L 11 EG 3655/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 5357/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 3655/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird die Mindestbezugsdauer von Elterngeld von zwei Monaten wegen einer Vollzeittätigkeit im zweiten Bezugsmonat nicht erreicht, kann die Rückforderung für den ersten Bezugsmonat im Einzelfall gleichwohl ausgeschlossen sein. Zur Anwendung von §§ 45, 48 SGB X.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.09.2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes sowie über die daraus resultierende Erstattungsforderung.

Der Kläger beantragte am 14.07.2016 mit einem Formular der Beklagten Basiselterngeld für den ersten und zwölften Lebensmonat seines 2016 geborenen Kindes T ... Die Auswahl der Monate erfolgte durch Ankreuzen, eine datumsmäßige Beschreibung der Monate war nicht vorgesehen und ist auch nicht erfolgt.

Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 18.07.2016 Basiselterngeld für den ersten Lebensmonat vom 17.06.2016 bis 16.07.2016 und für den zwölften Lebensmonat vom 17.05.2017 bis zum 16.06.2017 jeweils in Höhe von 1.323,49 EUR. Die Bewilligung erfolgte unter Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass der Kläger entgegen seiner im Antrag erklärten Absicht im Bezugszeitraum Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen sollte. Auch wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass jede Erwerbstätigkeit Auswirkungen auf die Höhe des Elterngeldanspruchs haben könne und er verpflichtet sei, der Beklagten die Aufnahme jeder Erwerbstätigkeit unverzüglich mitzuteilen.

Aufgrund eines weiteren Elterngeldantrags für das 2018 geborene zweite Kind des Klägers wurde der Beklagten bekannt, dass der Kläger im zwölften Lebensmonat von T. voll erwerbstätig und im 13. Lebensmonat in Elternzeit war.

Mit Bescheid vom 08.08.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe für den zwölften Lebensmonat keinen Anspruch auf Elterngeld, da seine Erwerbstätigkeit in diesem Lebensmonat im Durchschnitt 30 Wochenstunden überstiegen habe. Außerdem sehe das Gesetz die Zahlung von Elterngeld nur für mindestens zwei Monate vor. Die Anspruchsvoraussetzungen erfülle er aber nicht für diesen Mindestzeitraum, so dass ihm deshalb kein Elterngeld gewährt werden könne. Ein rückwirkender Antrag für den 13. Lebensmonat des Kindes könne fristgerecht nicht mehr erfolgen, da dies höchstens für die letzten drei Monate vor dem Monat des Antragseingangs möglich sei. Der Bescheid vom 18.07.2016 werde daher aufgehoben und der Kläger sei verpflichtet, den bereits gezahlten Betrag von 2.646,98 EUR zu erstatten.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 18.08.2018 Widerspruch. Er legte eine Bescheinigung seiner Arbeitgeberin vom 23.06.2016 vor, wonach ihm in den Zeiträumen vom 17.06.2016 bis 16.07.2016 und vom 17.06.2017 bis 16.07.2017 auf seinen Antrag Elternzeit gewährt werde. Der Kläger brachte vor, er und seine Frau hätten einen folgenschweren Denkfehler gemacht. Als sie die Zeiträume für die Elternzeit des Klägers besprochen hätten, hätten sie diese so ausgewählt, dass der Kläger seine Frau in verschiedenen Altersphasen des Kindes habe unterstützen können. Dabei sei neben dem ersten Lebensmonat von der Zeit nach dem ersten Geburtstag des Sohnes die Rede gewesen. Aufgrund des Denkfehlers "12 Monate = 1 Jahr" hätten sie dann beim Ausfüllen des Antrags den zwölften Lebensmonat angekreuzt. Erst jetzt sei ihnen bewusst geworden, dass sie den 13. Lebensmonat hätten ankreuzen müssen. Als Familie mit zwei kleinen Kindern treffe sie die Entscheidung der Beklagten hart, zumal der Kläger tatsächlich aufgrund der in Anspruch genommenen Elternzeit zwei volle Monate keinen Lohn gehabt habe.

Mit Schreiben vom 04.09.2018 hörte die Beklagte den Kläger noch zur Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld an. Hierauf wurde der Widerspruch noch weiter begründet und mitgeteilt, der Widerspruch des Klägers vom 18.08.2018 sei als Anfechtung wegen Erklärungsirrtums auszulegen. Der Kläger habe Elterngeld nach Maßgabe des Schreibens seiner Arbeitgeberin vom 23.06.2016 beantragen wollen. Dabei habe er sich verschrieben und Elterngeld für den ersten und zwölften Lebensmonat beantragt. Es handele sich um einen Erklärungsirrtum, da der Kläger eine Erklärung dieses Inhalts nicht habe abgeben wollen. Von diesem Irrtum habe er erst durch den Bescheid vom 08.08.2018 Kenntnis erlangt, so dass auch die Anfechtungsfrist des § 121 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewahrt sei. Außerdem stehe dem Kläger ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu, da die Beklagte im Antragsverfahren nicht auf § 1 Abs 1 Nr 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) hingewiesen habe und angesichts der Tragweite dieser Vorschrift gemäß § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gehalten gewesen sei, sich den Elternzeitantrag bzw ein entsprechendes Bestätigungsschreiben des Arbeitgebers vorlegen zu lassen. Hätte die Beklagte dies getan, wäre es nicht zu der unrichtigen Bewilligungsentscheidung gekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf das bewilligte Elterngeld, da er im zwölften Lebensmonat entgegen § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG eine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt und entgegen § 4 Abs 3 Satz 1 (wohl gemeint: Abs 5 Satz 2) BEEG infolgedessen nicht für mindestens zwei Monate Elterngeld in Anspruch genommen habe. Der behauptete Denkfehler rechtfertige schon deshalb keine andere Beurteilung, da eine grundsätzlich mögliche wirksame Anfechtung der im Elterngeldantrag enthaltenen Willenserklärung wegen Fristablaufs nicht mehr möglich gewesen sei. Der Bescheid vom 18.07.2016 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da die Beklagte bei dessen Erlass davon ausgegangen sei, dass der Kläger im beantragten Bezugszeitraum keine Erwerbstätigkeit ausüben und kein Erwerbseinkommen erzielen werde. Deshalb könne der Bescheid nach § 45 SGB X zurückgenommen werden. Auf Vertrauensschutz nach Maßgabe dieser Vorschrift könne sich der Kläger nicht berufen, da er zumindest grob fahrlässig im Antragsverfahren unrichtige oder zumindest unvollständige Angaben gemacht habe (Verschweigen der Erwerbstätigkeitsabsicht im zwölften Lebensmonat) und die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids, aus dem die bewilligten Zeiträume klar ersichtlich gewesen seien, zumindest grob fahrlässig nicht erkannt habe. Die bereits erbrachten Leistungen seien gemäß § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten.

Der Kläger hat am 09.11.2018 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er den bisherigen Vortrag wiederholt.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sich im Bewilligungsbescheid ausdrücklich den Widerruf des Elterngeldes für den Fall vorbehalten zu haben, dass der Kläger im Bezugszeitraum Einkommen erziele, und darauf hingewiesen, dass Änderungen der für den Anspruch maßgeblichen Voraussetzungen, insbesondere eine über 30 Wochenstunden hinausgehende Beschäftigung, unverzüglich mitzuteilen seien. Damit habe die Beklagte ihren Beratungspflichten genügt. Der Kläger selbst habe mindestens grob fahrlässig gehandelt. Wenn er den Bewilligungsbescheid gelesen hätte, hätte er seinen Fehler ohne weiteres erkennen und den zweiten Bezugsmonat unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen auf den 13. Lebensmonat verschieben können. Dies habe der Kläger nicht getan. Weiter sei die spätestens vom Empfang des Bewilligungsbescheides an laufende Anfechtungsfrist spätestens mit Eintritt von dessen Bestandskraft abgelaufen, abgesehen davon, dass eine Anfechtung allein die Antragstellung für den zweiten Bezugszeitraum beseitigen würde, ohne dass sich hierdurch eine rechtmäßige und rechtzeitige Antragstellung für den zwölften Lebensmonat (gemeint wohl: 13. Lebensmonat) erreichen ließe. Der Bewilligungsbescheid vom 18.07.2016 sei daher von Anfang an rechtswidrig gewesen, seine Rücknahme nach § 45 SGB X rechtlich nicht zu beanstanden. Hilfsweise werde die Aufhebung auf § 48 SGB X gestützt. Aufgrund des fehlenden Vertrauensschutzes (Verstoß gegen Mitteilungspflichten) sei der Bewilligungsbescheid zwingend auch für die Vergangenheit aufzuheben, ein sogenannter atypischer Fall, der eine Ermessensausübung erforderlich mache, liege hier nicht vor. Denn der Kläger habe aufgrund der Verletzung seiner Mitteilungspflichten eine Leistung erhalten, die ihm nicht zugestanden habe, was grundsätzlich eine typische Fallgestaltung des § 48 SGB X darstelle. Auch der Zweck des Elterngeldes rechtfertige hier keine andere Beurteilung, da der Zweck nicht jedes Mittel heilige.

Mit Urteil vom 24.09.2019 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2018 insoweit aufgehoben, als darin die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 18.07.2016 für den ersten Lebensmonat des Kindes T. verfügt worden ist und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen das ihr am 02.10.2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 28.10.2019 erhobene Berufung der Beklagten. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie den bisherigen Vortrag. Eine rückwirkende Verschiebung des Bezugszeitraums vom zwölften auf den 13. Lebensmonat des Kindes sei nicht möglich. Der Elterngeldanspruch sei insgesamt weggefallen, weil die Mindestbezugszeit unterschritten worden sei. Stelle sich erst später heraus, dass die an sich erreichbare Mindestbezugszeit nicht erreicht werde, führe dies rückwirkend zu einem Wegfall des Elterngeldanspruchs auch für den ersten Betreuungsmonat. Im Fall des Klägers sei unstreitig die Einhaltung der Mindestbezugszeit von zwei Monaten bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 11.07.2016 unmöglich gewesen. Allerdings wäre diese Unmöglichkeit vom Kläger selbst durch die rechtzeitige Beantragung der Verschiebung des Bezugszeitraums bis zum 16. Lebensmonat seines Kindes noch zu vermeiden gewesen. Dies habe er jedoch unterlassen. Der Wegfall des zwölften Lebensmonats als Bezugsmonat führe daher zwangsläufig, und ohne dass es hierfür einer eigenständigen Rechtsgrundlage bedürfte, auch zum Wegfall des Elterngeldanspruchs im ersten Lebensmonat.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.09.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist auf die Entscheidung des Senats zum Az L 11 EG 2575/18.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Aufhebungsbescheid vom 08.08.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2018 zu Recht aufgehoben, soweit darin die Elterngeldbewilligung für den ersten Lebensmonat aufgehoben und die Erstattung der für diesen Monat geleisteten 1.323,49 EUR verlangt worden ist.

Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist lediglich noch der Elterngeldanspruch für den ersten Lebensmonat des Kindes, denn nur insoweit ist die Beklagte beschwert. Der Kläger hat keine Berufung eingelegt. Der unterschiedlichen Beurteilung für den ersten und zwölften Lebensmonat des Kindes steht nicht entgegen, dass das Gesetz eine Mindestbezugsdauer vorsieht, da der Verwaltungsakt teilbar ist. Die Teilanfechtung eines Verwaltungsakts setzt eine Teilbarkeit bzw Abtrennbarkeit einzelner Regelungen voraus. Abtrennbar - und damit teilweise anfechtbar - sind in der Regel zahlenmäßig, zeitlich, örtlich, gegenständlich oder personell abgrenzbare Teile einer Entscheidung. Inhaltlich wird eine Teilbarkeit des Verwaltungsakts dann angenommen, wenn die abzutrennenden Teile nicht in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang mit den übrigen Teilen stehen. Die abgetrennten Teile müssen als selbstständige Regelung weiter existieren können, ohne ihren ursprünglichen Bedeutungsgehalt zu verändern, bzw die Rechtswidrigkeit des einen Teils darf sich nicht auf den Rest des Verwaltungsakts auswirken (BSG 15.07.2015, B 6 KA 29/14 R, juris Rn 23). Vorliegend sind verschiedene Zeitabschnitte betroffen. Auch wirkt sich eine Rechtswidrigkeit der Bewilligung für einen Zeitabschnitt nicht auch immer und zwangsläufig auf die Rechtmäßigkeit der übrigen Abschnitte aus. Im Hinblick auf die grundsätzliche Mindestbezugsdauer des Elterngelds ergibt sich ebenfalls keine Unteilbarkeit, da Fallgestaltungen denkbar sind, in denen der Elterngeldanspruch auch bei Unterschreiten der Mindestbezugszeit bestehen bleiben kann (vgl Senatsurteil vom 14.05.2019, L 11 EG 2575/18 unter Hinweis auf BSG 08.03.2018, B 10 EG 7/16 R, juris).

Der Bescheid vom 08.08.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2018 ist im vorgenannten Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld richtet sich allein nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (( BEEG ); Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748) in der ab 01.01.2015 gültigen Fassung. Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut (§ 1 Abs 6 BEEG). Nach § 4 Abs 5 Satz 2 BEEG kann nur Elterngeld bezogen werden, wenn es mindestens für zwei Monate in Anspruch genommen wird. Für den hier nicht streitgegenständlichen zwölften Lebensmonat des Kindes scheitert ein Anspruch auf Elterngeld daran, dass der Kläger eine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Die Aufhebung und Rückforderung für den zwölften Lebensmonat des Kindes hat zur Folge, dass die Mindestbezugsdauer nicht erreicht wird und kein Anspruch auf Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes besteht.

Gleichwohl besteht im vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 18.07.2016 kommen vorliegend weder § 45 SGB X, § 48 SGB X noch § 47 SGB X in Betracht. Das gezahlte Elterngeld kann daher auch nicht gemäß § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X zurückgefordert werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung für den ersten Lebensmonat des Kindes zutreffend auf § 45 SGB X gestützt hat oder ob vorliegend § 48 SGB X einschlägig ist. Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine Aufhebung für die Vergangenheit ist unter den in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen möglich. § 45 SGB X regelt demgegenüber, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. Die Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des aufzuhebenden Verwaltungsakts voneinander ab (BSG 29.11.2012, B 14 AS 6/12 R, BSGE 112, 221-229 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12 = juris Rn 17 mwN; BSG 21.06.2011, B 4 AS 22/10 R, juris Rn 16). Ob der Bescheid vom 18.07.2016 im Hinblick auf die Bewilligung von Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes von Anfang an rechtswidrig war, kann der Senat offen lassen. Hierfür lässt sich anführen, dass der Kläger im Zeitpunkt seines Erlasses bereits Elternzeit für den ersten und dreizehnten Lebensmonat bei seinem Arbeitgeber beantragt hat und dieser die Elternzeit dementsprechend mit Schreiben vom 23.06.2016 bewilligt hat, sodass zum damaligen Zeitpunkt zunächst feststand, dass der Kläger im zwölften Lebensmonat wegen einer Vollzeitbeschäftigung keinen Anspruch auf Elterngeld haben würde, damit keine zwei Bezugsmonate vorliegen würden und der Anspruch insgesamt nicht besteht. Andererseits hatte der Kläger noch die Möglichkeit, beim Arbeitgeber die Bewilligung von Elternzeit für den zwölften Lebensmonat des Kindes zu beantragen und damit die Mindestbezugsdauer zu erreichen. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, da die weiteren Voraussetzungen dieser Normen nicht erfüllt sind.

Nach § 45 Abs 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dies war vorliegend der Fall. Der Kläger ist vom Bestand des Verwaltungsakts ausgegangen, die Leistungen hat er verbraucht. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Klägers im Widerspruchsverfahren. Das Vertrauen ist auch nicht nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger den Verwaltungsakt durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 1 SGB X).

Auch hat er ihn nicht durch Angaben erwirkt, die vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X). Der Kläger hat Elterngeld für den ersten und zwölften Lebensmonat des Kindes beantragt und in Nummer 3.8.3 des Antragsformulars durch Ankreuzen angegeben, im Zeitraum, für den er Elterngeld beantragt, (voraussichtlich) kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu erzielen bzw keine Einnahmen noch Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit zu haben. Selbst wenn diese Angaben nicht zutreffend gewesen sein sollten, führen sie nicht dazu, dass sie ursächlich für eine rechtswidrige Bewilligung der Elterngeldes für den ersten Lebensmonat waren. Allein die Erzielung von Einkommen im zwölften Lebensmonat des Kindes führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung dem Grunde nach. Die Einkommenserzielung lässt den Anspruch auf Elterngeld nicht entfallen. Sie wirkt sich lediglich auf die Höhe des Elterngeldes aus. Selbst ein im Vergleich zum Zeitraum vor der Geburt des Kindes in der Höhe nahezu unverändertes Einkommen würde nach § 2 Abs 4 Satz 1 BEEG zu einem Anspruch auf Elterngeld iHv 300 EUR für den betreffenden Monat führen, sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Der Anspruch auf Elterngeld scheitert vorliegend an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit von mehr 30 Stunden im zwölften Lebensmonat des Kindes und der damit einhergehenden fehlenden Mindestbezugsdauer.

Dem Kläger kann zur Überzeugung des Senats auch nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X). Für eine Kenntnis bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheids ist dem Begünstigten vorzuwerfen, wenn er wissen musste, dass die Bewilligung vom geltenden Recht nicht gedeckt ist. Nimmt die Behörde einen fehlerhaften Sachverhalt an, ist die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon dann relevant, wenn der Begünstigte daraus erkennen musste, dass die Behörde aufgrund des falschen Sachverhalts auch eine rechtswidrige Schlussfolgerung gezogen hat, ihm mithin die Begünstigung nicht zusteht. Insofern genügt eine Parallelwertung in der Laiensphäre (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl, § 45 SGB X, Stand: 08.06.2020, Rn 94). Zwar hätte der Kläger bei Durchsicht des Bewilligungsbescheides vom 18.07.2016 die datumsmäßige Beschreibung des zwölften Lebensmonats (17.05.2017 bis 16.06.2017) entnehmen und erkennen können, dass er in dieser Zeit mindestens 30 Wochenstunden erwerbstätig sein und für den zwölften Lebensmonat keinen Anspruch auf Elterngeld haben wird. Sein "Denkfehler" hätte ihm auffallen können. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ihm hätte klar sein müssen, dass er damit auch für den ersten Lebensmonat des Kindes keinen Elterngeldanspruch wegen fehlender Mindestbezugsdauer haben würde. Von einem Laien kann nicht erwartet werden, dass er diese weitergehenden Erwägungen anstellt und diesen Schluss zieht; auch bei naheliegenden Überlegungen hätte sich dies ihm nicht aufdrängen müssen. Der Kläger hat zwei Monate Elternzeit in Anspruch genommen und einen entsprechenden Einkommensverlust gehabt. Die weitergehende Überlegung, dennoch aufgrund des im Verhältnis zum Elterngeldbezug inkongruenten Zeitraums der Elternzeit, der ihm hätte auffallen müssen, aber nicht aufgefallen ist, überhaupt keinen Anspruch mehr auf Elterngeld wegen Nichterreichens der Mindestbezugsdauer zu haben, kann von ihm im konkreten Einzelfall nicht erwartet werden.

Die Voraussetzungen des § 48 SGB X sind ebenfalls nicht erfüllt. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Für eine Aufhebung für die Vergangenheit sieht § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X weitere Voraussetzungen vor: Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Eine Änderung zugunsten des Klägers iSv § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X ist nicht eingetreten.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X liegen ebenfalls nicht vor. Den Kläger traf nach § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die Pflicht zur Mitteilung der Aufnahme der Erwerbstätigkeit im zwölften Lebensmonat des Kindes entgegen der im Antrag erklärten Absicht. Er hat diese Änderung nicht bzw erst anlässlich der Beantragung von Elterngeld für das zweite Kind im Jahr 2018 mitgeteilt. Spätestens zu Beginn des zwölften Lebensmonats des Kindes hätte der Kläger jedoch mitteilen müssen, dass er entgegen der im Antrag erklärten Absicht eine Erwerbstätigkeit ausübt. Eine Mitteilung hätte jedoch die Gewährung von Elterngeld im ersten Lebensmonat nicht verhindert, da dieser Zeitraum längst abgelaufen war.

Die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes war auch nicht nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X möglich, da der Kläger in diesem Monat kein Einkommen erzielt hat. Der Kläger hat lediglich aufgrund der Erwerbstätigkeit im zwölften Lebensmonat des Kindes Einkommen erzielt. Diese Einkommenserzielung lässt jedoch den Anspruch auf Elterngeld wie bereits erläutert nicht entfallen. Insbesondere liegt trotz des Einkommens des Klägers weiterhin die in § 4 Abs 4 Satz 2 BEEG normierte Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Partnermonaten vor. Da das Einkommen der Ehefrau des Klägers aus Erwerbstätigkeit für (mehr als) zwei Monate gemindert ist, könnten insoweit die Partnermonate weiterhin beansprucht werden. Es kommt nicht darauf an, welcher der beiden Elternteile diese Bedingung erfüllt (vgl Senger in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG, 2. Aufl 2018, § 4 BEEG Rn 28). Damit lässt ein im zwölften Lebensmonat des Kindes erzieltes Einkommen des Klägers die Mindestbezugsdauer unberührt und kann daher auch nicht mittelbar einen Wegfall des Anspruchs auf Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes bewirken.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X sind ebenfalls nicht erfüllt. Die erforderliche Bösgläubigkeit bestand im ersten Lebensmonat des Kindes noch nicht, sondern ist erst danach eingetreten. Zwar hat der Arbeitgeber bereits am 23.06.2016 Elternzeit für den 13. Lebensmonat des Kindes gewährt. Dies hat aber noch keine Bösgläubigkeit in Bezug auf das Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes zur Folge, denn der Kläger hätte weiterhin durch Änderung des Elternzeitzeitraums oder aber durch Änderung des Antrags auf Elterngeld die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elterngeld auch im ersten Lebensmonat des Kindes erfüllen können. Insbesondere wollte der Kläger die Mindestbezugszeit erfüllen und hätte dies auch können. Erst als der Kläger diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllen konnte, waren die Voraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld auch im ersten Lebensmonat des Kindes nicht erfüllt. Die Rückwirkung setzt jedoch nicht vor Beginn der Bösgläubigkeit ein (vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 102. EL Dezember 2018, § 48 SGB X, Rn 53).

Die Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld für den ersten Lebensmonat des Kindes kann auch nicht auf § 47 SGB X gestützt werden. Zwar war die Bewilligung mit einem Widerrufsvorbehalt versehen. § 47 Abs 1 SGB X sieht jedoch auch im Falle des Widerrufsvorbehalts lediglich eine Aufhebung für die Zukunft vor. Die Voraussetzungen für die Aufhebung für die Vergangenheit nach § 47 Abs 2 SGB X sind ebenfalls nicht erfüllt. Eine nicht zweckentsprechende Verwendung der Leistung liegt ebensowenig wie die fehlende Erfüllung einer Auflage vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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