Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3614/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1194/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung ist für die Frage, ob eine quantitative Leistungsminderung vorliegt, nicht maßgeblich; sie ist allein für die Befristung bzw. die Dauer einer Rente von Bedeutung.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Im Übrigen bleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 streitig.
Die 1975 geborene Klägerin hat den Beruf der Justizfachangestellten erlernt. Seit 2005 war sie als Pflegehelferin, zuletzt im Umfang von 75 % versicherungspflichtig beschäftigt. Eine Ausbildung zur Pflegefachkraft brach sie im März 2014 ab. Seit Januar 2015 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Vom 18.02.2015 bis 04.01.2016 und vom 03.02.2016 bis 06.07.2016 bezog die Klägerin Krankengeld, vom 05.01.2016 bis 02.02.2016 Übergangsgeld und vom 07.07.2016 bis 05.07.2017 Arbeitslosengeld. Darüber hinaus bezieht sie nach dem Tod ihres Manns im Jahr 2007 eine Witwenrente. Das Landratsamt A. – Amt für Versorgung und Rehabilitation – stellte bei der Klägerin mit Bescheid vom 16.06.2017 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 09.03.2017 fest.
Vom 05.01.2016 bis 02.02.2016 gewährte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B., aus der sie mit den Diagnosen SIG-Irritationssyndrom beidseits im Sinne einer Spondylarthritis, rezidivierende Polyarthralgien, z.B. an den Schultern, Ellbogen, Kniegelenken, möglicherweise im Rahmen einer Autoimmunerkrankung (Sweet-Syndrom), Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und Adipositas für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig entlassen wurde. Aus psychotherapeutischer Sicht hätten sich keine quantitativen oder qualitativen Leistungseinschränkungen ergeben.
Am 07.03.2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte und den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 02.02.2016 bei und veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. C., der in seinem Gutachten vom 12.05.2017 zu der Einschätzung gelangte, die Klägerin sei unter Berücksichtigung näher dargelegter qualitativer Einschränkungen in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Pflegehelferin sei dauerhaft nicht leidensgerecht. Sie leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren, angegebener bedarfsabhängiger Schmerztherapie mittlerer Stärke, insgesamt leichtgradiger Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (vorwiegend LWS) bei kernspintomographischen Hinweisen auf Kreuzdarmbeingelenksaffektion (fragliche Sakroiliitis), aktuell keine ausreichenden Hinweise auf Morbus Bechterew, einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, Bluthochdruck (Therapieverzicht), Ober- und Unterschenkelvarikosis beidseits und Adipositas.
Gestützt auf das Gutachten von Dr. C. lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.05.2017 ab.
Zur Begründung ihres hiergegen am 20.06.2017 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beklagte habe medizinisch nicht ausreichend ermittelt und den tatsächlichen Gesundheitszustand falsch beurteilt. Die orthopädischen Leiden in Form der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, der Schultergelenke, beider Hüftgelenke und beider Kniegelenke seien nicht ausreichend berücksichtigt. Sie leide hingegen nicht an einem erhöhten Blutdruck, weshalb eine Therapie hierfür nicht erforderlich sei. Unter Bezugnahme auf ärztliche Befundunterlagen verwies sie zudem auf eine vorliegende Spondylarthritis sowie eine mittlere Depression.
Dr. C. führte in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.07.2017 hierzu aus, auch unter Berücksichtigung der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Informationen ergäben sich keine Zweifel am täglich mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen. Die Wirbelsäulenfunktion und die Funktion des Bewegungsapparates seien nur leichtgradig ausgeprägt. Soweit die Formulierung "Therapieverzicht" so verstanden worden sei, dass dies der Klägerin negativ angerechnet werde, sei dies ein Missverständnis; dies sei definitiv nicht der Fall. Die Depression sei nach den gutachterlich erhobenen psychopathologischen Befunden unter gut vertragener antidepressiver Therapie bei im niedrigen therapeutischen Bereich liegendem Serumspiegel des Antidepressivums nur leichtgradig ausgeprägt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es seien keine Auswirkungen der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen ersichtlich, die deren Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bestehe daher nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.10.2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren unter Vorlage von Befundberichten ihrer behandelnden Ärzte und Kliniken wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, an starken Schmerzen und Konzentrationsmängeln zu leiden. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes sei sie schwerwiegend eingeschränkt und in ihrem Leistungsvermögen reduziert.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und den Facharzt für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. F. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D. hat unter dem 07.12.2017 ein auf täglich unter zwei bis drei Stunden herabgesetztes Leistungsvermögen beschrieben. Das Hauptleiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet; die Klägerin leide an einer rezidivierenden Depression mittleren Grades. Die Einschränkung sehe er seit dem Zeitpunkt des Erstgesprächs am 17.03.2015. Er sei davon ausgegangen, dass sich durch konsequente psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung eine ausreichende Stabilisierung erreichen lasse. Dies sei nicht möglich gewesen, was nicht zuletzt durch die zusätzlichen orthopädischen Beschwerden begründet werde. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. hat unter dem 14.12.2017 über eine Verschlechterung der psychischen Verfassung und einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich berichtet. Er behandle die Klägerin seit August 2016, zu Beginn der Behandlung habe eine vorübergehende Besserung der Symptomatik erzielt werden können. Die Schmerzsymptomatik und auch die psychische Verfassung der Klägerin hätten sich im weiteren Verlauf kontinuierlich verschlechtert. Hierdurch sei auch eine zunehmende Hilfebedürftigkeit bezüglich der Bewältigung alltäglicher Aufgaben in Haushalt und Familie erfolgt. Aus hausärztlicher Sicht halte er eine tägliche Arbeitszeit von drei Stunden für möglich. Der Rheumatologe O. ist in seiner Aussage vom 05.01.2018 von einem vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin ausgegangen. Vom rheumatologischen Befund her sehe er keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit, eine solche bestehe evtl. auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet. P., Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, R.klinik B., hat Befundberichte vorgelegt.
Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 14.05.2018 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 03.05.2018 auf psychiatrischem Fachgebiet ein mittelgradiges depressives Syndrom, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Sensibilitätsstörungen am rechten Oberschenkel ohne funktionelle Bedeutung und anamnestisch Kontrollzwang und Agoraphobie angegeben. Darüber hinaus bestünden Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates ohne relevantes neurologisches Defizit, Adipositas Grad II und ein Krampfaderleiden. Formal könne die Klägerin zumindest leichte körperliche Arbeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen und ohne vermehrt geistige und psychische Belastungen in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht verrichten. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht liege nach Abwägen aller Fakten gegenwärtig und vorläufig ein arbeitstägliches Leistungsvermögen unter drei Stunden bzw. ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor. Der psychische Beschwerdekomplex habe sich im Laufe der letzten Jahre verfestigt und enge die Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Determinierung der Lebensgestaltung derart nachhaltig ein, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Das von ihm beschriebene Leistungsvermögen bestehe hilfsweise seit dem Datum der Rentenantragstellung am 07.03.2017. Eine weitere zeitliche Eingrenzung sei nicht möglich. Die Klägerin habe einen Crescendo-Charakter der seelischen Symptomatik im laufenden Rentenverfahren beschrieben. Die Erkrankungen seien durchaus behandelbar; es sei bislang keine Richtlinien-Psychotherapie erfolgt, was nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden könne. Möglich wäre auch eine Intensivierung der Psychopharmakotherapie. Die Wahl der therapeutischen Optionen obliege letztlich den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Eine Nachuntersuchung sollte zum Ablauf des Jahres 2020 erfolgen. Ein Zeitraum von mehr als anderthalb Jahren sei für eine Intensivierung der Behandlung ausreichend lang genug.
Die Beklagte hat hierzu Stellungnahmen ihres sozialmedizinischen Dienstes durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin und Suchtmedizin Dr. G. vom 29.05.2018 und die Ärztin für Psychiatrie und Suchtmedizin MUDr. M. vom 17.07.2018 und vom 10.09.2018 vorgelegt.
An der von ihm vertretenen Einschätzung hat Dr. F. in aufgrund der Einwände der Beklagten eingeholten ergänzenden Stellungnahmen vom 26.06.2018 und 20.08.2018 festgehalten.
Mit Urteil vom 27.02.2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2017 verurteilt, der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 03.12.2018 bis zum 31.12.2020 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien erfüllt. Zur Überzeugung der Kammer sei die Klägerin seit dem Tag der Begutachtung durch Dr. F., dem 03.05.2018, gesundheitlich nur noch in der Lage, unter drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Die durch den Sachverständigen beschriebenen Einschränkungen zeigten sich zur Überzeugung der Kammer auch nach dem persönlichen Eindruck von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und den glaubhaften Ausführungen ihres Lebensgefährten. Entgegen der Ausführungen der Beklagten sei nicht entscheidend darauf abzustellen, dass bislang noch keine Psychotherapie durchgeführt worden sei und auch eine Intensivierung der Psychopharmakotherapie erfolgversprechend wäre. Aus dem Umstand, dass nach der Einschätzung von Dr. F. eine Besserung der Leistungsfähigkeit durch eine Richtlinien-Therapie sowie eine Intensivierung der Psychopharmakotherapie erreicht werden könne, ergebe sich zur Überzeugung der Kammer kein Ausschluss der Rente wegen Erwerbsminderung, sondern ein Grund zur Befristung derselben. Die Kammer schließe sich nicht der teilweise vertretenen obergerichtlichen Rechtsprechung an, wonach psychische Erkrankungen erst dann von rentenrechtlicher Relevanz seien, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne. Bedenken bestünden insbesondere deshalb, weil die rentenrechtlichen Vorschriften gerade keine Unterscheidung danach vornehmen, ob die Krankheit behandelbar sei oder dieselbe aufgrund einer (vorwerfbar) unterlassenen Behandlung aufrechterhalten werde. Fraglich sei bereits, weshalb diese ungeschriebene Tatbestandseinschränkung bei psychischen, nicht aber bei somatischen Erkrankungen gelten solle. Die Rente sei auf zwei Jahre zu befristen, da der Gutachter überzeugend dargelegt habe, dass eine Nachprüfung zum Ablauf des Jahres 2020 erfolgen sollte. Dieser Zeitraum sei für eine Intensivierung der Behandlung ausreichend lang. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien bei einem Leistungsfall am 03.05.2018 erfüllt. Rente wegen voller Erwerbsminderung sei vom 03.12.2018 bis zum 31.12.2020 zu gewähren.
Gegen das ihr am 07.03.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.04.2019 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Beurteilung des Gutachters Dr. F. überzeuge nicht. Es sei auch unter Einbeziehung seiner ergänzenden Stellungnahmen in sich nicht ausreichend schlüssig. Die Angaben und die behauptete Minderung der Leistungsfähigkeit lasse sich dem Untersuchungsbefund gerade nicht entnehmen. Die Entscheidungsfindung des Gutachters sei nicht nachvollziehbar. Bei der durchgeführten Schmerz-Simulations-Skala nach Bikowski habe der Gutachter Anhaltspunkte für Aggravation festgestellt. Auch die angegebenen Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule bzw. im Bereich der Iliosakralgelenke, die von der Klägerin als nahezu unerträglich angegeben worden seien, hätten nicht dem klinischen Eindruck in der Gutachtenssituation entsprochen. Der Gutachter habe also eine nennenswerte Diskrepanz zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und dem Verhalten der Klägerin in der Untersuchungssituation beobachtet. Die Aggravationstendenzen verhinderten eine hinreichend sichere Überzeugungsbildung hinsichtlich des Vorliegens einer Leistungsminderung (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.60.2005 – 25 U 87/02 -). Da das Ausmaß der Aggravation nicht messbar sei und sich ein in der Untersuchungssituation gezeigter Aggravationsanteil von dem dargestellten Krankheitsbild nicht "abziehen" lasse, bliebe, wenn auch ein relevantes psychisches Krankheitsbild vorliegen würde, letztlich offen, in welchem Ausmaß die Klägerin tatsächlich konkret beeinträchtigt sei. Diese Nichterweislichkeit des Ausmaßes der Beschwerden gehe zu Lasten der Klägerin. Außerdem werde das psychosoziale Funktionsniveau der Klägerin nicht ausreichend beleuchtet. Es erfolge keine Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der subjektiven Angaben der Klägerin. Aus den mitgebrachten und dem Gutachten beigefügten Unterlagen sei zu entnehmen, dass sich die Klägerin auf die Untersuchung gut vorbereitet und einen Tagesablauf mitgebracht habe. Die Diskrepanzen zwischen dem geschilderten Tagesablauf, in dem sie angegeben habe, Pausen machen zu müssen, zu dem Umstand, dass die anstrengende Untersuchung ohne Pause durchgeführt werden konnte, obwohl sie länger gedauert haben dürfte als das angegebene Aufstehen, Sich-Richten, Kaffeetrinken und teilweise den Frühstückstisch abräumen, erschließe sich nicht. Ob im Hinblick auf die nicht umfassend durchgeführte Therapie überhaupt ein ausgeprägter Leidensdruck vorliege, werde von Dr. F. weder diskutiert noch in Betracht gezogen. Auch könne der ohne weitere Begründung in den Raum gestellte mutmaßliche Zeitraum des Vorliegens einer quantitativen Leistungsminderung nicht nachvollzogen werden, da eine mittelschwere Depression nicht per se eine anhaltende zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit bedinge. Depressive Störungen seien mit den heutigen Therapiemöglichkeiten, z.B. in einer Tagesklinik gut behandelbar. Darüber hinaus seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne, weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher Hilfe (BSG, Urteile vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 - und vom 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 -, Bayerisches LSG, Urteile vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08 - und vom 21.01.2015 – L 19 R 394/10 -, Juris). Es sei daher auch von zentraler Bedeutung, dass die Klägerin trotz der geltend gemachten Einschränkungen Behandlungsoptionen tatsächlich nicht ausgeschöpft habe und somit auch ein nicht mehr beeinflussbarer Gesundheitszustand in der Hinsicht nicht bestehen könne. Es sei der Klägerin zuzumuten, alle verfügbaren Mittel zur Behandlung ihres Leidenszustandes einzusetzen, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten, weil es ansonsten dem Sinn und Zweck der Rentengewährung zuwiderlaufe, dass gerade eine Rentengewährung den Zustand aufrechterhalten würde, dessen nachteilige Folgen sie ausgleichen sollte. Die Klägerin befinde sich zwar bei Dr. D. in Behandlung, aber nach dem Gutachten von Dr. F. erfolge keine Richtlinien-Therapie. Insoweit finde gerade keine adäquate Behandlung statt. Soweit das SG seine Auffassung u.a. mit "dem persönlichen Eindruck der Klägerin bei der mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 und den glaubhaften Ausführungen des Lebensgefährten der Klägerin" begründe, sie dies nicht nachvollziehbar. Das SG habe die notwendige Fachkompetenz zur Beurteilung der körperlichen Einschränkungen aufgrund eines Eindrucks in der mündlichen Verhandlung bzw. aufgrund der Ausführungen des Lebensgefährten nicht dargelegt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2018 - L 13 R 2883/15 -). Schließlich sei der Rentenbeginn falsch bestimmt. Nachdem der Klägerin seit dem Gutachten von Dr. F. bekannt sei, dass sich ihr Gesundheitszustand unter entsprechender Therapie bessern werde, werde (auch unter dem Aspekt der Mitwirkungspflicht der Klägerin) beantragt, sie oder ihren behandelnden Arzt zu befragen, ob bereits eine Therapieänderung vorgenommen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Gutachten von Dr. F. und die hierauf gestützte Entscheidung des SG seien nicht zu beanstanden. Das SG habe sich insbesondere zu Recht der teilweise vertretenen Rechtsprechung, wonach psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychische Erkrankung dauerhaft nicht überwinden könne, nicht angeschlossen. Sie befinde sich in Behandlung und habe die ihr möglichen Behandlungsoptionen ausgeschöpft. Dr. F. habe außerdem ausgeführt, dass es nicht ihr angelastet werden könne, wenn bislang keine Richtlinien-Psychotherapie erfolgt sie. Die Wahl der therapeutischen Optionen obliege letztlich den behandelnden Ärzten. Neben dem psychiatrischen und psychosomatischen Beschwerdebild seien Gesundheitsstörungen auf rheumatologischem Fachgebiet betroffen. Auch wenn diese nicht im Vordergrund stünden, erschwerten sie doch ihren Alltag und die Erwerbsfähigkeit. Der Vorwurf, sie simuliere die gesundheitlichen Einschränkungen und psychiatrischen Beschwerden, werde entschieden zurückgewiesen. Auf das Gutachten von Dr. F. werde Bezug genommen. Die Therapie erfolge in Abstimmung mit ihrem behandelnden Arzt Dr. D ... Er kenne ihren Erkrankungsverlauf und könne die optimale Behandlung am besten einschätzen. Für eine stationäre Behandlung sehe dieser keine Indikation. Soweit die Beklagte auf die fehlerhafte Berechnung des Rentenbeginns hinweise, sei dies zutreffend. Zutreffender Rentenbeginn wäre der 01.12.2018. Da es sich hierbei lediglich um eine Verschiebung von zwei Tagen handle, fechte sie das Urteil insoweit nicht an, sondern würde den Rentenbeginn 03.12.2018 akzeptieren.
Die Berichterstatterin des Senats hat am 24.10.2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt, in dem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung, der Klägerin für die Zeit vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Da die Klägerin keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat, ist vorliegend allein darüber zu entscheiden, ob für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht.
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat sie mit dem streitgegenständlichen Urteil vom 27.02.2019 zu Recht verurteilt, der Klägerin in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2017 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat für den Zeitraum 03.12.2018 bis 31.12.2020 Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünftagewoche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2020, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).
Der Senat ist vor diesem Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin in dem im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Zeitraum vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat. Zur Überzeugung des Senats ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. F. am 03.05.2018 nachgewiesen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat ist, wie das SG, vielmehr davon überzeugt, dass sich das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht auf einen Umfang von unter drei Stunden täglich reduziert hat.
Für den Senat steht aufgrund des Gutachtens von Dr. F. fest, dass die Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet unter einem mittelgradigen depressiven Syndrom und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet, die dazu führen, dass sie nicht mehr in der Lage ist, auch nur leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von drei Stunden täglich nachzugehen.
Dr. F. hat diese Diagnosen, die im Wesentlichen auch in Übereinstimmung mit den durch die behandelnden Ärzte, insbesondere Dr. D. und Dr. L, mitgeteilten Diagnosen stehen, für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den von ihm erhobenen Befunden abgeleitet. Der Sachverständige hat ausführlich unter Einbeziehung der aktenkundigen Vorbefunde und medizinisch-technischer sowie testpsychologischer Untersuchungen Befunde erhoben und aus diesen für den Senat überzeugend die mitgeteilten Diagnosen abgeleitet. Im psychischen Untersuchungsbefund führt Dr. F. aus, dass keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vorlagen, sich keine Gedächtnisstörungen nachweisen ließen und sich für eine hirnorganisch bedingte Symptomatik kein Anhalt ergab. Der Antrieb war angemessen, die Klägerin wirkte situationsbedingt etwas agitiert. Die Grundstimmung der Klägerin beschreibt der Gutachter als depressiv, hoffnungslos, innerlich vermehrt angespannt. Insuffizienzgefühle wurden geäußert. Es zeigte sich eine vermehrte Weinerlichkeit. Die affektive Resonanzfähigkeit war zum negativen Pol verschoben, aber zum positiven Pol nicht aufgehoben. Wenige Male konnte die Klägerin auch kurzzeitig lächeln, das formale Denken war nicht verlangsamt und folgerichtig. Eine Grübelneigung sowie Symptome eines Kontrollzwangs wurden berichtet. Eine produktiv-psychotische Symptomatik, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen sowie dissoziative Störungen fanden sich nicht. Es gab aber deutliche Hinweise auf Somatisierungstendenzen mit vorwiegender Projektion auf das muskulo-skelettale System. Für den Senat schlüssig leitet der Gutachter aus den von ihm erhobenen Befunden die genannten Diagnosen und schließlich seine Leistungsbeurteilung ab. Insoweit stellt er im Wesentlichen – und auch insoweit übereinstimmend mit dem behandelnden Facharzt Dr. D. und dem Hausarzt Dr. E. – darauf ab, dass sich der psychische Beschwerdekomplex im Laufe der letzten Jahre verfestigt hat und die Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Determinierung der Lebensgestaltung derart nachhaltig einengt, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht. Das Erleben der Gegenwart, der zukünftigen Möglichkeiten und ihrer persönlichen Fähigkeiten ist nach Einschätzung des Gutachters bei der Klägerin deutlich negativ getönt (sog. "kognitive Triade"). Die psychischen Symptome führen insgesamt zu einer Minderung der Grundbefindlichkeit und einer Reduktion des energetischen Potentials. Es resultiert eine rasche Erschöpfbarkeit, was zur Folge hat, dass eine Beeinträchtigung der Grundarbeitsfähigkeit mit mangelnder Ausdauer, mangelnder Flexibilität, einer Minderung des Arbeitstempos, der Konzentration und der Merkfähigkeit besteht. Im Ergebnis hält der Gutachter damit für den Senat überzeugend derzeit aufgrund der vorliegenden Beeinträchtigungen eine berufliche Tätigkeit nicht für möglich. Die rasche Erschöpfbarkeit wird durch den dem Gutachter mitgeteilten Tagesablauf bestätigt. Dieser ist zwar grundsätzlich strukturiert, bestätigt aber die Notwendigkeit regelmäßiger Pausen und eine vermehrte Tagesmüdigkeit. Zwar führt die Klägerin auch selbst Hausarbeiten durch, dies aber nur mit Unterstützung und insbesondere nach Aufforderung und Ermunterung durch ihren Lebensgefährten. Den bereits gegenüber Dr. F. angegebenen sozialen Rückzug hat die Klägerin auch im Rahmen des Erörterungstermins gegenüber der Berichterstatterin glaubwürdig bestätigt. Verabredungen mit Freunden nehme sie kaum noch wahr, sie habe keine Lust, etwas zu unternehmen, was früher anders gewesen sei. Hinsichtlich der durch Dr. F. im Rahmen des psychischen Befundes festgestellten Agitiertheit, die nach Einschätzung von MUDr. M. gerade gegen eine signifikante Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung spricht, führt der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat nachvollziehbar aus, dass eine Agitiertheit bzw. Rastlosigkeit durchaus Symptom einer Depression sein kann. Außerdem sei zum Gutachtenszeitpunkt durch die laborchemische Untersuchung nachweislich eine hochpotente Medikation mit einem Opioid-Analgetikum erfolgt und auch eine antidepressive Medikation eingenommen worden. Zwar könnten solche Phänomene naturwissenschaftlich nicht exakt erfasst werden, es sei aber insgesamt davon auszugehen, dass diese Medikamente einen gewissen Einfluss auf das seelische Befinden der Klägerin hatten.
Im Ergebnis ist der Senat ebenso wie das SG im Anschluss an das Gutachten von Dr. F. zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen und für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht in der Lage war, auch nur leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Die hiergegen durch die Beklagte im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwände vermögen den Senat nicht von einer anderen Einschätzung zu überzeugen.
Wie die Beklagte zutreffend (u.a. unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2018 - L 13 R 2883/15 -, n.v.) ausführt, muss besondere Sachkunde des Gerichts nachprüfbar dargelegt werden, im Urteil müssen also die Sachkunde und der Umstand, auf welchen Kenntnissen und Erfahrungen sie beruht, durch eingehende und überzeugende Darlegungen nachgewiesen werden. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt aber nur dann vor, wenn das Gericht davon absieht, Sachverständige zu bestellen und über die Tatsachenfrage beurteilt, ohne selbst über besondere eigene Sachkunde zu verfügen und diese den Beteiligten nachprüfbar dargelegt zu haben (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmid, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl., § 103 Rdnr. 7b, m.w.N.). Der Einwand der Beklagten, das SG habe die notwendige Fachkompetenz zur Beurteilung der körperlichen Einschränkungen aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung bzw. aufgrund der Ausführungen des Lebensgefährten nicht dargelegt, ist zutreffend, führt aber nicht zu einem Verstoß gegen § 103 SGG. Das SG hat die Entscheidung entscheidend auf das Gutachten von Dr. F. gestützt und lediglich ausgeführt, dass die durch den Sachverständigen beschriebenen Einschränkungen durch den persönlichen Eindruck, den die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, und die Ausführungen des Lebensgefährten der Klägerin bestätigt wurden. Insoweit ging es nicht um die Einschätzung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit, sondern um die Glaubwürdigkeit der geschilderten Einschränkungen im Alltag und die insoweit notwendige Unterstützung. Das SG hat daher gerade nicht aufgrund eigener Sachkunde entschieden, sondern sich in der Entscheidung maßgebend auf die Einschätzung des bestellten Sachverständigen gestützt.
Soweit die Beklagte vorträgt, die nicht ausgeschöpften Therapieoptionen seien ein Hinweis auf fehlenden Leidensdruck, ist dies für den Senat im konkreten Fall nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich geht auch der Senat davon aus, dass sich die Schwere einer Erkrankung auch durch einen entsprechenden Leidensdruck und dieser sich wiederum insbesondere durch die Konsultation entsprechender Fachärzte zeigt. Insbesondere bei psychiatrischen Erkrankungen ist insoweit aber ohnehin kritisch zu prüfen, ob die fehlende oder nur eingeschränkte Wahrnehmung fachärztlicher Hilfe auch Teil des Krankheitsbildes ist. Dies ist vorliegend aber nicht entscheidend, da die Klägerin ärztliche Behandlung in Anspruch nimmt. Sie ist bereits seit März 2017 in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung bei Dr. D. und erhält eine psychopharmakologische Therapie. Wie Dr. F. zutreffend ausführt, kann der Umstand, dass bislang keine Richtlinien-Psychotherapie durchgeführt wurde und ggf. auch die Psychopharmakotherapie intensiviert werden könnte, nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden, da die Wahl der therapeutischen Optionen den behandelnden Ärzten obliegt. Dass sich die Klägerin hinsichtlich der Therapie auf die behandelnden Fachärzte verlässt, kann jedenfalls nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden. Darüber hinaus weist Dr. F. darauf hin, dass zum Gutachtenszeitpunkt anhand der durchgeführten Laboruntersuchung nachgewiesen das Opioidanalgetikum Tramadol und das Antidepressivum Citalopram eingenommen wurde, was nach Einschätzung des Sachverständigen Rückschlüsse auf den Leidensdruck zulässt. Tramadol lag sogar über dem therapeutischen Bereich.
Hinsichtlich des Hinweises der Beklagten, die Klägerin habe sich auf die Untersuchung gut vorbereitet und u.a. einen schriftlichen Tagesablauf mitgebracht habe, ist für den Senat schon die Relevanz nicht ersichtlich. Es ist weder unüblich und in keiner Weise vorwerfbar, wenn sich Versicherte auf die Untersuchung und die Begutachtung vorbereiten, um zu verhindern, dass in der Untersuchungssituation für sie relevante Aspekte unerwähnt bleiben. Aufgabe des Sachverständigen ist es dann, herauszufiltern, ob die vorformulierten Angaben den Tatsachen entsprechen. Für den Senat liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die – mit Hilfe der mitgebrachten Unterlagen – gegenüber dem Gutachter gemachten Angaben nicht authentisch gewesen wären. Insoweit hatte auch der – erfahrene – Gutachter keine Bedenken.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass Dr. F. hinsichtlich des Ergebnisses des Schmerzfragebogens nach Bikowski über Aggravation berichtet hat. Trotz der durch den Sachverständigen geäußerten Aggravationstendenzen ist aber dessen Leistungsbeurteilung verwertbar. Unter Hinweis auf zivilgerichtliche Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.06.2005 - 25 U 87/02 -, Juris) weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich die Klägerin die (objektive) Beweislast dafür trifft, dass eine ihr Leistungsvermögen beeinträchtigende Erkrankung vorliegt. Erst wenn trotz sorgfältiger Ermittlungen und bei gebotener kritischer Würdigung der Verfahrensergebnisse eine Vortäuschung der Störungen, Überwindbarkeit der Störungen oder Unerheblichkeit der Störungen nicht auszuschließen ist, geht dies zu Lasten der Klägerin (BSG, Urteil vom 06.09.2001 - B 5 RJ 42/00 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 01.07.1964 - 11/1 RA 158/61 -, Juris). Gerade eine solche kritische Würdigung der Verfahrensergebnisse ist hier erfolgt. Dr. F. hat ausgeführt, dass das Ergebnis des Schmerzfragebogens nach Bikowski formal mit einer Aggravation hinsichtlich der angegebenen Schmerzintensität vereinbar ist. Zugleich hat er aber auf einen Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Vorliegen depressiver Symptome hingewiesen und ausgeführt, dass es dann zu einer vermehrten Anzahl der gekennzeichneten Begriffe insgesamt und auch spezieller Begriffe kommen kann. Weitere Anhaltspunkte für Aggravation hat der Sachverständige gerade nicht mitgeteilt, aber die vorhandenen gewürdigt und in der Gesamtbeurteilung berücksichtigt. Nach seinen Ausführungen waren diese Anhaltspunkte nicht so ausgeprägt, als dass er deswegen eine Leistungsbeurteilung nicht hätte vornehmen können. Eine Überzeugungsbildung war dem Sachverständigen trotz und unter Berücksichtigung der Aggravation (anders als in der zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt, a.a.O.) möglich. Darüber hinaus bezogen sich die durch Dr. F. festgestellten Aggravationstendenzen allein auf das Ergebnis des Schmerzfragebogens nach Bikowski und damit auf die Schmerzerkrankung und nicht auf das Ausmaß und die Auswirkungen der depressiven Erkrankung. Im Hinblick darauf, dass die Grenze zwischen üblicher Betonung von Beschwerden in Begutachtungssituationen, Aggravation und Simulation fließend ist, ist eine Feststellung des Sachverständigen, ob trotz dieser Auffälligkeiten eine Gesundheitsstörung und daraus resultierende Leistungseinschränkungen vorliegen, vorzunehmen. Selbst Aggravation und Simulation schließen es nicht aus, dass die daneben bestehenden Störungen einen Rentenanspruch rechtfertigen. Dies zu ermitteln und herauszuarbeiten, ist gerade Aufgabe des Sachverständigen. Soweit die Beklagte daher sinngemäß ausführt, bereits bei Anhaltspunkten für Aggravation könne der Nachweis für eine rentenrelevante Einschränkung nicht mehr geführt werden, trifft dies in der Pauschalität nicht zu.
Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die teilweise durch das LSG Baden-Württemberg (vgl. u.a. Urteile vom 27.04.2016 - L 5 R 459/15 - und vom 14.03.2018 - L 5 R 1863/17 -, Juris) und (vor allem) das Bayerische LSG (vgl. nur Urteile vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08 -, vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08 -, vom 18.1.2012 - L 20 R 979/09 - vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06 -, vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08 -, vom 23.01.2013 - L 19 R 855/11 -, vom 15.1.2015 - L 20 R 980/08 - und vom 24.5.2017 - L 19 R 1047/14 -, Juris) vertretene Rechtsprechung vorträgt, psychische Erkrankungen würden erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen sei, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden kann und darüber hinaus eine ungünstige Krankheitsbewältigung, eine mangelnde soziale Unterstützung, psychische Komorbiditäten sowie lange Arbeitsunfähigkeitszeiten vorliegen (zu den zuletzt genannten Anforderungen vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2016, a.a.O.), folgt der erkennende Senat dieser Rechtsprechung nicht.
Die Frage der Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung ist für die Frage, ob eine quantitative Leistungsreduzierung tatsächlich vorliegt, nicht maßgeblich, sie ist vielmehr allein für die Befristung und Dauer einer Rente von Bedeutung.
Die gegenteilige Auffassung entbehrt zunächst einer rechtlichen Grundlage. Weder kann § 43 SGB VI eine solche Einschränkung entnommen werden, noch finden sich im SGB VI andere Vorschriften, die bei Nichtausschöpfen zumutbarer Behandlungsmaßnahmen zu einem materiell-rechtlichen Ausschluss des Rentenanspruchs führen würden. Insoweit bestimmt § 103 SGB VI als eng auszulegende Ausnahmevorschrift ausdrücklich nur für den Fall, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen absichtlich herbeigeführt worden sind, einen Ausschluss des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Verweigerung eines Versicherten, sich ärztlich behandeln zu lassen, stellt für sich genommen keine absichtliche Herbeiführung einer verminderten Erwerbsfähigkeit und damit keinen Ausschlussgrund für die Rentengewährung nach § 103 SGB VI dar (vgl. Senatsurteil vom 26.05.2020 - L 9 R 1667/18 -, n.v., Reyels in jurisPK-SGB VI, § 103 Rdnr. 44).
Dem Rentenversicherungsträger steht es in Konstellationen, in denen er eine fehlende adäquate Behandlung sieht, frei, nach § 66 Abs. 2, Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vorzugehen und nach erfolglos gebliebener Aufforderung zur Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise zu versagen (vgl. dazu bereits BSG, Urteil vom 19.06.1979 - 5 RJ 122/77 -, Juris). Gemäß § 63 SGB I soll sich derjenige, der wegen Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer Heilbehandlung unterziehen, wenn zu erwarten ist, dass diese eine Besserung seines Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Verschlechterung verhindern wird. Hierunter fällt auch die Behandlung durch einen Psychologen oder einen Psychotherapeuten (Spellbrink in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 108. EL März 2020, § 63 SGB I Rdnr. 14). Gegebenenfalls kann der Rentenversicherungsträger gemäß § 65 SGB I auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, etwa Leistungen zur stationären Rehabilitation anbieten, um die eingetretene Erwerbsminderung wieder zu beseitigen. Allerdings führt auch die Verweigerung einer Behandlung oder einer Rehabilitationsmaßnahme nicht dazu, dass eine Gesundheitsstörung nicht als Krankheit im Sinne des § 43 SGB VI anzusehen wäre. Zwar ist der Versicherte verpflichtet, in zumutbarem Umfang an der Beseitigung des Versicherungsfalls mitzuwirken und sich insbesondere medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen zu unterziehen, eine unberechtigt verweigerte Behandlung führt jedoch nicht bereits per se zum Ausschluss des Rentenanspruchs. Vielmehr muss der Rentenversicherungsträger dann nach § 66 Abs. 2 SGB I vorgehen und nach erfolglos gebliebener Aufforderung zur Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen (BSG, Urteile vom 19.06.1979 – 5 RJ 122/77 -, Juris, Kampe in jurisPK-SGB I, § 63 Rdnr. 12). Die durch das Gesetz vorgesehenen Folgen unterbliebener Behandlungen sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, insbesondere an eine vorherige Belehrung des Versicherten und eine angemessene Fristsetzung. Die Ausgestaltung nach § 66 SGB I ist interessengerecht und ausgewogen. Sie trägt den Interessen der Versichertengemeinschaft nach Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausreichend Rechnung und berücksichtigt andererseits auch die Interessen von erwerbsgeminderten Versicherten an Aufklärung und Fristsetzung, bevor für sie negative Rechtsfolgen eintreten. Eine Entziehung oder Versagung der Rente kommt somit unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 2, Abs. 3 SGB I in Betracht. Es besteht daher kein Bedarf, § 43 SGB VI über seinen Wortlaut hinaus dahingehend einschränkend auszulegen, dass es bei unbehandelten, aber gutachterlich nachgewiesenen, psychiatrischen Erkrankungen schon am Tatbestandsmerkmal der Erwerbsminderung fehlt.
Auch aus der in Rechtsprechung und Kommentarliteratur herangezogenen Definition von "Krankheit" im Sinne des § 43 SGB VI lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Krankheit ist danach jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand (Gesundheitsstörung), der geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten herabzusetzen (vgl. Freudenberg in JurisPK-SGB VI, § 43 SGB VI Rdnr. 62 m.w.N.). Anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kommt es in der Rentenversicherung gerade nicht darauf an, ob Behandlungsbedürftigkeit besteht. Umgekehrt steht die Behandlungsfähigkeit einer Gesundheitsstörung der Annahme von Erwerbsminderung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.1993 - 13 RJ 71/92 -, Juris). Eine unterbliebene Behandlung führt – ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung – nicht dazu, dass vorhandene und gutachterlich festgestellte Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen wären (BSG, Urteil vom 19.06.1979 - 5 RJ 122/77 -, Juris).
Eine unterschiedliche Behandlung von psychischen und somatischen Erkrankungen ist auch nicht gerechtfertigt. Bei körperlichen Erkrankungen wird es unstreitig nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangt, dass diese behandelt sein müssen oder anderenfalls nicht als erwerbsmindernde Krankheit anerkannt werden könnten. Der Beklagten und ihrem sozialmedizinischen Dienst ist zwar zuzugestehen, dass das BSG bei Erkrankungen mit "neurotischem" Einschlag wegen der "Simulationsnähe" strenge Beweisanforderungen gestellt hat (u.a. Urteil vom 20.10.2004 - B 5 RJ 47/03 R -, Juris), indes gelten bei psychischen Erkrankungen keine anderen Beweismaßstäbe als bei "körperlichen" Erkrankungen. Vielmehr müssen bei psychischen wie bei organischen Erkrankungen die bei der Begutachtung berichteten Beschwerden mit den im jeweiligen Fachgebiet nach den dort maßgebenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen anerkannten Methoden validiert werden, um ggf. vorliegende "Verfälschungstendenzen" zu identifizieren. Lässt sich danach der Vollbeweis einer relevanten Funktionseinschränkung bei einer Erkrankung nicht führen, so scheidet die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus Gründen der Beweislast aus (Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 43 SGB VI, Rdnr. 71). Dies gilt sowohl bei körperlichen als auch bei psychiatrischen Erkrankungen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass der notwendige Vollbeweis bei psychischen Störungen und der aus ihnen resultierenden Leistungseinschränkungen schwierig ist. Beide sind unbeachtlich, soweit sie auf Aggravation und Simulation beruhen, was aber in gleicher Weise für körperliche und seelische Störungen gilt. Im Ergebnis gilt, dass Versicherte bei allen Krankheiten (bei psychischen wie bei körperlichen) für das Vorliegen der Erkrankung und der daraus resultierenden Leistungseinschränkung objektiv beweisbelastet sind (BSG, Urteile vom 01.07.1964 - 11/1 RA 158/61 -, vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66 -, vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/04 -, Juris). Liegt aber gutachterlich nachgewiesen eine rentenrelevante psychiatrische Erkrankung vor, gibt es keinen Grund für eine unterschiedliche Beurteilung von psychiatrischen und somatischen Erkrankungen.
Diese Auslegung steht schließlich nicht im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. In diesem Sinn hat das BSG in seinem Beschluss vom 07.08.2014 (- B 13 R 420/13 B -, Juris) vielmehr ausgeführt, dass sich das (dortige) LSG hätte veranlasst sehen müssen, der beantragten zusätzlichen ergänzenden (schriftlichen oder mündlichen) Anhörung des Sachverständigen zum (aktuellen) Leistungsvermögen auf nervenärztlichem Fachgebiet (also ohne "adäquate zielgerichtete (psychotherapeutische) Behandlung" bzw. wie dieser "Behandlungsvorbehalt" in Bezug auf das Leistungsvermögen des Klägers zu verstehen ist) nachzukommen. Hieraus folgt für den Senat, dass das BSG die Frage der quantitativen Leistungsreduzierung ungeachtet einer adäquaten Behandlung beurteilt. Bei anderem Verständnis von mit fremder Hilfe überwindbaren psychischen Störungen, wäre für das BSG nicht entscheidend gewesen, ob die Leistungsfähigkeit des (dortigen) Klägers erst durch Behandlung der psychischen Gesundheitsstörung auf ein rentenrechtlich nicht (mehr) relevantes Maß herabgesenkt oder vollständig überwunden werden kann. Es hätte vielmehr bereits an einer Krankheit im rentenrechtlichen Sinn gefehlt und das BSG hätte den Rechtsstreit nicht zurückverwiesen (so auch Kahlert, Psychische Krankheiten im Recht der Erwerbsminderungsrenten – Ende einer Sonderstellung, NZS 2016, S. 563 ff.). Soweit das BSG hinsichtlich der Beurteilung psychischer Störungen und ihrer Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit über die bei physischen Erkrankungen weitere Anforderungen gestellt hat (vgl. u.a. BSG, Urteile vom 01.07.1964 - 11/1 RA 158/61 -, vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66 -, vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 - und vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/03 -, Juris), war dies zum einen auf bestimmte Krankheitsbilder, wie beispielsweise Neurosen, bezogen und ist zum anderen vor dem Hintergrund der damals geltenden psychiatrischen Lehrmeinung und Einordnung psychischer Erkrankungen zu sehen. Bereits mit Urteil vom 29.03.2006 (- B 13 RJ 31/05 R -, Juris) hat sich das BSG mit der Frage der Behandelbarkeit der psychischen Störung nur in Bezug auf die Frage nach der Befristung der Rente beschäftigt und ausgeführt, dass die Behebung einer rentenberechtigenden Leistungsminderung nicht unwahrscheinlich sei mit der Folge, dass ausnahmsweise Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente zu gewähren wäre, solange die therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sind.
Bei einem Leistungsfall am 03.05.2018, dem Tag der Begutachtung durch Dr. F., sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausweislich des durch das SG beigezogenen Versicherungsverlaufs vom 21.02.2019 erfüllt. Die Klägerin hat unstreitig fünf Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt und damit die allgemeine Wartezeit erfüllt. In der Zeit von Mai 2013 bis April 2018 sind 50 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, so dass auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Die Erwerbsminderungsrente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf Zeit zu leisten. Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung besteht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, auch zur Überzeugung des Senats befristet. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen Erwerbsminderung im Regelfall befristet gewährt. Abweichend von diesem Grundsatz werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unbefristet geleistet, wenn der Rentenanspruch ausschließlich auf dem Gesundheitszustand und nicht (auch) darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, sofern unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren ist hiervon auszugehen. Anders als nach dem bis zum 01.01.2001 geltenden Recht ist nunmehr für die Gewährung unbefristeter Renten wegen Erwerbsminderung maßgebend, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann, nicht ob sie behoben werden wird. Weder ist erforderlich, dass eine solche Behebung der Erwerbsminderung "überwiegend wahrscheinlich" ist, noch, dass diese in "absehbarer Zeit" wahrscheinlich sein muss. Der Ausdruck "unwahrscheinlich" im Sinne des Satz 5 ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Davon kann erst ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Eingeschlossen werden alle Therapiemöglichkeiten nach allgemein anerkannten medizinischen Erfahrungen, also auch Operationen, unabhängig davon, ob diese duldungspflichtig sind oder nicht. Es kommt also nicht darauf an, dass eine "begründete Aussicht" auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit besteht. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit, das Leistungsvermögen eines Versicherten auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen. Solange diese Möglichkeit besteht und im Einzelfall keine gesundheitsspezifischen Kontraindikationen entgegenstehen, ist von einer Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsminderung nicht auszugehen. Dabei ist ausreichend, dass die mit einer Behandlung angestrebte Besserung sich nicht von vornherein in einem Bereich bewegt, der sich als rentenrechtlich irrelevant darstellt, sondern die quantitative Leistungsfähigkeit des Versicherten über die für die volle Erwerbsminderung erhebliche Schwelle anheben kann. Die Frage, ob die Behebung unwahrscheinlich ist, ist zum Zeitpunkt der Bewilligung prognostisch zu beurteilen und unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der umfassenden gerichtlichen Nachprüfung (vgl. Schmidt in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand 16.06.2015, § 102 Rdnr. 7 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R -, Juris). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist das SG gestützt auf das Gutachten von Dr. F. zu Recht davon ausgegangen, dass eine Besserung jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist, da noch Therapieoptionen bestehen. Die durch das SG angenommene Dauer der Befristung, die sich an dem durch Dr. F. vorgeschlagenen Zeitrahmen orientiert, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, der Senat sieht daher keine Veranlassung, auf die Berufung der Beklagten die Dauer der Befristung zu verkürzen.
Die befristete Rente beginnt vorliegend nach § 101 Abs. 1 SGB VI mit dem siebten Monat nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit; die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1a SGB VI sind vorliegend nicht gegeben. Rentenbeginn wäre ausgehend von einem Leistungsfall am 03.05.2018 entgegen der Berechnung des SG nicht der 03.12.2018, sondern bereits der 01.12.2018. Die Klägerin hat ausdrücklich hinsichtlich der damit zu Unrecht für den 01. und 02.12.2018 nicht gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung keine Berufung eingelegt, die Beklagte ist durch die fehlerhafte Berechnung des Rentenbeginns nicht beschwert.
Das Urteil des SG ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden; die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung der Beklagten ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Der Senat weicht insbesondere im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des BSG vom 07.08.2014 (- B 13 R 420/13 B -, Juris) von höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht ab.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Im Übrigen bleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren noch die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 streitig.
Die 1975 geborene Klägerin hat den Beruf der Justizfachangestellten erlernt. Seit 2005 war sie als Pflegehelferin, zuletzt im Umfang von 75 % versicherungspflichtig beschäftigt. Eine Ausbildung zur Pflegefachkraft brach sie im März 2014 ab. Seit Januar 2015 ist sie arbeitsunfähig erkrankt. Vom 18.02.2015 bis 04.01.2016 und vom 03.02.2016 bis 06.07.2016 bezog die Klägerin Krankengeld, vom 05.01.2016 bis 02.02.2016 Übergangsgeld und vom 07.07.2016 bis 05.07.2017 Arbeitslosengeld. Darüber hinaus bezieht sie nach dem Tod ihres Manns im Jahr 2007 eine Witwenrente. Das Landratsamt A. – Amt für Versorgung und Rehabilitation – stellte bei der Klägerin mit Bescheid vom 16.06.2017 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 09.03.2017 fest.
Vom 05.01.2016 bis 02.02.2016 gewährte die Beklagte der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B., aus der sie mit den Diagnosen SIG-Irritationssyndrom beidseits im Sinne einer Spondylarthritis, rezidivierende Polyarthralgien, z.B. an den Schultern, Ellbogen, Kniegelenken, möglicherweise im Rahmen einer Autoimmunerkrankung (Sweet-Syndrom), Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und Adipositas für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig entlassen wurde. Aus psychotherapeutischer Sicht hätten sich keine quantitativen oder qualitativen Leistungseinschränkungen ergeben.
Am 07.03.2017 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte zog Befundberichte der behandelnden Ärzte und den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 02.02.2016 bei und veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen Dr. C., der in seinem Gutachten vom 12.05.2017 zu der Einschätzung gelangte, die Klägerin sei unter Berücksichtigung näher dargelegter qualitativer Einschränkungen in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Pflegehelferin sei dauerhaft nicht leidensgerecht. Sie leide unter einer chronischen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren, angegebener bedarfsabhängiger Schmerztherapie mittlerer Stärke, insgesamt leichtgradiger Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (vorwiegend LWS) bei kernspintomographischen Hinweisen auf Kreuzdarmbeingelenksaffektion (fragliche Sakroiliitis), aktuell keine ausreichenden Hinweise auf Morbus Bechterew, einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion, Bluthochdruck (Therapieverzicht), Ober- und Unterschenkelvarikosis beidseits und Adipositas.
Gestützt auf das Gutachten von Dr. C. lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.05.2017 ab.
Zur Begründung ihres hiergegen am 20.06.2017 eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beklagte habe medizinisch nicht ausreichend ermittelt und den tatsächlichen Gesundheitszustand falsch beurteilt. Die orthopädischen Leiden in Form der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, der Schultergelenke, beider Hüftgelenke und beider Kniegelenke seien nicht ausreichend berücksichtigt. Sie leide hingegen nicht an einem erhöhten Blutdruck, weshalb eine Therapie hierfür nicht erforderlich sei. Unter Bezugnahme auf ärztliche Befundunterlagen verwies sie zudem auf eine vorliegende Spondylarthritis sowie eine mittlere Depression.
Dr. C. führte in einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.07.2017 hierzu aus, auch unter Berücksichtigung der im Widerspruchsverfahren vorgelegten Informationen ergäben sich keine Zweifel am täglich mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen. Die Wirbelsäulenfunktion und die Funktion des Bewegungsapparates seien nur leichtgradig ausgeprägt. Soweit die Formulierung "Therapieverzicht" so verstanden worden sei, dass dies der Klägerin negativ angerechnet werde, sei dies ein Missverständnis; dies sei definitiv nicht der Fall. Die Depression sei nach den gutachterlich erhobenen psychopathologischen Befunden unter gut vertragener antidepressiver Therapie bei im niedrigen therapeutischen Bereich liegendem Serumspiegel des Antidepressivums nur leichtgradig ausgeprägt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es seien keine Auswirkungen der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen ersichtlich, die deren Leistungsvermögen auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung bestehe daher nicht.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.10.2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren unter Vorlage von Befundberichten ihrer behandelnden Ärzte und Kliniken wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie vorgetragen, an starken Schmerzen und Konzentrationsmängeln zu leiden. Aufgrund ihres Gesundheitszustandes sei sie schwerwiegend eingeschränkt und in ihrem Leistungsvermögen reduziert.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und den Facharzt für Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. F. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. D. hat unter dem 07.12.2017 ein auf täglich unter zwei bis drei Stunden herabgesetztes Leistungsvermögen beschrieben. Das Hauptleiden liege auf psychiatrischem Fachgebiet; die Klägerin leide an einer rezidivierenden Depression mittleren Grades. Die Einschränkung sehe er seit dem Zeitpunkt des Erstgesprächs am 17.03.2015. Er sei davon ausgegangen, dass sich durch konsequente psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung eine ausreichende Stabilisierung erreichen lasse. Dies sei nicht möglich gewesen, was nicht zuletzt durch die zusätzlichen orthopädischen Beschwerden begründet werde. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. hat unter dem 14.12.2017 über eine Verschlechterung der psychischen Verfassung und einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich berichtet. Er behandle die Klägerin seit August 2016, zu Beginn der Behandlung habe eine vorübergehende Besserung der Symptomatik erzielt werden können. Die Schmerzsymptomatik und auch die psychische Verfassung der Klägerin hätten sich im weiteren Verlauf kontinuierlich verschlechtert. Hierdurch sei auch eine zunehmende Hilfebedürftigkeit bezüglich der Bewältigung alltäglicher Aufgaben in Haushalt und Familie erfolgt. Aus hausärztlicher Sicht halte er eine tägliche Arbeitszeit von drei Stunden für möglich. Der Rheumatologe O. ist in seiner Aussage vom 05.01.2018 von einem vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin ausgegangen. Vom rheumatologischen Befund her sehe er keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit, eine solche bestehe evtl. auf psychiatrisch-neurologischem Fachgebiet. P., Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, R.klinik B., hat Befundberichte vorgelegt.
Dr. F. hat in seinem Gutachten vom 14.05.2018 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 03.05.2018 auf psychiatrischem Fachgebiet ein mittelgradiges depressives Syndrom, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Sensibilitätsstörungen am rechten Oberschenkel ohne funktionelle Bedeutung und anamnestisch Kontrollzwang und Agoraphobie angegeben. Darüber hinaus bestünden Beschwerden des Bewegungs- und Haltungsapparates ohne relevantes neurologisches Defizit, Adipositas Grad II und ein Krampfaderleiden. Formal könne die Klägerin zumindest leichte körperliche Arbeiten in verschiedenen Arbeitshaltungen und ohne vermehrt geistige und psychische Belastungen in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht verrichten. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht liege nach Abwägen aller Fakten gegenwärtig und vorläufig ein arbeitstägliches Leistungsvermögen unter drei Stunden bzw. ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor. Der psychische Beschwerdekomplex habe sich im Laufe der letzten Jahre verfestigt und enge die Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Determinierung der Lebensgestaltung derart nachhaltig ein, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Das von ihm beschriebene Leistungsvermögen bestehe hilfsweise seit dem Datum der Rentenantragstellung am 07.03.2017. Eine weitere zeitliche Eingrenzung sei nicht möglich. Die Klägerin habe einen Crescendo-Charakter der seelischen Symptomatik im laufenden Rentenverfahren beschrieben. Die Erkrankungen seien durchaus behandelbar; es sei bislang keine Richtlinien-Psychotherapie erfolgt, was nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden könne. Möglich wäre auch eine Intensivierung der Psychopharmakotherapie. Die Wahl der therapeutischen Optionen obliege letztlich den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Eine Nachuntersuchung sollte zum Ablauf des Jahres 2020 erfolgen. Ein Zeitraum von mehr als anderthalb Jahren sei für eine Intensivierung der Behandlung ausreichend lang genug.
Die Beklagte hat hierzu Stellungnahmen ihres sozialmedizinischen Dienstes durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Sozialmedizin und Suchtmedizin Dr. G. vom 29.05.2018 und die Ärztin für Psychiatrie und Suchtmedizin MUDr. M. vom 17.07.2018 und vom 10.09.2018 vorgelegt.
An der von ihm vertretenen Einschätzung hat Dr. F. in aufgrund der Einwände der Beklagten eingeholten ergänzenden Stellungnahmen vom 26.06.2018 und 20.08.2018 festgehalten.
Mit Urteil vom 27.02.2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2017 verurteilt, der Klägerin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 03.12.2018 bis zum 31.12.2020 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung seien erfüllt. Zur Überzeugung der Kammer sei die Klägerin seit dem Tag der Begutachtung durch Dr. F., dem 03.05.2018, gesundheitlich nur noch in der Lage, unter drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Die durch den Sachverständigen beschriebenen Einschränkungen zeigten sich zur Überzeugung der Kammer auch nach dem persönlichen Eindruck von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und den glaubhaften Ausführungen ihres Lebensgefährten. Entgegen der Ausführungen der Beklagten sei nicht entscheidend darauf abzustellen, dass bislang noch keine Psychotherapie durchgeführt worden sei und auch eine Intensivierung der Psychopharmakotherapie erfolgversprechend wäre. Aus dem Umstand, dass nach der Einschätzung von Dr. F. eine Besserung der Leistungsfähigkeit durch eine Richtlinien-Therapie sowie eine Intensivierung der Psychopharmakotherapie erreicht werden könne, ergebe sich zur Überzeugung der Kammer kein Ausschluss der Rente wegen Erwerbsminderung, sondern ein Grund zur Befristung derselben. Die Kammer schließe sich nicht der teilweise vertretenen obergerichtlichen Rechtsprechung an, wonach psychische Erkrankungen erst dann von rentenrechtlicher Relevanz seien, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne. Bedenken bestünden insbesondere deshalb, weil die rentenrechtlichen Vorschriften gerade keine Unterscheidung danach vornehmen, ob die Krankheit behandelbar sei oder dieselbe aufgrund einer (vorwerfbar) unterlassenen Behandlung aufrechterhalten werde. Fraglich sei bereits, weshalb diese ungeschriebene Tatbestandseinschränkung bei psychischen, nicht aber bei somatischen Erkrankungen gelten solle. Die Rente sei auf zwei Jahre zu befristen, da der Gutachter überzeugend dargelegt habe, dass eine Nachprüfung zum Ablauf des Jahres 2020 erfolgen sollte. Dieser Zeitraum sei für eine Intensivierung der Behandlung ausreichend lang. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien bei einem Leistungsfall am 03.05.2018 erfüllt. Rente wegen voller Erwerbsminderung sei vom 03.12.2018 bis zum 31.12.2020 zu gewähren.
Gegen das ihr am 07.03.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 05.04.2019 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Beurteilung des Gutachters Dr. F. überzeuge nicht. Es sei auch unter Einbeziehung seiner ergänzenden Stellungnahmen in sich nicht ausreichend schlüssig. Die Angaben und die behauptete Minderung der Leistungsfähigkeit lasse sich dem Untersuchungsbefund gerade nicht entnehmen. Die Entscheidungsfindung des Gutachters sei nicht nachvollziehbar. Bei der durchgeführten Schmerz-Simulations-Skala nach Bikowski habe der Gutachter Anhaltspunkte für Aggravation festgestellt. Auch die angegebenen Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule bzw. im Bereich der Iliosakralgelenke, die von der Klägerin als nahezu unerträglich angegeben worden seien, hätten nicht dem klinischen Eindruck in der Gutachtenssituation entsprochen. Der Gutachter habe also eine nennenswerte Diskrepanz zwischen der subjektiven Beschwerdeschilderung und dem Verhalten der Klägerin in der Untersuchungssituation beobachtet. Die Aggravationstendenzen verhinderten eine hinreichend sichere Überzeugungsbildung hinsichtlich des Vorliegens einer Leistungsminderung (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.60.2005 – 25 U 87/02 -). Da das Ausmaß der Aggravation nicht messbar sei und sich ein in der Untersuchungssituation gezeigter Aggravationsanteil von dem dargestellten Krankheitsbild nicht "abziehen" lasse, bliebe, wenn auch ein relevantes psychisches Krankheitsbild vorliegen würde, letztlich offen, in welchem Ausmaß die Klägerin tatsächlich konkret beeinträchtigt sei. Diese Nichterweislichkeit des Ausmaßes der Beschwerden gehe zu Lasten der Klägerin. Außerdem werde das psychosoziale Funktionsniveau der Klägerin nicht ausreichend beleuchtet. Es erfolge keine Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung hinsichtlich der subjektiven Angaben der Klägerin. Aus den mitgebrachten und dem Gutachten beigefügten Unterlagen sei zu entnehmen, dass sich die Klägerin auf die Untersuchung gut vorbereitet und einen Tagesablauf mitgebracht habe. Die Diskrepanzen zwischen dem geschilderten Tagesablauf, in dem sie angegeben habe, Pausen machen zu müssen, zu dem Umstand, dass die anstrengende Untersuchung ohne Pause durchgeführt werden konnte, obwohl sie länger gedauert haben dürfte als das angegebene Aufstehen, Sich-Richten, Kaffeetrinken und teilweise den Frühstückstisch abräumen, erschließe sich nicht. Ob im Hinblick auf die nicht umfassend durchgeführte Therapie überhaupt ein ausgeprägter Leidensdruck vorliege, werde von Dr. F. weder diskutiert noch in Betracht gezogen. Auch könne der ohne weitere Begründung in den Raum gestellte mutmaßliche Zeitraum des Vorliegens einer quantitativen Leistungsminderung nicht nachvollzogen werden, da eine mittelschwere Depression nicht per se eine anhaltende zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit bedinge. Depressive Störungen seien mit den heutigen Therapiemöglichkeiten, z.B. in einer Tagesklinik gut behandelbar. Darüber hinaus seien nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden könne, weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher Hilfe (BSG, Urteile vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 - und vom 29.03.2006 – B 13 RJ 31/05 -, Bayerisches LSG, Urteile vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08 - und vom 21.01.2015 – L 19 R 394/10 -, Juris). Es sei daher auch von zentraler Bedeutung, dass die Klägerin trotz der geltend gemachten Einschränkungen Behandlungsoptionen tatsächlich nicht ausgeschöpft habe und somit auch ein nicht mehr beeinflussbarer Gesundheitszustand in der Hinsicht nicht bestehen könne. Es sei der Klägerin zuzumuten, alle verfügbaren Mittel zur Behandlung ihres Leidenszustandes einzusetzen, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten, weil es ansonsten dem Sinn und Zweck der Rentengewährung zuwiderlaufe, dass gerade eine Rentengewährung den Zustand aufrechterhalten würde, dessen nachteilige Folgen sie ausgleichen sollte. Die Klägerin befinde sich zwar bei Dr. D. in Behandlung, aber nach dem Gutachten von Dr. F. erfolge keine Richtlinien-Therapie. Insoweit finde gerade keine adäquate Behandlung statt. Soweit das SG seine Auffassung u.a. mit "dem persönlichen Eindruck der Klägerin bei der mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 und den glaubhaften Ausführungen des Lebensgefährten der Klägerin" begründe, sie dies nicht nachvollziehbar. Das SG habe die notwendige Fachkompetenz zur Beurteilung der körperlichen Einschränkungen aufgrund eines Eindrucks in der mündlichen Verhandlung bzw. aufgrund der Ausführungen des Lebensgefährten nicht dargelegt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2018 - L 13 R 2883/15 -). Schließlich sei der Rentenbeginn falsch bestimmt. Nachdem der Klägerin seit dem Gutachten von Dr. F. bekannt sei, dass sich ihr Gesundheitszustand unter entsprechender Therapie bessern werde, werde (auch unter dem Aspekt der Mitwirkungspflicht der Klägerin) beantragt, sie oder ihren behandelnden Arzt zu befragen, ob bereits eine Therapieänderung vorgenommen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Gutachten von Dr. F. und die hierauf gestützte Entscheidung des SG seien nicht zu beanstanden. Das SG habe sich insbesondere zu Recht der teilweise vertretenen Rechtsprechung, wonach psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen sei, dass ein Versicherter die psychische Erkrankung dauerhaft nicht überwinden könne, nicht angeschlossen. Sie befinde sich in Behandlung und habe die ihr möglichen Behandlungsoptionen ausgeschöpft. Dr. F. habe außerdem ausgeführt, dass es nicht ihr angelastet werden könne, wenn bislang keine Richtlinien-Psychotherapie erfolgt sie. Die Wahl der therapeutischen Optionen obliege letztlich den behandelnden Ärzten. Neben dem psychiatrischen und psychosomatischen Beschwerdebild seien Gesundheitsstörungen auf rheumatologischem Fachgebiet betroffen. Auch wenn diese nicht im Vordergrund stünden, erschwerten sie doch ihren Alltag und die Erwerbsfähigkeit. Der Vorwurf, sie simuliere die gesundheitlichen Einschränkungen und psychiatrischen Beschwerden, werde entschieden zurückgewiesen. Auf das Gutachten von Dr. F. werde Bezug genommen. Die Therapie erfolge in Abstimmung mit ihrem behandelnden Arzt Dr. D ... Er kenne ihren Erkrankungsverlauf und könne die optimale Behandlung am besten einschätzen. Für eine stationäre Behandlung sehe dieser keine Indikation. Soweit die Beklagte auf die fehlerhafte Berechnung des Rentenbeginns hinweise, sei dies zutreffend. Zutreffender Rentenbeginn wäre der 01.12.2018. Da es sich hierbei lediglich um eine Verschiebung von zwei Tagen handle, fechte sie das Urteil insoweit nicht an, sondern würde den Rentenbeginn 03.12.2018 akzeptieren.
Die Berichterstatterin des Senats hat am 24.10.2019 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt, in dem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung, der Klägerin für die Zeit vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Da die Klägerin keine (Anschluss-)Berufung eingelegt hat, ist vorliegend allein darüber zu entscheiden, ob für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht.
Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat sie mit dem streitgegenständlichen Urteil vom 27.02.2019 zu Recht verurteilt, der Klägerin in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2017 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat für den Zeitraum 03.12.2018 bis 31.12.2020 Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünftagewoche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2020, § 43 SGB VI, Rdnr. 58 und 30 ff.).
Der Senat ist vor diesem Hintergrund zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin in dem im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Zeitraum vom 03.12.2018 bis 31.12.2020 Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung hat. Zur Überzeugung des Senats ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. F. am 03.05.2018 nachgewiesen, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat ist, wie das SG, vielmehr davon überzeugt, dass sich das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher Hinsicht auf einen Umfang von unter drei Stunden täglich reduziert hat.
Für den Senat steht aufgrund des Gutachtens von Dr. F. fest, dass die Klägerin auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet unter einem mittelgradigen depressiven Syndrom und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet, die dazu führen, dass sie nicht mehr in der Lage ist, auch nur leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von drei Stunden täglich nachzugehen.
Dr. F. hat diese Diagnosen, die im Wesentlichen auch in Übereinstimmung mit den durch die behandelnden Ärzte, insbesondere Dr. D. und Dr. L, mitgeteilten Diagnosen stehen, für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus den von ihm erhobenen Befunden abgeleitet. Der Sachverständige hat ausführlich unter Einbeziehung der aktenkundigen Vorbefunde und medizinisch-technischer sowie testpsychologischer Untersuchungen Befunde erhoben und aus diesen für den Senat überzeugend die mitgeteilten Diagnosen abgeleitet. Im psychischen Untersuchungsbefund führt Dr. F. aus, dass keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vorlagen, sich keine Gedächtnisstörungen nachweisen ließen und sich für eine hirnorganisch bedingte Symptomatik kein Anhalt ergab. Der Antrieb war angemessen, die Klägerin wirkte situationsbedingt etwas agitiert. Die Grundstimmung der Klägerin beschreibt der Gutachter als depressiv, hoffnungslos, innerlich vermehrt angespannt. Insuffizienzgefühle wurden geäußert. Es zeigte sich eine vermehrte Weinerlichkeit. Die affektive Resonanzfähigkeit war zum negativen Pol verschoben, aber zum positiven Pol nicht aufgehoben. Wenige Male konnte die Klägerin auch kurzzeitig lächeln, das formale Denken war nicht verlangsamt und folgerichtig. Eine Grübelneigung sowie Symptome eines Kontrollzwangs wurden berichtet. Eine produktiv-psychotische Symptomatik, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen sowie dissoziative Störungen fanden sich nicht. Es gab aber deutliche Hinweise auf Somatisierungstendenzen mit vorwiegender Projektion auf das muskulo-skelettale System. Für den Senat schlüssig leitet der Gutachter aus den von ihm erhobenen Befunden die genannten Diagnosen und schließlich seine Leistungsbeurteilung ab. Insoweit stellt er im Wesentlichen – und auch insoweit übereinstimmend mit dem behandelnden Facharzt Dr. D. und dem Hausarzt Dr. E. – darauf ab, dass sich der psychische Beschwerdekomplex im Laufe der letzten Jahre verfestigt hat und die Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Determinierung der Lebensgestaltung derart nachhaltig einengt, dass ein aufgehobenes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht. Das Erleben der Gegenwart, der zukünftigen Möglichkeiten und ihrer persönlichen Fähigkeiten ist nach Einschätzung des Gutachters bei der Klägerin deutlich negativ getönt (sog. "kognitive Triade"). Die psychischen Symptome führen insgesamt zu einer Minderung der Grundbefindlichkeit und einer Reduktion des energetischen Potentials. Es resultiert eine rasche Erschöpfbarkeit, was zur Folge hat, dass eine Beeinträchtigung der Grundarbeitsfähigkeit mit mangelnder Ausdauer, mangelnder Flexibilität, einer Minderung des Arbeitstempos, der Konzentration und der Merkfähigkeit besteht. Im Ergebnis hält der Gutachter damit für den Senat überzeugend derzeit aufgrund der vorliegenden Beeinträchtigungen eine berufliche Tätigkeit nicht für möglich. Die rasche Erschöpfbarkeit wird durch den dem Gutachter mitgeteilten Tagesablauf bestätigt. Dieser ist zwar grundsätzlich strukturiert, bestätigt aber die Notwendigkeit regelmäßiger Pausen und eine vermehrte Tagesmüdigkeit. Zwar führt die Klägerin auch selbst Hausarbeiten durch, dies aber nur mit Unterstützung und insbesondere nach Aufforderung und Ermunterung durch ihren Lebensgefährten. Den bereits gegenüber Dr. F. angegebenen sozialen Rückzug hat die Klägerin auch im Rahmen des Erörterungstermins gegenüber der Berichterstatterin glaubwürdig bestätigt. Verabredungen mit Freunden nehme sie kaum noch wahr, sie habe keine Lust, etwas zu unternehmen, was früher anders gewesen sei. Hinsichtlich der durch Dr. F. im Rahmen des psychischen Befundes festgestellten Agitiertheit, die nach Einschätzung von MUDr. M. gerade gegen eine signifikante Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung spricht, führt der Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat nachvollziehbar aus, dass eine Agitiertheit bzw. Rastlosigkeit durchaus Symptom einer Depression sein kann. Außerdem sei zum Gutachtenszeitpunkt durch die laborchemische Untersuchung nachweislich eine hochpotente Medikation mit einem Opioid-Analgetikum erfolgt und auch eine antidepressive Medikation eingenommen worden. Zwar könnten solche Phänomene naturwissenschaftlich nicht exakt erfasst werden, es sei aber insgesamt davon auszugehen, dass diese Medikamente einen gewissen Einfluss auf das seelische Befinden der Klägerin hatten.
Im Ergebnis ist der Senat ebenso wie das SG im Anschluss an das Gutachten von Dr. F. zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen und für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht in der Lage war, auch nur leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen.
Die hiergegen durch die Beklagte im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwände vermögen den Senat nicht von einer anderen Einschätzung zu überzeugen.
Wie die Beklagte zutreffend (u.a. unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2018 - L 13 R 2883/15 -, n.v.) ausführt, muss besondere Sachkunde des Gerichts nachprüfbar dargelegt werden, im Urteil müssen also die Sachkunde und der Umstand, auf welchen Kenntnissen und Erfahrungen sie beruht, durch eingehende und überzeugende Darlegungen nachgewiesen werden. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt aber nur dann vor, wenn das Gericht davon absieht, Sachverständige zu bestellen und über die Tatsachenfrage beurteilt, ohne selbst über besondere eigene Sachkunde zu verfügen und diese den Beteiligten nachprüfbar dargelegt zu haben (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmid, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl., § 103 Rdnr. 7b, m.w.N.). Der Einwand der Beklagten, das SG habe die notwendige Fachkompetenz zur Beurteilung der körperlichen Einschränkungen aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung bzw. aufgrund der Ausführungen des Lebensgefährten nicht dargelegt, ist zutreffend, führt aber nicht zu einem Verstoß gegen § 103 SGG. Das SG hat die Entscheidung entscheidend auf das Gutachten von Dr. F. gestützt und lediglich ausgeführt, dass die durch den Sachverständigen beschriebenen Einschränkungen durch den persönlichen Eindruck, den die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, und die Ausführungen des Lebensgefährten der Klägerin bestätigt wurden. Insoweit ging es nicht um die Einschätzung und Beurteilung der Leistungsfähigkeit, sondern um die Glaubwürdigkeit der geschilderten Einschränkungen im Alltag und die insoweit notwendige Unterstützung. Das SG hat daher gerade nicht aufgrund eigener Sachkunde entschieden, sondern sich in der Entscheidung maßgebend auf die Einschätzung des bestellten Sachverständigen gestützt.
Soweit die Beklagte vorträgt, die nicht ausgeschöpften Therapieoptionen seien ein Hinweis auf fehlenden Leidensdruck, ist dies für den Senat im konkreten Fall nicht nachvollziehbar. Grundsätzlich geht auch der Senat davon aus, dass sich die Schwere einer Erkrankung auch durch einen entsprechenden Leidensdruck und dieser sich wiederum insbesondere durch die Konsultation entsprechender Fachärzte zeigt. Insbesondere bei psychiatrischen Erkrankungen ist insoweit aber ohnehin kritisch zu prüfen, ob die fehlende oder nur eingeschränkte Wahrnehmung fachärztlicher Hilfe auch Teil des Krankheitsbildes ist. Dies ist vorliegend aber nicht entscheidend, da die Klägerin ärztliche Behandlung in Anspruch nimmt. Sie ist bereits seit März 2017 in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung bei Dr. D. und erhält eine psychopharmakologische Therapie. Wie Dr. F. zutreffend ausführt, kann der Umstand, dass bislang keine Richtlinien-Psychotherapie durchgeführt wurde und ggf. auch die Psychopharmakotherapie intensiviert werden könnte, nicht zu Lasten der Klägerin gewertet werden, da die Wahl der therapeutischen Optionen den behandelnden Ärzten obliegt. Dass sich die Klägerin hinsichtlich der Therapie auf die behandelnden Fachärzte verlässt, kann jedenfalls nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden. Darüber hinaus weist Dr. F. darauf hin, dass zum Gutachtenszeitpunkt anhand der durchgeführten Laboruntersuchung nachgewiesen das Opioidanalgetikum Tramadol und das Antidepressivum Citalopram eingenommen wurde, was nach Einschätzung des Sachverständigen Rückschlüsse auf den Leidensdruck zulässt. Tramadol lag sogar über dem therapeutischen Bereich.
Hinsichtlich des Hinweises der Beklagten, die Klägerin habe sich auf die Untersuchung gut vorbereitet und u.a. einen schriftlichen Tagesablauf mitgebracht habe, ist für den Senat schon die Relevanz nicht ersichtlich. Es ist weder unüblich und in keiner Weise vorwerfbar, wenn sich Versicherte auf die Untersuchung und die Begutachtung vorbereiten, um zu verhindern, dass in der Untersuchungssituation für sie relevante Aspekte unerwähnt bleiben. Aufgabe des Sachverständigen ist es dann, herauszufiltern, ob die vorformulierten Angaben den Tatsachen entsprechen. Für den Senat liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die – mit Hilfe der mitgebrachten Unterlagen – gegenüber dem Gutachter gemachten Angaben nicht authentisch gewesen wären. Insoweit hatte auch der – erfahrene – Gutachter keine Bedenken.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass Dr. F. hinsichtlich des Ergebnisses des Schmerzfragebogens nach Bikowski über Aggravation berichtet hat. Trotz der durch den Sachverständigen geäußerten Aggravationstendenzen ist aber dessen Leistungsbeurteilung verwertbar. Unter Hinweis auf zivilgerichtliche Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.06.2005 - 25 U 87/02 -, Juris) weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich die Klägerin die (objektive) Beweislast dafür trifft, dass eine ihr Leistungsvermögen beeinträchtigende Erkrankung vorliegt. Erst wenn trotz sorgfältiger Ermittlungen und bei gebotener kritischer Würdigung der Verfahrensergebnisse eine Vortäuschung der Störungen, Überwindbarkeit der Störungen oder Unerheblichkeit der Störungen nicht auszuschließen ist, geht dies zu Lasten der Klägerin (BSG, Urteil vom 06.09.2001 - B 5 RJ 42/00 R - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 01.07.1964 - 11/1 RA 158/61 -, Juris). Gerade eine solche kritische Würdigung der Verfahrensergebnisse ist hier erfolgt. Dr. F. hat ausgeführt, dass das Ergebnis des Schmerzfragebogens nach Bikowski formal mit einer Aggravation hinsichtlich der angegebenen Schmerzintensität vereinbar ist. Zugleich hat er aber auf einen Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Vorliegen depressiver Symptome hingewiesen und ausgeführt, dass es dann zu einer vermehrten Anzahl der gekennzeichneten Begriffe insgesamt und auch spezieller Begriffe kommen kann. Weitere Anhaltspunkte für Aggravation hat der Sachverständige gerade nicht mitgeteilt, aber die vorhandenen gewürdigt und in der Gesamtbeurteilung berücksichtigt. Nach seinen Ausführungen waren diese Anhaltspunkte nicht so ausgeprägt, als dass er deswegen eine Leistungsbeurteilung nicht hätte vornehmen können. Eine Überzeugungsbildung war dem Sachverständigen trotz und unter Berücksichtigung der Aggravation (anders als in der zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt, a.a.O.) möglich. Darüber hinaus bezogen sich die durch Dr. F. festgestellten Aggravationstendenzen allein auf das Ergebnis des Schmerzfragebogens nach Bikowski und damit auf die Schmerzerkrankung und nicht auf das Ausmaß und die Auswirkungen der depressiven Erkrankung. Im Hinblick darauf, dass die Grenze zwischen üblicher Betonung von Beschwerden in Begutachtungssituationen, Aggravation und Simulation fließend ist, ist eine Feststellung des Sachverständigen, ob trotz dieser Auffälligkeiten eine Gesundheitsstörung und daraus resultierende Leistungseinschränkungen vorliegen, vorzunehmen. Selbst Aggravation und Simulation schließen es nicht aus, dass die daneben bestehenden Störungen einen Rentenanspruch rechtfertigen. Dies zu ermitteln und herauszuarbeiten, ist gerade Aufgabe des Sachverständigen. Soweit die Beklagte daher sinngemäß ausführt, bereits bei Anhaltspunkten für Aggravation könne der Nachweis für eine rentenrelevante Einschränkung nicht mehr geführt werden, trifft dies in der Pauschalität nicht zu.
Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die teilweise durch das LSG Baden-Württemberg (vgl. u.a. Urteile vom 27.04.2016 - L 5 R 459/15 - und vom 14.03.2018 - L 5 R 1863/17 -, Juris) und (vor allem) das Bayerische LSG (vgl. nur Urteile vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08 -, vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08 -, vom 18.1.2012 - L 20 R 979/09 - vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06 -, vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08 -, vom 23.01.2013 - L 19 R 855/11 -, vom 15.1.2015 - L 20 R 980/08 - und vom 24.5.2017 - L 19 R 1047/14 -, Juris) vertretene Rechtsprechung vorträgt, psychische Erkrankungen würden erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen sei, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden kann und darüber hinaus eine ungünstige Krankheitsbewältigung, eine mangelnde soziale Unterstützung, psychische Komorbiditäten sowie lange Arbeitsunfähigkeitszeiten vorliegen (zu den zuletzt genannten Anforderungen vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.2016, a.a.O.), folgt der erkennende Senat dieser Rechtsprechung nicht.
Die Frage der Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung ist für die Frage, ob eine quantitative Leistungsreduzierung tatsächlich vorliegt, nicht maßgeblich, sie ist vielmehr allein für die Befristung und Dauer einer Rente von Bedeutung.
Die gegenteilige Auffassung entbehrt zunächst einer rechtlichen Grundlage. Weder kann § 43 SGB VI eine solche Einschränkung entnommen werden, noch finden sich im SGB VI andere Vorschriften, die bei Nichtausschöpfen zumutbarer Behandlungsmaßnahmen zu einem materiell-rechtlichen Ausschluss des Rentenanspruchs führen würden. Insoweit bestimmt § 103 SGB VI als eng auszulegende Ausnahmevorschrift ausdrücklich nur für den Fall, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen absichtlich herbeigeführt worden sind, einen Ausschluss des Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Verweigerung eines Versicherten, sich ärztlich behandeln zu lassen, stellt für sich genommen keine absichtliche Herbeiführung einer verminderten Erwerbsfähigkeit und damit keinen Ausschlussgrund für die Rentengewährung nach § 103 SGB VI dar (vgl. Senatsurteil vom 26.05.2020 - L 9 R 1667/18 -, n.v., Reyels in jurisPK-SGB VI, § 103 Rdnr. 44).
Dem Rentenversicherungsträger steht es in Konstellationen, in denen er eine fehlende adäquate Behandlung sieht, frei, nach § 66 Abs. 2, Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) vorzugehen und nach erfolglos gebliebener Aufforderung zur Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise zu versagen (vgl. dazu bereits BSG, Urteil vom 19.06.1979 - 5 RJ 122/77 -, Juris). Gemäß § 63 SGB I soll sich derjenige, der wegen Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer Heilbehandlung unterziehen, wenn zu erwarten ist, dass diese eine Besserung seines Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Verschlechterung verhindern wird. Hierunter fällt auch die Behandlung durch einen Psychologen oder einen Psychotherapeuten (Spellbrink in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 108. EL März 2020, § 63 SGB I Rdnr. 14). Gegebenenfalls kann der Rentenversicherungsträger gemäß § 65 SGB I auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, etwa Leistungen zur stationären Rehabilitation anbieten, um die eingetretene Erwerbsminderung wieder zu beseitigen. Allerdings führt auch die Verweigerung einer Behandlung oder einer Rehabilitationsmaßnahme nicht dazu, dass eine Gesundheitsstörung nicht als Krankheit im Sinne des § 43 SGB VI anzusehen wäre. Zwar ist der Versicherte verpflichtet, in zumutbarem Umfang an der Beseitigung des Versicherungsfalls mitzuwirken und sich insbesondere medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen zu unterziehen, eine unberechtigt verweigerte Behandlung führt jedoch nicht bereits per se zum Ausschluss des Rentenanspruchs. Vielmehr muss der Rentenversicherungsträger dann nach § 66 Abs. 2 SGB I vorgehen und nach erfolglos gebliebener Aufforderung zur Mitwirkung die Leistung ganz oder teilweise versagen oder entziehen (BSG, Urteile vom 19.06.1979 – 5 RJ 122/77 -, Juris, Kampe in jurisPK-SGB I, § 63 Rdnr. 12). Die durch das Gesetz vorgesehenen Folgen unterbliebener Behandlungen sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, insbesondere an eine vorherige Belehrung des Versicherten und eine angemessene Fristsetzung. Die Ausgestaltung nach § 66 SGB I ist interessengerecht und ausgewogen. Sie trägt den Interessen der Versichertengemeinschaft nach Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausreichend Rechnung und berücksichtigt andererseits auch die Interessen von erwerbsgeminderten Versicherten an Aufklärung und Fristsetzung, bevor für sie negative Rechtsfolgen eintreten. Eine Entziehung oder Versagung der Rente kommt somit unter den Voraussetzungen des § 66 Abs. 2, Abs. 3 SGB I in Betracht. Es besteht daher kein Bedarf, § 43 SGB VI über seinen Wortlaut hinaus dahingehend einschränkend auszulegen, dass es bei unbehandelten, aber gutachterlich nachgewiesenen, psychiatrischen Erkrankungen schon am Tatbestandsmerkmal der Erwerbsminderung fehlt.
Auch aus der in Rechtsprechung und Kommentarliteratur herangezogenen Definition von "Krankheit" im Sinne des § 43 SGB VI lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Krankheit ist danach jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand (Gesundheitsstörung), der geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten herabzusetzen (vgl. Freudenberg in JurisPK-SGB VI, § 43 SGB VI Rdnr. 62 m.w.N.). Anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kommt es in der Rentenversicherung gerade nicht darauf an, ob Behandlungsbedürftigkeit besteht. Umgekehrt steht die Behandlungsfähigkeit einer Gesundheitsstörung der Annahme von Erwerbsminderung nicht entgegen (BSG, Urteil vom 12.10.1993 - 13 RJ 71/92 -, Juris). Eine unterbliebene Behandlung führt – ohne Rücksicht auf die Ursachen der Unterlassung – nicht dazu, dass vorhandene und gutachterlich festgestellte Gesundheitsstörungen nicht als Krankheit im Rechtssinne anzusehen wären (BSG, Urteil vom 19.06.1979 - 5 RJ 122/77 -, Juris).
Eine unterschiedliche Behandlung von psychischen und somatischen Erkrankungen ist auch nicht gerechtfertigt. Bei körperlichen Erkrankungen wird es unstreitig nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal verlangt, dass diese behandelt sein müssen oder anderenfalls nicht als erwerbsmindernde Krankheit anerkannt werden könnten. Der Beklagten und ihrem sozialmedizinischen Dienst ist zwar zuzugestehen, dass das BSG bei Erkrankungen mit "neurotischem" Einschlag wegen der "Simulationsnähe" strenge Beweisanforderungen gestellt hat (u.a. Urteil vom 20.10.2004 - B 5 RJ 47/03 R -, Juris), indes gelten bei psychischen Erkrankungen keine anderen Beweismaßstäbe als bei "körperlichen" Erkrankungen. Vielmehr müssen bei psychischen wie bei organischen Erkrankungen die bei der Begutachtung berichteten Beschwerden mit den im jeweiligen Fachgebiet nach den dort maßgebenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen anerkannten Methoden validiert werden, um ggf. vorliegende "Verfälschungstendenzen" zu identifizieren. Lässt sich danach der Vollbeweis einer relevanten Funktionseinschränkung bei einer Erkrankung nicht führen, so scheidet die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus Gründen der Beweislast aus (Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 43 SGB VI, Rdnr. 71). Dies gilt sowohl bei körperlichen als auch bei psychiatrischen Erkrankungen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass der notwendige Vollbeweis bei psychischen Störungen und der aus ihnen resultierenden Leistungseinschränkungen schwierig ist. Beide sind unbeachtlich, soweit sie auf Aggravation und Simulation beruhen, was aber in gleicher Weise für körperliche und seelische Störungen gilt. Im Ergebnis gilt, dass Versicherte bei allen Krankheiten (bei psychischen wie bei körperlichen) für das Vorliegen der Erkrankung und der daraus resultierenden Leistungseinschränkung objektiv beweisbelastet sind (BSG, Urteile vom 01.07.1964 - 11/1 RA 158/61 -, vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66 -, vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/04 -, Juris). Liegt aber gutachterlich nachgewiesen eine rentenrelevante psychiatrische Erkrankung vor, gibt es keinen Grund für eine unterschiedliche Beurteilung von psychiatrischen und somatischen Erkrankungen.
Diese Auslegung steht schließlich nicht im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. In diesem Sinn hat das BSG in seinem Beschluss vom 07.08.2014 (- B 13 R 420/13 B -, Juris) vielmehr ausgeführt, dass sich das (dortige) LSG hätte veranlasst sehen müssen, der beantragten zusätzlichen ergänzenden (schriftlichen oder mündlichen) Anhörung des Sachverständigen zum (aktuellen) Leistungsvermögen auf nervenärztlichem Fachgebiet (also ohne "adäquate zielgerichtete (psychotherapeutische) Behandlung" bzw. wie dieser "Behandlungsvorbehalt" in Bezug auf das Leistungsvermögen des Klägers zu verstehen ist) nachzukommen. Hieraus folgt für den Senat, dass das BSG die Frage der quantitativen Leistungsreduzierung ungeachtet einer adäquaten Behandlung beurteilt. Bei anderem Verständnis von mit fremder Hilfe überwindbaren psychischen Störungen, wäre für das BSG nicht entscheidend gewesen, ob die Leistungsfähigkeit des (dortigen) Klägers erst durch Behandlung der psychischen Gesundheitsstörung auf ein rentenrechtlich nicht (mehr) relevantes Maß herabgesenkt oder vollständig überwunden werden kann. Es hätte vielmehr bereits an einer Krankheit im rentenrechtlichen Sinn gefehlt und das BSG hätte den Rechtsstreit nicht zurückverwiesen (so auch Kahlert, Psychische Krankheiten im Recht der Erwerbsminderungsrenten – Ende einer Sonderstellung, NZS 2016, S. 563 ff.). Soweit das BSG hinsichtlich der Beurteilung psychischer Störungen und ihrer Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit über die bei physischen Erkrankungen weitere Anforderungen gestellt hat (vgl. u.a. BSG, Urteile vom 01.07.1964 - 11/1 RA 158/61 -, vom 21.10.1969 - 11 RA 219/66 -, vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 - und vom 20.10.2004 - B 5 RJ 48/03 -, Juris), war dies zum einen auf bestimmte Krankheitsbilder, wie beispielsweise Neurosen, bezogen und ist zum anderen vor dem Hintergrund der damals geltenden psychiatrischen Lehrmeinung und Einordnung psychischer Erkrankungen zu sehen. Bereits mit Urteil vom 29.03.2006 (- B 13 RJ 31/05 R -, Juris) hat sich das BSG mit der Frage der Behandelbarkeit der psychischen Störung nur in Bezug auf die Frage nach der Befristung der Rente beschäftigt und ausgeführt, dass die Behebung einer rentenberechtigenden Leistungsminderung nicht unwahrscheinlich sei mit der Folge, dass ausnahmsweise Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente zu gewähren wäre, solange die therapeutischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft sind.
Bei einem Leistungsfall am 03.05.2018, dem Tag der Begutachtung durch Dr. F., sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausweislich des durch das SG beigezogenen Versicherungsverlaufs vom 21.02.2019 erfüllt. Die Klägerin hat unstreitig fünf Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt und damit die allgemeine Wartezeit erfüllt. In der Zeit von Mai 2013 bis April 2018 sind 50 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt, so dass auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind.
Die Erwerbsminderungsrente ist nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf Zeit zu leisten. Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung besteht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, auch zur Überzeugung des Senats befristet. Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen Erwerbsminderung im Regelfall befristet gewährt. Abweichend von diesem Grundsatz werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI unbefristet geleistet, wenn der Rentenanspruch ausschließlich auf dem Gesundheitszustand und nicht (auch) darauf beruht, dass der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, sofern unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren ist hiervon auszugehen. Anders als nach dem bis zum 01.01.2001 geltenden Recht ist nunmehr für die Gewährung unbefristeter Renten wegen Erwerbsminderung maßgebend, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann, nicht ob sie behoben werden wird. Weder ist erforderlich, dass eine solche Behebung der Erwerbsminderung "überwiegend wahrscheinlich" ist, noch, dass diese in "absehbarer Zeit" wahrscheinlich sein muss. Der Ausdruck "unwahrscheinlich" im Sinne des Satz 5 ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt. Davon kann erst ausgegangen werden, wenn alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und auch danach ein aufgehobenes Leistungsvermögen besteht. Eingeschlossen werden alle Therapiemöglichkeiten nach allgemein anerkannten medizinischen Erfahrungen, also auch Operationen, unabhängig davon, ob diese duldungspflichtig sind oder nicht. Es kommt also nicht darauf an, dass eine "begründete Aussicht" auf Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit besteht. Entscheidend ist vielmehr die Möglichkeit, das Leistungsvermögen eines Versicherten auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wiederherzustellen. Solange diese Möglichkeit besteht und im Einzelfall keine gesundheitsspezifischen Kontraindikationen entgegenstehen, ist von einer Unwahrscheinlichkeit der Behebung der Erwerbsminderung nicht auszugehen. Dabei ist ausreichend, dass die mit einer Behandlung angestrebte Besserung sich nicht von vornherein in einem Bereich bewegt, der sich als rentenrechtlich irrelevant darstellt, sondern die quantitative Leistungsfähigkeit des Versicherten über die für die volle Erwerbsminderung erhebliche Schwelle anheben kann. Die Frage, ob die Behebung unwahrscheinlich ist, ist zum Zeitpunkt der Bewilligung prognostisch zu beurteilen und unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der umfassenden gerichtlichen Nachprüfung (vgl. Schmidt in Schlegel/Voelzke, jurisPK SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand 16.06.2015, § 102 Rdnr. 7 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R -, Juris). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist das SG gestützt auf das Gutachten von Dr. F. zu Recht davon ausgegangen, dass eine Besserung jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist, da noch Therapieoptionen bestehen. Die durch das SG angenommene Dauer der Befristung, die sich an dem durch Dr. F. vorgeschlagenen Zeitrahmen orientiert, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, der Senat sieht daher keine Veranlassung, auf die Berufung der Beklagten die Dauer der Befristung zu verkürzen.
Die befristete Rente beginnt vorliegend nach § 101 Abs. 1 SGB VI mit dem siebten Monat nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit; die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1a SGB VI sind vorliegend nicht gegeben. Rentenbeginn wäre ausgehend von einem Leistungsfall am 03.05.2018 entgegen der Berechnung des SG nicht der 03.12.2018, sondern bereits der 01.12.2018. Die Klägerin hat ausdrücklich hinsichtlich der damit zu Unrecht für den 01. und 02.12.2018 nicht gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung keine Berufung eingelegt, die Beklagte ist durch die fehlerhafte Berechnung des Rentenbeginns nicht beschwert.
Das Urteil des SG ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden; die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung der Beklagten ohne Erfolg geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor. Der Senat weicht insbesondere im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des BSG vom 07.08.2014 (- B 13 R 420/13 B -, Juris) von höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht ab.
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