Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 15 AS 174/19
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4248/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein mehr als zwei Monate nach Einlassung in der mündlichen Verhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch ist gemäß § 60 SGG i. V. m. der zum 01.01.2020 eingefügten Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 2 ZPO unzulässig, da nicht unverzüglich angebracht.
2. Über den Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens kann der Senat durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, auch wenn das SG über die Klage durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entschieden hat; dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Feststellung erfolgt, dass das Berufungsverfahren durch Berufungsrücknahme erledigt ist und eine mündliche Verhandlung des Senats in dem Berufungsverfahren, dessen Beendigung festgestellt wird, bereits stattgefunden hat.
2. Über den Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens kann der Senat durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, auch wenn das SG über die Klage durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entschieden hat; dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Feststellung erfolgt, dass das Berufungsverfahren durch Berufungsrücknahme erledigt ist und eine mündliche Verhandlung des Senats in dem Berufungsverfahren, dessen Beendigung festgestellt wird, bereits stattgefunden hat.
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 durch Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 nach im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 erklärter Berufungsrücknahme.
Streitig war im Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch den Beklagten unter Hinweis auf eine mangelnde Mitwirkung der Klägerin für die Zeit ab April 2018 sowie die Erbringung der versagten Leistungen.
Mit ihrer zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage vom 14.01.2019 (S 15 AS 174/19) wandte sich die Klägerin gegen die Versagung der von ihr am 25.04.2018 beim Beklagten beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch Versagungsbescheid vom 27.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2018 und gegen die (erneute) Versagung von Leistungen für die Zeit ab 27.07.2018 durch weiteren Versagungsbescheid vom 11.12.2018. Gleichzeitig begehrte sie die Feststellung, dass sie am 27.07.2018 keinen neuen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt habe, der Anlass für eine erneute Versagung hätte geben können, und begehrte die Gewährung von Leistungen für die Zeit ab 01.04.2018. Mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2019 wies das SG die Klage ab. Soweit die Klägerin die Feststellung begehre, dass sie am 27.07.2018 keinen neuen Leistungsantrag gestellt habe, sei die Klage unzulässig. Es sei nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin aus einer solchen Feststellung ziehen könnte. Ebenfalls unzulässig sei das Leistungsbegehren der Klägerin. Im Falle der Versagung von Leistungen liege gerade noch keine Entscheidung in der Sache vor, weshalb eine Leistungsklage grundsätzlich unstatthaft sei. Gegen die bislang lediglich erfolgte Versagung von Leistungen sei nur die reine Anfechtungsklage statthaft und insgesamt zulässig, aber unbegründet.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 27.05.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, welche unter dem Aktenzeichen L 9 AS 1787/19 geführt worden ist. Mit dieser Berufung hat die Klägerin sich weiterhin gegen die ergangenen Versagungsbescheide gewandt und die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab April 2018 begehrt.
Am 01.08.2019 hat die Klägerin beim SG einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt mit dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab April 2018 zu gewähren. Diesen Antrag hat das SG mit Beschluss vom 19.08.2019 abgelehnt (S 14 AS 2589/19 ER). Die Beschwerde der Klägerin dagegen hat der Senat mit Beschluss vom 01.10.2019 zurückgewiesen (L 9 AS 3032/19 ER-B). Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 20.11.2019 zurückgewiesen (L 9 AS 3809/19 RG).
Am 19.11.2019 hat der Senat im Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Rahmen dieser hat der Beklagtenvertreter den Versagungsbescheid vom 27.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2018, den Versagungsbescheid vom 11.12.2018 sowie die weiteren gegen die Klägerin ergangenen Versagungsbescheide vom 27.06.2019 und 08.10.2019 aufgehoben. Daraufhin hat die Klägerin erklärt: "nach Aufhebung der Versagungsbescheide wird das Berufungsverfahren für erledigt erklärt." Diese Erklärung ist ausweislich der Niederschrift "vorgelesen und genehmigt" worden.
Unter dem 16.12.2019 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie an der im Termin vom 19.11.2019 erklärten Rücknahme der Berufung nicht mehr festhalten wolle. Sie habe diese lediglich im Hinblick darauf erklärt, dass der Beklagtenvertreter ihr zugesagt habe, dass sie binnen zwei Wochen eine Entscheidung über ihren Leistungsantrag erhalten werde. Dies sei nicht erfolgt. Es habe sich dabei um eine prozesstaktische Täuschung gehandelt, da der Beklagte gewusst habe, dass vor dem Landgericht Heilbronn eine Amtshaftungsklage anhängig sei, die sie ohne finanzielle Mittel und ohne korrekte Auskünfte nicht konkret verfolgen könne und mutmaßlich auch nicht solle. Sie fechte die Willenserklärung vom 19.11.2019 an und beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Berufungsverfahren sei wiederzueröffnen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Berufungsverfahren L 9 AS 1781/19 fortzusetzen.
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13.01.2020, der Klägerin zugestellt am 14.01.2020, darauf hingewiesen, dass das Vorbringen der Klägerin als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 gewertet werde und das Verfahren nun unter dem Aktenzeichen L 9 AS 4248/19 geführt werde. Außerdem sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass das LSG gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheiden könne, wenn es die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Da die Berufungsrücknahme wirksam erfolgt und das Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 erledigt sein und damit nicht fortzusetzen sein dürfte, sei eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 SGG beabsichtigt. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Äußerung hierzu bis zum 07.02.2020 erhalten.
Die Klägerin hat mit Telefax vom 07.02.2020 bzw. Schreiben vom 17.02.2020 Stellung genommen und nochmals klargestellt, dass sie die von ihr erklärte Rücknahme der Berufung nicht weiter aufrechterhalte. Sie habe am 24.01.2020 eine neue Anfrage nach der Datenschutzgrundverordnung gestellt. Die Zusammenhänge seien in einem ordnungsgemäßen Verfahren mit voller Senatsbesetzung zu prüfen. Es seien sämtliche Akten seit 2009 hinzuzuziehen. Der Rücknahmehinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung habe sie überrascht, es habe an seiner Prüfungstiefe zu ihren Rechten seit dem Jahr 2009 gemangelt, er habe als Richter in eigener Sache in allen Verfahren gehandelt. Schon wegen dieser Befangenheit und bis heute währender Nichtentschuldigung sei das Verfahren weiterzuführen, denn offenkundig sei dessen erst in der Verhandlung erteilter Hinweis zur Berufungsrücknahme zu dessen eigenen Gunsten und zu Gunsten dessen Kollegen und Vorrichter Loehrke entstanden. Ihr dürfe nicht weiter die Lebensgrundlage bis zur Klärung verschiedener Sachverhalte verhindert und zerstört werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Dem Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 kann nicht entsprochen werden, da dieses Verfahren durch die von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 erklärte Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Der Senat hat, wie den Beteiligten mit Schreiben vom 13.01.2020 mitgeteilt, das Schreiben der Klägerin vom 16.12.2019 als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 ausgelegt. Über die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme ist in Fortsetzung des Rechtstreits zu entscheiden, in dem sie erklärt wurde (BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11 RAr 31/88 -, Juris Rn. 10). Das LSG entscheidet entweder dahin, dass der Rechtstreit durch Rücknahme erledigt ist, oder zur Sache, wobei in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, dass die Rücknahme nicht erklärt oder unwirksam ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 156 Rn. 6).
An der Mitwirkung des Senats ist der Senatsvorsitzende Dr. Schneider nicht gehindert. Selbst wenn man die gegen ihn gerichteten Ausführungen der Klägerin, die erstmals in ihrem Schreiben vom 07.02.2020 vorgetragen werden, als Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Schneider wegen Besorgnis der Befangenheit auslegt, ist dieser Antrag rechtsmissbräuchlich und kann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters selbst verworfen werden (vgl. G. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung (ZPO), 33. Aufl. 2020, § 44 Rn. 11a). Denn wenn ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, bei dem der Beteiligte sich in eine Verhandlung eingelassen hat - wie hier die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 -, ist gemäß § 60 SGG i. V. m. § 43 ZPO das Ablehnungsrecht verwirkt, wenn nicht ebenfalls innerhalb der mündlichen Verhandlung der bekannte Ablehnungsgrund geltend gemacht wird. Wenn der Beteiligte geltend macht, der Ablehnungsrund sei erst später entstanden oder bekannt geworden, ist das Ablehnungsgesuch unverzüglich zu stellen und sowohl der nachträgliche Eintritt oder die nachträgliche Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes als auch die Unverzüglichkeit des Antrags glaubhaft zu machen, § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 ZPO. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die mündliche Verhandlung hat am 19.11.2019 stattgefunden. In diese hat sich die Klägerin ohne Ablehnung des Vorsitzenden eingelassen. Den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens hat die Klägerin am 16.12.2019 gestellt, die Ausführungen gegen den Senatsvorsitzenden Dr. Schneider, die als Ablehnungsgesuch gewertet werden könnten, erfolgten aber erstmals am 07.02.2020 und damit nicht unverzüglich.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann das LSG außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 153 Abs. 4 SGG ist anwendbar für eine Entscheidung, ob das Berufungsverfahren durch Rücknahme der Berufung beendet ist (Keller, a.a.O., § 153 Rn. 14 und § 156 Rn. 6). Dabei steht einer Entscheidung durch Beschluss der Umstand, dass das SG – wie hier – über die Klage durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entschieden hat, jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie vorliegend – eine Feststellung erfolgt, dass das Berufungsverfahren durch Berufungsrücknahme erledigt ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2018 - L 3 AL 2612/18 -, Juris). Dies gilt umso mehr, wenn – wie vorliegend am 19.11.2019 – bereits eine mündliche Verhandlung des Senats in dem Berufungsverfahren, dessen Beendigung festgestellt wird, stattgefunden hat. Denn das Gesetz will zwar gewährleisten, dass die in Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) grundsätzlich garantierte mündliche Verhandlung auch in einfacheren Fällen jedenfalls in der ersten oder in der zweiten Tatsacheninstanz gewährt wird und nicht in beiden Instanzen entfällt (vgl. Keller, a.a.O., § 153 Rn. 14; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2018 a.a.O.). Wird nun aber eine Entscheidung durch Beschluss im Rahmen der Entscheidung über die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme für möglich erachtet, dann besteht diese Möglichkeit jedenfalls im Falle der Feststellung der Berufungsrücknahme auch dann, wenn das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat, denn in dieser Konstellation entscheidet das LSG nicht in der Sache selbst. Bereits diese Erwägungen zeigen, dass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Notwendigkeit besteht. Vorliegend kommt hinzu, dass zwar nicht das SG mündlich verhandelt hat, dafür aber eine mündliche Verhandlung des Senats am 19.11.2019 in der Sache stattgefunden hat, in der die Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Versagung von Leistungen durch die Aufhebung aller seit 25.04.2018 ergangenen Versagungsbescheide im Ergebnis hinsichtlich der statthaften Anfechtungsklage klaglos gestellt worden ist. Außerdem hatte die Klägerin im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung des Senats die Möglichkeit, ihr Anliegen ausführlich persönlich vorzutragen. Auch im Übrigen sind Gründe weder ersichtlich noch vorgetragen worden, aufgrund derer der Senat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 09.10.2014 - B 13 R 157/14 B -, Juris Rn 12) zu dem Ergebnis kommen müsste, dass hier eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei. Die Beteiligten sind auch zuvor mit den Schreiben des Senats vom 13.01.2020 gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG gehört worden. Auf die Schreiben der Klägerin vom 07.02.2020 bzw. 17.02.2020 war weder eine erneute Anhörungsmitteilung erforderlich noch die Anhörungsmitteilung vom 13.01.2020 zu ergänzen. Denn eine neue prozessuale Lage ist hierdurch nicht eingetreten (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 14.06.2018 - B 9 SB 92/17 B -, Juris Rn. 6 ff.). Der Senat hat den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen, was insoweit ausreichend ist (vgl. BSG a.a.O. Rn. 8).
Es ist festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 durch Berufungsrücknahme erledigt ist. Denn die Klägerin hat die Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 eindeutig und formgerecht zu Protokoll (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 Zivilprozessordnung (ZPO)), mithin wirksam, für erledigt erklärt und damit konkludent zurückgenommen. Die Zurücknahme bewirkt gemäß § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels. Danach ist ein Antrag auf eine Sachentscheidung nicht mehr zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1980 - 9 RV 16/79 -, Juris Rn. 14).
Die Zurücknahme eines Rechtsmittels ist grundsätzlich unwiderruflich (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 06.12.1996 - 8 C 33/95 -, Juris). Sie kann auch nicht entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 19.03.2002 - B 9 V 75/01 B -, Juris und Urteil vom 24.04.1980, 9 RV 16/79 a.a.O. Rn. 18). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur von Prozesshandlungen, zu denen auch die Berufungsrücknahme zählt.
Eine Berufungsrücknahme könnte allenfalls entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage widerrufen werden, falls ein gesetzlicher Restitutionsgrund (§ 179 Abs. 1 SGG i.V. m. § 580 ZPO) gegeben wäre (BSG, Urteil vom 24.04.1980 - 9 RV 16/79 -, Juris Rn. 18.). Anhaltspunkte für einen solchen Tatbestand (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis oder Gutachten, Urteilserschleichung, Amtspflichtverletzung eines Richters) sind aber weder nach Aktenlage ersichtlich noch lassen sich solche dem Vorbringen der Klägerin entnehmen.
Zwar behauptet die Klägerin, es läge eine prozesstaktische Täuschung durch den Beklagten vor, sie habe die Rücknahme der Berufung nur im Hinblick auf eine Zusage des Beklagtenvertreters erklärt, an die dieser sich nicht gehalten habe. Diese Behauptung findet aber keine Stütze im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.11.2019. Im Gegenteil lässt sich dem Protokoll eindeutig entnehmen, dass die Erledigungserklärung der Klägerin im Hinblick auf die vom Beklagtenvertreter erfolgte Aufhebung aller ergangenen Versagungsentscheidungen erfolgt ist. Auch der weitere Vortrag der Klägerin ist weder substantiiert noch nachvollziehbar und begründet keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines gesetzlichen Restitutionsgrundes.
Ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigt, kann dahingestellt bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1980 a.a.O. Rn. 18). Denn die in § 579 Abs.1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts; Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung einer Partei) liegen offensichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 nach im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 erklärter Berufungsrücknahme.
Streitig war im Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch den Beklagten unter Hinweis auf eine mangelnde Mitwirkung der Klägerin für die Zeit ab April 2018 sowie die Erbringung der versagten Leistungen.
Mit ihrer zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobenen Klage vom 14.01.2019 (S 15 AS 174/19) wandte sich die Klägerin gegen die Versagung der von ihr am 25.04.2018 beim Beklagten beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch Versagungsbescheid vom 27.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2018 und gegen die (erneute) Versagung von Leistungen für die Zeit ab 27.07.2018 durch weiteren Versagungsbescheid vom 11.12.2018. Gleichzeitig begehrte sie die Feststellung, dass sie am 27.07.2018 keinen neuen Leistungsantrag beim Beklagten gestellt habe, der Anlass für eine erneute Versagung hätte geben können, und begehrte die Gewährung von Leistungen für die Zeit ab 01.04.2018. Mit Gerichtsbescheid vom 23.04.2019 wies das SG die Klage ab. Soweit die Klägerin die Feststellung begehre, dass sie am 27.07.2018 keinen neuen Leistungsantrag gestellt habe, sei die Klage unzulässig. Es sei nicht ersichtlich, welchen Vorteil die Klägerin aus einer solchen Feststellung ziehen könnte. Ebenfalls unzulässig sei das Leistungsbegehren der Klägerin. Im Falle der Versagung von Leistungen liege gerade noch keine Entscheidung in der Sache vor, weshalb eine Leistungsklage grundsätzlich unstatthaft sei. Gegen die bislang lediglich erfolgte Versagung von Leistungen sei nur die reine Anfechtungsklage statthaft und insgesamt zulässig, aber unbegründet.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat die Klägerin am 27.05.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, welche unter dem Aktenzeichen L 9 AS 1787/19 geführt worden ist. Mit dieser Berufung hat die Klägerin sich weiterhin gegen die ergangenen Versagungsbescheide gewandt und die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab April 2018 begehrt.
Am 01.08.2019 hat die Klägerin beim SG einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gestellt mit dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, ihr vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab April 2018 zu gewähren. Diesen Antrag hat das SG mit Beschluss vom 19.08.2019 abgelehnt (S 14 AS 2589/19 ER). Die Beschwerde der Klägerin dagegen hat der Senat mit Beschluss vom 01.10.2019 zurückgewiesen (L 9 AS 3032/19 ER-B). Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 20.11.2019 zurückgewiesen (L 9 AS 3809/19 RG).
Am 19.11.2019 hat der Senat im Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Im Rahmen dieser hat der Beklagtenvertreter den Versagungsbescheid vom 27.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2018, den Versagungsbescheid vom 11.12.2018 sowie die weiteren gegen die Klägerin ergangenen Versagungsbescheide vom 27.06.2019 und 08.10.2019 aufgehoben. Daraufhin hat die Klägerin erklärt: "nach Aufhebung der Versagungsbescheide wird das Berufungsverfahren für erledigt erklärt." Diese Erklärung ist ausweislich der Niederschrift "vorgelesen und genehmigt" worden.
Unter dem 16.12.2019 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie an der im Termin vom 19.11.2019 erklärten Rücknahme der Berufung nicht mehr festhalten wolle. Sie habe diese lediglich im Hinblick darauf erklärt, dass der Beklagtenvertreter ihr zugesagt habe, dass sie binnen zwei Wochen eine Entscheidung über ihren Leistungsantrag erhalten werde. Dies sei nicht erfolgt. Es habe sich dabei um eine prozesstaktische Täuschung gehandelt, da der Beklagte gewusst habe, dass vor dem Landgericht Heilbronn eine Amtshaftungsklage anhängig sei, die sie ohne finanzielle Mittel und ohne korrekte Auskünfte nicht konkret verfolgen könne und mutmaßlich auch nicht solle. Sie fechte die Willenserklärung vom 19.11.2019 an und beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Berufungsverfahren sei wiederzueröffnen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Berufungsverfahren L 9 AS 1781/19 fortzusetzen.
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13.01.2020, der Klägerin zugestellt am 14.01.2020, darauf hingewiesen, dass das Vorbringen der Klägerin als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 gewertet werde und das Verfahren nun unter dem Aktenzeichen L 9 AS 4248/19 geführt werde. Außerdem sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass das LSG gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheiden könne, wenn es die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Da die Berufungsrücknahme wirksam erfolgt und das Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 erledigt sein und damit nicht fortzusetzen sein dürfte, sei eine Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 SGG beabsichtigt. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Äußerung hierzu bis zum 07.02.2020 erhalten.
Die Klägerin hat mit Telefax vom 07.02.2020 bzw. Schreiben vom 17.02.2020 Stellung genommen und nochmals klargestellt, dass sie die von ihr erklärte Rücknahme der Berufung nicht weiter aufrechterhalte. Sie habe am 24.01.2020 eine neue Anfrage nach der Datenschutzgrundverordnung gestellt. Die Zusammenhänge seien in einem ordnungsgemäßen Verfahren mit voller Senatsbesetzung zu prüfen. Es seien sämtliche Akten seit 2009 hinzuzuziehen. Der Rücknahmehinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung habe sie überrascht, es habe an seiner Prüfungstiefe zu ihren Rechten seit dem Jahr 2009 gemangelt, er habe als Richter in eigener Sache in allen Verfahren gehandelt. Schon wegen dieser Befangenheit und bis heute währender Nichtentschuldigung sei das Verfahren weiterzuführen, denn offenkundig sei dessen erst in der Verhandlung erteilter Hinweis zur Berufungsrücknahme zu dessen eigenen Gunsten und zu Gunsten dessen Kollegen und Vorrichter Loehrke entstanden. Ihr dürfe nicht weiter die Lebensgrundlage bis zur Klärung verschiedener Sachverhalte verhindert und zerstört werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Dem Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 kann nicht entsprochen werden, da dieses Verfahren durch die von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 erklärte Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Der Senat hat, wie den Beteiligten mit Schreiben vom 13.01.2020 mitgeteilt, das Schreiben der Klägerin vom 16.12.2019 als Antrag auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens L 9 AS 1787/19 ausgelegt. Über die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme ist in Fortsetzung des Rechtstreits zu entscheiden, in dem sie erklärt wurde (BSG, Urteil vom 26.07.1989 - 11 RAr 31/88 -, Juris Rn. 10). Das LSG entscheidet entweder dahin, dass der Rechtstreit durch Rücknahme erledigt ist, oder zur Sache, wobei in den Entscheidungsgründen ausgeführt wird, dass die Rücknahme nicht erklärt oder unwirksam ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 156 Rn. 6).
An der Mitwirkung des Senats ist der Senatsvorsitzende Dr. Schneider nicht gehindert. Selbst wenn man die gegen ihn gerichteten Ausführungen der Klägerin, die erstmals in ihrem Schreiben vom 07.02.2020 vorgetragen werden, als Ablehnung des Vorsitzenden Dr. Schneider wegen Besorgnis der Befangenheit auslegt, ist dieser Antrag rechtsmissbräuchlich und kann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters selbst verworfen werden (vgl. G. Vollkommer in Zöller, Zivilprozessordnung (ZPO), 33. Aufl. 2020, § 44 Rn. 11a). Denn wenn ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wird, bei dem der Beteiligte sich in eine Verhandlung eingelassen hat - wie hier die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 -, ist gemäß § 60 SGG i. V. m. § 43 ZPO das Ablehnungsrecht verwirkt, wenn nicht ebenfalls innerhalb der mündlichen Verhandlung der bekannte Ablehnungsgrund geltend gemacht wird. Wenn der Beteiligte geltend macht, der Ablehnungsrund sei erst später entstanden oder bekannt geworden, ist das Ablehnungsgesuch unverzüglich zu stellen und sowohl der nachträgliche Eintritt oder die nachträgliche Kenntniserlangung des Ablehnungsgrundes als auch die Unverzüglichkeit des Antrags glaubhaft zu machen, § 44 Abs. 4 Sätze 1 und 2 ZPO. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die mündliche Verhandlung hat am 19.11.2019 stattgefunden. In diese hat sich die Klägerin ohne Ablehnung des Vorsitzenden eingelassen. Den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens hat die Klägerin am 16.12.2019 gestellt, die Ausführungen gegen den Senatsvorsitzenden Dr. Schneider, die als Ablehnungsgesuch gewertet werden könnten, erfolgten aber erstmals am 07.02.2020 und damit nicht unverzüglich.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG kann das LSG außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 153 Abs. 4 SGG ist anwendbar für eine Entscheidung, ob das Berufungsverfahren durch Rücknahme der Berufung beendet ist (Keller, a.a.O., § 153 Rn. 14 und § 156 Rn. 6). Dabei steht einer Entscheidung durch Beschluss der Umstand, dass das SG – wie hier – über die Klage durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entschieden hat, jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie vorliegend – eine Feststellung erfolgt, dass das Berufungsverfahren durch Berufungsrücknahme erledigt ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2018 - L 3 AL 2612/18 -, Juris). Dies gilt umso mehr, wenn – wie vorliegend am 19.11.2019 – bereits eine mündliche Verhandlung des Senats in dem Berufungsverfahren, dessen Beendigung festgestellt wird, stattgefunden hat. Denn das Gesetz will zwar gewährleisten, dass die in Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) grundsätzlich garantierte mündliche Verhandlung auch in einfacheren Fällen jedenfalls in der ersten oder in der zweiten Tatsacheninstanz gewährt wird und nicht in beiden Instanzen entfällt (vgl. Keller, a.a.O., § 153 Rn. 14; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.08.2018 a.a.O.). Wird nun aber eine Entscheidung durch Beschluss im Rahmen der Entscheidung über die Wirksamkeit der Berufungsrücknahme für möglich erachtet, dann besteht diese Möglichkeit jedenfalls im Falle der Feststellung der Berufungsrücknahme auch dann, wenn das SG durch Gerichtsbescheid entschieden hat, denn in dieser Konstellation entscheidet das LSG nicht in der Sache selbst. Bereits diese Erwägungen zeigen, dass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Notwendigkeit besteht. Vorliegend kommt hinzu, dass zwar nicht das SG mündlich verhandelt hat, dafür aber eine mündliche Verhandlung des Senats am 19.11.2019 in der Sache stattgefunden hat, in der die Klägerin in Bezug auf die streitgegenständliche Versagung von Leistungen durch die Aufhebung aller seit 25.04.2018 ergangenen Versagungsbescheide im Ergebnis hinsichtlich der statthaften Anfechtungsklage klaglos gestellt worden ist. Außerdem hatte die Klägerin im Rahmen dieser mündlichen Verhandlung des Senats die Möglichkeit, ihr Anliegen ausführlich persönlich vorzutragen. Auch im Übrigen sind Gründe weder ersichtlich noch vorgetragen worden, aufgrund derer der Senat im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 09.10.2014 - B 13 R 157/14 B -, Juris Rn 12) zu dem Ergebnis kommen müsste, dass hier eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei. Die Beteiligten sind auch zuvor mit den Schreiben des Senats vom 13.01.2020 gemäß § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG gehört worden. Auf die Schreiben der Klägerin vom 07.02.2020 bzw. 17.02.2020 war weder eine erneute Anhörungsmitteilung erforderlich noch die Anhörungsmitteilung vom 13.01.2020 zu ergänzen. Denn eine neue prozessuale Lage ist hierdurch nicht eingetreten (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 14.06.2018 - B 9 SB 92/17 B -, Juris Rn. 6 ff.). Der Senat hat den Vortrag der Klägerin zur Kenntnis genommen, was insoweit ausreichend ist (vgl. BSG a.a.O. Rn. 8).
Es ist festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 9 AS 1787/19 durch Berufungsrücknahme erledigt ist. Denn die Klägerin hat die Berufung in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2019 eindeutig und formgerecht zu Protokoll (vgl. § 122 SGG i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 8 Zivilprozessordnung (ZPO)), mithin wirksam, für erledigt erklärt und damit konkludent zurückgenommen. Die Zurücknahme bewirkt gemäß § 156 Abs. 3 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels. Danach ist ein Antrag auf eine Sachentscheidung nicht mehr zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1980 - 9 RV 16/79 -, Juris Rn. 14).
Die Zurücknahme eines Rechtsmittels ist grundsätzlich unwiderruflich (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 06.12.1996 - 8 C 33/95 -, Juris). Sie kann auch nicht entsprechend den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wegen Irrtums oder Drohung (§§ 119, 123 BGB) angefochten werden (BSG, Beschluss vom 19.03.2002 - B 9 V 75/01 B -, Juris und Urteil vom 24.04.1980, 9 RV 16/79 a.a.O. Rn. 18). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur von Prozesshandlungen, zu denen auch die Berufungsrücknahme zählt.
Eine Berufungsrücknahme könnte allenfalls entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage widerrufen werden, falls ein gesetzlicher Restitutionsgrund (§ 179 Abs. 1 SGG i.V. m. § 580 ZPO) gegeben wäre (BSG, Urteil vom 24.04.1980 - 9 RV 16/79 -, Juris Rn. 18.). Anhaltspunkte für einen solchen Tatbestand (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis oder Gutachten, Urteilserschleichung, Amtspflichtverletzung eines Richters) sind aber weder nach Aktenlage ersichtlich noch lassen sich solche dem Vorbringen der Klägerin entnehmen.
Zwar behauptet die Klägerin, es läge eine prozesstaktische Täuschung durch den Beklagten vor, sie habe die Rücknahme der Berufung nur im Hinblick auf eine Zusage des Beklagtenvertreters erklärt, an die dieser sich nicht gehalten habe. Diese Behauptung findet aber keine Stütze im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.11.2019. Im Gegenteil lässt sich dem Protokoll eindeutig entnehmen, dass die Erledigungserklärung der Klägerin im Hinblick auf die vom Beklagtenvertreter erfolgte Aufhebung aller ergangenen Versagungsentscheidungen erfolgt ist. Auch der weitere Vortrag der Klägerin ist weder substantiiert noch nachvollziehbar und begründet keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen eines gesetzlichen Restitutionsgrundes.
Ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf rechtfertigt, kann dahingestellt bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.1980 a.a.O. Rn. 18). Denn die in § 579 Abs.1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts; Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung einer Partei) liegen offensichtlich nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn.1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved