S 12 KA 290/19

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 290/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Aus der Neufassung der Prüfzeiten zum Quartal II/20 folgt nicht, dass die zuvor geltenden Prüfzeiten fehlerhaft festgesetzt wurden und damit nichtig sind (vgl. bereits SG Marburg, Gerichtsb. v. 21.08.202 - S 12 KA 1/18 – juris).
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 534.215,63 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung für die sieben Quartale IV/15 bis II/17 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung in Höhe von 534.215,63 EUR.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit 2002 zugelassen. Sie nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Sie beschäftigt seit Oktober 2015 Frau Dr. C., ebf. Fachärztin für Allgemeinmedizin, als angestellte Ärztin.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.01.2013 im Rahmen einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung der Praxis der Klägerin für die vier Quartale I bis IV/10 eine Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 41.505,88 EUR netto fest. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (SG Marburg, Gerichtsb. v. 14.05.2014 S 12 KA 601/13 - juris). Die Beklagte setzte mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Bescheid vom 20.02.2014 für die acht Quartale I/11 bis IV/12 eine Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 163.115,07 EUR netto fest.

In den Quartalen Quartale IV/15 bis II/17 setzte die Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar der Klägerin wie folgt fest:

Quartal IV/15 I/16 II/16 III/16
Honorarbescheid v. 03.04.2016 05.07.2016 31.10.2016 03.01.2017
Nettohonorar gesamt in EUR 191.236 217.245,58 208.980,19 203.923,68
Bruttohonorar PK+EK in EUR 192.744,93 217.482,39 211.205,50 205.586,36
Fallzahl PK+EK 2.160 2.307 2.106 2.155

Quartal IV/16 I/17 II/17
Honorarbescheid v. 05.04.2017 16.05.2019 16.08.2018
Nettohonorar gesamt in EUR 217.177,53 230.628,89 243.708,04
Bruttohonorar PK+EK in EUR 220.115,39 233.163,20 247.329,64
Fallzahl PK+EK 2.321 2.399 2.230

Die Beklagte führte für die Quartale IV/15 bis IV/17 eine weitere Plausibilitätsprüfung durch und übersandte der Klägerin unter Datum vom 20.11.2018 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für diese Quartale unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile für die Quartale IV/15 bis II/17.

Die Klägerin trug vor, eine Implausibilität der Abrechnungen sei nicht gegeben. Sie habe sämtliche abgerechneten Leistungen vollständig und de lege artis erbracht. Es sei übersehen worden, dass sie seit 2015 einen weiteren KV-Sitz erworben habe und Frau C. als angestellte Praxisassistenz beschäftige. Eine Überschreitung bezüglich der Gesprächsleistung nach Nr. 03230 EBM liege nicht vor. Während die Prüfgruppe pro 100 Behandlungsfälle diese Gesprächsleistung im Quartal IV/15 55 Mal abgerechnet habe, habe sie die Leistung 106 Mal pro 100 Behandlungsfälle abgerechnet, insgesamt 2.289 Mal. Die Prüfgruppe rechne die Leistung 1.188 Mal je Arzt ab. Bei zwei KV-Sitzen wäre also die doppelte Zahl (2 x 1.188 = 2.376) anzusetzen. Damit liege keine Überschreitung der Prüfgruppe vor. Bei ihrer Praxis handle es sich um eine überdurchschnittlich große Praxis. Sie betreue eine große Zahl minderjähriger Patienten. Sie führe alle U-Untersuchungen sowie Präventionsuntersuchungen bei Kindern (Nr. 01713 bis 01720) durch. Insbesondere behandle sie auch zahlreiche Kinder mit Sprachstörungen und Entwicklungsstörungen (Nr. 03350 und 03351), oft auch mit problemorientierten Störungen, angeborenen Krankheiten, Kinder in der Pubertät und mit neurotischen Störungen. Aufgrund der Vielzahl der behandelten Fälle würde das Quartalsprofil bereits dann überschritten werden, wenn nur der Ordinationskomplex abgerechnet würde. Sie biete ein sehr breites Leistungsprofil an mit einem qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen. Darüber hinaus biete sie auch hochspezialisierte zeitintensive Leistungen wie z. B. Akupunktur und Psychotherapie an. Hieraus resultierten zahlreiche Überweisungen aus anderen Praxen. Sie sei eine sehr versierte und erfahrene Behandlerin. Sie habe die Praxis sehr effizient organisiert, sodass die im EBM hinterlegten Prüfzeiten regelmäßig unterschritten würden. Sie behandle sehr viele psychisch Erkrankte (Nr. 03230, 03510, 35110). Dabei betreue sie auch einen überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil mit psychischen Problemen. Die überdurchschnittlich hohen Fallzahlen würden u. a. durch die regelmäßigen Vertretungen für die Praxen D. und Dr. E. noch verstärkt werden. Hinzu komme, dass ihr Kollege Dr. F., der eine ähnliche Spezialisierung aufweise, aufgrund seines Ruhestandes seine Praxis geschlossen habe. Viele Patienten hätten zu ihr gewechselt. Auch von den Praxen Dr. G. und Dr. H. hätten bereits viele Patienten zu ihr gewechselt, da diese Ärzte aus Altersgründen ihre Behandlungstätigkeit aufgeben würden oder dies bereits getan hätten. Schließlich biete sie noch überdurchschnittlich viele Hausbesuche an und betreue mehrere Altenheime (Nr. 01410). Sie nehme an den Disease Management Programmen (DMP) Koronare Herzkrankheit (KHK), Diabetes, Asthma sowie COPD teil. Schließlich biete sie noch die kleine Chirurgie für Erwachsene und Kinder (Nr. 02300 bis 02302) an. Sie erbringe Sono-Leistungen des Abdomens (Nr. 33012 und 33042). Sie behandle sehr viele Akutpatienten. Besonders viele Patienten kämen auch mit Überweisung von anderen Ärzten aufgrund ihrer besonderen Spezialisierung (Nr. 30790, 30791). Ein nicht zu unterschätzender Anteil der Patienten stamme aus dem onkologischen Bereich. Sie erbringe somit zahlreiche Leistungen im Bereich Onkologie und Palliativmedizin (Nr. 03370, 03371, 03372, 03373). Sie behandle zahlreiche alte Menschen im Bereich Geriatrie (Nr. 03360, 03362). Die Praxis habe viele multimorbide Patienten mit Breitspektrumtherapie. Aus diesem Grund sei es auch überdurchschnittlich häufig erforderlich, ein problemorientiertes ärztliches Gespräch (Nr. 03230) zu führen. Dies sei bereits dem Umstand geschuldet, dass sie viele schwere Fälle im Bereich der Onkologie und palliativen Medizin betreue sowie chronisch Kranke und Kardiologie-Patienten. Zudem komme eine Betreuung auf pulmonologischem, gastroenterologischem und neurologischem Gebiet. Sie behandle auch zahlreiche MS-Patienten oder Patienten mit Zustand nach Apoplex und Patienten aus dem Bereich der Nephrologie. Hinzu kämen Patienten mit psychischen oder psychosomatischen Störungen. Ein Schwerpunkt der Praxis sei die Schmerztherapie sowie die Akupunktur. Hier seien Zielgruppe Patienten mit chronischen Schmerzen und psychosomatischen Störungen (WS-Probleme, Gonarthrose, Coxarthrose, Gehbehinderung). Sie sei fast durchgängig für ihre Patienten erreichbar. Sowohl ihre Praxisnummer wie auch ihre Mobilfunknummer seien auf der Webseite, auf ihren Visitenkarten und auch auf der Homepage der KV veröffentlicht. Hierdurch komme es zu einer sehr überdurchschnittlich hohen Anzahl von Patientenanrufen. Nur einen Bruchteil dieser Telefonate habe sie auch tatsächlich abgerechnet. Während der Sprechstunde sei sie nicht erreichbar, weshalb verhältnismäßig viele Anrufe außerhalb der Sprechstunde kämen, um kurzfristig einen ärztlichen Rat zu erhalten. Dies erkläre den überdurchschnittlichen Anfall der Ziffern 01100 und 01101. Häufig werde sie auch nachts angerufen. Sie habe dies ihren Patienten ausdrücklich erlaubt. Sie organisiere dann selbst den Notdienst oder mache im Notfall Hausbesuche. So habe sie bereits einige Herzinfarkte, Schlaganfälle, Lungenembolien und akute Abdomen rechtzeitig diagnostizieren und die weitere Notfallbehandlung in die Wege leiten können, um Schlimmeres zu verhindern. Auch bei kleinen Kindern sei sie die erste Ansprechpartnerin, wenn diese unter hohem Fieber, Pseudo-Krupp etc. litten. Die Eltern kontaktierten sie dann regelmäßig abends oder auch nachts.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 07.05.2019 im Rahmen der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung der Praxis der Klägerin für die sieben Quartale IV/15 bis II/17 die Honorarbescheide für diese Quartale auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 534.215,63 EUR netto. Im Einzelnen setzte sie folgende Honorarrückforderungen fest:

Quartal Kürzungsbetrag in EUR netto
IV/15 60.277,67
I/16 82.448,29
II/16 69.492,49
III/16 66.829,61
IV/16 74.455,22
I/17 85.878,11
II/17 94.834,24
gesamt 534.215,63

Zur Begründung führte sie aus, für die Quartale IV/15 bis II/17 ergäben sich folgende Tages- und Quartalszeitprofile:

Quartal Anzahl der Tage im Quartal über 12 Std. Anzahl der Tage im Quartal über 16 Std. Quartalsprofilzeit in Std./Min. Überschreitung im Quartal Max. Arbeitszeit Tagesprofil
IV/15 0 0 2.177:04 617:04 23:52
I/16 0 0 2.414:47 854:47 23:48
II/16 0 0 2.191:32 631:32 23:52
III/16 0 0 2.190:14 630:14 23:46
IV/16 0 0 2.221:06 661:06 23:39
I/17 0 0 2.484:56 926:56 23:52
II/17 0 0 2.270:11 710:11 23:49

Behandlerbezogen: Frau Dr. C.
Quartal Anzahl der Tage im Quartal über 12 Std. Anzahl der Tage im Quartal über 16 Std. Quartalsprofilzeit in Std./Min. Überschreitung im Quartal Max. Arbeitszeit Tagesprofil
IV/15 0 0 906:28 126:28 11:57
I/16 0 0 1.104:13 324:13 11:59
II/16 0 0 1.044:42 264:42 11:56
III/16 0 0 978:44 198:44 11:54
IV/16 0 0 983:57 203:57 11:48
I/17 0 0 1.246:29 466:29 11:59
II/17 0 0 1.076:25 296:25 11:58

Frau A. Quartal Anzahl der Tage im Quartal über 12 Std. Anzahl der Tage im Quartal über 16 Std. Quartalsprofilzeit in Std./Min. Überschreitung im Quartal Max. Arbeitszeit Tagesprofil
IV/15 0 0 1.270:36 490:36 11:59
I/16 0 0 1.310:34 530:34 11:58
II/16 0 0 1.146:50 366:50 11:59
III/16 0 0 1.211:30 431:30 11:56
IV/16 0 0 1.237:09 457:09 11:49
I/17 0 0 1.240:27 460:27 12:05
II/17 0 0 1.192:46 413:46 11:59

Die Beklagte führte für die streitbefangenen Quartale die Daten aus der Anzahl- und Summenstatistik zu auffälligen Leistungen, die zu den Zeitprofilüberschreitungen der Praxis geführt hätten, auf, so zu Nr. 03230 EBM - Problemorientiertes ärztliches Gespräch, Nr. 35100 EBM - Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände, Nr. 35110 EBM - Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen, Nr. 30790 EBM - Eingangsdiagnostik und Abschlussuntersuchung zur Behandlung mittels Körperakupunktur und Nr. 30791 EBM - Durchführung einer Körperakupunktur. Ferner führte sie weitere Leistungen auf, die mit keiner Prüfzeit im Anhang 3 des EBM versehen seien und somit nicht für die Berechnung der Zeitprofile herangezogen würden, so Nr. 01100 EBM - Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Patienten und Nr. 01101 EBM - Unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Patienten. Maßgeblich für die Überschreitungen der Quartalsprofilzeiten sei die Abrechnung folgender Ziffern: Verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen (Nr. 35110 EBM), differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände (Nr. 35100 EBM), der Ansatz der Gesprächsleistung (Nr. 03230 EBM), der Ansatz der Eingangsdiagnostik und Abschlussuntersuchung zur Behandlung mittels Körperakupunktur (Nr. 30970 EBM) sowie die Akupunkturleistung (Nr. 30791 EBM). Maßgeblich für die Überschreitungen im Quartalsprofil seien bei der Klägerin selbst primär der hohe Ansatz der Nr. 30790, 30791 und 03230 EBM. So fänden sich in ihrer Abrechnung im gesamten Prüfzeitraum immer wieder Behandlungstage, an denen insgesamt bis zu 13:10 Stunden die Akupunkturleistung (17-mal Nr. 30790 EBM = 8:30 Stunden) und die Eingangsdiagnostik und Abschlussuntersuchung zur Behandlung mittels Körperakupunktur (28-mal GOP 30791 EBM = 4:40 Stunden) abgerechnet würden. Hinzu kämen weitere Leistungen, wie bspw. das problemorientierte Gespräch, dass an diesem Tag 27-mal angesetzt werde (4:30 Stunden). An anderen Tagen würde alleine die Gesprächsziffer bis zu 43-mal angesetzt (7:10 Stunden, die in das Tages- und Quartalsprofil einflössen). Der Ansatz der psychosomatischen Grundversorgung (Nr. 35100 und 35110 EBM) habe sich im Vergleich zu den vorhergehenden Prüfzeiträumen zwar etwas reduziert, dennoch trügen diese Gebührenordnungspositionen maßgeblich zu den Überschreitungen in den Tages- und Quartalsprofilen bei. Es würden immer wieder Behandlungstage gefunden, an denen zusammengenommen alleine mit den Gesprächsleistungen (Nr. 03230, 35100 und 35110) über 7 Stunden in das Tages- und Quartalsprofil einflössen. Bspw. 13-mal Nr. 35110 EBM, 7-mal Nr. 35100 EBM und 17-mal Nr. 03230 EBM (insgesamt 7:50 Stunden an Gesprächsleistungen). Bereits bei der Prüfung in den Vorquartalen sei auf das erhöhte Ansetzen der Akupunkturleistungen sowie der Gesprächsleistungen verwiesen worden. Maßgeblich für die Überschreitungen im Quartalsprofil sei bei Frau Dr. C. primär der hohe Ansatz der Gesprächsleistungen nach Nr. 03230 EBM. Im gesamten Prüfzeitraum ließen sich immer wieder Tage finden, an denen alleine die Gesprächsziffer weit über 40-mal angesetzt werde. Teilweise sogar bis zu 51-mal, was eine Zeit von 8:30 Stunden in das Quartalsprofil einfließen lasse. Weiterhin trage ebf. die psychosomatische Grundversorgung mit zu den Überschreitungen im Quartalsprofil bei. Außerdem sei in der vertikalen Betrachtung auffällig, dass die Abweichungen prozentual je Quartal anstiegen. Im Quartal I/16 betrage die Abweichung noch 81,97%, sie steige bis II/17 auf 135,29% an. Die Nr. 35110 EBM und die Nr. 35100 EBM gingen jeweils mit 16 Minuten in das Tages-und Quartalsprofil ein und trügen somit maßgeblich zu den Überschreitungen bei. Durch die hohen Überschreitungen in den Quartalsprofilen und die Häufigkeit der Behandlungstage mit Tagesprofilzeiten knapp unter 12 Stunden entstehe der Indizienbeweis, dass die Klägerin und ihre angestellte Ärztin grob fahrlässig Leistungen auf den Abrechnungsbelegen eingetragen hätten, deren Leistungsinhalte sie nicht vollständig erbracht haben könnten. Ergänzend sei festzustellen, dass im Vergleich zur Fachgruppe ein gehäufter Ansatz der Nr. 01100 und 01101 EBM bestehe. Diese zwei Gebührenordnungspositionen beinhalteten die unvorhergesehene Inanspruchnahme des Vertragsarztes durch den Patienten zu unterschiedlichen Zeiten. Die prozentualen Abweichungen lägen jeweils weit über 1.000%. Entsprechend dem Wortlaut ("Unvorhergesehene Inanspruchnahme") könnten die Leistungen nicht während der Sprechstunde und auch nicht im organisierten Notdienst abgerechnet werden, selbst wenn die in den Leistungslegenden genannten Zeiten im Rahmen der Regelversorgung bzw. des Notdienstes regelhaft erfüllt seien (Stichwort: Sprechstunde "vor 7:00 Uhr und Sprechstunde nach 19:00 Uhr"). Würden Patienten innerhalb der Regelversorgung zu den o.g. Zeiten behandelt, liege dennoch keine "Unvorhergesehene Inanspruchnahme" im Sinne des EBM vor. Diese Vorgabe werde offensichtlich nicht eingehalten. Obwohl diese Leistungen nicht in die Zeitprofile eingingen, verursachten sie einen Zeitaufwand, der die implausiblen Quartalsprofilzeiten weiter signifikant erhöhen würde. Für beide Zeiten werden jeweils an einem Beispieltag aus dem Quartal IV/15 die Leistungen aufgeführt. Angesichts des chronologischen zeitlichen Ablaufs der Arzt-Patientenkontakte seien die Nr. 01100 und 01101 EBM als Sprechstundenerweiterung- bzw.- Verlängerung nach der normalen Sprechstunde abgerechnet worden. In der vorliegenden Häufigkeit seien diese Leistungen nicht plausibel. Es liege zumindest grobe Fahrlässigkeit vor. Die Honorarkürzung werde anhand einer sog. Überschreitungsquote ermittelt. Diese errechne sich aus dem prozentualen Verhältnis der als implausibel festgestellten Überschreitungszeiten zur Gesamtzeit im Quartal auf der Grundlage der Prüfzeiten nach Anlage 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab. Die so ermittelte Überschreitungsquote sei dem quotierten Gesamthonorar gegenüber zu stellen und ergebe den Korrekturbetrag. Die Leistungen nach Nr. 01100 und 01101 EBM würden mit der Maßgabe rechnerisch-sachlich richtiggestellt, dass diese Leistungen unter Berücksichtigung eines im Wege der Schätzung festgelegten Sicherheitsabschlags von 5% einer nachträglichen Honorarkorrektur zu unterwerfen seien. Die Fachgruppe rechne diese Leistungen lediglich bei einem Prozent der Behandlungsfälle ab. Da die Klägerin ihr RLV in allen Quartalen des Prüfzeitraums zum Teil deutlich überschritten habe, erfolge eine Korrektur zur "unteren" Quote.

Hiergegen legte die Klägerin am 15.05.2019 Widerspruch ein, den sie nicht weiter begründete.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2019, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.08.2019 zugestellt, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Ausgangsbescheid werde zu Recht von der Implausibilität der Honorarabrechnungen für die Quartale IV/15 bis II/17 ausgegangen. Bei Quartalsprofilen von über 780 Stunden im Quartal liege eine Abrechnungsauffälligkeit vor. Sie verweise auf den Ausgangsbescheid. Es treffe allerdings nicht zu, dass am Tag teils über 13 Stunden Zeit für Akupunkturleistungen angefallen seien, weil die Quartalsprofilzeit der Nr. 30790 nicht im Tagesprofil berücksichtigt werden könne. Nicht erklärbar sei jedoch, wenn die Menge der insgesamt abgerechneten Leistungen - u. a. Akupunkturleistungen - so hoch sei, dass sie zeitlich unmöglich ordnungsgemäß erbracht worden sein könne. Dies sehe man an der folgenden Tabelle, in der anhand der Quartalsprofilzeiten die durchschnittliche, tägliche Behandlungszeit dargestellt werde. Die erreichten durchschnittlichen täglichen Behandlungszeiten würden bedeuten, dass an jedem Behandlungstag im Quartal von z. B. 6 Uhr morgens durchgehend bis 2 Uhr nachts (bei 20 Stunden) und länger gearbeitet worden wäre. Hierbei würden nur die Leistungen erfasst, für die eine Quartalsprofilzeit existiere.
Frau A. Quartal Quartalsprofilzeit in Std. Zahl der Abrechnungstage Durchschnittliche tägliche Zeit in Stunden (gerundet)
IV/15 1.270 59 21:30
I/16 1.310 62 21:00
II/16 1.146 54 21:00
III/16 1.211 58 20:50
IV/16 1.237 60 20:30
I/17 1.240 57 21:45
II/17 1.192 53 22:30

Frau Dr. C.
Quartal Quartalsprofilzeit in Std. Zahl der Abrechnungstage Durchschnittliche tägliche Zeit in Stunden (gerundet)
IV/15 906 59 17:45
I/16 1.104 62 21:00
II/16 1.044 54 20:30
III/16 978 58 19:00
IV/16 983 60 18:30
I/17 1.246 57 22:15
II/17 1.076 53 22:00

Die Zeitprofile würden getrennt für die Klägerin und Ihre angestellte Kollegin erstellt und jeweils von beiden weit überschritten. Der Einwand, die Menge der Leistungen sei auf zwei Ärzte zu berechnen, überzeuge daher nicht. Für die zeitauffälligsten Quartale I/16 und Quartal II/17 sei die Zahl der Vertretungsfälle geprüft worden. Unter den fast 2.330 (I/16) bzw. 2.250 (II/17) Behandlungsfällen seien lediglich 48 (I/16) bzw. 31 (II/17) Vertretungsfälle. In der Zahl der Vertretungsfälle liege offensichtlich nicht die Ursache für die Zeitüberschreitungen. Selbst wenn die Klägerin eine patientenstarke Praxis habe und eine Vielzahl von Kindern und Patienten aus der Geriatrie und Schmerztherapie behandle, so erkläre dies nicht ihre Zeitprofile. Gerade wenn sie geltend mache, dass dieses Patientenklientel einen erhöhten Zeitaufwand erfordere (z. B. Besuche, Gesprächsleistungen), dann sei sogar im Gegenteil davon auszugehen, dass nur deshalb so viele Patienten behandelt und so viele Leistungen abgerechnet worden seien, weil die Leistungen (z. B. Gesprächsleistungen mit Mindestzeiten, Nr. 03230, 35100, 35110 EBM) nicht in jedem Fall vollständig erbracht worden seien. Die Prüfung der Frequenzstatistik PK/EK des Quartals II/17 (Versichertenpauschalen) habe zudem ergeben, dass die Klägerin nur rund 13 % Kinder bis 18 Jahre und nur rund 10 % Patienten über 76 Jahre betreue. Bei Zeitprofilen von durchschnittlich täglich über 20 Stunden sei nicht mehr von einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung auszugehen. Durchschnittlich werde auch in einem Viertel bis zu 40 % der Behandlungsfälle eine unvorhergesehene Inanspruchnahme abgerechnet. Es sei kein besonderer Grund ersichtlich, weshalb die hausärztlichen Patienten der Klägerin in solcher Anzahl und in solch kurz aufeinander folgenden Zeitabständen von sich aus zu "unvorhergesehenen Behandlungen" erschienen. Weiter falle auf, dass neben der Nr. 01100/01101 EBM an diesem Tag keine weiteren Leistungen abgerechnet würden. Dies sei erklärbar, wenn allein telefonische Kontakte stattgefunden hätten. Dennoch sei nicht erklärbar, weshalb auf Initiative der Patienten - im Vergleich zu Patienten der Fachgruppe - so gehäuft und zeitlich getaktet dringliche Behandlungen außerhalb der Sprechzeiten in Anspruch genommen würden. Die Häufigkeit und Zeittaktung deute vielmehr auf eine Organisation der Kontakte hin. Im vorliegenden Fall sei von mindestens grob fahrlässiger, wenn nicht sogar von vorsätzlicher (mindestens dolus eventualis) Falschabrechnung auszugehen. Denn seit Jahren (Quartal I/08 bis zum Quartal IV/13) falle die Klägerin mit nicht plausiblen Zeitprofilen und der auffälligen Abrechnung von bestimmten Gebührenordnungspositionen (insbesondere Psychosomatik, Akupunktur) auf. Bei der Honorarrückforderung werde zu Gunsten der Klägerin fiktiv unterstellt, dass alle Leistungen der Nr. 01100, 01101 nur quotiert mit einem reduzierten Wert vergütet worden seien. Nur dieser fiktive Betrag - zuvor nochmals gemindert um 5% - werde zurückgefordert.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.08.2019 die Klage erhoben. Unter weitgehend wortgleicher Wiederholung ihres Vorbringens im Verwaltungsverfahren im Übrigen trägt sie ergänzend vor, auch aus den Tagesprotokollen sei zu entnehmen, dass die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden und sowohl als medizinisch notwendig wie auch als ausreichend und wirtschaftlich sinnvoll anzusehen gewesen seien. Die Morbiditätsstruktur der Praxis weiche erheblich vom Fachgruppendurchschnitt ab. Im Nachgang sei ihr bewusstgeworden, dass sie selbst und auch ihre Angestellte die Gesprächsziffern nicht immer vollständig erbracht haben könnten. Die genaue Anzahl lasse sich leider nicht mehr rekonstruieren. Die Prüfzeit von 10 Minuten für die Nr. 30791 EBM sei fehlerhaft. Sie bestreite nicht, dass der Bewertungsausschuss einen weiten Gestaltungsspielraum habe. Es gehe ihr aber um realitätsnahe und korrekte Kalkulationen ihrer Leistungen. Für den EBM 2005 seien weder die Leistungserstellung noch die Produktivität noch die Jahresarbeitszeit ermittelt worden. Für die Nr. 30791 EBM und andere Ziffern fehlten diese empirisch erhobenen Daten ebenfalls. Der ärztliche Leistungsanteil sei ausschließlich normativ hergeleitet. Die Expertise des IGES-Instituts sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das EBM-Kalkulationssystem wenig geeignet sei, Preise für ärztliche Leistungen zu berechnen. Für die Prüfzeiten fehle es am wissenschaftlichen Beleg. Die Beklagte habe sie auch nicht rechtzeitig auf die fehlerhafte Abrechnung aufmerksam gemacht.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 07.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 betreffend die zeitbezogene Plausibilitätsprüfung für die Quartale IV/15 bis II/17 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, die Klagebegründung enthalte keinen neuen entscheidungserheblichen Vortrag. Sie wiederhole im Wesentlichen das Vorbringen in der klägerischen Stellungnahme vom 18.02.2019. Wie in den angefochtenen Bescheiden dargelegt, seien die zeitlichen Abrechnungsauffälligkeiten im Quartalszeitprofil festgestellt worden. Die Quartalszeitprofile seien anhand der Bestimmungen in den Abrechnungsprüfungs-Richtlinien gemäß § 106d Abs. 6 SGB V korrekt erstellt worden. Im Weiteren hätten sich die zeitlichen Abrechnungsauffälligkeiten nicht zu Gunsten der Klägerin erklären lassen. Entlastende Umstände lägen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 19.08.2020 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten hierzu wird vom Gesetz nicht verlangt. Im Übrigen haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 07.05.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Berichtigungsbescheids ist für die Quartale IV/15 bis IV/16 § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V in der hier noch anzuwendenden und bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) v. 14.11.2003, BGBl I 2003, 2190 (aktuell § 106d Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V) mit der letzten Änderung durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) v. 16.07.2015, BGBl. I S. 1211 (im Folgenden: SGB V). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. BSG, Urt. v. 14.12.2005 - B 6 KA 17/05 R - BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 22, zitiert nach juris Rdnr. 11 m. w. N.). Rechtsgrundlage für die Quartale I und II/17 ist § 106d Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V, eingefügt durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) v. 16.07.2015, BGBl. I 2015, 1211, der inhaltsgleich mit § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V a.F. ist.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Die Beklagte hat die Klägerin durch Übersendung des Anhörungsschreibens und des Ausgangsbescheids ausreichend angehört (§ 24 SGB X).

Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Nach § 106a SGB V (bzw. jetzt § 106d SGB V) stellt die Kassenärztliche Vereinigung die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; Vertragsärzte und angestellte Ärzte sind entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln (§ 106a Abs. 2 Satz 2 SGB V). Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden (§ 106a Abs. 2 Satz 3 SGB V). Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen (§ 106a Abs. 2 Satz 4 SGB V).

Die näheren Einzelheiten des Prüfungsverfahrens ergeben sich aus den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V vereinbarten "Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen" in der hier in den Quartalen III/08 bis I/18 grundsätzlich noch maßgebenden Fassung (DÄ 2008, A-1925), unter Berücksichtigung der Änderung des § 8 AbrPr-RL vom 07.03.2018 (DÄ 2018, A 600) (im Folgenden: AbrPr-RL), die nach der Übergangsregelung in § 22 Abs. 3 AbrPr-RL 2018 auf Verfahren anzuwenden ist, die am 31.12.2014 noch nicht abgeschlossen waren. Die §§ 8 und 8a der Richtlinien nach § 106a SGB V in der ab 01.07.2008 geltenden Fassung finden nach der Übergangsregelung auf diese Verfahren keine Anwendung (vgl. BSG, Urt. v. 30.10.2019 - B 6 KA 9/18 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 106a Nr. 25 (vorgesehen), juris Rdnr. 13).

Die Prüfung der Abrechnungen des Vertragsarztes auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen ordnungsgemäß, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (§ 4 AbrPr-RL). Dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität.

Die Plausibilitätsprüfung stellt ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Abrechnungsauffälligkeiten sind durch die Anwendung der Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, welche es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung im Sinne des § 6 zugrunde liegt (§ 5 Abs. 1 AbrPr-RL). Die Plausibilitätsprüfung allein ersetzt nicht das Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung. Erst wenn die Kassenärztliche Vereinigung aufgrund der Plausibilitätsprüfung allein oder in Verbindung mit weiteren Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind, führt die Kassenärztliche Vereinigung ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung durch. Auch die Krankenkasse kann Folgerungen aus einer Plausibilitätsprüfung erst ziehen, wenn sich daraus die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung ergibt (§ 5 Abs. 2 AbrPr-RL). Abrechnungsauffälligkeiten in Gestalt einer Überschreitung der Tagesprofile oder der im Quartalszeitprofil maßgebenden Stundenzahl sind geeignet, die Unrichtigkeit einer Abrechnung insgesamt zu belegen, soweit sie sich nicht zugunsten des Arztes bzw. des MVZ erklären lassen (vgl. BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, juris Rdnr. 20 u. 22 m.w.N.; BSG, Urt. v. 21.03.2018 B 6 KA 47/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 18, juris Rdnr. 25; BSG, Urt. v. 30.10.2019 - B 6 KA 9/18 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4-2500 § 106a Nr. 25 (vorgesehen), juris Rdnr. 31).

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AbrPr-RL erstreckt sich die regelhafte Plausibilitätsprüfung auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 3) durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (Prüfung nach Zeitprofilen [§ 8]). Für die Feststellung der Abrechnungsauffälligkeiten nach § 7 Abs. 2 sind die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab in der jeweils gültigen Fassung aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen (§ 8 Abs. 1 AbrPr-RL). Unabhängig vom Tätigkeitsort wird für alle unter der lebenslangen Arztnummer angeforderten Leistungen bei Vertragsärzten, -therapeuten, angestellten Ärzten und Therapeuten, bei ermächtigten Ärzten, bei ermächtigten Instituten und ermächtigten Krankenhäusern gleichrangig ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt (§ 8 Abs. 2 AbrPr-RL). Bei der Ermittlung der Zeitprofile bleiben Leistungen im organisierten Notfalldienst, die auf Muster 19 der Vordruckvereinbarung abgerechnet werden, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme des Vertragsarztes außerhalb der Sprechstundenzeiten und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis, unverzüglich nach Bestellung durchzuführende dringende Besuche sowie - bei Belegärzten - Visiten außer Betracht. Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab kennzeichnet darüber hinaus die behandlungsfall- und krankheitsfallbezogenen ärztlichen Leistungen, die nicht dem Tageszeitprofil unterliegen (§ 8 Abs. 3 AbrPr-RL).

Beträgt bei Vertragsärzten und -therapeuten mit einem vollen Versorgungsauftrag bzw. bei in Vollzeit angestellten Ärzten und Therapeuten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden, erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12. Ein reduzierter Umfang des Versorgungsauftrages bzw. des Tätigkeitsumfangs des angestellten Arztes bzw. Therapeuten ist anteilig zu berücksichtigen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 AbrPr-RL). Abweichend von Abs. 2 kann für Berufsausübungsgemeinschaften und Arztpraxen mit angestellten Ärzten/Therapeuten und medizinische Versorgungszentren die Obergrenze für das Tageszeit- bzw. Quartalszeitprofil nach Abs. 4 multipliziert werden mit der Anzahl der in der Arztpraxis tätigen Ärzte bzw. Therapeuten im Umfang ihrer Tätigkeit unabhängig vom Status (§ 8 Abs. 6 AbrPr-RL).

Die Regelungen der AbrPr-RL einschl. der Bildung von Tages- und Quartalsprofilen sind nicht zu beanstanden.

Das Bundessozialgericht sah anfangs in den zunächst von den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgegebenen Prüfzeiten, noch vor der Neuregelung in § 106a SGB V und § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V, ein geeignetes Beweismittel (Indizienbeweis). Die Festlegung der für eine ärztliche Leistung aufzuwendenden Durchschnittszeit beruhte nach dem Bundessozialgericht auf ärztlichem Erfahrungswissen. Sie sei deshalb ebenso und in dem Umfang gerichtlich überprüfbar, in dem auch im Übrigen auf ärztlichem Erfahrungswissen beruhende Festlegungen überprüft werden. (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 25 f.). Es oblag dem Arzt, diesen Indizienbeweis zu entkräften (vgl. BSG, Urt. v. 26.01.1994 6 RKa 29/91 - BSGE 74, 44 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2, juris Rdnr. 26). Bei einer Plausibilitätsprüfung mit Hilfe von Tagesprofilen für Abrechnungsmanipulationen handelte es sich um ein Beweisverfahren (vgl. BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R - BSGE 86, 30 = SozR 3-2500 § 83 Nr. 1, juris Rdnr. 37). An diese Rspr. knüpfte das Bundessozialgericht zunächst auch nach Novellierung des § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V an (vgl. BSG, Urt. v. 21.03.2018 - B 6 KA 47/16 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 18, juris Rdnr. 25 f.; BSG v. 17.08.2011 - B 6 KA 27/11 B - juris Rdnr. 9).

Mit der Einführung des § 106a SGB V und der Novellierung des § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V hat der Gesetzgeber die Plausibilitätsprüfung allerdings auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt.

§ 83 Abs. 2 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) v. 20.12.1988, BGBl I, 2477 verpflichtete die Gesamtvertragspartner zunächst, in den Gesamtverträgen auch Verfahren zu vereinbaren, die die Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit durch Plausibilitätskontrollen der Kassenärztlichen Vereinigungen, insbesondere auf der Grundlage von Stichproben, ermöglichen. Dabei waren Anzahl und Häufigkeit der Prüfungen festzulegen. Art. 1 Nr. 34 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) v. 22.12.1999, BGBl I, 2626, fügte § 83 Abs. 2 SGB V den Satz "Gegenstand der Prüfungen nach Satz 1 ist insbesondere die Überprüfung des Umfangs der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand." an, nachdem der gesamte Absatz zunächst gestrichen werden sollte, da die Regelung im Rahmen des bereits geplanten § 106a SGB V ersetzt werden sollte (vgl. BT-Drs. 14/1245, S. 72). § 106a Entwurfsfassung sah in Abs. 2 vor, die Plausibilitätsprüfungen an die Wirtschaftlichkeitsprüfgremien nach § 106 SGB V anzukoppeln. Nach dem Entwurf waren insb. Verfahren zu vereinbaren, die eine regelmäßige Überprüfung des Umfangs der pro Tag abgerechneten Leistungen unter Plausibilitätsaspekten auf der Grundlage von Annahmen hinsichtlich des Zeitbedarfs für die abgerechneten Leistungen vorsahen. Die Annahmen zum Zeitbedarf für die Erbringung der Leistungen konnten auf der Grundlage von Schätzungen des bei sachgerechter Erbringung der Leistungen nicht unterschreitbaren Zeitaufwands bestimmt werden. Nach der Entwurfsbegründung sollte die Regelung dazu beitragen, übermäßige Ausweitungen der Menge der abgerechneten Leistungen und den damit verbundenen "Punktwertverfall", d. h. den durch die Mengenexpansion verursachten Rückgang der rechnerischen Vergütungssätze, zu verhindern. Insb. würden regelmäßige Plausibilitätsprüfungen der Abrechnungen auf der Grundlage von "Tagesprofilen" vorgeschrieben werden. Damit sollte zugleich eine leistungsgerechte Honorarverteilung erreicht werden. Ergebnisse der Abrechnungsprüfungen, die in der Regel durch die Kassenärztlichen Vereinigungen durchgeführt werden, sollten den Prüfungsausschüssen nach § 106 Abs. 2 zur Verfügung stehen (vgl. BT-Drs. 14/1977, S. 27).

Art. 1 Nr. 62 Buchst. b GMG v. 14.11.2003 hob § 83 Abs. 2 SGB V auf und fügte § 106a SGB V ein. Die Plausibilitätsprüfungen wurden nicht an die Wirtschaftlichkeitsprüfung, sondern an die sachlich-rechnerische Berichtigung angekoppelt, nachdem das Bundessozialgericht entschieden hatte, dass Plausibilitätsprüfungen der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung dienen, aber kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung wie sachlich-rechnerische Berichtigung und Wirtschaftlichkeitsprüfung sind (vgl. BSG, Urt. v. 08.03.2000 - B 6 KA 16/99 R - BSGE 86, 30 = SozR 3-2500 § 83 Nr. 1, juris Rdnr. 35 ff.).

Nach der Entwurfsbegründung zum GMG sind integraler Bestandteil dieser sachlich-rechnerischen Prüfungen die sog. Plausibilitätsprüfungen sowie Prüfungen der abgerechneten Sachkosten. Bei der Plausibilitätsprüfung sei insb. der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu prüfen. Für diese Prüfung sei nach Satz 3 ein von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarter Zeitrahmen (Absatz 6) anzuwenden, der vorgebe, welches Leistungsvolumen je Tag maximal abgerechnet werden könne. Durch die Möglichkeit, zusätzlich einen auf eine längere Periode bezogenen Zeitrahmen zu Grunde zu legen, werde eine flexible Anwendung dieser Regelung durch die Vertragspartner ermöglicht. In Satz 4 werde klargestellt, dass bei der Überprüfung der ärztlichen Abrechnungen auf Plausibilität die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab angegebenen Zeitwerte zu Grunde zu legen seien, soweit diese vorlägen (siehe Änderung zu § 87 Abs. 2) (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 117 f.) Die nach Absatz 6 von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen zu vereinbarenden Richtlinien sollen gewährleisten, dass Vereinbarungen über die Abrechnungsprüfungen, einschließlich der Plausibilitätsprüfungen, nach bundesweit abgestimmten Kriterien durchgeführt werden und insoweit auch eine Gleichbehandlung aller Vertragsärzte gewährleistet sei (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 119).

Zeitgleich fasste Art. 1 Nr. 66 Buchst. c aa GMG § 87 Abs. 2 Satz 1 neu und gab Halbsatz 2 die bis heute gültige Fassung: "Der einheitliche Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen." Nach der Entwurfsbegründung zum GMG sollte zur Verbesserung der Transparenz der Leistungsbewertungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) sowie zur Verbesserung der Wirksamkeit der Abrechnungsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (s. § 106a - neu -) die im EBM aufgeführten Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes versehen werden. Solche kalkulatorischen Zeitwerte seien von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen bei der Vorbereitung von Entwürfen für eine Reform des EBM und im Rahmen von Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Durchführung der Abrechnungsprüfungen bereits entwickelt worden (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 104).

Mit diesen Prüfzeiten (sog. Plausibilitätszeiten) (vgl. Anhang 3 zum EBM "Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 106d Abs. 2 SGB V") können Tages- und Quartalsprofile erstellt werden.

Der Gesetzgeber sieht damit die Plausibilitätszeiten nicht mehr als Teil eines Indizienbeweises oder Beweisverfahrens an, sondern hat deren Normierung als untergesetzliches Recht dem EBM-Geber überantwortet. Nach der Gesetzesbegründung stehen die Plausibilitätszeiten in klarem Zusammenhang zu den kalkulatorischen Zeitwerten. Die Profilzeiten geben mit den Obergrenzen von 12 Stunden täglich bzw. 780 Stunden im Quartal eine Plausibilitätsgrenze an. Diese Plausibilitätsgrenze gibt den Umfang an Leistungen an, der maximal in einer vertragsärztlichen Praxis pro Behandler erwirtschaftet werden kann. Die Profilzeitgrenzen, schon als maximale Obergrenze abgefasst, berücksichtigen ferner nicht Pausen- und Essenszeiten, Zeiten für die Versorgung von Privatpatienten, für die Anleitung der Mitarbeiter und Erbringung von nicht erfassten Leistungen. Insofern handelt es sich um Obergrenzen, die bereits einen "Sicherheitspuffer" beinhalten. Zudem stellen die Obergrenzen nur ein Aufgreifkriterium dar. § 12 AbrPr-RL verpflichtet die Kassenärztliche Vereinigung zu weiteren Prüfungen, wenn die Plausibilitätsprüfungen nach §§ 8 bis 11 Abrechnungsauffälligkeiten ergeben (§ 12 Abs. 1 AbrPr-RL). Die weiteren Überprüfungen haben zum Ziel, mithilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen unter Berücksichtigung der Merkmale nach Absatz 3 festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit nach § 6 verstoßen worden ist oder nicht (§ 12 Abs. 2 AbrPr-RL). Im Rahmen dieser Prüfungen berücksichtigt die Kassenärztliche Vereinigung auch die nachstehenden Feststellungen und Umstände, um zu prüfen, ob die Abrechnungsauffälligkeiten sich zugunsten des Arztes erklären lassen. Im Einzelnen sind bei einem erhöhten Stundenaufkommen insb. zu berücksichtigen: a) die Beschäftigung eines Assistenten (differenziert nach Art des Assistenten), b) Jobsharing, c) Vertreterfälle gemäß Muster 19 der Vordruckvereinbarung (§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 AbrPr-RL).

Die Obergrenzen sind auch im Zusammenhang mit der Kalkulation der Vergütung ärztlicher Leistungen zu sehen. Dem kalkulatorischen Arztlohn entspricht eine Brutto-Jahresarbeitszeit von 140.148 Minuten. Für den größten Teil der im EBM bewerteten Leistungen geht der Bewertungsausschuss davon aus, dass sog. Overheadzeiten, also Zeiten, in denen der Arzt Tätigkeiten zu verrichten hat, die nicht unmittelbar einer einzelnen abrechenbaren ärztlichen Leistung zugeordnet werden können, 12,5 % der Jahresarbeitszeit ausmachen, sodass 87,5 % der Arbeitszeit (122.629,5 Minuten pro Jahr) für die Erbringung abrechenbarer Einzelleistungen eingesetzt werden können (vgl. BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, juris Rdnr. 16). Diese sog. Overhead-Zeiten gehen rechnerisch nicht in die Kalkulationszeit bzw. Prüfzeit ein. Eine Jahresarbeitszeit von 140.148 Minuten (= 2.335,8 Stunden) entspricht einer Quartalsarbeitszeit (./. 4) von 583,95 Stunden bzw. täglich (./. 65) von 8,98 bzw. gerundet 9 Stunden. Eine Profilzeit von 12 Stunden täglich entspricht unter Einbeziehung der sog. Overheadzeiten (./. 87,5 %) rechnerisch einer Arbeitszeit von 13,7 Stunden. Dies verdeutlicht ebf., dass in die Prüfzeiten ein großer Spielraum ärztlicher Leistungserbringung eingebaut ist.

Zuletzt hat das Bundessozialgericht seine frühere Rechtsprechung modifiziert und stellt nunmehr nur noch auf die Funktion des Bewertungsausschusses als Normgeber ab, dem ein Gestaltungsspielraum zukommt. Die richterliche Kontrolle untergesetzlicher Normen beschränkt sich darauf, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber überschritten wurden. Dies ist erst dann der Fall, wenn die getroffene Regelung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Die gerichtliche Kontrolle der sog. Plausibilitätszeiten ist somit im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt, ob sich diese auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen können und ob die Grenzen des Gestaltungsspielraums eingehalten sind. Sofern eine Norm tatsächliche Umstände zur Grundlage ihrer Regelung macht, erstreckt sich die gerichtliche Überprüfung insbesondere darauf, ob der Bewertungsausschuss seine Festsetzung frei von Willkür getroffen hat (vgl. BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, juris Rdnr. 13; BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 43/17 R - MedR 2019, 598, juris Rdnr. 14; BSG, Urt. v. 15.07.2020 - B 6 KA 15/19 R - SozR 4 (vorgesehen), juris Rdnr. 23 f.; vgl. bereits LSG Hessen, Urt. v. 20.02.2019 - L 4 KA 58/16 - juris Rdnr. 49, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 15.07.2020 - B 6 KA 15/19 R – a.a.O.; LSG Hessen, Urt. v. 13.09.2017 - L 4 KA 65/14 - juris Rdnr. 53 f.; LSG Hessen, Urt. v. 26.11.2014 - L 4 KA 2/11 - juris Rdnr. 54; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER - juris Rdnr. 67).

Bei den Prüfzeiten handelt es sich nach dem Bundessozialgericht um durchschnittliche Zeiten, die so bemessen sein müssen, dass sie auch von erfahrenen und zügig arbeitenden Ärzten für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung benötigt werden. Von der Beachtung dieser Vorgabe kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn die Prüfzeit die für die Ermittlung der Punktzahlen im EBM zugrunde gelegte Kalkulationszeit unterschreitet. Dabei ist maßgebend, dass die Kalkulationszeit die zeitliche Beanspruchung im Durchschnitt abbildet, während Prüfzeiten die Leistungsfähigkeit auch eines besonders erfahrenen und geübten Arztes bzw. Psychotherapeuten berücksichtigen. Dem entsprechen die in Anhang 3 zum EBM getroffenen Festlegungen für die Mehrzahl der Leistungen. Bei zeitgebundenen, nicht delegierbaren Leistungen werden Prüf- und Kalkulationszeit dagegen regelmäßig übereinstimmen (vgl. BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, juris Rdnr. 14.) Die Festlegung der Prüfzeiten für die psychotherapeutischen Gesprächsleistungen auf 70 Minuten, während die Bewertung im EBM auf der Grundlage einer Kalkulationszeit von 60 Minuten bzw. 55 Minuten für die biographische Anamnese nach Nr. 35140 EBM beruht, hat das Bundessozialgericht wegen der Berücksichtigung sog. Overheadzeiten nicht beanstandet. Aus diesem Grund sind sie lediglich für sog. Tageszeitprofile ungeeignet (vgl. BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, juris Rdnr. 15 ff.).

Auf der Grundlage der neueren BSG-Rspr. ist daher der nach wie vor geübten Kritik in der Literatur zu den Prüfzeiten (vgl. Scholl-Eickmann, MedR 2019, 603 f.; Dahm, MedR 2019, 373 ff.; Steinhilper/Dahm, MedR 2018, 269 ff.; Willaschek, in Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein 2018, 31 ff.; ders. ZMGR 2015, 387 ff.) nicht zu folgen (zur IGES-Studie vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 02.01.2018 - L 11 KA 39/17 B ER - juris Rdnr. 68), zumal Sanktionen erst bei der Abrechnung einer Leistungsmenge greifen, die ganz erheblichen über die Leistungsmenge hinausgehen, die bei einer voll ausgelasteten Praxis anfällt (vgl. BSG, Urt. v. 24.10.2018 - B 6 KA 42/17 R - BSGE 127, 43 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 19, juris Rdnr. 18).

Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tages und Quartalsprofile zu erstellen und eine Prüfung insb. anhand der Quartalsprofile vorzunehmen. Tages- und Quartalsprofil stehen alternativ und nicht kumulativ als Indizien für eine implausible Abrechnung nebeneinander (vgl. BSG, Beschl. v. 17.08.2011 - B 6 KA 27/11 B - juris Rdnr. 6).

Die Beklagte hat die Tages- und Quartalsprofile nicht falsch berechnet. Sie hat die Zeitprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM erstellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass erst die Neufassung der ab 2018 geltenden AbrPr-RL in § 12 zusätzlich die Berücksichtigung der quartalsbezogenen Pauschalen und überdurchschnittlichen Fallzahl, fachlichen Spezialisierung etc. vorsieht. Diese Kriterien können allerdings nicht bereits aus sich heraus - anders als z. B. die Beschäftigung eines Assistenten - die Plausibilität eines erheblichen Zeitumfangs begründen. Der Kammer ist allerdings nicht ersichtlich, in welcher Weise diese Kriterien im Fall der Klägerin die Implausibilität der Leistungen widerlegen könnten. Eine hohe Patientenzahl, besondere Sprechstunden-/Praxisöffnungszeiten oder besondere Strukturen der Praxis können die Überschreitung der Zeitprofile nicht rechtfertigen, da maßgeblich der plausible Zeitaufwand Gegenstand der Überprüfung ist.

Die Beklagte konnte auch für die Körperakupunkturleistung nach Nr. 30791 EBM 2005 die vom EBM vorgegebene Prüfzeit im Tagesprofil von 10 Minuten bei einer Kalkulationszeit von 13 Minuten ansetzen. Dies hat die Kammer bereits mit Urteil vom 19.09.2012 - S 12 KA 167/11 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris (rechtskräftig) entschieden (siehe auch SG Marburg, Urt. v. 02.02.2015 - S 12 KA 122/14 -, Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 28.10.2015 - L 4 KA 16/15 -; SG Marburg, Urt. v. 28.05.2014 - S 11 KA 572/12 - Berufung zurückgewiesen durch LSG Hessen, Urt. v. 13.09.2017 - L 4 KA 65/14 - juris; SG Marburg, Gerichtsb. v. 14.05.2014 - S 12 KA 601/13 - juris Rdnr. 40 ff.; SG Marburg, Gerichtsb. v. 24.04.2014 - S 11 KA 442/12 -; SG Marburg, Urt. v. 13.03.2013 - S 11 KA 101/11 -).

Akupunkturleistungen wurden durch Beschluss des Bewertungsausschusses zu Änderungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) durch den Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 119. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung), Teil C, mit Wirkung zum 01.01.2007 neu in den EBM eingeführt. Die Leistungslegende beschreibt die seinerzeit mit 600 Punkten bewertete Nr. 30791 wie folgt:
Durchführung einer Körperakupunktur und ggf. Revision des Therapieplans gemäß den Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V zur Behandlung bei folgenden Indikationen:
- chronische Schmerzen der Lendenwirbelsäule, oder
- chronische Schmerzen eines oder beider Kniegelenke durch Gonarthrose.
Obligater Leistungsinhalt:
- Durchführung der Akupunktur gemäß dem erstellten Therapieplan,
- Aufsuchen der spezifischen Akupunkturpunkte und exakte Lokalisation,
- Nadelung akupunkturspezifischer Punkte mit sterilen Einmalnadeln,
- Verweildauer der Nadeln von mindestens 20 Minuten.
Fakultativer Leistungsinhalt:
- Beruhigende oder anregende Nadelstimulation,
- Hervorrufen der akupunkturspezifischen Nadelwirkung (De-Qui-Gefühl),
- Berücksichtigung der adäquaten Stichtiefe,
- Adaption des Therapieplanes und Dokumentation,
- Festlegung der neuen Punktekombination, Stimulationsart und Stichtiefe, je dokumentierter Indikation bis zu zehnmal, mit besonderer Begründung bis zu 15 mal im Krankheitsfall.
Die Sachkosten inklusive der verwendeten Akupunkturnadeln sind in dieser Leistung enthalten.

Im Urteil vom 19.09.2012 - S 12 KA 167/11 - a.a.O. hat die Kammer folgendes ausgeführt:

"Damit wird deutlich, dass es sich auch bei der einzelnen Akupunktur als Teil einer Akupunkturbehandlung um eine umfassende Therapie einer im Ansatz ganzheitlichen Therapie handelt. Die mit einem Anästhesisten, der an der Schmerztherapievereinbarung teilnimmt und selbst Akupunkturen durchführt, besetzte Kammer geht davon aus, dass der Ansatz von 10 Minuten nicht zu beanstanden ist und zutreffend so bemessen ist, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann.

Die vom Kläger eingereichten drei Dateien mit Videoaufzeichnungen über zwei exemplarische Behandlungen, die die Kammer mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung angeschaut hat, sind nicht geeignet, den Ansatz einer Prüfzeit im Tagesprofil von 10 Minuten zu widerlegen. Für die Behandlung chronischer Schmerzen der Lendenwirbelsäule mittels Akupunktur werden danach für das Anbringen der Nadeln - es handelt sich um die Mindestzahl von zehn Nadeln - ca. 70 Sekunden, für das Stimulieren ca. 25 Sekunden und für eine Kontrolle ca. 25 Sekunden, insgesamt ca. 120 Sekunden benötigt. Für die Behandlung chronischer Schmerzen eines oder beider Kniegelenke durch Gonarthrose werden danach für das Anbringen der Nadeln ca. 55 Sekunden benötigt. Diese Videoaufzeichnungen geben aber nur einen kleinen Teil der notwendigen Behandlung wieder und stellen den Behandlungsablauf als einen rein technischen, fast "fließbandartigen" Vorgang dar. Auch bei optimaler Vorbereitung durch die Praxismitarbeiter fallen Wegezeiten zum Aufsuchen und Verlassen des Behandlungsraums an und müssen insbesondere in jeder Sitzung Gespräche mit den Patienten geführt werden. In jeder Sitzung ist der zurückliegende Zeitraum bis zur letzten Sitzung aufzuarbeiten und hat eine Evaluation mit dem Patienten zu erfolgen. Es ist zu evaluieren, ob die bisherige Therapie bestätigt werden kann oder ob sie zu verändern ist. Hinzu kommt das Führen der Dokumentation, dessen Umfang und Sorgfalt gerade dann zunehmen, wenn Akupunkturen in einer Häufigkeit wie bei dem Kläger vorgenommen werden. So rechnete der Kläger die Nr. 30791 in den streitbefangenen Quartalen wie folgt ab:
Quartal I/07 II/07 III/07 IV/07
absolut 907 1.470 1.959 1.533
Je 100 Fälle 58 104 121 98

Hinzu kommt, dass es sich um einen ganzheitlichen Therapieansatz handelt, bei dem nicht nur Ruhe während der Verweildauer der Nadeln von mindestens 20 Minuten notwendig ist, sondern während der gesamten Behandlung. Auch dies steht von vornherein einer "fließbandartigen" Behandlung entgegen. Wie bei Gesprächsleistungen schließt dies auch hier eine parallele Leistungserbringung aus, können also während der Durchführung der Akupunktur mit dem Patienten weitere Leistungen nicht erbracht werden. Gespräche mit dem Patienten sind zunächst Teil der Akupunkturbehandlung. Sie können gesondert nur abgerechnet werden, wenn sie separat, also außerhalb der Akupunktursitzung erfolgen, und einen anderen Therapieansatz verfolgen, soweit dieser im Sinne einer Stufentherapie nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt. Von daher sieht die Kammer in der genannten Kalkulations- und Prüfzeit nicht lediglich einen standespolitischen Erfolg entsprechender Verbände, sondern auch das zutreffend vom Bewertungsausschuss unterstellte Erfordernis einer sorgfältigen individuellen Behandlung, das einer Vertaktung des Behandlungsablaufs insofern entgegensteht. Auch die klägerseits vorgelegten verbandspolitischen Stellungnahmen haben nicht dargelegt, welche anderen Mindest- bzw. Prüfzeiten anzusetzen wären."

Hieran hält die Kammer fest. Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen ist angesichts der nur eingeschränkten richterlichen Kontrolle der dem Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses unterliegenden Prüfzeiten der Anlage 3 EBM kein Beweis der Tatsache, dass die im Anhang 3 zum EBM festgelegte Prüfzeit von 10 Minuten für die Leistungserbringung der Akupunkturbehandlung nach der EBM-Nr. 30791 insgesamt zu hoch bemessen ist, durch ein Sachverständigengutachten einzuholen, da diese Tatsache nicht erheblich ist. Selbst unterstellt, diese Annahme sei richtig, ließe eine längere Prüfzeit für die Nr. 30791 EBM keine Rückschlüsse auf eine Überschreitung des Gestaltungsspielraums des Bewertungsausschusses im vorbeschriebenen Sinne zu (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 13.09.2017 - L 4 KA 65/14 - juris Rdnr. 55).

Von daher war auch die Einbeziehung der Akupunkturleistungen in die Zeitprofile nicht zu beanstanden.

Delegationsfähige Leistungen werden bei den Quartalsprofilen nicht mitgerechnet. In der Prüfzeit wird lediglich die ärztliche Zeit abgebildet.

Bei der Plausibilitätsprüfung handelt es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Auf eine Einzelfallprüfung der Behandlungen kommt es nicht an. Mit dem Nachweis der Implausibilität wird der zulässige Nachweis einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem Einzelfall bedarf es dann nicht. Wie auch immer geartete Praxisbesonderheiten können daher nicht berücksichtigt werden.

Eine hohe Patientenzahl kann die Überschreitung der Quartalsprofilgrenzen nicht rechtfertigen, da maßgeblich der plausible Zeitaufwand Gegenstand der Überprüfung ist.

Nicht zu beanstanden war auch die Annahme, dass bei Quartalsprofilen von über 780 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliegt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 04.06.2008 - S 12 KA 528/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Im Rahmen des Schätzungsermessens waren daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten der Klägerin zu berücksichtigen.

Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG Urt. v. 15.11.1995 – 6 RKa 57/94 – SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1, juris Rdnr. 10 und BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 35, juris Rdnr. 16 m. w. N.).

Der Vortrag der Klägerin, sie habe z. T. lange Öffnungszeiten, berücksichtigt nicht, dass eine Auffälligkeit erst ab einem Quartalsprofil von 780 Stunden angenommen wird, was einer täglichen Arbeitszeit von 12 Stunden entspricht, wobei noch weitere, nicht erfasste Tätigkeiten oder Pausen hinzukommen.

Verschulden liegt angesichts der sich über viele Quartale hinziehenden Abrechnungspraxis vor. Es handelt sich nicht um ein bloßes Versehen, sondern um wiederholtes, standardmäßig nachlässiges Ausführen der Abrechnungen.

Die Beklagte hat auch in nicht zu beanstandender Weise die Leistungen nach Nr. 01100 und 01101 EBM sachlich-rechnerisch richtiggestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 136 Abs. 3 SGG).

Die Änderung der Prüfzeiten hat keine Auswirkungen auf die hier streitgegenständlichen Quartale.

Der Bewertungsausschuss hat mit Beschluss nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 455. Sitzung am 11. Dezember 2019 zur Neufassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) mit Wirkung zum 1. April 2020 (http://institut-ba.de/ba/babeschluesse/2019-12-11 ba455 8.pdf) den EBM neu gefasst und hierbei auch die Prüfzeiten geändert. Für die hier streitgegenständlichen Quartale besteht keine Rückwirkung der erst ab 01.04.2020 geltenden Prüfzeiten.

Aus der Neufassung der Prüfzeit folgt auch nicht, dass die im hier streitgegenständlichen geltenden Prüfzeiten fehlerhaft festgesetzt wurden und damit nichtig sind.

Nach den entscheidungserheblichen Gründe Teil A und Teil E zum Beschluss des Bewertungsausschusses vom 11.12.2019 ist die Anpassung der Bewertung der Leistungen Folge der Aktualisierung und Weiterentwicklung der einzelnen Parameter des Standardbewertungssystems (StaBS). Wichtige Parameter des StaBS seien der kalkulatorische Arztlohn, die Praxiskosten und die Kalkulationszeiten der einzelnen Leistungen im EBM. Mit Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses in seiner 5. Sitzung vom 11./12. Oktober 2007 sei der kalkulatorische Arztlohn zuletzt auf 105.571,80 EUR festgelegt worden. Der Bewertungsausschuss habe den kalkulatorischen Arztlohn nunmehr auf 117.060,00 EUR angehoben. Basis der Leistungsbewertung von mit dem StaBS kalkulierten Leistungen seien ärztliche und technische Kalkulationszeiten. Der Bewertungsausschuss habe die Kalkulationszeiten überprüft und zu einem großen Teil angepasst. Ausgenommen von dieser Anpassung seien zeitgebundene Leistungen (wie beispielsweise bestimmte Gespräche und psychotherapeutische Leistungen) sowie vorerst die Schnitt-Naht-Zeiten für ambulante und belegärztliche Operationen und die Zeiten dazugehöriger Anästhesieleistungen. Grundlage der Beratungen seien Berechnungen des Instituts des Bewertungsausschusses gewesen, in denen die tatsächliche (empirische) Arbeitszeit der Ärzte für StaBS-Leistungen den im StaBS kalkulierten Zeiten gegenübergestellt worden seien. Ausgehend von diesem Ergebnis sei eine umfassende medizinische Plausibilisierung der Zeitansätze unter Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts sowie der Delegationsfähigkeit von Leistungen erfolgt. Als Folgeänderung der aktualisierten Kalkulationszeiten seien auch die Prüfzeiten im Anhang 3 des EBM entsprechend angepasst worden. Das StaBS folge einer betriebswirtschaftlichen Kostenarten-Kostenstellen-Kostenträger-Rechnung. Für jede Fachgruppe gebe es eine Modellpraxis, das sog. Praxisbetriebsmodell (PBM). Die derzeit in den einzelnen Praxisbetriebsmodellen des StaBS eingestellten Kosten seien auf Basis von Ergebnissen einer Sonderauswertung der Kostenstrukturerhebung im medizinischen Bereich des Statistischen Bundesamtes (KSE 2015) aktualisiert worden. Die so anhand der KSE 2015 ermittelten durchschnittlichen Praxiskosten würden kostenartenspezifisch vom Jahr 2015 auf das Jahr 2019 hochdatiert, um die Kostenentwicklung in diesem Zeitraum abzubilden (vgl. Entscheidungserhebliche Gründe Teil A und Teil E zum Beschluss des Bewertungsausschusses vom 11.12.2019, S. 1 f., http://institut-ba.de/ba/babeschluesse/2019-12-11 ba455 eeg 6.pdf).

Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung stand im Fokus der Reform die betriebswirtschaftliche Kalkulation der ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen. Sie sei an die aktuelle Kostenstruktur der einzelnen Arztgruppen angepasst worden. Der kalkulatorische Arztlohn sei auf 117.060 EUR festgelegt worden. Auch die Zeiten, die Ärzte im Schnitt für eine Behandlung oder Untersuchung benötigten und die ebenfalls in die Leistungsbewertung einfließen würden, seien überprüft und angepasst worden. Dies sei dringend nötig gewesen, da sich die Kosten, aber auch die Zeiten in den vergangenen Jahren teilweise erheblich verändert hätten. So seien Ärzte immer wieder unverschuldet in eine Plausibilitätsprüfung geraten, weil die Zeiten für bestimmte Leistungen zu hoch bemessen gewesen seien. Dies sei jetzt geändert und eine moderne Gebührenordnung geschaffen worden. Der Aufbau und die Struktur des EBM seien von der Reform unberührt geblieben. Auch bei der Abrechnung der einzelnen Leistungen habe sich für die Ärzte und Psychotherapeuten kaum etwas geändert. Strukturelle Änderungen, wie punktuelle inhaltliche Erweiterungen der Leistungsbeschreibung oder redaktionelle Klarstellungen, seien in Abstimmung mit den Berufsverbänden auf das Nötigste reduziert worden. Dass mit der Reform nur wenige Leistungen neu in den EBM aufgenommen würden und sich die Honorierung kaum ändere, hänge damit zusammen, dass es kein zusätzliches Geld gebe. Denn als der Bewertungsausschuss im Jahr 2012 die Reform beschlossen habe, sei vereinbart worden, dass die Änderungen im EBM für die Krankenkassen ausgabenneutral erfolgen müssten (vgl. KBV Praxisnachrichten, Neuer EBM ab 1. April 2020 beschlossen, https://www.kbv.de/html/1150 43443.php). Die Bewertung ärztlicher Leistungen erfolge weiterhin auf Grundlage des StaBS. Die Systematik des StaBS sei grundsätzlich beibehalten und insb. in den drei Punkten kalkulatorischer Arztlohn, Praxiskosten auf Basis der Kostenstrukturstatistik des Statistischen Bundesamtes und Kalkulationszeiten der einzelnen Leistungen aktualisiert worden. Die Zeitansätze aller Leistungen im EBM seien überprüft worden. Dabei sei die tatsächliche (empirische) Arbeitszeit der Ärzte den kalkulierten Zeiten gegenübergestellt worden mit dem Ergebnis, dass die abgerechneten Zeiten etwa doppelt so hoch lägen wie die Jahresarbeitszeit. Davon ausgehend habe eine medizinische Plausibilisierung der Zeitansätze unter Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts sowie der Delegationsfähigkeit von Leistungen stattgefunden. Im Ergebnis führe die Plausibilisierung dazu, dass die Zeiten um durchschnittlich ca. 30 % gesenkt würden. Durch die Absenkung der Kalkulationszeiten gehe kein Vergütungsvolumen verloren. Nicht in den Zeiten abgesenkt worden seien Leistungen mit einer festen Taktung wie Gesprächsleistungen oder Anästhesien (vgl. KBV, Weiterentwicklung des EBM, https://www.kbv.de/html/weiterentwicklung-ebm.php).

Für das Fachgebiet der klägerischen Praxis, Fachgebiet der Allgemeinmedizin, zeigt folgende Tabelle die Änderungen bei einzelnen Leistungen:

Nr. EBM Legende (Kurzfassung) Kalkulationszeit (Minuten) Bewertung (Punkte) Prüfzeit (Minuten) IV/15 II/20 IV/15 II/20 IV/15 II/20
03000 Versichertenpauschale bis 4 21 236 225 23 16
Versichertenpauschale 5-18 14 150 142 14 11
Versichertenpauschale 19-54 12 122 114 11 9
Versichertenpauschale 55-75 15 157 148 13 11
Versichertenpauschale ab 76 21 210 200 18 16
03220 Zuschlag chronische Erkrankung 10 130 130 15 8
03221 Zuschlag chronische Erkrankung 3 40 40 4 2
03230 Problemorientiertes ärztliches Gespräch 10 90 128 10 10
03241 Langzeit-EKG 10 7 92 86 10 7
03321 Belastungs-EKG 11 7 200 198 10 6
03324 Langzeit-Blutdruckmessung 2 2 78 57 2 2
35100 Differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände 17 15 152 193 16 15
35110 Verbale Intervention bei psychosomatischen 17 15 152 193 16 15
30790 Eingangsdiagn. u. Abschlussuntersuchung Körperakupunktur 42 40 470 516 30 29
30791 Durchführung einer Körperakupunktur 13 5 212 166 10 4

Die Aufstellung zeigt, was auch für die übrigen Fachgruppen gilt, eine Absenkung der Kalkulations- und Prüfzeiten eines Großteils der Leistungen, ohne dass zwingend in gleichen Umfang eine Absenkung der Bewertung in Punkten erfolgt.

Maßgeblich der Neubewertung der Kalkulations- und Prüfzeiten waren nach der Begründung des Bewertungsausschusses und der Stellungnahme der KBV eine medizinische Plausibilisierung der Zeitansätze unter Berücksichtigung des medizinisch-technischen Fortschritts sowie der Delegationsfähigkeit von Leistungen. Damit kommt der Bewertungsausschuss seiner Nachbesserungspflicht als Normgeber nach. Sie ist die Kehrseite seines Einschätzungs- und Prognosespielraums. Ob der normgeberischen Entscheidung eine gültige Prognose zugrunde liegt, ist grundsätzlich aus einer ex-ante-Perspektive im Hinblick auf die verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten zu beurteilen. Die Prognose wird nicht dadurch ungültig und rechtswidrig, dass sie sich im Nachhinein als falsch erweist. Allerdings kann ein grob unzutreffendes Ergebnis ein Indiz für die Ungültigkeit einer Prognose sein. Der Normgeber darf gerade in komplexen Sachgebieten auch neue Konzepte praktisch erproben und Erfahrungen sammeln. Auch nach dem Erlass einer Regelung muss der Normgeber aber die weitere Entwicklung beobachten, erlassene Normen überprüfen und ggf. revidieren, falls sich herausstellt, dass die ihnen zugrunde liegenden Annahmen fehlerhaft waren oder nicht mehr zutreffen (vgl. (BVerfG, Urt. v. 19.09.2018 - 2 BvF 1/15 - BVerfGE 150, 1, juris Rdnr. 175 f.). Eine Nachbesserungspflicht besteht dann, wenn sich im Vollzug von ursprünglich gerechtfertigten Regelungen herausstellt, dass die die Norm legitimierenden Gründe weggefallen oder die Auswirkungen für einzelne Normadressaten unzumutbar geworden sind (vgl. BSG, Beschl. v. 11.03.2009 - B 6 KA 31/08 B - juris Rdnr. 22; BSG, Urt. v. 07.02.1996 - 6 RKa 42/95 - SozR 3-2500 § 85 Nr. 12, juris Rdnr. 20 jeweils m.w.N.) oder wenn der Normgeber aufgrund der in der Zwischenzeit gewonnenen Erfahrungen und der geänderten Verhältnisse die tatsächlichen Bedingungen mittlerweile anders einschätzt (vgl. BSG, Beschl. v. 18.08.2010 - B 6 KA 18/10 B - SozR 4-2500 § 95 Nr. 17, juris Rdnr. 7).

Die Festlegung der hier maßgeblichen Prüfzeiten beruht auf dem Jahr 2005 bzw. der Akupunkturleistungen auf dem Jahr 2006. Es sind keine Umstände ersichtlich, dass die hier maßgeblichen Prüfzeiten im streitgegenständlichen Zeitraum bereits unvertretbar oder willkürlich festgesetzt worden wären. Allein aus einer anderen Einschätzung oder Festlegung der Prüfzeiten zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt kann auf eine Fehlerhaftigkeit in der Vergangenheit kein Rückschluss gezogen werden. Von daher kann auch dahingestellt bleiben, ob rechtspolitische Absicht der EBM-Reform auch war, die zeitbezogenen Prüfverfahren zu reduzieren.

Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens hat die Beklagte den Leistungsanteil abgeschöpft, der im Quartal auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 780 Stunden entfällt.

Der Rechenvorgang über die Feststellung eines Überschreitungsprozentsatzes bedeutet letztlich, dass die Beklagte einen erwirtschafteten Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt hat. Auf diese Weise hat die Beklagte alle Vergütungsanteile und evtl. Sachkostenerstattungen einbezogen. Dies war von der Kammer nicht zu beanstanden. Die letztlich hier zu Tage tretende systematisch fehlerhafte Abrechnung hat die Beklagte damit zu Gunsten des Klägers letztlich nur auf die Tage bezogen, an denen eine Überschreitung der Grenze vorliegt. Evtl. Sachkostenerstattungen sind Teil des Vergütungsanspruchs, unabhängig davon, ob sie gesondert ausgewiesen werden oder ob sie als Teil der Leistungsbewertung mit der Abgeltung der Leistung indirekt erstattet werden. Diese Vorgehensweise wäre nur dann im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zu beanstanden, wenn der Kläger eine signifikant von seiner Fachgruppe bzw. seine Fachgruppe von den übrigen Fachgruppen abweichende Kostenerstattung hätte, also ein ganz wesentlicher Teil des Vergütungsanspruchs ein bloß "durchlaufender" Posten wäre, was hier aber nicht der Fall ist.

Nicht zu beanstanden war ferner die quartalsbezogene Berechnung des jeweiligen Rückforderungsbetrages. Soweit die Beklagte hierbei quotierte Punktwerte angesetzt hat anstatt eines durchschnittlichen Punktwerts, wird die Klägerin begünstigt.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.

Die Streitwertfestsetzung ergeht durch Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem Rückforderungsbetrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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