S 11 AY 39/20

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AY 39/20
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG in der Fassung vom 15.08.2019 kann verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass Anspruchsberechtigte tatsächlich mit zumindest einer Person zusammen wirtschaften.
I. Der Bescheid vom 05.09.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 07.11.2019 und 19.12.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2020 wird bis auf den Monat November 2019 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen nach § 2 Asylbewerber- leistungsgesetz in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren. II. Die Beklagte hat dem Kläger 3/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) i. V. m. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) für die Monate September, Oktober und Dezember 2019.

Der 1997 geborene Kläger reiste am 06.05.2017 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Kläger beantragte Asyl. Das Asyl-Verfahren war zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht abgeschlossen. Der Kläger war alleinstehend und in einer Gemeinschaftsunterkunft im Zuständigkeitsbereich der Beklagten untergebracht.

Seit Mai 2019 bezog er gemäß Bescheid vom 08.05.2019 sogenannte Analogleistung nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe der Regelbedarfsstufe (RBS) 1 von der Beklagten.

Mit Bescheid vom 06.06.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger weiterhin Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe der RBS 1 für den Zeitraum Juli bis Dezember 2019 in Höhe von monatlich 364,65 EUR sowie die Abteilungen 4 und 5 in Form von Sachleistungen.

Aufgrund einer Gesetzesänderung hob die Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2019 den Bescheid vom 06.06.2019 für den Zeitraum September bis Dezember 2019 auf und bewilligte dem Kläger nunmehr Leistungen in Höhe der RBS 2 in Höhe von 322,65 EUR. Die Abteilungen 4 und 5 wurden weiterhin als Sachleistungen gewährt. Der Kläger erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit ab Oktober 2019. Der Kläger erhielt im Oktober 589,85 EUR brutto und 468,65 EUR netto. Im November 2019 erhielt der Kläger 1.368,28 EUR netto. Im Dezember 2019 erzielte der Kläger 680,59 EUR brutto und 508,27 EUR netto. Aufgrund des Einkommens änderte die Beklagte mit den Bescheiden vom 07.11.2019 und 19.12.2019 den Bescheid vom 05.09.2019 ab und gewährte dem Kläger für Oktober 2019 51,96 EUR und für Dezember 2019 58,56 EUR. Für November 2019 wurden keine Leistungen bewilligt.

Der Kläger erhob mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02.10.2019 Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.09.2019. Es müssten Leistungen nach der RBS 1 bewilligt werden.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 08.01.2020 als unbegründet zurückgewiesen. Ausweislich der Gesetzesbegründung könne von Bewohnern von Gemeinschaftsunterkünften ein Zusammenwirtschaften erwartet werden.

Mit Schreiben vom 30.01.2020 hat sich der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, an das Sozialgericht Landshut gewandt. Das Schreiben ist am 05.02.2020 eingegangen.

Die neue Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG sei evident verfassungswidrig, da sie das durch Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletze und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Zur Ermittlung des Anspruchsumfangs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen. Eine Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter Personengruppen bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums dürfe nur unter engen Voraussetzungen erfolgen. Eine Differenzierung sei nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweiche und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden könne. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfordere eine Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht würden. Der Grundrechtsschutz erstrecke sich auch deshalb auf das Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums, weil eine Ergebniskontrolle am Maßstab dieses Grundrechts nur begrenzt möglich sei. Hinsichtlich des spezifischen Bedarfs von Leistungsberechtigten gem. § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG habe der Gesetzgeber keinerlei Ermittlungen angestellt. Der Gesetzgeber begnüge sich vielmehr damit zu behaupten, es sei davon auszugehen, dass eine Gemeinschaftsunterbringung für die Bewohner solcher Unterkünfte Einspareffekte zur Folge habe, die denen in Paarhaushalten im Ergebnis vergleichbar seien. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass ein Zusammenwirtschaften über die bloße Teilung von unterkunftsbezogenen Leistungen hinaus von den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, die in Sammelunterkünften untergebracht seien, erwartet werden könne. Die Leistungsberechtigten befänden sich im Asylverfahren ungeachtet ihrer Herkunft in derselben Lebenssituation und bildeten der Sache nach eine Schicksalsgemeinschaft. Der Grund für die Leistungsreduzierung sollten eine behauptete "Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung" und sich daraus ergebende Synergie- und Einspareffekte sein. Tatsächlich profitierten Personen, die gemeinsam untergebracht sind, nicht von Einspareffekten, die mit denen von Paarhaushalten vergleichbar seien, weil sie nicht gemeinsam wirtschafteten. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur eheähnlichen Lebensgemeinschaften über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf. Gemeinschaftsräumen hinaus. Ein gemeinsames Wirtschaften, das dem von Partnern gleicht, finde in Flüchtlingsunterkünften nicht statt; entsprechende Möglichkeiten, Unterstützung von anderen Leistungsberechtigten einzufordern, seien nicht gegeben. Der Gesetzgeber dürfe Leistungsberechtigte nicht auf Einsparmöglichkeiten verweisen, die diese nicht realisieren könnten. Auch der Deutsche Caritasverband bezweifele auf Grundlage seiner langjährigen Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit, dass sich bei dieser Unterbringungsform für die Bewohner(innen) Einspareffekte ergäben. Ein in Gemeinschaftsunterkünften einhergehendes Einsparpotenzial sei empirisch nicht (hinreichend) belegt und auch nicht plausibel. Die Annahme, dass bei Fremden, deren einzige Verbindung es ist, in der Anonymität von Massenunterkünften leben zu müssen, durch eine vermeintliche "Schicksalsgemeinschaft" eine Solidarisierung erfolge, aus der sich für die Bewohner(innen) finanzielle Synergieeffekte ergäben, werde der Realität in Flüchtlingsunterkünften nicht gerecht.

Voraussetzung für ein gemeinsames Wirtschaften sei vielmehr ein gefestigtes gegenseitiges Vertrauen. Ob sich dies zwischen Fremden unter diesen Rahmenbedingungen entwickeln könne, sei zweifelhaft. Allein die Fluktuation in Flüchtlingsunterkünften verhindere üblicherweise den Aufbau eines solchen Näheverhältnisses. Dass Bewohner(innen) regelmäßig aus unterschiedlichen Herkunftsregionen und Kulturen stammten, woraus sich Verständigungsschwierigkeiten und zum Teil sogar Konflikte ergeben könnten, stehe als weiterer Faktor einem gemeinsamen Wirtschaften entgegen. Hinzu komme, dass sich laut Gesetzesbegründung die zu erwartenden Einspareffekte auch dadurch ergeben sollen, dass "Wohnraum gemeinsam genutzt wird, im Haushalt vorhandene Gebrauchsgüter gemeinsam angeschafft und genutzt werden". Leistungen dafür seien aber schon in der Bedarfsstufe 1 nicht enthalten, da sie gesondert erbracht würden. Daher könnten sich hier keine Einspareffekte für die Betroffenen ergeben. Auch mit Blick auf den notwendigen persönlichen Bedarf verbiete sich die vorgesehene Leistungsminderung. Aufgrund des Bezuges von Sachleistungen sei dieser Betrag oftmals die einzige Möglichkeit, selbstbestimmt über einen Teil des eigenen Lebens zu entscheiden und Autonomie zu erleben. Eine signifikante Abweichung des Bedarfs sei nicht belegt. Die Begründung der neuen Regelbedarfsstufe dürfe wohl eher in den finanziellen Auswirkungen des Gesetzes zu finden sein. Ausgehend von einem Bedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 1, die der Gesetzgeber für Alleinstehende ermittelt habe, seien Leistungen in Höhe von nur 90 Prozent dieses existenzsichernden Umfangs evident unzureichend.

Es erscheine ausgeschlossen, dass nicht verwandte Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft regelmäßig und ohne Berücksichtigung des Einzelfalles die genannten drei Kriterien erfüllten.

Es sei auch zu berücksichtigen, dass Mitbewohner einer Gemeinschaftsunterkunft individuelle Bedarfe haben könnten. Es sei unklar, welche Leistungen die anderen Mitbewohner einer Gemeinschaftsunterkunft bezögen.

Außerdem ergebe sich ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG auch daraus, dass der Kläger trotz evidenter Unterschiede im Bedarf nur Leistungen in gleicher Höhe wie Ehegatten erhielten.

Jedenfalls sei § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG auf den Kläger nicht anwendbar, da er bereits vor dem 21.08.2019 Anspruch auf Leistungen gern. § 2 AsylbLG gehabt habe. Nach § 15 AsylbLG sei für Leistungsberechtigte, auf die bis zum 21.08.2019 gemäß § 2 Absatz 1 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch entsprechend anzuwenden war, § 2 AsylbLG in der Fassung der Bekanntmachung vom 05. August 1997, das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 geändert worden sei, weiter anzuwenden.

Nachdem der Kläger zunächst Analogleistungen für den Zeitraum September bis Dezember 2019 mit seiner Klage geltend gemacht hat, hat er den Antrag auf die Monate September, Oktober und Dezember 2019 reduziert, nachdem er im November 2019 über bedarfsdeckendes Einkommen verfügte.

Der Kläger beantragt zuletzt, den Bescheid vom 05.09.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 07.11.2019 und 19.12.2019 bis auf den Monat November 2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Jedenfalls die Leistungsbehörde sei nicht befugt, eine bestehende Norm nicht anzuwenden. Eine Normverwerfungskompetenz habe die Behörde nicht. Dem Gesetzgeber stehe ein gewisser Gestaltungsspielraum zu. Bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft bestünden Synergie- und Einspareffekte. Neben Einspareffekten bei haushaltsbezogenen Aufwendungen und der Möglichkeit der gemeinsamen Nutzung bei den Bedarfen Freizeit, Unterhaltung und Kultur könne bei in Sammelunterkünften untergebrachten Bewohnern auch davon ausgegangen werden, dass beim notwendigen Bedarf an Nahrung ein Einsparpotenzial vorhanden sei, etwa in dem Lebensmittel oder zumindest Küchengrundbedarf in größeren Mengen gemeinsam eingekauft und auch anschließend gemeinsam genutzt werden könnten. Die Übergangsregelung des § 15 AsylbLG beziehe sich lediglich auf den Zeitraum von 15 auf 18 Monate.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die Akte des Gerichts und insbesondere auf das Sitzungsprotokoll sowie die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Sie ist auch begründet.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 05.09.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 07.11.2019 und 19.12.2019 soweit er die Monate September, Oktober und Dezember 2019 regelt. Der genannte Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger ist zutreffend im Wege der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG vorgegangen. Die Änderungsbescheide vom 07.11.2019 und 19.12.2019 wurden nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens, nachdem diese den ursprünglich angefochtenen Bescheid abänderten.

2. Der Kläger hat in den streitgegenständlichen Monaten Anspruch auf Gewährung sog. Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Gem. § 2 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3, 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten anzuwenden, die sich seit 15 bzw. 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Der Begriff des Rechtsmissbrauchs beinhaltet eine objektive (den Missbrauchstatbestand) und eine subjektive Komponente (das Verschulden). In objektiver Hinsicht setzt der Rechtsmissbrauch ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer soll danach von sog. Analogleistungen ausgeschlossen sein, wenn die von § 2 AsylbLG vorgesehene Vergünstigung andernfalls auf gesetzwidrige oder sittenwidrige Weise erworben wäre. Der Ausländer darf sich also nicht auf einen Umstand berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat (BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R -, BSGE 101, 49-70, SozR 4-3520 § 2 Nr 2, Rn. 32). Der gemeinte Umstand ist die Dauer des Aufenthaltes von 15/18 Monaten. Dem Kläger war vor und zum streitgegenständlichen Zeitraum keine Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vorzuwerfen. Im September 2019 hatte sich der Kläger schon mehr als 27 Monate in Deutschland aufgehalten. Er hat somit den Aufenthalt der ersten 15 bzw. 18 Monate nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst.

3. Der Kläger hat Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung der Bedarfe der RBS 1. Auf den Vortrag des Klägers wird Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen: a. § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG ist verfassungskonform auszulegen. Eine Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), insbesondere mit den prozeduralen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG), kann durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG in der Fassung vom 15.8.2019 angenommen werden. Die Anwendung der Bedarfsstufe 2 setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Gemeinschaftsunterkunft untergebrachten Person voraus. Insoweit bedarf es der Prüfung im Einzelfall, ob eine "tatsächliche und nachweisbare finanzielle Beteiligung an der (gemeinsamen) Haushaltsführung" vorliegt (vgl. BT-Drs. 18/9984, S. 84 zu § 8 (Regelbedarfsstufen)), also ob der Leistungsberechtigte mit anderen zusammenlebt und wirtschaftet (z.B. gemeinsame Einkäufe und Essenszubereitung) und hierdurch geringere Bedarfe etwa an Lebensmitteln, aber auch an Freizeit, Unterhaltung und Kultur bestehen. Zweifel gehen zulasten des Leistungsträgers nach dem AsylbLG (Träger der objektiven Beweislast) (Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 3a AsylbLG (Stand: 29.09.2020), Rn. 44 m. w. N.).

b. Ohne die Heranziehung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals wäre § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG verfassungswidrig. Nach dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 BVerfG (- 1 BvL 10/10 -, BVerfGE 132, 134-179) sind für die Höhe der Leistungen alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf zu bemessen. Leistungsunterschiede zwischen den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG und Leistungsberechtigten nach dem SGB II und XII sind nur gerechtfertigt, wenn und soweit unterschiedliche Bedarfssituationen der beiden Gruppen festgestellt und begründet worden sind. Die Bedarfssituation der Leistungsberechtigten ist sowohl für die Bedarfsbemessung als auch für die Bedarfsgewährung maßgeblich. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch gemeinsames Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt. Da aufgrund des Zusammenlebens anzunehmen ist, dass beide Partner "aus einem Topf" wirtschaften, ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für Partner einen gleich hohen Bedarf in Ansatz bringt. Eine gleichmäßige Aufteilung des geminderten gemeinschaftlichen Bedarfs trägt jedenfalls, anders als das früher im Sozialhilferecht praktizierte Haushaltsvorstandsprinzip, Art. 3 Abs. 2 GG Rechnung (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 -, BVerfGE 125, 175-260, Rn. 154, bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 -, BVerfGE 137, 34-103, Rn. 100).

Die Regelbedarfsstufe 2 übernimmt laut der Gesetzesbegründung nur bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung des § 8 RBEG die bisherige Regelung für Paare, nach der beide Erwachsene jeweils 90 % des Eckregelsatzes erhalten; Paare sind neben Ehepaaren und Partnern auch eheähnliche und lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften (Gutzler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 8 RBEG 1. Überarbeitung, Rn. 15). Dieses Einsparpotenzial entstehe dadurch, dass Partner in Paarhaushalten Wohnraum gemeinsam nutzen und daher die Kosten des Wohnens pro Partner deutlich günstiger seien, als in Einpersonenhaushalten. Bedeutsam für die Höhe der Regelbedarfsstufe sei es, dass verschiedene im Haushalt vorhandene Gebrauchsgüter gemeinsam angeschafft und genutzt sowie Verbrauchsgüter gemeinsam gekauft würden. Vor diesem Hintergrund sei es angemessen, für in einer gemeinsamen Wohnung lebende Partner weiterhin die Regelbedarfsstufe 2 mit einem Betrag anzusetzen, der einem Anteil von 90 Prozent der Regelbedarfsstufe entspreche. Dies werde umgesetzt durch die in Absatz 1 Nummer 2 für die Regelbedarfsstufe 2 vorgesehene Regelung für Ehegatten, Lebenspartner sowie in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebende Partner. Aufgrund des partnerschaftlichen Zusammenlebens sei in der allgemeinen Betrachtung zu unterstellen, dass diese Paarhaushalte die haushaltsbezogenen Verbrauchsausgaben gemeinsam tragen (BT-Drucksache 18/9984, 85f). Der Gesetzgeber hat keine eigene Erhebung der Verbrauchsausgaben von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG durchgeführt. Ein besonderes Verbrauchsverhalten von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, das von dem in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde gelegten abweicht, sei "nicht qualifiziert ermittel- und abschätzbar" bzw. "nicht plausibel zu belegen" (Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S. 21ff). Es gab demnach eine gesetzgeberische Entscheidung dahingehend, den Bedarf von Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG analog den Bedarfen von Leistungsberichtigen nach dem SGB XII bzw. SGB II zu berechnen. Diese Entscheidung ist in der Ausführung der gesetzlichen Vorgaben anzuerkennen. Deutlich wird, dass die Absenkung der Regelbedarfe auf 90 % im Vergleich zu Alleinstehenden nach den Ermittlungen des Gesetzgebers das Zusammenleben, Partnerschaft und Wirtschaften aus einem Topf voraussetzt. Es erscheint ausgeschlossen, dass nicht verwandte Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft regelmäßig und ohne Berücksichtigung des Einzelfalles die genannten drei Kriterien erfüllen. Die Zusammensetzung und die Höhe des notwendigen persönlichen Bedarfs und somit des Bargeldbedarfs bestimmt sich im AsylbLG wie im SGB II und SGB XII auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2013 (EVS 2013). Dort hat der Gesetzgeber zunächst definiert, was zum soziokulturellen Existenzminimum gehören soll und hat sodann durch ein Statistikmodell ermittelt, welche Ausgaben Haushalte für diese relevanten Verbrauchsausgaben hatten. Nach dem Statistikmodell wurden die Regelbedarfe auf der Grundlage von empirisch ermittelten Verbrauchsausgaben und den Entscheidungen des Gesetzgebers über deren Relevanz für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die einzelnen zu betrachtenden Haushaltskonstellationen ermittelt. Dabei wurde vom Gesetzgeber normativ festgelegt, dass sich die Regelbedarfe am Konsumniveau anderer Haushalte mit niedrigem Konsumniveau orientieren sollen. Die ermittelten Verbrauchsausgaben der Referenzhaushalte für einzelne Güter und Dienste, die vom Gesetzgeber als regelbedarfsrelevant definiert wurden, ergeben jeweils als Gesamtsumme die für die Gewährleistung des Existenzminimums erforderlichen Verbrauchsausgaben. Diese Summe stellt den monatlichen Zahlbetrag dar. Über die konkrete Verwendung dieses monatlichen Betrages entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, welche Verbrauchsausgaben für die Regelbedarfsermittlung berücksichtigt werden, soll die individuelle Entscheidung über die Verwendung des monatlichen Budgets nicht vorweggenommen werden. Mit der Ermittlung von Regelbedarfen wurde folglich nicht entschieden, wofür und in welchem Umfang Leistungsberechtigte den Auszahlungsbetrag verwenden. Allein die Höhe des Budgets wird bei der Ermittlung von Regelbedarfen nach dem Statistikmodell ermittelt. Die Logik des Statistikmodells liege gerade darin, dass in der Realität nicht exakt die für die einzelnen regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben berücksichtigten Beträge anfallen, sondern die tatsächlichen Verbrauchsausgaben im Einzelfall davon abweichen können. Entscheidend sei allein, dass der Gesamtbetrag des Budgets für die Bestreitung von Verbrauchsausgaben ausreicht, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten. Dabei müssen sich zwangsläufig Mehrausgaben im Vergleich zu den eingerechneten Durchschnittsausgaben durch Minderausgaben an anderer Stelle ausgleichen. Die individuelle Zusammensetzung der Verbrauchsausgaben ist aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen und wegen der unausweichlichen Notwendigkeit von Prioritätensetzungen von Monat zu Monat unterschiedlich (zu alledem Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S. 21ff; Gesetzentwurf, Drucksache 17/3404 vom 26.10.2010 S. 51). Der Gesetzgeber geht folglich davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob die einzelnen zugrunde gelegten Positionen konkret ausreichend sind, um den jeweiligen Bedarf zu decken, sondern ob der Gesamtbetrag insgesamt zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums ausreicht. Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass nicht jede Person in jedem Monat alle einzelnen berücksichtigten Verbrauchsausgaben hat. Es ist daher auch zu beachten, dass Mitbewohner der Gemeinschaftsunterkunft des Antragstellers individuelle Bedarfe haben könnten, die diese eigenverantwortlich mit den erhaltenen Geldmitteln decken wollen und dürfen. Hinzu kommt, dass unklar ist, welche Leistungen die anderen Mitbewohner der Gemeinschaftsunterkunft des Antragstellers tatsächlich beziehen. Es liegt nahe, dass einige noch abgesenkten Grundleistungen Anspruchseinschränkungen nach § 1 a AsylbLG hinnehmen müssen. Zusätzlich ist offen, ob Mitbewohner lediglich Anspruch auf Leistungen § 3 AsylbLG oder nach den Regelbedarfsstufen 3 - 6 haben oder zusätzlich Sachleistungen oder Einkommen beziehen. Ohne die Anordnung stünden dem Antragsteller gegebenenfalls weniger als die ihm nach Art. 1 und 2 GG zustehenden existenzsichernden Leistungen zur Verfügung. Es fehlen empirische Erhebungen, die nachweisen, dass sich alleine aus dem Zusammenleben in der Sammelunterkunft ein gemeinsames Wirtschaften ergibt, das die bei Paarhaushalten nachgewiesenen Einspar- und Synergieeffekte produziert (vgl. SG C-Stadt, Beschluss vom 24. Oktober 2019 - S 11 AY 64/19 ER -; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. Juni 2020 - L 9 AY 22/19 B ER -; SG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 03. Dezember 2019 - S 9 AY 4605/19 ER -; SG Hannover, Beschluss vom 20. Dezember 2019 - S 53 AY 107/19 -; Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. März 2020 - L 8 AY 4/20 B ER -; SG Frankfurt a. M., Beschluss vom 14.01.2020 - S 30 AY 26/19 ER -; SG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 20. Januar 2020 - S 7 AY 5235/19 ER -; SG Mu&776;nchen, Beschluss vom 10. Februar 2020 - S 42 AY 82/19 ER -; SG Berlin, Beschluss vom 19. Mai 2020 - S 90 AY 57/20 ER -). Es mag plausibel sein, dass "in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige" in einem solchen "Na&776;heverha&776;ltnis" zueinanderstehen, dass sie grundsätzlich "aus einem Topf" wirtschaften (vgl. BVerfGE 75, 382 (394); 87, 234 (256); BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 -, BVerfGE 142, 353-388, Rn. 53). Ohne ein solches Näheverhältnis ist ein generelles gemeinsames Wirtschaften nicht hinreichend plausibel. Davon geht auch die Bundesregierung aus: Nach der Begründung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuchs ist zwar bei Erwachsenen, die nicht allein leben, aufgrund des Zusammenlebens mit anderen ein Minderbedarf zu vermuten. Ihnen wird jedoch trotzdem der Regelbedarf für Alleinlebende zugeordnet, "weil der Minderbedarf nicht für alle denkbaren Fallkonstellationen hinreichend fundiert quantifiziert werden kann". Eine Ausnahme hiervon bildeten Paare, bei denen das Zusammenleben von gemeinsamem Wirtschaften geprägt sei, weshalb eine Haushaltsersparnis auch in der allgemeinen Betrachtung zu unterstellen sei (BT-Drs. 18/9984). Auch bei einem Zusammenleben in Sammelunterku&776;nften kann ein genereller Minderbedarf nicht hinreichend fundiert quantifiziert werden. Ein mit Paaren vergleichbares Na&776;heverha&776;ltnis ist nicht grundsätzlich gegeben. Anders als zusammenlebende Personen in einer Paarbeziehung oder volljährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben Leistungsberechtigte, die in einer Sammelunterkunft leben, sich nicht freiwillig dazu entschieden, mit anderen Personen zusammenzuleben. Die Leistungsberechtigten werden durch die zuständige Behörde einer bestimmten Sammelunterkunft und ggf. innerhalb der Sammelunterkunft (durch den Betreiber) einer konkreten Wohneinheit zugewiesen. Die Zuweisung steht im Ermessen der Behörde bzw. des Betreibers. Bestenfalls erfolgt sie nach Herkunftsländern oder -regionen, ein Anspruch hierauf besteht jedoch nicht. Es steht nicht fest und ist eher unwahrscheinlich, dass Personen, die seitens der zuständigen Behörde bzw. des Betreibers einer Sammelunterkunft verpflichtet werden, bestimmte Räumlichkeiten gemeinsam zu nutzen, grundsätzlich ein Na&776;heverha&776;ltnis entwickeln, das ein gemeinsames Wirtschaften "aus einem Topf" ermöglicht (Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. März 2020 - L 8 AY 4/20 B ER -; SG München, Beschluss vom 10. Februar 2020 - S 42 AY 82/19 ER -). Ein solches Na&776;heverha&776;ltnis ergibt sich nicht bereits daraus, dass die Betroffenen "sich im Asylverfahren ungeachtet ihrer Herkunft in derselben Lebenssituation" befinden und "der Sache nach eine Schicksalsgemeinschaft" bilden, wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird (BT-Drs. 19/10052, S. 24). Unzutreffend ist die generelle Annahme, dass sich die in Sammelunterku&776;nften lebenden Personen in derselben Lebenssituation befinden (vgl. SG Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 2020 - S 30 AY 26/19 ER -; SG Hannover, Beschluss vom 20. Dezember 2019 - S 53 AY 107/19 -; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. Juni 2020 - L 9 AY 22/19 B ER -). In Gemeinschaftsunterkünften leben Personen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus, unterschiedlicher Bleibeperspektive (abhängig u.a. von individueller Verfolgungsgeschichte, Herkunftsland, Ausbildung etc.) und unterschiedlicher sozialrechtlicher Situation (z.B. Empfänger von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG, Grundleistungen nach § 3 AsylbLG oder Betroffene von Leistungseinschränkungen nach § 1a AsylbLG). Es ist nicht ersichtlich, weshalb Fremde, die sich zufällig in einer Unterkunft befinden, stets gemeinsam wirtschaften sollten (vgl. SG Hannover, Beschluss vom 20. Dezember 2019 - S 53 AY 107/19 -; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. Juni 2020 - L 9 AY 22/19 B ER -). Die Anwendung der Regelbedarfsstufe 2 kann auch nicht lediglich damit begründet werden, dass es Leistungsberechtigten "möglich und zumutbar" ist, die "dargestellten Einspareffekte zu erzielen" und "ein Zusammenwirtschaften" von ihnen "erwartet" werde. Diese vom Gesetzgeber angenommene "Obliegenheit, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um miteinander in der Sammelunterkunft auszukommen" berücksichtigt jedenfalls nicht die konkrete Bedarfsdeckung. Nicht die Möglichkeit der Bedarfsdeckung, sondern die tatsächliche Deckung des Bedarfs kann bei Personen, die in einer Sammelunterkunft untergebracht sind, nicht im Wege einer wertenden Entscheidung unberücksichtigt bleiben. Dass die Unterbringung in einer Sammelunterkunft anders als etwa bei gewöhnlichen Wohngemeinschaften nicht freiwillig erfolgt, spricht eher dagegen, von den Betroffenen generell zu erwarten, gemeinsam zu wirtschaften. Die alleine mit einer Obliegenheit zum gemeinsamen Wirtschaften einhergehende Nichtanerkennung des individuellen Bedarfs ist darüber hinaus auch deshalb nicht tragfähig zu begründen, weil es der einzelnen Person nicht möglich ist, die Obliegenheit von sich aus zu erfüllen. Er ist vielmehr auf die Mitwirkung der anderen in der Sammelunterkunft lebenden Menschen angewiesen, um die Einspareffekte tatsächlich zu erzielen, ohne einen Rechtsanspruch auf eine solche Mitwirkung gegen sie zu haben. Auch insofern besteht ein Unterschied zu Personen, die in einer Paarbeziehung leben. Denn diese haben jedenfalls die Möglichkeit, die Gemeinschaft zu verlassen und dadurch die Anwendbarkeit der RBS 1 herbeizuführen. Diese Möglichkeit haben Leistungsberechtigte, die zwangsweise in einer Sammelunterkunft untergebracht sind, nicht. c. § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG in der Fassung vom 15.8.2019 kann verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass Anspruchsberechtigte tatsächlich mit zumindest einer Person zusammen wirtschaften. Aus der grundsätzlichen Vermutung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ergibt sich das Gebot, ein Gesetz im Zweifel verfassungskonform auszulegen. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es, dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen soweit wie möglich Rechnung zu tragen. Sind unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischer Auslegung und Normzweck unterschiedliche Deutungen einer einfachrechtlichen Vorschrift möglich, von denen eine als verfassungswidrig zu verwerfen wäre, zumindest eine hingegen zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so kommt es nicht in Betracht, die Vorschrift für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären.

Grenzen der verfassungskonformen Auslegung ergeben sich aus den anerkannten Auslegungsmethoden. Ein Normverständnis, das im Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers steht, kann auch im Wege der verfassungskonformen Auslegung nicht begründet werden (BVerfGE 130, 372 (397 ff.); vgl. auch BVerfGE 83, 201 (214 f.); 86, 288 (320); 122, 39 (60 f.)). Eine verfassungskonforme Auslegung scheidet auch aus, wenn der Vorschrift ein vom Gesetzgeber gewollter und hinreichend bestimmter Regelungsgehalt nicht zu entnehmen ist (vgl. BVerfGE 107, 104 (128)).

Nach diesen Grundsätzen ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG möglich und geboten. Die Vorschrift ist daher so zu verstehen, dass ein Zusammenwirtschaften tatsächlich erfolgt.

Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG steht einer solchen Auslegung nicht entgegen, da die Vorschrift keine entgegenstehende Regelung enthält und auf das SGB XII verweist. Entstehungsgeschichte und Normzweck des § 2 AsylbLG lassen einen entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen nicht erkennen. Insbesondere die Gesetzesbegründung verweist mehrfach explizit auf das tatsächliche gemeinsame Wirtschaften (BT-Drs. 19/10052, S. 23ff). Das Ziel der Norm ist es gerade, etwaige finanzielle Vorteile von zusammenlebenden Personen einzubeziehen. Dieses Ziel wird durch die hier vorgenommene Auslegung erfüllt. Die vorgenommene verfassungskonforme Auslegung hilft unbillige Härten für den Fall zu vermeiden, wenn Betroffene tatsächlich keine wirtschaftlichen Vorteile durch das Zusammenleben erlangen. Es verbleiben auch hinreichende Anwendungsfälle für die Regelung.

4. Nachdem der Kläger mit keiner anderen Person wirtschaftete, hat er Anspruch auf Leistungen unter Berücksichtigung der Bedarfe nach der RBS 1.

a. Der Kläger bestreitet, mit einer anderen Person gewirtschaftet zu haben. Die Beklagte behauptet auch kein tatsächliches Zusammenwirtschaften. Sie hat, ausgehend von Ihrer Auffassung, dass es darauf nicht ankommt, auch nicht ermittelt, ob der Kläger tatsächlich mit einer anderen Person gewirtschaftet hat. Das Sozialgericht war aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG nicht verpflichtet, die von der Beklagten unterlassene Ermittlung des konkreten Zusammenwirtschaftens nachzuholen.

Die Gerichte sind grundsätzlich verpflichtet, den angefochtenen Verwaltungsakt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Die Beklagte kann grundsätzlich auch im Laufe des Gerichtsverfahrens neue Tatsachen und Rechtsgründe "nachschieben". Hinsichtlich eines solchen Nachschiebens von Gründen gibt es jedoch bei belastenden Verwaltungsakten, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, Einschränkungen, wenn die Verwaltungsakte dadurch in ihrem Wesen verändert werden und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann. Da die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts mit einer völlig neuen tatsächlichen Begründung dem Erlass eines neuen Verwaltungsakts gleichkommt, würde das Gericht andernfalls entgegen dem Grundsatz der Gewaltentrennung selbst aktiv in das Verwaltungsgeschehen eingreifen. Eine solche Änderung des "Wesens" eines Verwaltungsakts, das in Anlehnung an den Streitgegenstand eines Gerichtsverfahrens bestimmt werden kann, ist unter anderem angenommen worden, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird oder wenn auf eine andere Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden soll, die einem anderen Zweck dient. Neben dieser Entwicklung der Rechtsprechung hat der Gesetzgeber einerseits in § 41 Abs. 2 SGB X die Heilungsmöglichkeiten für Verfahrens- und Formfehler der Behörde bei Erlass eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens erleichtert und andererseits die Möglichkeit der Zurückverweisung vom Gericht an die Behörde eingeführt, wenn diese Ermittlungen unterlässt (§ 131 Abs. 5 SGG), sowie dem Gericht das Recht eingeräumt, der Behörde die Kosten einer von ihr unterlassenen und vom Gericht nachgeholten Ermittlung aufzuerlegen (§ 192 Abs. 4 SGG). Hierdurch sind die Heilungs- und Nachbesserungsmöglichkeiten der Behörde in formeller Hinsicht erweitert worden, während sie auf der anderen Seite ihre Ermittlungsarbeit nicht auf die Gerichte verlagern soll, weil diese für die materielle Entscheidung von zentraler Bedeutung ist und deren Kern und damit das Wesen des erlassenden Verwaltungsakts bestimmt. Ausgehend von diesen Konkretisierungen des Gesetzgebers und der zuvor dargestellten Rechtsprechung ist in reinen Anfechtungssachen das Nachschieben eines Grundes durch die Behörde regelmäßig unzulässig, wenn dieser umfassende Ermittlungen seitens des Gerichts erfordert, die Behörde ihrerseits insofern keine Ermittlungen angestellt hat und der Verwaltungsakt hierdurch einen anderen Wesenskern erhält, weil dann der angefochtene Verwaltungsakt - bei einem entsprechenden Ergebnis der Ermittlungen - mit einer wesentlich anderen Begründung bestand hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R -, Rn. 22ff m. w. N.).

Eine erstmalige Ermittlung des Zusammenwirtschaftens mit einem Mitbewohner wäre nicht nur eine Ergänzung des Sachverhalts, sondern um die umfassende Prüfung der weiteren Voraussetzung für den angefochtenen Bescheid, die die Beklagte bisher nicht beabsichtigt hatte und deren Prüfung und Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie von ihr durchzuführen war. Außerdem wären hierdurch die Verteidigungsmöglichkeiten des Klägers erheblich erschwert worden. Im Rahmen einer Anfechtungsklage der vorliegenden Art ist es Aufgabe des Gerichts, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, nicht aber, die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erst zu schaffen. b. Das Gericht verpflichtet die Beklagte dem Grunde nach, dem Kläger höhere Leistungen zu erbringen, weil es im Ermessen der Beklagten steht, in welcher Form die Leistungen erbracht werden (§ 2 Abs. 2 AsylbLG). Die Beklagte ist somit in der Lage, den jeweiligen mtl. Anspruch des Klägers unter Berücksichtigung der RBS 1 und des Einkommens des Klägers zu prüfen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die teilweise Klagerücknahme für den Monat November 2019.

Die Berufung war zuzulassen.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie vorliegend - 750,00 EUR nicht übersteigt. Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtssache hat grundsätzlicher Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz 13. Auflage 2020, § 144 Rn. 28). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 9). Zur Frage der Anwendbarkeit von § 2 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 AsylbLG in der Fassung vom 15.8.2019 hat weder das Bayerische Landessozialgericht noch das Bundessozialgericht bisher entschieden. Nachdem viele Personen in Gemeinschaftsunterkünften betroffen sind, besteht ein Klärungsbedürfnis, das über das Individualinteresse des Klägers hinausgeht.

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Rechtsmittelbelehrung:

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht C-Stadt, C-Straße, C-Stadt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht C-Stadt in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
Aus
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