S 3 SB 314/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 3 SB 314/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 SB 10/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 22/19 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe des GdB (Grades der Behinderung) nach dem SGB IX (Sozialgesetzbuch, 9. Buch) sowie das Vorliegen des Merkzeichens "G".

Mit zuletzt bindendem Bescheid vom 10.02.2016 war bei dem Kläger ein GdB von 50 anerkannt worden. Als Behinderungen waren festgestellt worden:

1. Seelische Störungen,
2. Armfunktionsstörungen, Ulnarislähmung links.

Am 03.05.2016 beantragte der Kläger die Zuerkennung des Merkzeichens "G" unter Vorlage unter anderem eines Befundberichtes von Dr. C. vom 02.05.2016. Nach dessen versorgungsärztlicher Auswertung lehnte das beklagte Land mit Bescheid vom 06.06.2016 die Neufeststellung der Behinderungen ab. Auf dem Widerspruch des Klägers vom 07.07.2016 erging am 28.07.2016 zurückweisender Widerspruchsbescheid.

Am 11.08.2016 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, mit der er die Zuerkennung eines GdB von 70 und des Merkzeichens "G" begehrt. Zur Begründung hat er auf eine Kriegsverletzung seines rechten Beines, seines rechten Oberschenkels durch einen entfernten Granatsplitter und eine erfolgte Hauttransplantation hingewiesen. Auch würde er aufgrund seiner fehlenden Körperbalance und der damit verbundenen dauernden Gleichgewichtsstörungen sowie erheblicher Bewegungs-, Geh- und Wahrnehmungsstörungen nicht in der Lage sein, eine ca. 2 Kilometer lange Wegstrecke im Ortsverkehr innerhalb von 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen ohne erhebliche Einschränkungen und Schwierigkeiten.

Der Kläger beantragt,
den Feststellungsbescheid des Beklagten vom 06.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm neben dem Merkzeichen "G" (erheblich gehbehindert) für seine Beinkriegsverletzung (Granatsplitterverletzung und Hauttransplantation) sowie deren Funktionsbeeinträchtigungen und Auswirkungen einen Grad der Behinderung (GdB) von zusätzlich 20 seit dem 03.05.2016 zuerkennen.

Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.

Im Einverständnis des Klägers wurde die vorgehende Klageakte S 3 SB 487/14 dem Verfahren beigezogen.

Die Verwaltungsakte wurde dem Verfahren beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhaltsaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte vorliegend durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Rechtsstreit keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und das Gericht den Sachverhalt als geklärt ansieht.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Nach § 145 SGB IX (Sozialgesetzbuch, 9. Buch) werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind von Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagspflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Beitrages von 80,00 Euro für ein Jahr herausgegeben (§ 145 Abs. 1 SGB IX). Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne das der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die blind im Sinne des § 76 Abs. 2a Nr. 3a des Bundessozialhilfegesetzes oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind (§ 145 Abs. 2 SGB IX) oder die Arbeitslosenhilfe oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, dem 8. Buch oder den § 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes erhalten (§ 145 Abs. 1 Nr. 2). Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange der Ausweis einen gültigen Vermerk über die Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugsteuerermäßigung trägt. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch das beklagte Land (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Der Kläger erfüllt die in § 145 SGB IX aufgestellten Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Der Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr kann bei schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangenem Flächenaufdruck und eingetragenem Merkzeichen "G" geführt werden, dessen Gültigkeit frühestens mit dem 01.04.1984 beginnt, oder auf dem ein entsprechender Änderungsvermerk eingetragen ist (§ 146 Abs. 1 SGB IX). Als ortsübliche Wegstrecke ist dabei eine solche Wegstrecke von 2 km Länge bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde anzusehen.

Nach der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV ) vom 10.12.2008 (s. BGBl 2008, Nr. 57, Bl. 2412 ff ), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), dem Nachfolgewerk zu den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaße und/oder Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arterieller Verschlusskrankheit mit einem GdB von 40.

Zunächst werden einmal die im Verfahren S 3 SB 487/14 beigezogenen medizinischen Unterlagen zur Frage der erheblichen Gehbehinderung referiert. So hat Dr. C. im Befundschreiben vom 11.06.2015 ausschließlich über die anerkannte Ulnarisläsion links nach Granatsplitterverletzung referiert, Dr. D. in seinem Schreiben vom 01.09.2014 ebenfalls nur über die Ulnarisläsion links berichtet. Im Gutachten des Dr. E. vom 16.12.2015 ist nachzulesen, dass der Kläger unter aktuellen Beschwerden angab, durch die Folgen der Verletzung am linken Arm stark beeinträchtigt zu sein. Er habe Bewegungs- und Wahrnehmungsstörungen. Ihm fehle die Körperbalance. Er habe immer wieder Betäubungs- und Fremdheitsgefühle im Bereich des gesamten linken Armes und auf der linken Schulter. Bei der Untersuchung waren der Romberg´sche Stehversuch und Unterberger Tretversuch ohne Abweichungen. Klinisch neurologisch fand sich im Bereich der unteren Extremitäten keine Auffälligkeit. Entsprechend stellte Dr. E. in seinem Gutachten auch keine Diagnose seitens der unteren Gliedmaßen, konnte diesbezüglich keine Behinderung feststellen. Der von dem Kläger in dem Verwaltungsverfahren vorgelegte Befundbericht von Dr. C. vom 02.05.2016 erwähnt einen Zustand nach Granatsplitterpenetration im Bereich des oberen Oberschenkels, Hautdefekt. Funktionseinschränkungen und objektive Befunde, die die vom Kläger berichtete erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit belegen und begründen, enthält der Befundbericht nicht. Die angegebene Gehstrecke von maximal 1000 Meter in 30 Minuten resultiert wohl auf Angaben des Klägers. Der Kläger selbst hat in seiner Klagebegründung zu diesem Verfahren auf die Folgen der Granatsplitterpenetration im rechten Oberschenkel hingewiesen, die nicht erst nach der Begutachtung durch Dr. E. im Dezember 2015 aufgetreten ist sondern deutlich älteren Datums ist. Neu hinzugetretene Erkrankungen/ Behinderungen hat der Kläger seiner Klagebegründung nicht dargelegt. Entsprechend sieht die erkennende Kammer keine Veranlassungen, weiterer Ermittlungen aufzunehmen, die Beschwerden des Klägers basieren auf Verletzungen in der Vergangenheit und sind bereits im vorangegangenen Klageverfahren medizinisch ermittelt worden. Diese medizinischen Unterlagen belegen - wie zuvor zitiert - keine Behinderung seitens der unteren Gliedmaßen und/ oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von 40 bis 50 bedingen würden und die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen würden. Auch die von dem Kläger geklagten Schwindelerscheinungen sind nicht in einer solchen Ausprägung objektiviert, dass darauf die Zuerkennung des Merkzeichens "G" gründen könnte. Hier waren insbesondere auch der Romberg´sche Stehversuch und der Unterberg´sche Tretversuch bei der Untersuchung durch Dr. E. im Dezember 2015 ohne Abweichungen.

Nach Vorstehenden sind die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" nicht gegeben.

Auch eine Anerkennung einer weiteren Behinderung in Folge der Granatsplitterverletzung im linken Oberschenkel bedingt keine solchen Funktionsstörungen laut dem vorliegenden medizinischen Unterlagen, dass hier eine eigenständige Behinderung abgeleitet werden könnte. Entsprechend hat auch Dr. E. in seinem Gutachten vom 16.12.2015 diesbezüglich keine Behinderung festgestellt.

Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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