Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KR 1333/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5011,95 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Zusatzentgelte für die Verabreichung von Blutprodukten, insbesondere die anteilige Vergütung der Gabe von Apherese-Thrombozyten-Konzentraten (ATK) im Rahmen einer Herztransplantation.
Die Klägerin betreibt das I- und E NRW in C P als zugelassenes Krankenhaus im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die bei der Beklagten Versicherte H L, geboren am 00.00.1952, befand sich vom 25.11.2015 bis 19.01.2016 in stationärer Behandlung im Herzzentrum der Beklagten. Für die Krankenhausbehandlung mit Herztransplantation wurde mit Datum vom 21.01.2016 ein Betrag von 108.315,22 Euro in Rechnung. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Rechnung vom 21.01.2016, die in Kopie zur Gerichtsakte gereicht wurde, Bezug genommen.
Die Beklagte zahlte zunächst nicht, sondern legte die Rechnung dem MdK vor. Der MDK gelangte mit Gutachten vom 30.09.2016 zu dem Ergebnis, dass keine Indikation für die Gabe von ATK belegt sei. Es sei die Gabe von kostengünstigeren Pool-Thrombozyten-Konzentrate (PTK) abzurechnen. Die Zusatzentgelte nach 147.04 und 93.06 hätten nicht abgerechnet werden dürfen, stattdessen sei das Zusatzentgelt 146.03 abzurechnen gewesen.
Die Beklagte leistete den Rechnungsbetrag gekürzt um die drei Zusatzentgelte für alle verabreichten Blutprodukte (Immunglobulin, Erythrozyten und Thrombozyten), was eine Kürzung von 5011,95 Euro darstellt.
Mit der nun erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Restzahlung
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5011,95 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung weist die Beklagte darauf hin, dass die Gabe von ATK nicht erforderlich gewesen sei. Die Gabe der günstigeren PTK wäre ausreichend gewesen. Soweit die weiteren Zusatzentgelte nicht geleistet worden seien, stehe es der Klägerin frei, eine korrigierte Rechnung vorzulegen. Dann könnten weitere 3208,45 Euro übernommen werden. Ein Betrag von 1803,50 Euro würde dann streitig bleiben.
Das Gericht hat das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. I1, Leiter des Zentrums für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie am Uniklinikum F, vom 20.01.2020 aus dem Verfahren S 24 KR 1249/18 zur Frage der gleichen Eignung von PTK zu ATK in das hiesige Verfahren als Urkunde eingeführt.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens.
Entscheidungsgründe:
Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung aus dem Behandlungsfall der Patientin L. Denn die Rechnungsstellung der Klägerin erfolgte zutreffend. Sie hatte auch einen Anspruch auf die streitigen Zusatzentgelte in der abgerechneten Form. Einer Korrektur der Rechnung bedurfte es weder bezüglich der Immunglobulin- und der Erythrozytengabe einerseits noch bezüglich der ATK-Gabe andererseits.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die abgerechneten Zusatzentgelte für die Gabe der Immunglobuli und der Erythrozyten. Dies ist nun auch für die Beklagte nicht mehr fraglich. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es insoweit aber auch keiner Rechnungskorrektur.
Sie hat darüber hinaus, und das ist hier der zentrale Punkt des Rechtsstreits, auch einen Anspruch auch auf Vergütung der Gabe der ATK.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R -, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 11/09 R -, juris Rn. 7; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, juris Rn. 10). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen Urteil vom 30.01.2002 - L 4 KR 110/00 -, juris Rn. 22).
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Sowohl die Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung als auch die Verweildauer sowie der Umfang der von der Beklagten erbrachten Leistungen - einschließlich der Gabe von Thrombozytenkonzentraten - sind zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig.
Streitig ist ausschließlich die Frage, ob die Gabe der ATK im zugrundliegenden Behandlungsfall medizinisch notwendig war oder aber die kostengünstigere Verabreichung von PTK ausgereicht hätte.
Die Abrechnung vom 21.01.2016 ist zur Überzeugung des Gerichts auch in diesem Punkt zutreffend erfolgt, weil die Gabe der ATK medizinisch erforderlich war.
Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (vgl. BSG Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R -, juris). Bei unwirtschaftlicher Behandlung des Versicherten kann die Beklagte allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger, ausreichender und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG Urteil vom 10.03.2015 - B 1 KR 2/15 R -, juris).
Die Wirtschaftlichkeit einer Krankenbehandlung beurteilt sich bezogen auf das jeweilige nach § 27 SGB V zulässige Behandlungsziel nach ihrer Eignung, ihrem Ausreichen und ihrer Notwendigkeit aus allein medizinischen Gründen sowie bei mehreren gleich geeigneten, ausreichenden und notwendigen Behandlungen nach ihren Kosten für die Krankenkasse. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Gabe der ATK im streitigen Behandlungsfall nicht unwirtschaftlich.
Dass die Gabe von Thrombozytenkonzentraten erforderlich war, ist zwischen den Beteiligten zum einen unstreitig und zum anderen für das Gericht im Lichte der Schwere der Herzoperation der Patientin L überzeugend. Bei der durchgeführten Operation handelt es sich sogar um eine Herztransplantation, also den größten kardiologischen Eingriff überhaupt.
Dass dabei die Gabe von ATK statt PTK medizinisch erforderlich war, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus gleich zwei, jeweils für sich schon tragenden Gründen, nämlich dem Aspekt des Goldstandards und dem Aspekt des Infektionsschutzes.
Zum einen ist die Gleichwertigkeit der PTK gegenüber ATK nicht nachgewiesen und zum anderen besteht eine höhere Spenderexposition, die zum einen für den individuellen Patienten nach Möglichkeit zu vermeiden ist und die zum anderen auch noch die erzielten Erfolge der Transfusionsmedizin zur Meidung von Infektionen mittels erhöhten Aufwandes bei der Indikation der Gabe von Blutpräparaten im Rahmen des Patient-Blood-Managements generell statistisch wieder aufzehrt.
Seine Überzeugung hat das Gericht aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. I1 vom 20.01.2020 gewonnen.
Zunächst zeigt der Sachverständige auf, dass die PTK aus medizinischer Sicht bisher nicht zum Goldstandard der ATK aufgeschlossen haben. Dabei weist er insbesondere darauf hin, dass es bisher für die PTK an den im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich gepflogenen Nichtunterlegenheitsstudien fehlt. Diesen zunächst formalen Mangel untermauert er dann auch noch mit gewichtigen, tatsächlichen Argumenten dahin, dass eine Gleichwertigkeit der Funktionalität von ATK und PTK nicht ohne weiteres unterstellt werden kann. Und zum anderen weist er im Hinblick auf die Gewinnung der PTK aus dem Blut von vier bis sechs Spendern gegenüber nur einem Spender für die ATK auf die erhöhte Gefahr der Übertragung von unerkannten Infektionen hin. Insoweit handelt es sich um einen Aspekt, der zwar eher dem Themenbereich der Hygiene als der Funktionalität zuzuordnen ist, dadurch aber genauso beachtenswert ist.
Im Einzelnen legt der Sachverständige dar, dass seit 2012 keine Studien darüber vorhanden sind, dass ATK und PTK gleich geeignet wären. Andererseits zeigt er auf, dass auch keine gesicherten Erkenntnisse zu unterschiedlichen Nebenwirkungen in der Anwendung aus der Praxis vorliegen. Es sei auch kein höheres Infektionsrisiko durch derzeit bekannte Infektionserreger belegt. Diesen Ausgangspunkt legt der Sachverständige offen zu Tage.
Historisch zeigt der Sachverständige einführend zum besseren Verständnis auf, wie sich die Gabe von Thrombozyten im Rahmen der Leukämiebehandlung in den 1950er Jahren entwickelt hat. Erste Zellseparatoren für ATK seien in den 1970er Jahren eingesetzt worden. Die PTK seien technisch erst ab Mitte der 1980er Jahre wegen der Notwendigkeit steriler Verbindungen mehrerer Quellen herstellbar gewesen, wobei für die gleiche Menge an Thrombozyten dann Vollblutspenden von vier bis sechs Spendern eingesetzt werden müssen.
Sodann legt er in Beantwortung der Beweisfrage zum Goldstandard dar, dass die PTK nicht neben den ATK zum Goldstandard aufgestiegen seien. Es fehle dafür bisher an den dafür in der Medizinwissenschaft gepflogenen Nicht-Unterlegenheitsstudien. Vielmehr gebe es sogar eine einzelne Studie aus den USA, die jedenfalls für nach der dortigen PRP-Methode gewonnene PTK deren Unterlegenheit belege. Überhaupt gebe es zur Wirksamkeit von PTK nur eine Wirksamkeitsstudie aus Dänemark, während es zahlreiche Wirksamkeitsstudien zu ATK aus den USA gebe.
Sodann zeigt der Sachverständige im Hinblick auf die Entscheidung des BSG zum Verfahren B 1 KR 2/15 R auf, dass die dort gebildeten Fallgruppen, wann die Gabe von Apheresethrombozyten indiziert sei, im Sinne einer abschließenden Aufzählung aus medizinischer Sicht schlicht falsch sei (Anmerkung: aus juristischer Sicht war das BSG an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden). Richtig sei lediglich, dass eine ganz bestimmte Gruppe von Patienten ohnehin nur ATK bekommen dürfe, nämlich diejenigen Patienten die bereits spezifische Antigene gebildet hätten. Das bedeute aber nicht, dass dies die einzigen Anwendungsbereiche seien. Zielsetzung der Gabe von Thrombozyten und damit die Formulierung des Indikationsbereichs sei vielmehr, dass bei bestehender Blutung ein Mangel an funktionierenden Thrombozyten bestehe und die Blutung durch die Zuführung externer Thrombozyten gestillt werden solle. Dies sei so auch in der arzneimittelrechtlichen Zulassung der ATK- und PTK-Präparate nachzulesen.
In einem nächsten Abschnitt diskutiert der Sachverständige dann den Anwendungsbereich der PTK und legt dar, dass diese ihre Berechtigung schlicht und einfach als Ersatzprodukt hätten, weil es nicht genug ATK gebe. Bei Indikation einer Thrombozytengabe zwecks Stillung einer Blutung sei eine Gabe von PTK dem Unterlassen jeglicher Gabe eines Thrombozytenpräparates selbstverständlich überlegen.
Sodann zeigt der Sachverständige auf, dass sich ATK und PTK in ihrer Art der Herstellung gravierend unterscheiden, wobei die unterschiedlichen Produktionstechniken in ihren medizinischen Auswirkungen weitgehend unerforscht seien. Er erläutert, dass die ATK im Wege der Apherese im Prinzip ähnlich der Blutwäsche bei einem Dialysepatienten gleich am Spender gewonnen werden, wobei ihm das übrige Vollblut nach Abzweigung der Thrombozyten wieder zurückgegeben werden könne. Die Gewinnung erfolge dabei heutzutage mittels Einmalsets, die zugleich Strömungseffekte nutzen, durch bloßes langsames Zentrifugieren, ohne dass es einer speziellen Filtration zur Reduktion verbliebener Leukozyten bedürfe. Dabei werde ausgenutzt, dass die Erythrozyten, also die roten Blutkörperchen, deutlich schwerer seien. Die Leukozyten, also die weißen Blutkörperchen, würden sich wiederum strömungstechnisch anders verhalten und könnten so abgetrennt werden.
Die PTK würden hingegen aus Vollblutkonserven gewonnen, indem das Vollblut durch hohe Zentrifugationskräfte zunächst in die drei Teilmengen Erythrozyten, den Buffycoat und das Plasma aufgespalten werde. Mit langsamer Zentrifugalkraft werde dann aus der Zwischenstufe des mittleren Gemisches, dem sogenannten Buffycoat, welcher aus dem Grenzbereich zwischen den konzentrierten Erythrozyten und dem Plasmaüberstand bestehe, das Thrombozytenkonzentrat gewonnen. Dazu müssten mindestens vier Einheiten von Buffy-Coats steril zusammengeschweisst und diese vier Buffycoats gepoolt werden. Anschließend müssten aus dem Poolgemisch dann mit niedriger Zentrifugalkraft die PTK gewonnen werden. Diese müssten dann noch über einen Filter laufen, um die restlichen Leukozyten abzutrennen. Die PTK sind neben der leichten Zentrifugalkraft, wie sie bei der Gewinnung der ATK genutzt wird, also im ersten Schritt zusätzlich einer hohen Zentrifugalkraft ausgesetzt. Zudem muss das Endprodukt PTK auch noch zusätzlich über einen Filter laufen.
Weil die unterschiedlichen Produktionstechniken in ihren Auswirkungen weitgehend unbekannt seien, könnten die Produkte nicht als gleichwertig gelten. Was die Frage anbelangt, ob laut einiger Studien ATK mehr nicht infektiöse Nebenwirkungen herbeiführten als PTK zeigt der Sachverständige sodann auf, dass dies nicht eine Frage der ATK- oder PTK-Gewinnung sei, sondern darauf beruhe, dass bei PTK häufiger das Plasma durch eine additive Lösung substituiert werde. Sodann zeigt er auf, dass diese Substitution teils ihre Berechtigung habe, andererseits aber auch Schwächen habe. Auch hier seien die PTK nicht überlegen. Es gebe insoweit keine klare Studienlage. Und die Studien bezögen sich ohnehin auf hämatologische und onkologische Fälle und nicht auf die operierenden Fächer wie etwa die Kardiologie oder die Behandlung von Traumata, also schweren unfallbedingten Verletzungen. Im Hinblick auf Infektionsgefahren seien dann aber die ATK aufgrund der geringeren Spenderexposition überlegen.
Hinsichtlich der Infektionsgefahr erläutert der Sachverständige, dass die Thrombozytenpräparate bei 22 Grad Celsius (plus/minus 2 Grad) gelagert werden müssen, also gleichsam ungekühlt bei Zimmertemperatur. Sie sind ohnehin nur wenige Tage haltbar. Dies erschwert die Möglichkeit umfassender Testungen, weshalb man sich in der Praxis damit behilft, nur besonders zuverlässige Spender zur Thrombozytenspende zuzulassen.
Die Unterschiede zwischen ATK und PTK bestünden dabei nicht im Bereich der bakteriellen Infektionen, aber im Bereich der Virusinfektionen oder bisher unbekannt infektiöser Agentien. Wie konkret dieses Risiko ist, zeigt er anhand von Beispielen aus der medizinisch jüngeren Vergangenheit der letzten vierzig Jahre auf. So seien weder die HIV-Infektionen in den 1980er Jahren, noch die Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen durch einen BSE-Erreger in den 90er Jahre, noch das Risiko von Prioneninfektionen noch das Westnil-Virus im Sommer 1999 in Nordamerika vorhergesehen worden. Insbesondere HIV-Infektionen seien in den 80er Jahren zahlreich auch durch Bluttransfusionen erfolgt. Das Westnil-Virus sei in Nordamerika ebenfalls teilweise durch Bluttransfusionen weitergereicht worden. Und die Gefahr der Weitergabe von Creutzfeld-Jakob-Infektionen werde in der medizinischen Wissenschaft auch heute noch so hoch eingeschätzt, dass Personen die von 1980 bis 1996 mehr als sechs Monate in Großbritannien gelebt haben, generell von der Blutspende ausgeschlossen sind. Auch werde ein erheblicher Aufwand im Rahmen des Patient-Blood-Management mit kritischerer Indikationsstellung betrieben, um die Risiken der Transfusionsmedizin einzugrenzen. Dabei zeigt er auf, dass die statistisch erzielten Erfolge des Patient-Blood-Management durch eine höhere Spenderexposition durch die ausschließliche Verwendung von PTK statt ATK bei allen nicht-immunisierten Patienten statistisch komplett aufgezehrt würden.
Das Gutachten des Sachverständigen ist schlüssig und überzeugend, es lässt keine Fehler oder Widersprüche erkennen, es hat sich umfassend mit dem Stand der Wissenschaft auseinandergesetzt und die komplexe medizinische Problematik für Nichtmediziner gut nachvollziehbar aufbereitet.
Das Gutachten spricht zur Überzeugung der Kammer dafür, dass der behandelnde Arzt und Operateur vor Ort die Entscheidung, ob ATK oder PTK einzusetzen sind, unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls als Ausdruck seiner Therapieverantwortung treffen muss, wobei der gegenwärtige Goldstandard der ATK grundsätzlich zu beachten ist. Vorstellbar sind dabei beispielsweise Aspekte wie die Verfügbarkeit der ATK, die Dringlichkeit der Operation, die Frage, ob im Einzelfall die Substitution des Serums durch eine additive Lösung einen Vorteil bringen könnte oder ob ein ganz junges PTK-Konzentrat besser als ein etwas älteres ATK-Konzentrat sein könnte. Und auch der konkrete Zustand des Patienten einschließlich der Frage einer ggfs. erforderlichen Immunsuppression anlässlich der Operation, insbesondere bei einer Transplantation, dürfte in die medizinische Abwägung des Arztes beispielhaft einzustellen sein.
Für verbindliche Vorgaben aus Kostengründen an den behandelnden Arzt und Operateur fehlt es insoweit derzeit an klaren Erkenntnissen, wann die PTK hinsichtlich der gewünschten Wirkung und hinsichtlich der unerwünschten Nebenwirkung der Gabe von Spenderthrombozyten insbesondere im Bereich unbekannter viraler Infektionen gleichwertig sind. Derzeit sind die ATK der unwiderlegte Goldstandard. Der Anwendungsbereich der ATK darf nicht nur auf die Personengruppe, bei der ohnehin schon eine Alloimmunisierung gegen HLA und/oder plättchenspezifische Antigene vorliegt, beschränkt werden.
Dies lässt sich jenseits der Medizin rechtlich auch nicht aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Verfahren B 1 KR 2/15 R herleiten. Dort hat das BSG lediglich festgestellt, dass bei dieser oben genannten speziellen Personengruppe aufgrund der Unverträglichkeit, die nochmals anhand der Art der Unverträglichkeit in Untergruppen aufgegliedert ist, auf jeden Fall die Gabe von ATK statt PTK notwendig ist, ohne im Umkehrschluss die Gabe in anderen Fallgruppen zu verneinen. Das BSG als Revisionsinstanz war ohnehin an die Feststellung der Tatsacheninstanz gebunden. Eine Zurückverweisung, um das medizinische Thema umfassend über den streitgegenständlichen Aspekt hinaus aufzuarbeiten, ist rechtlich nicht vorgesehen. Auch das Bundessozialgericht erstattet insoweit keine antezipierten Rechtsgutachten für ein ganzes Themenfeld. Es entscheidet den konkreten Einzelfall, woraus dann Rückschlüsse für gleichgelagerte Fälle zu ziehen sind. Hier lag jedoch kein gleichgelagerter Fall vor, so dass das Gericht nicht von der Entscheidung des Bundessozialgerichts abweicht. Es war vielmehr eine Entscheidung zu der noch nicht beantworteten, neuen Rechtsfrage zu finden.
Für die Darstellung der einzelnen Rechnungsposten anhand des DRG-Systems wird auf die zutreffende Rechnungslegung der Klägerin in der Rechnung vom 21.01.2016 Bezug genommen.
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug gemäß § 15 Abs.1 des nordrhein-westfälischen Landesvertrags in Verbindung mit § 112 Abs.2 Nr.1 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um Zusatzentgelte für die Verabreichung von Blutprodukten, insbesondere die anteilige Vergütung der Gabe von Apherese-Thrombozyten-Konzentraten (ATK) im Rahmen einer Herztransplantation.
Die Klägerin betreibt das I- und E NRW in C P als zugelassenes Krankenhaus im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die bei der Beklagten Versicherte H L, geboren am 00.00.1952, befand sich vom 25.11.2015 bis 19.01.2016 in stationärer Behandlung im Herzzentrum der Beklagten. Für die Krankenhausbehandlung mit Herztransplantation wurde mit Datum vom 21.01.2016 ein Betrag von 108.315,22 Euro in Rechnung. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Rechnung vom 21.01.2016, die in Kopie zur Gerichtsakte gereicht wurde, Bezug genommen.
Die Beklagte zahlte zunächst nicht, sondern legte die Rechnung dem MdK vor. Der MDK gelangte mit Gutachten vom 30.09.2016 zu dem Ergebnis, dass keine Indikation für die Gabe von ATK belegt sei. Es sei die Gabe von kostengünstigeren Pool-Thrombozyten-Konzentrate (PTK) abzurechnen. Die Zusatzentgelte nach 147.04 und 93.06 hätten nicht abgerechnet werden dürfen, stattdessen sei das Zusatzentgelt 146.03 abzurechnen gewesen.
Die Beklagte leistete den Rechnungsbetrag gekürzt um die drei Zusatzentgelte für alle verabreichten Blutprodukte (Immunglobulin, Erythrozyten und Thrombozyten), was eine Kürzung von 5011,95 Euro darstellt.
Mit der nun erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Restzahlung
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5011,95 Euro nebst 2% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung weist die Beklagte darauf hin, dass die Gabe von ATK nicht erforderlich gewesen sei. Die Gabe der günstigeren PTK wäre ausreichend gewesen. Soweit die weiteren Zusatzentgelte nicht geleistet worden seien, stehe es der Klägerin frei, eine korrigierte Rechnung vorzulegen. Dann könnten weitere 3208,45 Euro übernommen werden. Ein Betrag von 1803,50 Euro würde dann streitig bleiben.
Das Gericht hat das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. I1, Leiter des Zentrums für Transfusionsmedizin und Hämostaseologie am Uniklinikum F, vom 20.01.2020 aus dem Verfahren S 24 KR 1249/18 zur Frage der gleichen Eignung von PTK zu ATK in das hiesige Verfahren als Urkunde eingeführt.
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte des Verwaltungsverfahrens.
Entscheidungsgründe:
Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen weiteren Zahlungsanspruch in Höhe der Klageforderung aus dem Behandlungsfall der Patientin L. Denn die Rechnungsstellung der Klägerin erfolgte zutreffend. Sie hatte auch einen Anspruch auf die streitigen Zusatzentgelte in der abgerechneten Form. Einer Korrektur der Rechnung bedurfte es weder bezüglich der Immunglobulin- und der Erythrozytengabe einerseits noch bezüglich der ATK-Gabe andererseits.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die abgerechneten Zusatzentgelte für die Gabe der Immunglobuli und der Erythrozyten. Dies ist nun auch für die Beklagte nicht mehr fraglich. Entgegen der Auffassung der Beklagten bedarf es insoweit aber auch keiner Rechnungskorrektur.
Sie hat darüber hinaus, und das ist hier der zentrale Punkt des Rechtsstreits, auch einen Anspruch auch auf Vergütung der Gabe der ATK.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R -, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 11/09 R -, juris Rn. 7; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, juris Rn. 10). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen Urteil vom 30.01.2002 - L 4 KR 110/00 -, juris Rn. 22).
Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
Sowohl die Erforderlichkeit der stationären Krankenhausbehandlung als auch die Verweildauer sowie der Umfang der von der Beklagten erbrachten Leistungen - einschließlich der Gabe von Thrombozytenkonzentraten - sind zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig.
Streitig ist ausschließlich die Frage, ob die Gabe der ATK im zugrundliegenden Behandlungsfall medizinisch notwendig war oder aber die kostengünstigere Verabreichung von PTK ausgereicht hätte.
Die Abrechnung vom 21.01.2016 ist zur Überzeugung des Gerichts auch in diesem Punkt zutreffend erfolgt, weil die Gabe der ATK medizinisch erforderlich war.
Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (vgl. BSG Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R -, juris). Bei unwirtschaftlicher Behandlung des Versicherten kann die Beklagte allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger, ausreichender und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG Urteil vom 10.03.2015 - B 1 KR 2/15 R -, juris).
Die Wirtschaftlichkeit einer Krankenbehandlung beurteilt sich bezogen auf das jeweilige nach § 27 SGB V zulässige Behandlungsziel nach ihrer Eignung, ihrem Ausreichen und ihrer Notwendigkeit aus allein medizinischen Gründen sowie bei mehreren gleich geeigneten, ausreichenden und notwendigen Behandlungen nach ihren Kosten für die Krankenkasse. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Gabe der ATK im streitigen Behandlungsfall nicht unwirtschaftlich.
Dass die Gabe von Thrombozytenkonzentraten erforderlich war, ist zwischen den Beteiligten zum einen unstreitig und zum anderen für das Gericht im Lichte der Schwere der Herzoperation der Patientin L überzeugend. Bei der durchgeführten Operation handelt es sich sogar um eine Herztransplantation, also den größten kardiologischen Eingriff überhaupt.
Dass dabei die Gabe von ATK statt PTK medizinisch erforderlich war, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus gleich zwei, jeweils für sich schon tragenden Gründen, nämlich dem Aspekt des Goldstandards und dem Aspekt des Infektionsschutzes.
Zum einen ist die Gleichwertigkeit der PTK gegenüber ATK nicht nachgewiesen und zum anderen besteht eine höhere Spenderexposition, die zum einen für den individuellen Patienten nach Möglichkeit zu vermeiden ist und die zum anderen auch noch die erzielten Erfolge der Transfusionsmedizin zur Meidung von Infektionen mittels erhöhten Aufwandes bei der Indikation der Gabe von Blutpräparaten im Rahmen des Patient-Blood-Managements generell statistisch wieder aufzehrt.
Seine Überzeugung hat das Gericht aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. I1 vom 20.01.2020 gewonnen.
Zunächst zeigt der Sachverständige auf, dass die PTK aus medizinischer Sicht bisher nicht zum Goldstandard der ATK aufgeschlossen haben. Dabei weist er insbesondere darauf hin, dass es bisher für die PTK an den im medizinisch-wissenschaftlichen Bereich gepflogenen Nichtunterlegenheitsstudien fehlt. Diesen zunächst formalen Mangel untermauert er dann auch noch mit gewichtigen, tatsächlichen Argumenten dahin, dass eine Gleichwertigkeit der Funktionalität von ATK und PTK nicht ohne weiteres unterstellt werden kann. Und zum anderen weist er im Hinblick auf die Gewinnung der PTK aus dem Blut von vier bis sechs Spendern gegenüber nur einem Spender für die ATK auf die erhöhte Gefahr der Übertragung von unerkannten Infektionen hin. Insoweit handelt es sich um einen Aspekt, der zwar eher dem Themenbereich der Hygiene als der Funktionalität zuzuordnen ist, dadurch aber genauso beachtenswert ist.
Im Einzelnen legt der Sachverständige dar, dass seit 2012 keine Studien darüber vorhanden sind, dass ATK und PTK gleich geeignet wären. Andererseits zeigt er auf, dass auch keine gesicherten Erkenntnisse zu unterschiedlichen Nebenwirkungen in der Anwendung aus der Praxis vorliegen. Es sei auch kein höheres Infektionsrisiko durch derzeit bekannte Infektionserreger belegt. Diesen Ausgangspunkt legt der Sachverständige offen zu Tage.
Historisch zeigt der Sachverständige einführend zum besseren Verständnis auf, wie sich die Gabe von Thrombozyten im Rahmen der Leukämiebehandlung in den 1950er Jahren entwickelt hat. Erste Zellseparatoren für ATK seien in den 1970er Jahren eingesetzt worden. Die PTK seien technisch erst ab Mitte der 1980er Jahre wegen der Notwendigkeit steriler Verbindungen mehrerer Quellen herstellbar gewesen, wobei für die gleiche Menge an Thrombozyten dann Vollblutspenden von vier bis sechs Spendern eingesetzt werden müssen.
Sodann legt er in Beantwortung der Beweisfrage zum Goldstandard dar, dass die PTK nicht neben den ATK zum Goldstandard aufgestiegen seien. Es fehle dafür bisher an den dafür in der Medizinwissenschaft gepflogenen Nicht-Unterlegenheitsstudien. Vielmehr gebe es sogar eine einzelne Studie aus den USA, die jedenfalls für nach der dortigen PRP-Methode gewonnene PTK deren Unterlegenheit belege. Überhaupt gebe es zur Wirksamkeit von PTK nur eine Wirksamkeitsstudie aus Dänemark, während es zahlreiche Wirksamkeitsstudien zu ATK aus den USA gebe.
Sodann zeigt der Sachverständige im Hinblick auf die Entscheidung des BSG zum Verfahren B 1 KR 2/15 R auf, dass die dort gebildeten Fallgruppen, wann die Gabe von Apheresethrombozyten indiziert sei, im Sinne einer abschließenden Aufzählung aus medizinischer Sicht schlicht falsch sei (Anmerkung: aus juristischer Sicht war das BSG an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden). Richtig sei lediglich, dass eine ganz bestimmte Gruppe von Patienten ohnehin nur ATK bekommen dürfe, nämlich diejenigen Patienten die bereits spezifische Antigene gebildet hätten. Das bedeute aber nicht, dass dies die einzigen Anwendungsbereiche seien. Zielsetzung der Gabe von Thrombozyten und damit die Formulierung des Indikationsbereichs sei vielmehr, dass bei bestehender Blutung ein Mangel an funktionierenden Thrombozyten bestehe und die Blutung durch die Zuführung externer Thrombozyten gestillt werden solle. Dies sei so auch in der arzneimittelrechtlichen Zulassung der ATK- und PTK-Präparate nachzulesen.
In einem nächsten Abschnitt diskutiert der Sachverständige dann den Anwendungsbereich der PTK und legt dar, dass diese ihre Berechtigung schlicht und einfach als Ersatzprodukt hätten, weil es nicht genug ATK gebe. Bei Indikation einer Thrombozytengabe zwecks Stillung einer Blutung sei eine Gabe von PTK dem Unterlassen jeglicher Gabe eines Thrombozytenpräparates selbstverständlich überlegen.
Sodann zeigt der Sachverständige auf, dass sich ATK und PTK in ihrer Art der Herstellung gravierend unterscheiden, wobei die unterschiedlichen Produktionstechniken in ihren medizinischen Auswirkungen weitgehend unerforscht seien. Er erläutert, dass die ATK im Wege der Apherese im Prinzip ähnlich der Blutwäsche bei einem Dialysepatienten gleich am Spender gewonnen werden, wobei ihm das übrige Vollblut nach Abzweigung der Thrombozyten wieder zurückgegeben werden könne. Die Gewinnung erfolge dabei heutzutage mittels Einmalsets, die zugleich Strömungseffekte nutzen, durch bloßes langsames Zentrifugieren, ohne dass es einer speziellen Filtration zur Reduktion verbliebener Leukozyten bedürfe. Dabei werde ausgenutzt, dass die Erythrozyten, also die roten Blutkörperchen, deutlich schwerer seien. Die Leukozyten, also die weißen Blutkörperchen, würden sich wiederum strömungstechnisch anders verhalten und könnten so abgetrennt werden.
Die PTK würden hingegen aus Vollblutkonserven gewonnen, indem das Vollblut durch hohe Zentrifugationskräfte zunächst in die drei Teilmengen Erythrozyten, den Buffycoat und das Plasma aufgespalten werde. Mit langsamer Zentrifugalkraft werde dann aus der Zwischenstufe des mittleren Gemisches, dem sogenannten Buffycoat, welcher aus dem Grenzbereich zwischen den konzentrierten Erythrozyten und dem Plasmaüberstand bestehe, das Thrombozytenkonzentrat gewonnen. Dazu müssten mindestens vier Einheiten von Buffy-Coats steril zusammengeschweisst und diese vier Buffycoats gepoolt werden. Anschließend müssten aus dem Poolgemisch dann mit niedriger Zentrifugalkraft die PTK gewonnen werden. Diese müssten dann noch über einen Filter laufen, um die restlichen Leukozyten abzutrennen. Die PTK sind neben der leichten Zentrifugalkraft, wie sie bei der Gewinnung der ATK genutzt wird, also im ersten Schritt zusätzlich einer hohen Zentrifugalkraft ausgesetzt. Zudem muss das Endprodukt PTK auch noch zusätzlich über einen Filter laufen.
Weil die unterschiedlichen Produktionstechniken in ihren Auswirkungen weitgehend unbekannt seien, könnten die Produkte nicht als gleichwertig gelten. Was die Frage anbelangt, ob laut einiger Studien ATK mehr nicht infektiöse Nebenwirkungen herbeiführten als PTK zeigt der Sachverständige sodann auf, dass dies nicht eine Frage der ATK- oder PTK-Gewinnung sei, sondern darauf beruhe, dass bei PTK häufiger das Plasma durch eine additive Lösung substituiert werde. Sodann zeigt er auf, dass diese Substitution teils ihre Berechtigung habe, andererseits aber auch Schwächen habe. Auch hier seien die PTK nicht überlegen. Es gebe insoweit keine klare Studienlage. Und die Studien bezögen sich ohnehin auf hämatologische und onkologische Fälle und nicht auf die operierenden Fächer wie etwa die Kardiologie oder die Behandlung von Traumata, also schweren unfallbedingten Verletzungen. Im Hinblick auf Infektionsgefahren seien dann aber die ATK aufgrund der geringeren Spenderexposition überlegen.
Hinsichtlich der Infektionsgefahr erläutert der Sachverständige, dass die Thrombozytenpräparate bei 22 Grad Celsius (plus/minus 2 Grad) gelagert werden müssen, also gleichsam ungekühlt bei Zimmertemperatur. Sie sind ohnehin nur wenige Tage haltbar. Dies erschwert die Möglichkeit umfassender Testungen, weshalb man sich in der Praxis damit behilft, nur besonders zuverlässige Spender zur Thrombozytenspende zuzulassen.
Die Unterschiede zwischen ATK und PTK bestünden dabei nicht im Bereich der bakteriellen Infektionen, aber im Bereich der Virusinfektionen oder bisher unbekannt infektiöser Agentien. Wie konkret dieses Risiko ist, zeigt er anhand von Beispielen aus der medizinisch jüngeren Vergangenheit der letzten vierzig Jahre auf. So seien weder die HIV-Infektionen in den 1980er Jahren, noch die Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen durch einen BSE-Erreger in den 90er Jahre, noch das Risiko von Prioneninfektionen noch das Westnil-Virus im Sommer 1999 in Nordamerika vorhergesehen worden. Insbesondere HIV-Infektionen seien in den 80er Jahren zahlreich auch durch Bluttransfusionen erfolgt. Das Westnil-Virus sei in Nordamerika ebenfalls teilweise durch Bluttransfusionen weitergereicht worden. Und die Gefahr der Weitergabe von Creutzfeld-Jakob-Infektionen werde in der medizinischen Wissenschaft auch heute noch so hoch eingeschätzt, dass Personen die von 1980 bis 1996 mehr als sechs Monate in Großbritannien gelebt haben, generell von der Blutspende ausgeschlossen sind. Auch werde ein erheblicher Aufwand im Rahmen des Patient-Blood-Management mit kritischerer Indikationsstellung betrieben, um die Risiken der Transfusionsmedizin einzugrenzen. Dabei zeigt er auf, dass die statistisch erzielten Erfolge des Patient-Blood-Management durch eine höhere Spenderexposition durch die ausschließliche Verwendung von PTK statt ATK bei allen nicht-immunisierten Patienten statistisch komplett aufgezehrt würden.
Das Gutachten des Sachverständigen ist schlüssig und überzeugend, es lässt keine Fehler oder Widersprüche erkennen, es hat sich umfassend mit dem Stand der Wissenschaft auseinandergesetzt und die komplexe medizinische Problematik für Nichtmediziner gut nachvollziehbar aufbereitet.
Das Gutachten spricht zur Überzeugung der Kammer dafür, dass der behandelnde Arzt und Operateur vor Ort die Entscheidung, ob ATK oder PTK einzusetzen sind, unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls als Ausdruck seiner Therapieverantwortung treffen muss, wobei der gegenwärtige Goldstandard der ATK grundsätzlich zu beachten ist. Vorstellbar sind dabei beispielsweise Aspekte wie die Verfügbarkeit der ATK, die Dringlichkeit der Operation, die Frage, ob im Einzelfall die Substitution des Serums durch eine additive Lösung einen Vorteil bringen könnte oder ob ein ganz junges PTK-Konzentrat besser als ein etwas älteres ATK-Konzentrat sein könnte. Und auch der konkrete Zustand des Patienten einschließlich der Frage einer ggfs. erforderlichen Immunsuppression anlässlich der Operation, insbesondere bei einer Transplantation, dürfte in die medizinische Abwägung des Arztes beispielhaft einzustellen sein.
Für verbindliche Vorgaben aus Kostengründen an den behandelnden Arzt und Operateur fehlt es insoweit derzeit an klaren Erkenntnissen, wann die PTK hinsichtlich der gewünschten Wirkung und hinsichtlich der unerwünschten Nebenwirkung der Gabe von Spenderthrombozyten insbesondere im Bereich unbekannter viraler Infektionen gleichwertig sind. Derzeit sind die ATK der unwiderlegte Goldstandard. Der Anwendungsbereich der ATK darf nicht nur auf die Personengruppe, bei der ohnehin schon eine Alloimmunisierung gegen HLA und/oder plättchenspezifische Antigene vorliegt, beschränkt werden.
Dies lässt sich jenseits der Medizin rechtlich auch nicht aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Verfahren B 1 KR 2/15 R herleiten. Dort hat das BSG lediglich festgestellt, dass bei dieser oben genannten speziellen Personengruppe aufgrund der Unverträglichkeit, die nochmals anhand der Art der Unverträglichkeit in Untergruppen aufgegliedert ist, auf jeden Fall die Gabe von ATK statt PTK notwendig ist, ohne im Umkehrschluss die Gabe in anderen Fallgruppen zu verneinen. Das BSG als Revisionsinstanz war ohnehin an die Feststellung der Tatsacheninstanz gebunden. Eine Zurückverweisung, um das medizinische Thema umfassend über den streitgegenständlichen Aspekt hinaus aufzuarbeiten, ist rechtlich nicht vorgesehen. Auch das Bundessozialgericht erstattet insoweit keine antezipierten Rechtsgutachten für ein ganzes Themenfeld. Es entscheidet den konkreten Einzelfall, woraus dann Rückschlüsse für gleichgelagerte Fälle zu ziehen sind. Hier lag jedoch kein gleichgelagerter Fall vor, so dass das Gericht nicht von der Entscheidung des Bundessozialgerichts abweicht. Es war vielmehr eine Entscheidung zu der noch nicht beantworteten, neuen Rechtsfrage zu finden.
Für die Darstellung der einzelnen Rechnungsposten anhand des DRG-Systems wird auf die zutreffende Rechnungslegung der Klägerin in der Rechnung vom 21.01.2016 Bezug genommen.
Der Zinsanspruch folgt aus Verzug gemäß § 15 Abs.1 des nordrhein-westfälischen Landesvertrags in Verbindung mit § 112 Abs.2 Nr.1 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
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