Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3253/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Vormerkung einer Anrechnungszeit für eine wehrdienstbedingte Ausbildungsunterbrechung von insgesamt sechs Monaten und einer Woche
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 8. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2019 verpflichtet, die Zeiträume vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 als Anrechnungszeit wegen einer schulischen Ausbildung (Zwischenzeit zwischen Ende der Schul- und Beginn der Hochschulausbildung) vorzumerken. 2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vormerkung von Zeiten zwischen dem Ende der Schul- und dem Beginn der Hochschulausbildung des Klägers als Anrechnungszeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Am 23. Juni 2009 endete die Schulausbildung des im Jahr 1990 geborenen Klägers. Vom 1. August 2009 bis zum 30. April 2010 leistete der Kläger seinen Wehrdienst. Am 1. Oktober 2010 nahm er ein Maschinenbaustudium auf.
Am 12. Juni 2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Kontenklärung, wobei er unter anderem geltend machte, bei der Zeit zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 30. September 2010 handle es sich um eine unvermeidbare Zwischenzeit zwischen der Schul- und der Hochschulausbildung. Am 8. Juli 2019 erließ die Beklagte daraufhin einen Feststellungsbescheid, durch den sie verbindlich über die Zeiträume bis zum 31. Dezember 2012 entschied und dem ein Versicherungsverlauf mit den Zeiträumen beigefügt war, für die sie jeweils eine rentenrechtliche Zeit anerkannte. Die Zeiträume zwischen dem 24. Juni 2009 und dem 31. Juli 2009 sowie zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 30. September 2009 waren in dem Versicherungsverlauf nicht aufgeführt. In der Begründung des Bescheids ging die Beklagte hierauf nicht ein, sondern sie erläuterte lediglich, warum für bestimmte Zeiträume in den Jahren 2013 und 2017 jeweils keine Anrechnungszeit wegen einer Hochschulausbildung anzuerkennen sei.
Gegen den Feststellungsbescheid erhob der Kläger am 23. Juli 2019 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, die Beklagte habe zu Unrecht die Zeiträume zwischen dem 24. Juni 2009 und dem 31. Juli 2009 sowie zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 30. September 2010 nicht als Anrechnungszeit anerkannt. Eine längere, auch über vier Monate hinausgehende unvermeidbare und organisationsbedingt typische Unterbrechung der Ausbildung sei unschädlich, wenn der Ausbildungswillige staatlich an der Wiederaufnahme der Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt gehindert gewesen sei. Diese Voraussetzung sei in seinem Fall erfüllt. Die in dieser Zeit ausgeübte geringfügige Beschäftigung stehe der Vormerkung einer Anrechnungszeit ebenfalls nicht entgegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung setze die Berücksichtigung von Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten generell voraus, dass die Unterbrechung nicht länger als vier Monate dauere. Eine über vier Monate dauernde Unterbrechung sei nur unschädlich, wenn der Ausbildungswillige an der Wiederaufnahme der Ausbildung zunächst staatlich gehindert gewesen sei und die Ausbildung sodann zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnehme. Aber auch in diesem Fall müsse – soweit nicht besondere, hier nicht gegebene Ausnahmekonstellationen vorlägen, etwa wenn der erste Tag des sechsten Monats auf einen Sonnabend oder Sonntag falle – die Ausbildung innerhalb des fünften Monats der Unterbrechung aufgenommen werden, denn ab einer fünf Monate dauernden Unterbrechung der Ausbildung sei die Aufnahme einer versicherungspflichtigen (Aushilfs-)Beschäftigung zumutbar. Der Kläger habe vorliegend erst nach Ablauf von fünf Monaten gerechnet ab dem Ende des Wehrdienstes seine Ausbildung wieder aufgenommen. Die Zeit vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 sei daher insgesamt nicht als Anrechnungszeit anzuerkennen.
Am 7. Oktober 2019 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er die Vormerkung einer Anrechnungszeit für die Zeiträume vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, bei ihm habe sich der Fortgang der Ausbildung aufgrund hoheitlicher Veranlassung verzögert. Er habe weder den Wehrdienst eigenmächtig um einen Monat verlängern noch sein Studium einen Monat früher aufnehmen können, um die von der Beklagten genannte Fünf-Monats-Grenze einzuhalten. Zudem habe es sich bei dem 1. Mai 2010 um einen Feiertag und bei dem 2. Mai 2010 um einen Sonntag gehandelt. Die von der Beklagten genannte Obergrenze von fünf Monaten lasse sich aber ohnehin nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts begründen. Für die Anerkennungsfähigkeit jedenfalls sechsmonatiger Zeiträume als Anrechnungszeit spreche umgekehrt, dass dies der Dauer eines Semesters entspreche. Dies sei die Zeitdauer, die im ungünstigsten Fall bis zur Aufnahme eines Studiums zum nächstmöglichen Zeitpunkt abzuwarten sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 8. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2019 zu verpflichten, die Zeiträume vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung (Zwischenzeit zwischen Schulausbildung und Hochschulausbildung) vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, auch die in § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI zum Ausdruck kommende Wertung stütze ihre Rechtsauffassung. Waisenrenten seien nach dieser Vorschrift zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen der Ableistung des Wehrdienstes und der Ableistung eines Ausbildungsabschnitts sogar nur während einer Zeit von vier Monaten übergangsweise zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist begründet. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat einen Anspruch auf Vormerkung einer Anrechnungszeit für die mit der Klage geltend gemachten Zeiträume.
1.) Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 iVm. Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 SGB VI stellt die Beklagte im Rahmen des Vormerkungsverfahrens diejenigen Daten durch Bescheid fest, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen und für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird nach § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI erst bei Feststellung einer Leistung entschieden. Zu den vorzumerkenden Daten zählen vor allem die in den §§ 54 ff. SGB VI geregelten rentenrechtlichen Zeiten, die nach § 58 SGB VI auch Anrechnungszeiten umfassen.
Anrechnungszeiten sind nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI insbesondere Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Liegt eine schulische Ausbildung nur für den Teil eines Kalendermonats vor, zählt nach § 122 Abs. 1 SGB VI der gesamte Monat als Anrechnungszeit. Die Berechnung der Höchstdauer beginnt frühestens mit dem Kalendermonat, in dem das 17. Lebensjahr vollendet wird (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 58 SGB VI Rn. 59); dabei sind gemäß § 122 Abs. 3 SGB VI diejenigen Zeiten zuerst zu berücksichtigen, die am weitesten zurückliegen (s. dazu auch Fichte, in: Hauck/Noftz, § 58 SGB VI Rn. 122; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 58 SGB VI Rn. 60).
Im Wege der Rechtsfortbildung erkennt das Bundessozialgericht als Anrechnungszeiten wegen einer schulischen Ausbildung auch unvermeidbare und zugleich organisationsbedingte, typischerweise auftretende und nicht nur einzelfallbedingte Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten an, wobei der erste Ausbildungsabschnitt den Tatbestand einer Anrechnungszeit iSv. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und der zweite den Tatbestand einer beliebigen rentenrechtlichen Zeit erfüllen muss (s. etwa BSG, Urt. v. 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R). Diese Zwischenzeiten bilden mit den beiden anderen Ausbildungsabschnitten eine einheitliche notwendige Ausbildung. Versicherte, die eine vom Gesetzgeber vorgesehene typisierte Ausbildung aus von ihnen nicht zu vertretenden organisationsbedingten Gründen ungewollt und unvermeidbar nicht zügig fortsetzen und dementsprechend erst später eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen können, sollen in dem entsprechenden zeitlichen Rahmen keinen rentenversicherungsrechtlichen Nachteil erleiden (BSG, Urt. v. 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R). Dies betrifft etwa die Semesterferien während des Studiums (BSG, Urt. v. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R).
In Anlehnung an die Wertung des (heutigen) § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) – danach werden für den Anspruch auf Kindergeld u.a. auch solche unter 25 Jahre alte Kinder berücksichtigt, die sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befinden, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt – ist die unvermeidbare Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten jedoch im Ausgangspunkt nur dann als Anrechnungszeit vormerkungsfähig, wenn sie höchstens vier Monate dauert. Bei längeren Ausbildungspausen ist die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit zumutbar (BSG, Urt. v. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R).
Zwischenzeiten, die diese anerkennungsfähige Höchstdauer überschreiten, sind insgesamt nicht vormerkungsfähig, wohingegen eine bis zum Erreichen der anerkennungsfähigen Höchstdauer begrenzte Vormerkung nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.1997 – 4 RA 67/97).
Jedenfalls wenn die zeitnahe Fortsetzung einer Ausbildung aufgrund einer staatlichen Anordnung nicht möglich war, zieht das Bundessozialgericht die Zeitgrenze von vier Monaten jedoch nicht als starre Obergrenze heran. Der in Anlehnung an § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG vorgegebene zeitliche Rahmen von bis zu vier Monaten diene lediglich als Anhalt für den Umfang des bei typisierender Betrachtungsweise auszugleichenden und von der Versichertengemeinschaft als Solidarleistung zu tragenden rentenversicherungsrechtlichen Nachteils (BSG, Urt. v. 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R; zuvor bereits angedeutet in BSG, Urt. v. 01.02.1995 – 13 RJ 5/94). Dementsprechend erachtete das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R im Falle der Ableistung von Wehrdienst eine Zwischenzeit dann für vormerkungsfähig, wenn sowohl die Zeit zwischen Ablegung der Reifeprüfung und Aufnahme des Wehr- oder Zivildienstes als auch die Zeit nach Beendigung des Dienstes bis zur Aufnahme des Studiums jeweils für sich gesehen vier Monate nicht überschreitet. Denn der Ausbildungswillige sei durch staatliche Anordnung ("von hoher Hand") gehindert gewesen, das Studium zu einem früheren Zeitpunkt aufzunehmen. Bereits zuvor hatte das Bundessozialgericht etwa in einem Urteil vom 03.06.1981 – 11 RA 39/80 ausgeführt, bei Ableistung von Wehrdienst sei eine Anrechnungszeit anzuerkennen, sofern das Studium zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen werde. Durch Urteil vom 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R entschied das Bundessozialgericht weiterhin, eine Überschreitung des Zeitraums von vier Monaten sei auch dann unschädlich, wenn die Ausbildungspause zwischen Abitur und frühestmöglichem Studienbeginn wegen abstrakter organisatorischer Maßnahmen des Ausbildungsträgers (im konkreten Fall: staatliche Regelung des Zeitpunktes des Schulabschlusses sowie vonseiten der Hochschule festgelegter Semesterbeginn) vier Monate überschreite. Denn die Schul- und Berufsausbildung bzw. die einzelnen Ausbildungsabschnitte gingen in der Regel nicht nahtlos ineinander über, sodass – sofern "Ausbildung" für eine Zwischenzeit organisationsbedingt typischerweise generell nicht angeboten werde – dies dem "zukünftigen Versicherten" nicht anzulasten sei; auch dieser Versicherte sei letztlich "von hoher Hand" an der Fortsetzung seiner Ausbildung gehindert worden (BSG, Urt. v. 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R).
2.) Orientiert an diesen Maßstäben hat der Kläger einen Anspruch auf Vormerkung einer Anrechnungszeit für die streitigen Zeiträume.
a.) Das Gericht konnte dabei in der Sache entscheiden; es war nicht lediglich der Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Sache an die Beklagte zur Entscheidung zurückzuverweisen. Eine solche Zurückverweisung wäre geboten gewesen, wenn die Beklagte über die hier streitigen Zeiten erstmals in dem Widerspruchsbescheid entschieden hätte, da der Widerspruchsausschuss für Erstentscheidungen funktional und sachlich nicht zuständig ist (vgl. BSG, Urt. v. 20. Juli 2010 – B 2 U 19/09 R; s. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.03.2015 – L 7 R 4143/14). Die Beklagte hat jedoch bereits in dem Bescheid vom 8. Juli 2019 und nicht erst in dem Widerspruchsbescheid über die hier streitigen Zeiten entschieden, wenngleich sie in dem Bescheid vom 8. Juli 2019 nicht ausdrücklich die Vormerkung der hier streitigen Zeiten ablehnte. Subjektiv wollte sie in diesem Bescheid eine Ablehnungsentscheidung treffen, wie aus einem verwaltungsinternen Versicherungsverlauf vom 5. Juli 2019 hervorgeht, in dem sie die Zeiten vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 als "abgelehnte Zeit" bezeichnet, wobei händisch außerdem vermerkt ist: "ø ÜZ – zu lang!". Dieser Ablehnungswille geht aus dem Bescheid vom 8. Juli 2019 auch noch hinreichend deutlich hervor. Dem steht nicht entgegen, dass dessen verfügender Teil nicht ausdrücklich die Vormerkung von Anrechnungszeiten für den hier streitigen Zeitraum ablehnt und sich auch die Begründung des Bescheids hierzu – im Gegensatz zu in den Jahren 2013 und 2017 liegenden Zeiträumen – nicht näher verhält. Denn indem die Beklagte einleitend ausführt: "stellen wird die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten [ ] bis 31.12.2012 [ ] verbindlich fest", brachte sie jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass sie die Vormerkung sonstiger geltend gemachter Zeiten, die in diesem Zeitraum liegen und in dem Versicherungsverlauf nicht aufgelistet sind, ablehnte. Geltend gemacht hatte der Kläger indessen auch die hier streitigen Zeiten. Ausdrücklich erwähnt hatte er in seinem Antrag die Zeit von Mai bis September 2010, wobei wegen der Unteilbarkeit der Zwischenzeit (vgl. o.) bei interessengerechter Auslegung auch der vor dem Wehrdienst liegende Zeitraum hiervon mit in Bezug genommen war.
b.) Der Kläger hat einen Anspruch auf Vormerkung einer Anrechnungszeit in den mit der Klage geltend gemachten Zeiträumen.
Sowohl vor als auch nach den hier streitigen Zeiträumen lagen Zeiten der Schul- und der Hochschulausbildung, die der Kläger nach Vollendung seines 17. Lebensjahres zurückgelegt hat (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI). Der Kläger hat sein Studium weiterhin zu dem ihm frühestmöglichen Zeitpunkt aufgenommen, da einem Studienbeginn zum 1. Oktober 2009 oder zum 1. April 2010 die Ableistung des Wehrdienstes entgegengestanden hätte. Die etwaige Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung in den hier streitigen Zeiträumen stünde der Anerkennung einer Zwischenzeit nicht entgegen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 22.06.2017 – L 19 R 1005/13). Auch ist die Acht-Jahres-Grenze des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI gewahrt, weil vor der hier streitigen Zeit lediglich der Schulbesuch vom XX. Februar 2007 – dem 17. Geburtstag des Klägers – bis zum 23. Juni 2009 den Tatbestand einer Anrechnungszeit begründete.
Auch im Übrigen begegnet die Vormerkung der geltend gemachten Zeiten als Anrechnungszeit keinen rechtlichen Hindernissen; insbesondere steht ihre Dauer – die gesamte in Streit stehende Zeit betrug 6 Monate und 1 Woche, wobei auf die Zeit zwischen dem Ende des Wehrdienstes und dem Studienbeginn 5 Monate entfielen – der Vormerkung nicht entgegen.
aa.) Die Vormerkung der geltend gemachten Zeiten scheitert nicht an der Überschreitung einer durch die bundessozialgerichtliche Rechtsprechung festgelegten zeitlichen Höchstgrenze.
(1.) Gegen die Vormerkungsfähigkeit der hier streitigen Zeiten spricht nach dem Verständnis der erkennenden Kammer zunächst nicht das Urteil vom 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R, in dem das Bundessozialgericht ausführte, bei einem Wehrdienstleistenden sei die "jeweils vier Monate nicht überschreitende Zeit" zwischen Ende der Schulausbildung und Beginn des Wehrdienstes sowie Ende des Wehrdienstes und Beginn der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit vormerkungsfähig.
Nach dem Verständnis der erkennenden Kammer beruhte die Statuierung der – im vorliegenden Fall nicht gewahrten – Zeitgrenze von zwei Mal vier Monaten in dieser Entscheidung darauf, dass die bundessozialgerichtliche Rechtsprechung Abiturienten außerhalb von Fällen der Wehrdienstleistung im Jahr 2000 noch ohne Rücksicht auf die Gründe der Verzögerung des Studienbeginns lediglich eine Unterbrechung der Ausbildung von höchstens vier Monaten zubilligte (s. etwa BSG, Urt. v. 09.02.1984 – 11 RA 2/83 = BSGE 56, 148 ff. mwN.). Erst seit dem Jahr 2005 lässt das Bundessozialgericht bei hochschulorganisationsbedingter Verzögerung des Studienbeginns größere Ausbildungsunterbrechungen zu (s.o.). Diese seinerzeit noch unterschiedslos geltende Vier-Monats-Grenze stand dem Bundessozialgericht bei der Abfassung des Urteils vom 31.08.2000 positiv vor Augen, denn es hat die soeben genannte Entscheidung aus dem Jahr 1984 in demselben Absatz zitiert, in dem es die Grenze von zwei Mal vier Monaten für Wehrdienstleistende formulierte. Wehrdienstleistenden sollte nach dem Verständnis der erkennenden Kammer in diesem Zusammenhang die zweimalige Ausschöpfung der Vier-Monats-Grenze ermöglicht werden, da sie durch staatlichen Eingriff an der Fortsetzung der Ausbildung gehindert werden und dieser staatliche Eingriff bei nicht nahtlosem Übergang von Wehrdienst einerseits und Schul- oder Hochschulausbildung andererseits zugleich die ausbildungsfreie Zwischenzeit in zwei Abschnitte aufspaltet.
Durch die Lockerung der Vier-Monats-Grenze im Jahr 2005 (s.o.) ist der Anknüpfungspunkt für eine starre Grenze von zwei Mal vier Monaten für Wehrdienstleistende jedoch entfallen.
(2.) Gegen die Vormerkungsfähigkeit der hier streitigen Zeiten spricht nach Auffassung der erkennenden Kammer weiterhin nicht das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R, in dem es in Bezug auf Unterbrechungen der Ausbildung durch den Wehrdienst zwar zunächst ausführte, in diesen Fällen könne die anerkennungsfähige Zwischenzeit auch "weit über vier Monate" hinausgehen, sodann aber ergänzte: "Hierbei ist nicht der Dienst selbst, sondern die jeweils vier Monate nicht übersteigende Zeit zwischen Ablegung der Reifeprüfung und Aufnahme des Wehr- oder Zivildienstes und die entsprechende Zeit nach Beendigung des Dienstes bis zur Aufnahme des Studiums als unvermeidbare Zwischenzeit anzusehen. Kennzeichnend für diese Zwischenzeit ist ebenfalls, dass sie nicht nur kurz ist, sondern überdies häufig und in typischer Weise auftritt."
Nach dem Verständnis der erkennenden Kammer folgt hieraus nicht, dass auch nach der Lockerung der Vier-Monats Grenze durch das Urteil vom 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R im Falle der Wehrdienstleistung in jedem Fall eine starre Grenze von zwei Mal vier Monaten gelten soll. In der Entscheidung vom 14.07.2007 hatte das Bundessozialgericht nicht tragend über die Voraussetzungen für die Vormerkung einer Zwischenzeit bei Wehrpflichtigen entscheiden müssen, sondern Gegenstand der Entscheidung war alleine die Frage, ob auch für Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres die Vormerkung einer Zwischenzeit bei einer mehr als viermonatigen Ausbildungspause möglich ist, was das Bundessozialgericht verneinte. Die o.g. Passage, die wörtlich aus dem Urteil vom 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 übernommen ist, hat in diesem Zusammenhang die Funktion, dem freiwilligen sozialen Jahr den (unvermeidbaren) Wehrdienst gegenüberzustellen. Dass für Wehrdienstleistende auch nach Lockerung der Vier-Monats-Grenze zwingend eine strikte zeitliche Höchstgrenze von zwei Mal vier Monaten gilt, wollte das Bundessozialgericht hiermit nach dem Verständnis der erkennenden Kammer jedoch nicht zum Ausdruck bringen. Denn nach dem Gesamtkontext und insbesondere der sprachlichen Hinführung ("Dies ist für diejenigen Fälle anerkannt, [ ]") liegt der Aussageschwerpunkt der zitierten Passage in positiver Weise darauf, dass jedenfalls bei Einhaltung der genannten Voraussetzungen schon nach der bisherigen Rechtsprechung eine Anrechnungszeit vorzumerken ist, und weniger in negativer Form in der Bestätigung der in der Vergangenheit angenommenen Höchstgrenze von zwei Mal vier Monaten für vormerkungsfähige Zwischenzeiten im Falle der Wehrdienstleistung.
(3.) Soweit das Bundessozialgericht anderweitig verbindliche Höchstgrenzen für die Vormerkung von Zwischenzeiten zwischen Ausbildungsabschnitten als Anrechnungszeit definiert hat, sind diese Grenzen vorliegend gewahrt.
(a.) In seinem Urteil vom 01.02.1995 – 13 RJ 5/94 erachtete das Bundessozialgericht – allerdings nicht tragend – die Zeit von sechs Monaten zwischen dem Ende einer Ausbildung und dem Beginn eines Zivildienstes, an den sich der Bezug von Arbeitslosengeld I anschloss, für zu lang (in ähnlicher Weise maximal eine Unterbrechung von sechs Monaten anerkennend: Flecks, in: jurisPK-SGB VI, § 58 SGB VI Rn. 74; SG Mainz, Urt. v. 22.03.2012 – S 1 R 175/10). Diese Zeitgrenze wäre hier jedoch gewahrt, weil nach Auffassung der erkennenden Kammer bei Zugrundelegung einer Sechs-Monats-Grenze jedenfalls nicht auf die Gesamtdauer der streitigen Zeit abzustellen wäre, sondern es ausreichte, wenn nur keiner der beiden Teilabschnitte vor und nach dem Wehrdienst diese Dauer überschreitet.
Die Bildung einer zeitlichen Höchstgrenze verlangt die Wertung, ab welcher Dauer der Ausbildungsunterbrechung einem Versicherten die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zumutbar ist (vgl. BSG, Urt. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R). Dabei sind der mit der Eingehung und Ausübung eines Beschäftigungsverhältnisses verbundene Bewerbungs- und sonstige organisatorische Aufwand auf der einen und die zu erwartende Dauer der Zwischenzeit, deren Überbrückung mit einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis in Betracht kommt, auf der anderen Seite gegenüberzustellen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anberaumung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigt. Denn Anrechnungszeiten für unvermeidbare Zwischenzeiten sollen gerade auch solche Zeiten erfassen, die wegen ihrer Kürze durch Beschäftigungszeiten regelmäßig nicht sinnvoll zu überbrücken sind (vgl. BSG, Urt. v. 06.07.1972 – 11 RA 79/72; BSG, Urt. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R).
Diese Abwägung muss bei Unterbrechung der Ausbildungspause durch den Wehrdienst jeweils für die einzelnen Zeitabschnitte separat und nicht in Relation zur Gesamt-Dauer der Ausbildungsunterbrechung erfolgen (vgl. auch BSG, Urt. v. 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R: das Bundessozialgericht hatte in dieser Entscheidung die damals noch geltende strikte Vier-Monats-Grenze sowohl vor als auch nach der Zeit des Wehrdienstes je einmal in Ansatz gebracht; darüber hinaus sieht auch § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung die Gewährung einer viermonatigen Übergangszeit jeweils vor und nach dem Wehrdienst vor). Denn vor und nach dem Wehrdienst hätte sich ein Versicherter in aller Regel jeweils neu – mit entsprechender Vorlaufzeit – um eine Beschäftigung bewerben müssen. Es konnte hingegen zur Überzeugung der Kammer nicht als Regelfall angesehen werden, dass ein Arbeitgeber einem Versicherten, der vor Ableistung des Wehrdienstes eine Beschäftigung aufnimmt, nicht nur einen bis zum Beginn des Wehrdienstes befristeten, sondern von vornherein einen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts reichenden Arbeitsvertrag anbietet. Denn durch die Ableistung des Wehrdienstes wäre das Beschäftigungsverhältnis für neun Monate unterbrochen worden. Der Arbeitgeber hätte infolgedessen für diese Zeit eine Ersatzkraft finden müssen, die nach der Rückkehr des Versicherten den Betrieb wiederum ihrerseits hätte verlassen müssen. Für eine Aushilfskraft – in der Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten kommen andere als Aushilfstätigkeiten kaum in Betracht – wird ein Arbeitgeber kaum einen derartigen Organisationsaufwand betreiben.
Dass es dem Kläger nach Maßgabe von § 6b Abs. 1, Abs. 2 Wehrpflichtgesetz (WPflG) idFv. 30.05.2005 möglich gewesen wäre, den Wehrdienst freiwillig um einen bis vierzehn Monate zu verlängern und so die Dauer des zweiten Zeitabschnitts zu verkürzen, muss dabei außer Betracht bleiben. Da die für Wehrpflichtige geltenden Rechtsvorschriften die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG)), der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) einschränkten (vgl. § 51 WPflG idFv. 30.05.2005), war dem Kläger die freiwillige Verlängerung des Wehrdienstes alleine zur Vermeidung von Lücken im Versicherungsverlauf nicht zuzumuten.
(b.) In der Entscheidung vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R hielt das Bundessozialgericht jedenfalls einen Zeitraum von insgesamt einem Jahr für generell nicht mehr vormerkungsfähig (ähnlich LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 29.06.2006 – L 10 R 3634/05: acht Monate), doch ist dieser Zeitraum hier nicht überschritten.
(c.) Weitere ausdrücklich formulierte Höchstgrenzen ergeben sich aus der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht (s. auch ausdrücklich LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.12.2008 – L 3 R 534/07). In seinem Urteil vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R hat das Bundessozialgericht sich einer näheren zeitlichen Festlegung des maximal vormerkungsfähigen Zeitraums jenseits der dort formulierten Höchstgrenze von einem Jahr – auch mangels Entscheidungserheblichkeit in dem betreffenden Fall – ausdrücklich enthalten.
bb.) Es existieren keine sonstigen Vorschriften, die einen normativen Anknüpfungspunkt für die Bildung einer zeitlichen Höchstgrenze bieten könnten.
(1.) Der durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz (BGBl. I 2004, S. 1791) mWv. 01.08.2004 eingeführten Vorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI – danach wird Waisenrente in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten zwischen einzelnen Ausbildungsabschnitten und der Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes oder eines freiwilligen sozialen Dienstes gezahlt – lassen sich im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte und ihren abweichenden Regelungszweck kein Aussagen im Hinblick auf die Vormerkung von Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten entnehmen (vgl. BSG, Urt. v. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R; Fichte, in: Hauck/Noftz, § 58 SGB VI Rn. 130). Im Übrigen formuliert die Vorschrift eine Vier-Monats-Grenze die nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit dem Jahr 2005 gerade nicht mehr starr gelten soll.
(2.) Daraus, dass der Gesetzgeber im Jahr 2015 in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1b EStG für die Berücksichtigung von Kindern im Familienlastenausgleich ebenfalls eine 4-Monats-Grenze für Zeiten zwischen Ausbildungsabschnitten sowie Wehr-, Zivil- oder Freiwilligendienst eingeführt hat, lässt sich für die vorliegende Konstellation ebenfalls kein normativer Anknüpfungspunkt gewinnen. Denn in der Gesetzesbegründung zu dieser steuerrechtlichen und damit außerhalb des Sozialrechts stehenden Vorschrift finden sich keine Ausführungen zum Rentenversicherungsrecht (s. BT-Drs. 18/3017, S. 49).
cc.) Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 stärker als noch in dem Urteil vom 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R herausstellt, dass die Vier-Monats-Grenze des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG weiterhin den normativen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Höchstdauer der vormerkungsfähigen Zwischenzeiten darstellt und dass der in Frage stehende Zeitraum sich nicht gänzlich von diesem Leitbild entfernen darf, ist diese Voraussetzung in Bezug auf die einzelnen Teilabschnitte (zur getrennten Betrachtung der einzelnen Teilabschnitte s.o.) ebenfalls gewahrt.
Der erste Teilabschnitt der hier streitigen Zwischenzeit dauerte 1 Monat und 1 Woche.
Der zweite Teilabschnitt dauerte 5 Monate. Von dem Leitbild des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG ist diese Zeitdauer jedoch noch gedeckt. Bei der Schaffung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG ging der Gesetzgeber davon aus, dass vier Monate typischerweise die Zeit darstellen, die zwischen dem Ende der Schul- und dem Beginn der weiteren Ausbildung liegt (s. nur BSG, Urt. v. 01.02.1995 - 13 RJ 5/94). Je nach (schul-)rechtlicher Ausgestaltung auf Landesebene ist es aber durchaus und ohne Weiteres denkbar, dass zwischen dem Ende der Schul- und dem Beginn der Folgeausbildung sogar etwas mehr als fünf Monate liegen (s. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.12.2008 – L 3 R 534/07: Vormerkung einer Anrechnungszeit zwischen der Ablegung der Abiturprüfung am 17. April 1975 und der Aufnahme des Studiums am 01. Oktober 1975).
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vormerkung von Zeiten zwischen dem Ende der Schul- und dem Beginn der Hochschulausbildung des Klägers als Anrechnungszeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Am 23. Juni 2009 endete die Schulausbildung des im Jahr 1990 geborenen Klägers. Vom 1. August 2009 bis zum 30. April 2010 leistete der Kläger seinen Wehrdienst. Am 1. Oktober 2010 nahm er ein Maschinenbaustudium auf.
Am 12. Juni 2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Kontenklärung, wobei er unter anderem geltend machte, bei der Zeit zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 30. September 2010 handle es sich um eine unvermeidbare Zwischenzeit zwischen der Schul- und der Hochschulausbildung. Am 8. Juli 2019 erließ die Beklagte daraufhin einen Feststellungsbescheid, durch den sie verbindlich über die Zeiträume bis zum 31. Dezember 2012 entschied und dem ein Versicherungsverlauf mit den Zeiträumen beigefügt war, für die sie jeweils eine rentenrechtliche Zeit anerkannte. Die Zeiträume zwischen dem 24. Juni 2009 und dem 31. Juli 2009 sowie zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 30. September 2009 waren in dem Versicherungsverlauf nicht aufgeführt. In der Begründung des Bescheids ging die Beklagte hierauf nicht ein, sondern sie erläuterte lediglich, warum für bestimmte Zeiträume in den Jahren 2013 und 2017 jeweils keine Anrechnungszeit wegen einer Hochschulausbildung anzuerkennen sei.
Gegen den Feststellungsbescheid erhob der Kläger am 23. Juli 2019 Widerspruch, zu dessen Begründung er vortrug, die Beklagte habe zu Unrecht die Zeiträume zwischen dem 24. Juni 2009 und dem 31. Juli 2009 sowie zwischen dem 1. Mai 2010 und dem 30. September 2010 nicht als Anrechnungszeit anerkannt. Eine längere, auch über vier Monate hinausgehende unvermeidbare und organisationsbedingt typische Unterbrechung der Ausbildung sei unschädlich, wenn der Ausbildungswillige staatlich an der Wiederaufnahme der Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt gehindert gewesen sei. Diese Voraussetzung sei in seinem Fall erfüllt. Die in dieser Zeit ausgeübte geringfügige Beschäftigung stehe der Vormerkung einer Anrechnungszeit ebenfalls nicht entgegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung setze die Berücksichtigung von Übergangszeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten generell voraus, dass die Unterbrechung nicht länger als vier Monate dauere. Eine über vier Monate dauernde Unterbrechung sei nur unschädlich, wenn der Ausbildungswillige an der Wiederaufnahme der Ausbildung zunächst staatlich gehindert gewesen sei und die Ausbildung sodann zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnehme. Aber auch in diesem Fall müsse – soweit nicht besondere, hier nicht gegebene Ausnahmekonstellationen vorlägen, etwa wenn der erste Tag des sechsten Monats auf einen Sonnabend oder Sonntag falle – die Ausbildung innerhalb des fünften Monats der Unterbrechung aufgenommen werden, denn ab einer fünf Monate dauernden Unterbrechung der Ausbildung sei die Aufnahme einer versicherungspflichtigen (Aushilfs-)Beschäftigung zumutbar. Der Kläger habe vorliegend erst nach Ablauf von fünf Monaten gerechnet ab dem Ende des Wehrdienstes seine Ausbildung wieder aufgenommen. Die Zeit vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 sei daher insgesamt nicht als Anrechnungszeit anzuerkennen.
Am 7. Oktober 2019 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er die Vormerkung einer Anrechnungszeit für die Zeiträume vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, bei ihm habe sich der Fortgang der Ausbildung aufgrund hoheitlicher Veranlassung verzögert. Er habe weder den Wehrdienst eigenmächtig um einen Monat verlängern noch sein Studium einen Monat früher aufnehmen können, um die von der Beklagten genannte Fünf-Monats-Grenze einzuhalten. Zudem habe es sich bei dem 1. Mai 2010 um einen Feiertag und bei dem 2. Mai 2010 um einen Sonntag gehandelt. Die von der Beklagten genannte Obergrenze von fünf Monaten lasse sich aber ohnehin nicht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts begründen. Für die Anerkennungsfähigkeit jedenfalls sechsmonatiger Zeiträume als Anrechnungszeit spreche umgekehrt, dass dies der Dauer eines Semesters entspreche. Dies sei die Zeitdauer, die im ungünstigsten Fall bis zur Aufnahme eines Studiums zum nächstmöglichen Zeitpunkt abzuwarten sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 8. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2019 zu verpflichten, die Zeiträume vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung (Zwischenzeit zwischen Schulausbildung und Hochschulausbildung) vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, auch die in § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI zum Ausdruck kommende Wertung stütze ihre Rechtsauffassung. Waisenrenten seien nach dieser Vorschrift zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen der Ableistung des Wehrdienstes und der Ableistung eines Ausbildungsabschnitts sogar nur während einer Zeit von vier Monaten übergangsweise zu zahlen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg. Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist begründet. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat einen Anspruch auf Vormerkung einer Anrechnungszeit für die mit der Klage geltend gemachten Zeiträume.
1.) Nach § 149 Abs. 5 Satz 1 iVm. Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 SGB VI stellt die Beklagte im Rahmen des Vormerkungsverfahrens diejenigen Daten durch Bescheid fest, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen und für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird nach § 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI erst bei Feststellung einer Leistung entschieden. Zu den vorzumerkenden Daten zählen vor allem die in den §§ 54 ff. SGB VI geregelten rentenrechtlichen Zeiten, die nach § 58 SGB VI auch Anrechnungszeiten umfassen.
Anrechnungszeiten sind nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI insbesondere Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Liegt eine schulische Ausbildung nur für den Teil eines Kalendermonats vor, zählt nach § 122 Abs. 1 SGB VI der gesamte Monat als Anrechnungszeit. Die Berechnung der Höchstdauer beginnt frühestens mit dem Kalendermonat, in dem das 17. Lebensjahr vollendet wird (Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 58 SGB VI Rn. 59); dabei sind gemäß § 122 Abs. 3 SGB VI diejenigen Zeiten zuerst zu berücksichtigen, die am weitesten zurückliegen (s. dazu auch Fichte, in: Hauck/Noftz, § 58 SGB VI Rn. 122; Gürtner, in: Kasseler Kommentar, § 58 SGB VI Rn. 60).
Im Wege der Rechtsfortbildung erkennt das Bundessozialgericht als Anrechnungszeiten wegen einer schulischen Ausbildung auch unvermeidbare und zugleich organisationsbedingte, typischerweise auftretende und nicht nur einzelfallbedingte Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten an, wobei der erste Ausbildungsabschnitt den Tatbestand einer Anrechnungszeit iSv. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI und der zweite den Tatbestand einer beliebigen rentenrechtlichen Zeit erfüllen muss (s. etwa BSG, Urt. v. 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R). Diese Zwischenzeiten bilden mit den beiden anderen Ausbildungsabschnitten eine einheitliche notwendige Ausbildung. Versicherte, die eine vom Gesetzgeber vorgesehene typisierte Ausbildung aus von ihnen nicht zu vertretenden organisationsbedingten Gründen ungewollt und unvermeidbar nicht zügig fortsetzen und dementsprechend erst später eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen können, sollen in dem entsprechenden zeitlichen Rahmen keinen rentenversicherungsrechtlichen Nachteil erleiden (BSG, Urt. v. 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R). Dies betrifft etwa die Semesterferien während des Studiums (BSG, Urt. v. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R).
In Anlehnung an die Wertung des (heutigen) § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) – danach werden für den Anspruch auf Kindergeld u.a. auch solche unter 25 Jahre alte Kinder berücksichtigt, die sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befinden, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt – ist die unvermeidbare Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten jedoch im Ausgangspunkt nur dann als Anrechnungszeit vormerkungsfähig, wenn sie höchstens vier Monate dauert. Bei längeren Ausbildungspausen ist die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit zumutbar (BSG, Urt. v. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R).
Zwischenzeiten, die diese anerkennungsfähige Höchstdauer überschreiten, sind insgesamt nicht vormerkungsfähig, wohingegen eine bis zum Erreichen der anerkennungsfähigen Höchstdauer begrenzte Vormerkung nicht in Betracht kommt (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.1997 – 4 RA 67/97).
Jedenfalls wenn die zeitnahe Fortsetzung einer Ausbildung aufgrund einer staatlichen Anordnung nicht möglich war, zieht das Bundessozialgericht die Zeitgrenze von vier Monaten jedoch nicht als starre Obergrenze heran. Der in Anlehnung an § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG vorgegebene zeitliche Rahmen von bis zu vier Monaten diene lediglich als Anhalt für den Umfang des bei typisierender Betrachtungsweise auszugleichenden und von der Versichertengemeinschaft als Solidarleistung zu tragenden rentenversicherungsrechtlichen Nachteils (BSG, Urt. v. 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R; zuvor bereits angedeutet in BSG, Urt. v. 01.02.1995 – 13 RJ 5/94). Dementsprechend erachtete das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R im Falle der Ableistung von Wehrdienst eine Zwischenzeit dann für vormerkungsfähig, wenn sowohl die Zeit zwischen Ablegung der Reifeprüfung und Aufnahme des Wehr- oder Zivildienstes als auch die Zeit nach Beendigung des Dienstes bis zur Aufnahme des Studiums jeweils für sich gesehen vier Monate nicht überschreitet. Denn der Ausbildungswillige sei durch staatliche Anordnung ("von hoher Hand") gehindert gewesen, das Studium zu einem früheren Zeitpunkt aufzunehmen. Bereits zuvor hatte das Bundessozialgericht etwa in einem Urteil vom 03.06.1981 – 11 RA 39/80 ausgeführt, bei Ableistung von Wehrdienst sei eine Anrechnungszeit anzuerkennen, sofern das Studium zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgenommen werde. Durch Urteil vom 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R entschied das Bundessozialgericht weiterhin, eine Überschreitung des Zeitraums von vier Monaten sei auch dann unschädlich, wenn die Ausbildungspause zwischen Abitur und frühestmöglichem Studienbeginn wegen abstrakter organisatorischer Maßnahmen des Ausbildungsträgers (im konkreten Fall: staatliche Regelung des Zeitpunktes des Schulabschlusses sowie vonseiten der Hochschule festgelegter Semesterbeginn) vier Monate überschreite. Denn die Schul- und Berufsausbildung bzw. die einzelnen Ausbildungsabschnitte gingen in der Regel nicht nahtlos ineinander über, sodass – sofern "Ausbildung" für eine Zwischenzeit organisationsbedingt typischerweise generell nicht angeboten werde – dies dem "zukünftigen Versicherten" nicht anzulasten sei; auch dieser Versicherte sei letztlich "von hoher Hand" an der Fortsetzung seiner Ausbildung gehindert worden (BSG, Urt. v. 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R).
2.) Orientiert an diesen Maßstäben hat der Kläger einen Anspruch auf Vormerkung einer Anrechnungszeit für die streitigen Zeiträume.
a.) Das Gericht konnte dabei in der Sache entscheiden; es war nicht lediglich der Widerspruchsbescheid aufzuheben und die Sache an die Beklagte zur Entscheidung zurückzuverweisen. Eine solche Zurückverweisung wäre geboten gewesen, wenn die Beklagte über die hier streitigen Zeiten erstmals in dem Widerspruchsbescheid entschieden hätte, da der Widerspruchsausschuss für Erstentscheidungen funktional und sachlich nicht zuständig ist (vgl. BSG, Urt. v. 20. Juli 2010 – B 2 U 19/09 R; s. auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.03.2015 – L 7 R 4143/14). Die Beklagte hat jedoch bereits in dem Bescheid vom 8. Juli 2019 und nicht erst in dem Widerspruchsbescheid über die hier streitigen Zeiten entschieden, wenngleich sie in dem Bescheid vom 8. Juli 2019 nicht ausdrücklich die Vormerkung der hier streitigen Zeiten ablehnte. Subjektiv wollte sie in diesem Bescheid eine Ablehnungsentscheidung treffen, wie aus einem verwaltungsinternen Versicherungsverlauf vom 5. Juli 2019 hervorgeht, in dem sie die Zeiten vom 24. Juni 2009 bis zum 31. Juli 2009 sowie vom 1. Mai 2010 bis zum 30. September 2010 als "abgelehnte Zeit" bezeichnet, wobei händisch außerdem vermerkt ist: "ø ÜZ – zu lang!". Dieser Ablehnungswille geht aus dem Bescheid vom 8. Juli 2019 auch noch hinreichend deutlich hervor. Dem steht nicht entgegen, dass dessen verfügender Teil nicht ausdrücklich die Vormerkung von Anrechnungszeiten für den hier streitigen Zeitraum ablehnt und sich auch die Begründung des Bescheids hierzu – im Gegensatz zu in den Jahren 2013 und 2017 liegenden Zeiträumen – nicht näher verhält. Denn indem die Beklagte einleitend ausführt: "stellen wird die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten [ ] bis 31.12.2012 [ ] verbindlich fest", brachte sie jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass sie die Vormerkung sonstiger geltend gemachter Zeiten, die in diesem Zeitraum liegen und in dem Versicherungsverlauf nicht aufgelistet sind, ablehnte. Geltend gemacht hatte der Kläger indessen auch die hier streitigen Zeiten. Ausdrücklich erwähnt hatte er in seinem Antrag die Zeit von Mai bis September 2010, wobei wegen der Unteilbarkeit der Zwischenzeit (vgl. o.) bei interessengerechter Auslegung auch der vor dem Wehrdienst liegende Zeitraum hiervon mit in Bezug genommen war.
b.) Der Kläger hat einen Anspruch auf Vormerkung einer Anrechnungszeit in den mit der Klage geltend gemachten Zeiträumen.
Sowohl vor als auch nach den hier streitigen Zeiträumen lagen Zeiten der Schul- und der Hochschulausbildung, die der Kläger nach Vollendung seines 17. Lebensjahres zurückgelegt hat (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI). Der Kläger hat sein Studium weiterhin zu dem ihm frühestmöglichen Zeitpunkt aufgenommen, da einem Studienbeginn zum 1. Oktober 2009 oder zum 1. April 2010 die Ableistung des Wehrdienstes entgegengestanden hätte. Die etwaige Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung in den hier streitigen Zeiträumen stünde der Anerkennung einer Zwischenzeit nicht entgegen (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 22.06.2017 – L 19 R 1005/13). Auch ist die Acht-Jahres-Grenze des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI gewahrt, weil vor der hier streitigen Zeit lediglich der Schulbesuch vom XX. Februar 2007 – dem 17. Geburtstag des Klägers – bis zum 23. Juni 2009 den Tatbestand einer Anrechnungszeit begründete.
Auch im Übrigen begegnet die Vormerkung der geltend gemachten Zeiten als Anrechnungszeit keinen rechtlichen Hindernissen; insbesondere steht ihre Dauer – die gesamte in Streit stehende Zeit betrug 6 Monate und 1 Woche, wobei auf die Zeit zwischen dem Ende des Wehrdienstes und dem Studienbeginn 5 Monate entfielen – der Vormerkung nicht entgegen.
aa.) Die Vormerkung der geltend gemachten Zeiten scheitert nicht an der Überschreitung einer durch die bundessozialgerichtliche Rechtsprechung festgelegten zeitlichen Höchstgrenze.
(1.) Gegen die Vormerkungsfähigkeit der hier streitigen Zeiten spricht nach dem Verständnis der erkennenden Kammer zunächst nicht das Urteil vom 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R, in dem das Bundessozialgericht ausführte, bei einem Wehrdienstleistenden sei die "jeweils vier Monate nicht überschreitende Zeit" zwischen Ende der Schulausbildung und Beginn des Wehrdienstes sowie Ende des Wehrdienstes und Beginn der Hochschulausbildung als Anrechnungszeit vormerkungsfähig.
Nach dem Verständnis der erkennenden Kammer beruhte die Statuierung der – im vorliegenden Fall nicht gewahrten – Zeitgrenze von zwei Mal vier Monaten in dieser Entscheidung darauf, dass die bundessozialgerichtliche Rechtsprechung Abiturienten außerhalb von Fällen der Wehrdienstleistung im Jahr 2000 noch ohne Rücksicht auf die Gründe der Verzögerung des Studienbeginns lediglich eine Unterbrechung der Ausbildung von höchstens vier Monaten zubilligte (s. etwa BSG, Urt. v. 09.02.1984 – 11 RA 2/83 = BSGE 56, 148 ff. mwN.). Erst seit dem Jahr 2005 lässt das Bundessozialgericht bei hochschulorganisationsbedingter Verzögerung des Studienbeginns größere Ausbildungsunterbrechungen zu (s.o.). Diese seinerzeit noch unterschiedslos geltende Vier-Monats-Grenze stand dem Bundessozialgericht bei der Abfassung des Urteils vom 31.08.2000 positiv vor Augen, denn es hat die soeben genannte Entscheidung aus dem Jahr 1984 in demselben Absatz zitiert, in dem es die Grenze von zwei Mal vier Monaten für Wehrdienstleistende formulierte. Wehrdienstleistenden sollte nach dem Verständnis der erkennenden Kammer in diesem Zusammenhang die zweimalige Ausschöpfung der Vier-Monats-Grenze ermöglicht werden, da sie durch staatlichen Eingriff an der Fortsetzung der Ausbildung gehindert werden und dieser staatliche Eingriff bei nicht nahtlosem Übergang von Wehrdienst einerseits und Schul- oder Hochschulausbildung andererseits zugleich die ausbildungsfreie Zwischenzeit in zwei Abschnitte aufspaltet.
Durch die Lockerung der Vier-Monats-Grenze im Jahr 2005 (s.o.) ist der Anknüpfungspunkt für eine starre Grenze von zwei Mal vier Monaten für Wehrdienstleistende jedoch entfallen.
(2.) Gegen die Vormerkungsfähigkeit der hier streitigen Zeiten spricht nach Auffassung der erkennenden Kammer weiterhin nicht das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R, in dem es in Bezug auf Unterbrechungen der Ausbildung durch den Wehrdienst zwar zunächst ausführte, in diesen Fällen könne die anerkennungsfähige Zwischenzeit auch "weit über vier Monate" hinausgehen, sodann aber ergänzte: "Hierbei ist nicht der Dienst selbst, sondern die jeweils vier Monate nicht übersteigende Zeit zwischen Ablegung der Reifeprüfung und Aufnahme des Wehr- oder Zivildienstes und die entsprechende Zeit nach Beendigung des Dienstes bis zur Aufnahme des Studiums als unvermeidbare Zwischenzeit anzusehen. Kennzeichnend für diese Zwischenzeit ist ebenfalls, dass sie nicht nur kurz ist, sondern überdies häufig und in typischer Weise auftritt."
Nach dem Verständnis der erkennenden Kammer folgt hieraus nicht, dass auch nach der Lockerung der Vier-Monats Grenze durch das Urteil vom 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R im Falle der Wehrdienstleistung in jedem Fall eine starre Grenze von zwei Mal vier Monaten gelten soll. In der Entscheidung vom 14.07.2007 hatte das Bundessozialgericht nicht tragend über die Voraussetzungen für die Vormerkung einer Zwischenzeit bei Wehrpflichtigen entscheiden müssen, sondern Gegenstand der Entscheidung war alleine die Frage, ob auch für Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres die Vormerkung einer Zwischenzeit bei einer mehr als viermonatigen Ausbildungspause möglich ist, was das Bundessozialgericht verneinte. Die o.g. Passage, die wörtlich aus dem Urteil vom 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 übernommen ist, hat in diesem Zusammenhang die Funktion, dem freiwilligen sozialen Jahr den (unvermeidbaren) Wehrdienst gegenüberzustellen. Dass für Wehrdienstleistende auch nach Lockerung der Vier-Monats-Grenze zwingend eine strikte zeitliche Höchstgrenze von zwei Mal vier Monaten gilt, wollte das Bundessozialgericht hiermit nach dem Verständnis der erkennenden Kammer jedoch nicht zum Ausdruck bringen. Denn nach dem Gesamtkontext und insbesondere der sprachlichen Hinführung ("Dies ist für diejenigen Fälle anerkannt, [ ]") liegt der Aussageschwerpunkt der zitierten Passage in positiver Weise darauf, dass jedenfalls bei Einhaltung der genannten Voraussetzungen schon nach der bisherigen Rechtsprechung eine Anrechnungszeit vorzumerken ist, und weniger in negativer Form in der Bestätigung der in der Vergangenheit angenommenen Höchstgrenze von zwei Mal vier Monaten für vormerkungsfähige Zwischenzeiten im Falle der Wehrdienstleistung.
(3.) Soweit das Bundessozialgericht anderweitig verbindliche Höchstgrenzen für die Vormerkung von Zwischenzeiten zwischen Ausbildungsabschnitten als Anrechnungszeit definiert hat, sind diese Grenzen vorliegend gewahrt.
(a.) In seinem Urteil vom 01.02.1995 – 13 RJ 5/94 erachtete das Bundessozialgericht – allerdings nicht tragend – die Zeit von sechs Monaten zwischen dem Ende einer Ausbildung und dem Beginn eines Zivildienstes, an den sich der Bezug von Arbeitslosengeld I anschloss, für zu lang (in ähnlicher Weise maximal eine Unterbrechung von sechs Monaten anerkennend: Flecks, in: jurisPK-SGB VI, § 58 SGB VI Rn. 74; SG Mainz, Urt. v. 22.03.2012 – S 1 R 175/10). Diese Zeitgrenze wäre hier jedoch gewahrt, weil nach Auffassung der erkennenden Kammer bei Zugrundelegung einer Sechs-Monats-Grenze jedenfalls nicht auf die Gesamtdauer der streitigen Zeit abzustellen wäre, sondern es ausreichte, wenn nur keiner der beiden Teilabschnitte vor und nach dem Wehrdienst diese Dauer überschreitet.
Die Bildung einer zeitlichen Höchstgrenze verlangt die Wertung, ab welcher Dauer der Ausbildungsunterbrechung einem Versicherten die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zumutbar ist (vgl. BSG, Urt. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R). Dabei sind der mit der Eingehung und Ausübung eines Beschäftigungsverhältnisses verbundene Bewerbungs- und sonstige organisatorische Aufwand auf der einen und die zu erwartende Dauer der Zwischenzeit, deren Überbrückung mit einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis in Betracht kommt, auf der anderen Seite gegenüberzustellen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Anberaumung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigt. Denn Anrechnungszeiten für unvermeidbare Zwischenzeiten sollen gerade auch solche Zeiten erfassen, die wegen ihrer Kürze durch Beschäftigungszeiten regelmäßig nicht sinnvoll zu überbrücken sind (vgl. BSG, Urt. v. 06.07.1972 – 11 RA 79/72; BSG, Urt. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R).
Diese Abwägung muss bei Unterbrechung der Ausbildungspause durch den Wehrdienst jeweils für die einzelnen Zeitabschnitte separat und nicht in Relation zur Gesamt-Dauer der Ausbildungsunterbrechung erfolgen (vgl. auch BSG, Urt. v. 31.08.2000 – B 4 RA 7/99 R: das Bundessozialgericht hatte in dieser Entscheidung die damals noch geltende strikte Vier-Monats-Grenze sowohl vor als auch nach der Zeit des Wehrdienstes je einmal in Ansatz gebracht; darüber hinaus sieht auch § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung die Gewährung einer viermonatigen Übergangszeit jeweils vor und nach dem Wehrdienst vor). Denn vor und nach dem Wehrdienst hätte sich ein Versicherter in aller Regel jeweils neu – mit entsprechender Vorlaufzeit – um eine Beschäftigung bewerben müssen. Es konnte hingegen zur Überzeugung der Kammer nicht als Regelfall angesehen werden, dass ein Arbeitgeber einem Versicherten, der vor Ableistung des Wehrdienstes eine Beschäftigung aufnimmt, nicht nur einen bis zum Beginn des Wehrdienstes befristeten, sondern von vornherein einen bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts reichenden Arbeitsvertrag anbietet. Denn durch die Ableistung des Wehrdienstes wäre das Beschäftigungsverhältnis für neun Monate unterbrochen worden. Der Arbeitgeber hätte infolgedessen für diese Zeit eine Ersatzkraft finden müssen, die nach der Rückkehr des Versicherten den Betrieb wiederum ihrerseits hätte verlassen müssen. Für eine Aushilfskraft – in der Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten kommen andere als Aushilfstätigkeiten kaum in Betracht – wird ein Arbeitgeber kaum einen derartigen Organisationsaufwand betreiben.
Dass es dem Kläger nach Maßgabe von § 6b Abs. 1, Abs. 2 Wehrpflichtgesetz (WPflG) idFv. 30.05.2005 möglich gewesen wäre, den Wehrdienst freiwillig um einen bis vierzehn Monate zu verlängern und so die Dauer des zweiten Zeitabschnitts zu verkürzen, muss dabei außer Betracht bleiben. Da die für Wehrpflichtige geltenden Rechtsvorschriften die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG)), der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) einschränkten (vgl. § 51 WPflG idFv. 30.05.2005), war dem Kläger die freiwillige Verlängerung des Wehrdienstes alleine zur Vermeidung von Lücken im Versicherungsverlauf nicht zuzumuten.
(b.) In der Entscheidung vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R hielt das Bundessozialgericht jedenfalls einen Zeitraum von insgesamt einem Jahr für generell nicht mehr vormerkungsfähig (ähnlich LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 29.06.2006 – L 10 R 3634/05: acht Monate), doch ist dieser Zeitraum hier nicht überschritten.
(c.) Weitere ausdrücklich formulierte Höchstgrenzen ergeben sich aus der bundessozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht (s. auch ausdrücklich LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.12.2008 – L 3 R 534/07). In seinem Urteil vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R hat das Bundessozialgericht sich einer näheren zeitlichen Festlegung des maximal vormerkungsfähigen Zeitraums jenseits der dort formulierten Höchstgrenze von einem Jahr – auch mangels Entscheidungserheblichkeit in dem betreffenden Fall – ausdrücklich enthalten.
bb.) Es existieren keine sonstigen Vorschriften, die einen normativen Anknüpfungspunkt für die Bildung einer zeitlichen Höchstgrenze bieten könnten.
(1.) Der durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz (BGBl. I 2004, S. 1791) mWv. 01.08.2004 eingeführten Vorschrift des § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b SGB VI – danach wird Waisenrente in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten zwischen einzelnen Ausbildungsabschnitten und der Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes oder eines freiwilligen sozialen Dienstes gezahlt – lassen sich im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte und ihren abweichenden Regelungszweck kein Aussagen im Hinblick auf die Vormerkung von Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten entnehmen (vgl. BSG, Urt. v. 17.04.2007 – B 5 R 62/06 R; Fichte, in: Hauck/Noftz, § 58 SGB VI Rn. 130). Im Übrigen formuliert die Vorschrift eine Vier-Monats-Grenze die nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit dem Jahr 2005 gerade nicht mehr starr gelten soll.
(2.) Daraus, dass der Gesetzgeber im Jahr 2015 in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1b EStG für die Berücksichtigung von Kindern im Familienlastenausgleich ebenfalls eine 4-Monats-Grenze für Zeiten zwischen Ausbildungsabschnitten sowie Wehr-, Zivil- oder Freiwilligendienst eingeführt hat, lässt sich für die vorliegende Konstellation ebenfalls kein normativer Anknüpfungspunkt gewinnen. Denn in der Gesetzesbegründung zu dieser steuerrechtlichen und damit außerhalb des Sozialrechts stehenden Vorschrift finden sich keine Ausführungen zum Rentenversicherungsrecht (s. BT-Drs. 18/3017, S. 49).
cc.) Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 17.04.2007 – B 5 R 62/06 stärker als noch in dem Urteil vom 10.02.2005 – B 4 RA 26/04 R herausstellt, dass die Vier-Monats-Grenze des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG weiterhin den normativen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Höchstdauer der vormerkungsfähigen Zwischenzeiten darstellt und dass der in Frage stehende Zeitraum sich nicht gänzlich von diesem Leitbild entfernen darf, ist diese Voraussetzung in Bezug auf die einzelnen Teilabschnitte (zur getrennten Betrachtung der einzelnen Teilabschnitte s.o.) ebenfalls gewahrt.
Der erste Teilabschnitt der hier streitigen Zwischenzeit dauerte 1 Monat und 1 Woche.
Der zweite Teilabschnitt dauerte 5 Monate. Von dem Leitbild des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG ist diese Zeitdauer jedoch noch gedeckt. Bei der Schaffung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b BKGG ging der Gesetzgeber davon aus, dass vier Monate typischerweise die Zeit darstellen, die zwischen dem Ende der Schul- und dem Beginn der weiteren Ausbildung liegt (s. nur BSG, Urt. v. 01.02.1995 - 13 RJ 5/94). Je nach (schul-)rechtlicher Ausgestaltung auf Landesebene ist es aber durchaus und ohne Weiteres denkbar, dass zwischen dem Ende der Schul- und dem Beginn der Folgeausbildung sogar etwas mehr als fünf Monate liegen (s. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.12.2008 – L 3 R 534/07: Vormerkung einer Anrechnungszeit zwischen der Ablegung der Abiturprüfung am 17. April 1975 und der Aufnahme des Studiums am 01. Oktober 1975).
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
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Aus
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