L 5 AR 27/19 KO

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 27/19 KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Erfüllt ein Befund- und Behandlungsbericht, mit dem zugleich richterliche Zusatzfragen beantwortet werden, mehrere Tatbestände des Abschnitts 2 der Anlage 2 zum JVEG, ist die Vergütung aus dem Rahmen der Nr. 203 Anlage 2 JVEG zu bestimmen, wobei die höchste verwirklichte Einzelvergütung die untere Begrenzung des Rahmens bildet.

2. Die Vergütung nach Nr. 202 Anlage 2 JVEG umfasst alle mit der Vergütung nach Nr. 200 Anlage 2 JVEG vergüteten Leistungen. Wird neben einer kurzen gutachterlichen Äußerung (Nr. 202 Anlage 2 JVEG) ein außergewöhnlich umfangreicher Befundschein erteilt, ist es regelmäßig gerechtfertigt, die Vergütung aus der Summe des Betrags gemäß Nr. 202 Anlage 2 JVEG und des Differenzbetrags zwischen den Nrn. 201 und 200 Anlage 2 JVEG zu bestimmen.
Die Vergütung der Antragstellerin wird auf 61,95 EUR festgesetzt. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat im Rahmen eines schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahrens am 11. November 2019 einen insgesamt vierseitigen Befund- und Behandlungsbericht erstattet und dabei – mit insgesamt sieben Zeilen Text – auch u.a. folgende ihr vom Berichterstatter gestellte Fragen beantwortet:

3.a) Welche Therapie führen/führten Sie durch? 3.b) Kann/konnte hierdurch vermutlich eine Besserung des momentanen Zustands erreicht werden? 3.c) Bejahendenfalls, in welcher Zeit und welcher Intensität?

Mit Schreiben vom 18. November 2019 hat sie einen Vergütungsanspruch von 75,80 EUR geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 29. November 2019 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung der Antragstellerin in Höhe von 44,95 EUR festgestellt und den Betrag angewiesen. Zur Begründung der Kürzung hat sie ausgeführt, dass sich die Vergütung vorliegend nach Nr. 201 der Anlage zu § 10 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bestimme. Es seien keine gutachterlichen Äußerungen angefordert worden, die eine Entschädigung in der begehrten Höhe rechtfertigten.

Die Antragstellerin hat dagegen am 9. Dezember 2019 gerichtliche Festsetzung beantragt. Bei der Beantwortung der Fragen zu 3.b) und c) handele es sich um gutachterliche Feststellungen. Die Fragen seien nicht aus den ihr zugrundeliegenden Unterlagen zu beantworten. Die Beantwortung erfordere ihr Fachwissen und setze eine Prognose voraus.

Der Antragsgegner hält die Feststellung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle für zutreffend. Eine gutachterliche Äußerung sei in der Beantwortung der Fragen nicht zu sehen, weil lediglich die von der Antragstellerin festgestellten Ergebnisse der durchgeführten Behandlung erfragt worden seien.

II.

Über den nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 JVEG zulässigen Antrag entscheidet durch den Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 JVEG).

Der nicht erloschene (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG) und unverjährte (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 1 JVEG) Vergütungsanspruch der Antragstellerin besteht in tenorierter Höhe.

Maßgeblich für die Höhe des Vergütungsanspruchs für den von der Antragstellerin erstatteten Befund- und Behandlungsbericht nebst Beantwortung ergänzender Fragen sind – worauf auch die Beteiligten zu Recht hingewiesen haben – die Nrn. 200-203 der Anlage 2 (zu § 10 Abs. 1) zum JVEG. Dort heißt es:

Abschnitt 2 Befund 200 Ausstellung eines Befundscheins oder Erteilung einer schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtliche Äußerung ... 21,00 EUR 201 Die Leistung der in Nummer 200 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 200 beträgt ... bis zu 44,00 EUR 202 Zeugnis über einen ärztlichen Befund mit von der heranziehenden Stelle geforderter kurzer gutachtlicher Äußerung oder Formbogengutachten, wenn sich die Fragen auf Vorgeschichte, Angaben und Befund beschränken und nur ein kurzes Gutachten erfordern ... 38,00 EUR 203 Die Leistung der in Nummer 202 genannten Art ist außergewöhnlich umfangreich: Das Honorar 202 beträgt ... bis zu 75,00 EUR

Vorliegend hat die Antragstellerin einen Befundschein i.S. der. Nr. 200 Anlage 2 zum JVEG ausgestellt, der insoweit auch außergewöhnlich umfangreich i.S. der Nr. 201 Anlage 2 zum JVEG gewesen ist.

Sie hat darüber hinaus aber durch Beantwortung insbesondere der Fragen zu 3.b) und c) der richterlichen Verfügung auch eine kurze gutachterliche Äußerung abgegeben, die nach Einschätzung des Gerichts den (niedrigen) Anforderungen der Nr. 202 Anlage 2 zum JVEG ohne Weiteres genügt. Insbesondere die (auch) zukunftsoffene Frage nach der Behandlungsperspektive erfordert prognostische Wertungen, die über eine Zusammenfassung der Befundunterlagen hinausgehen. Diese Leistung ist jedoch nicht außergewöhnlich umfangreich i.S. der Nr. 203 Anlage 2 zum JVEG gewesen, sondern inhaltlich knapp ausgefallen.

Diese, mehrere Vergütungstatbestände des Abschnitts 2 der Anlage 2 zum JVEG erfüllende Leistung ist nach Überzeugung des Gerichts so zu bewerten, dass die Vergütung grundsätzlich dem Rahmen der Nr. 203 ("bis zu 75,00 EUR") zu entnehmen ist (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl. 2017, JVEG § 10 Rn. 13), wobei vorliegend der Betrag von 44,00 EUR die untere Begrenzung des Rahmens darstellt, weil der Befundbericht der Antragstellerin bereits für sich genommen den Vergütungstatbestand der Nr. 201 erfüllt. Den konkreten Vergütungsanspruch ermittelt das Gericht vorliegend aus dem Gebührentatbestand der Nr. 202 (38,00 EUR) und der Differenz zwischen den Werten der Vergütungstatbestände der Nrn. 201 und 200 (23,00 EUR). Dabei geht das Gericht bei systematischer Betrachtung davon aus, dass der Aufwand für die Ausstellung eines einfachen Befundscheins in der Vergütung nach Nr. 202 ("Zeugnis über einen ärztlichen Befund") bereits enthalten ist, so dass lediglich dessen außergewöhnlicher Umfang hier neben der kurzen gutachterlichen Stellungnahme zusätzlich zu vergüten ist.

Die Portokosten (0,95 EUR) sind als notwendige Aufwendungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG vergütungsfähig.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 4 Abs. 8 JVEG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG, § 177 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Rechtskraft
Aus
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