des Behandlungsfalles beauftragt. Auch die an den MDK gerichteten Fragen (Bestand die medizinische Indikation zu einer bronchoskopischen Radiofrequenzablation an der Bronchialmuskulatur (OPS 5-320.5)? War die stationäre Aufnahme sowie die Verweildauer medizinisch notwendig?) betrafen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V), sodass es um eine Auffälligkeitsprüfung und nicht um eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ging.
Die näheren Vorgaben, die § 9 PrüfvV 2015 für Aufrechnungen macht, sind eingehalten. Denn zum einen liegt zwischen der Behandlung in der Aufrechnung ein Zeitraum von deutlich weniger als 9 Monaten (vgl. § 9 S. 1 i.V.m. § 8 S. 3 PrüfvV 2015). Zum anderen hat die Beklagte die Hauptforderung (also die Forderung aus dem Behandlungsfall des I Werner), gegen die sie mit ihrem Erstattungsanspruch aufgerechnet hat, hinreichend konkret benannt (vgl. § 9 S. 2 PrüfvV 2015).
bb) Damit steht auch § 15 Abs. 4 S. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V einer Aufrechnung nicht entgegen. Dabei kann offenbleiben, ob § 9 PrüfvV 2015 ein sich aus § 15 Abs. 4 S. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V ergebendes Aufrechnungsverbot als Spezialregelung verdrängt (so Urteil des erkennenden Senats vom 26.04.2018 - L 5 KR 593/17 Rn. 28) oder ein solches Aufrechnungsverbot im Anwendungsbereich von § 9 PrüvV 2015 nicht nur nachrangig, sondern sogar nichtig ist (so BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R Rn. 25-27).
II. Da die Klägerin schon mit ihrer Hauptforderung nicht durchdringt, liegen auch die Voraussetzungen für den geltend gemachten Zinsanspruch (gemäß § 15 Abs. 1 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V) nicht vor.
C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
D) Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG sind nicht erfüllt, weil sich die Entscheidung an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 137c SGB V orientiert.
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