S 9 P 1/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 P 1/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 P 24/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 22/20 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Erstattung der Kosten für die Verhinderungspflege in den Jahren 2009 und 2010.

Der Kläger ist der Sohn des 2011 verstorbenen C. A. C. A. erhielt seit dem 01.03.2009 Pflegegeld nach Pflegestufe I. Der Kläger wohnte nicht mit seinem Vater in häuslicher Gemeinschaft und hat das Erbe seines Vaters ausgeschlagen. Mit Schreiben vom 16.12.2012 beantragte der Kläger die Erstattung der Verhinderungspflegeleistungen aus den Jahren 2009/2010. Beigefügt waren ausgefüllte Vordrucke für die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege für 2009 und 2010 sowie Quittungen für die Verhinderungspflege vom 06.12.2010 und 30.12.2009. Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2013 ab, da ein Antrag auf Kostenerstattung nach dem Tode nur von einem Erbberechtigen zu stellen sei und der Kläger das Erbe ausgeschlagen habe.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 20.01.2013 Widerspruch und machte geltend, sein Vater habe ihm die Forderungen der Verhinderungspflegekosten für das Jahr 2009/2010 abgetreten und legte Abtretungserklärung vom 30.06.2011 vor. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2013 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte u. a. aus, nach § 59 Sozialgesetzbuch SGB I würden Ansprüche auf Dienst- oder Sachleistungen mit dem Tode des Berechtigten erlöschen. Ansprüche auf Geldleistungen würden nur erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt seien noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig sei. Beim Tod des Versicherten müsse der Anspruch auf fällige Geldleistungen bereits festgestellt und auch fällig oder ein Verwaltungsverfahren über ihn anhängig sein. Bis zum Tag des Ablebens von Herrn C. A. habe der Pflegekasse kein Antrag auf Erstattung von Kosten für die in Anspruch genommene Verhinderungspflege für die Jahre 2009 und 2010 vorgelegen. Es sei auch kein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen.

Mit der am 03.01.2014 beim Sozialgericht Gießen eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege für die Jahre 2009 und 2010. Der Kläger macht geltend, er habe rechtzeitig zu Lebzeiten seines Vaters einen Antrag auf Verhinderungspflege für die Jahre 2009 und 2010 gestellt und die Anträge bei der AOK Hamburg angefordert und am 17. oder 19.08.2011 persönlich bei der AOK, Hauptgeschäftsstelle in Wuppertal, zur Weiterleitung nach Hamburg abgegeben. Zur Begründung hat der Kläger noch drei Kopien der Anträge auf Verhinderungspflege für 2009 und 2010 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 08.01.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Verhinderungspflege für die Zeit vom 23.10.2010 bis 31.10.2010 sowie vom 15.11.2010 bis 03.12.2010 sowie vom 02.12.2009 bis 23.12.2009 und vom 27.12.2009 bis 30.12.2009 in Höhe von 2.980,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den Widerspruchsbescheid und macht geltend, dass die Anträge auf Verhinderungspflege bei ihr nie eingereicht worden seien.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin D. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27.04.2016 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Parteien, wird auf die Gerichts- und die Beklagtenakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege für die Jahre 2009 und 2010.

Gemäß § 39 Abs. 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege für längstens sechs Wochen je Kalenderjahr, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist. Fällige Ansprüche auf Geldleistungen stehen beim Tode des Berechtigten nacheinander dem Ehegatten, den Kindern, den Eltern zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit des Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Der Kläger hat mit seinem Vater nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt.

Soweit fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht nach § 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches vererbt. Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen erlöschen mit dem Tode des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Bei den Ansprüchen auf Übernahme der Verhinderungspflegekosten handelt es sich um einen Kostenerstattungsanspruch (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Kommentar, Rn. 16 zu § 39 SGB XI). Der Kostenerstattungsanspruch ist auf eine Geldleistung gerichtet.

Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Verhinderungspflege ist erloschen. Zum Zeitpunkt des Todes war der Anspruch nicht festgestellt. Es konnte auch kein Nachweis dafür geführt werden, dass zum Zeitpunkt des Todes ein Verwaltungsverfahren bei der Beklagten zwecks Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege anhängig gewesen ist. Bei der Beklagten sind keine Anträge zur Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege eingegangen. Der Kläger kann nicht nachweisen, dass er tatsächlich am 17. oder 19.08.2011 die Anträge bei der Beklagten abgegeben hat. Zwar steht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum mit der Zeugin Frau D. in der Geschäftsstelle der Beklagten in Wuppertal gewesen ist und dort einen Umschlag abgegeben hat. Die Zeugin D. hat zwar bestätigt, dass sie dem Kläger die Unterlagen für die Verhinderungspflege übergeben hat. Ob diese Unterlagen tatsächlich in dem abgegebenen Umschlag waren, lässt sich aber nicht nachweisen, da die Zeugin D. hierzu keine konkreten Aussagen machen konnte. In der Beklagtenakte befindet sich mit Datum vom 19.08.2011 ein Antrag auf Kurzzeitpflege für die Zeit ab 27.08.2011, so dass nicht auszuschließen ist, dass sich in dem abgegebenen Umschlag der Antrag auf Kurzzeitpflege befunden hat.

Auch das Schreiben des Klägers vom 16.12.2012 ist nicht geeignet, den Nachweis für die Antragstellung auf Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege zu führen. Zwar steht unter Betrifft "Bereits beantragte Verhinderungspflegeleistungen", im Folgenden führt der Kläger aber aus, dass er bisher aufgrund privater Auslastung nicht dazu gekommen sei, die Unterlagen für die geleistete Verhinderungspflege zukommen zu lassen. Dann wird detailliert dargelegt, an welchen Tagen die Verhinderungspflege für 2009 und 2010 erforderlich war. Außerdem sind Kopien des Antrags auf Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege für die Zeiträume 2009 und 2010 beigefügt, die vom Kläger unterschrieben sind aber keine Datumsangabe enthalten. Die Originalquittungen über die geleistete Verhinderungspflege wurden mit eingereicht. Die im Termin am 04.02.2015 vorgelegten Kopien der Anträge auf Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege, ebenfalls für die Zeiträume 2010 und 2009, sind anders ausgefüllt, mit dem Datum 15.08.2011 versehen, der Vorname ist ausgeschrieben und im Gegensatz zu den Anträgen auf Verhinderungspflege in der Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Vermerk versehen "Quittung wird nachgereicht, ist leider verlegt". Die Antragsformulare sind unterschiedlich ausgefüllt und es handelt sich nicht um Kopien der Antragsformulare, die der Kläger in der Geschäftsstelle der Beklagten abgegeben haben will, so dass unklar ist, welche Anträge tatsächlich bei der Beklagten abgegeben wurden. Auch die Tatsache, dass der Kläger erst im Dezember 2012 die Kosten der Verhinderungspflege geltend machte und die Quittungen vorlegte und zwischenzeitlich sich nicht nach dem Verbleib der von ihm gestellten Anträge auf Erstattung der Kosten der Verhinderungspflege erkundigte, spricht gegen eine Antragstellung im August 2011. Der Anspruch auf Kostenerstattung der verauslagten Kosten der Verhinderungspflege ist damit erloschen.

Der Kläger ist auch nicht Erbe, da er die Erbschaft ausgeschlagen hat.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus abgetretenem Recht.

Gemäß § 53 Abs. 2 SGB I können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen und verpfändet werden 1. zur Erfüllung oder zur Sicherung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Darlehen und auf Erstattung von Aufwendungen, die im Vorgriff auf fällig gewordene Sozialleistungen zu einer angemessenen Lebensführung gegeben oder gemacht worden sind oder 2. wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt.

Der verstorbene Vater des Klägers hat dem Kläger in der Abtretungserklärung sämtliche Forderungen (Verhinderungspflege aus 2009/2010/2011), ca. 4.500,00 EUR bis jetzt, abgetreten. Die Abtretung genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis. Eine Abtretung genügt nur dann dem Bestimmtheitserfordernis, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (vgl. BSGE 70, 186, 192). Anders als nach den Vorschriften des BGB tritt der Abtretungsempfänger nicht in die gesamte Rechtsstellung des Abtretenden aus dem Sozialrechtsverhältnis ein, sondern dem Abtretungsempfänger wird wegen des besonderen Schutzbedürfnis des Sozialleistungsberechtigten aus dem Gesamtkomplex der das Sozialrechtsverhältnis prägenden Rechtsbeziehungen nur ein auf die Auszahlung begrenzter Anspruch übertragen, ohne dass sich der Inhalt des zugrunde liegenden Rechts verändert (BSG, Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 6/11 R). Dies hat zur Folge, dass nur eine bezifferte Geldforderung abgetreten werden kann und kein noch nicht festgestellter Kostenerstattungsanspruch (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts, Urteil vom 03.04.2014, Az. B 2 U 21/12 R). Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an.

Aus den vorgenannten Gründen konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 SGG.
Rechtskraft
Aus
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