S 142 AS 918/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
142
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 142 AS 918/20
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Liegen bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruches die Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II nur bei einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft vor, das aufgrund des bedarfsdeckenden Einkommens aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet, so führt dies nicht dazu, dass die Rechtsfolgen des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II auch auf die verbleibenden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwenden sind.
Der endgültige Festsetzungsbescheid vom 8.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.1.2020 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) für Dezember 2018 weitere Leistungen in Höhe von jeweils 4,34 EUR zu bewilligen. Die Erstattungsbescheide vom 8.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.1.2020 werden aufgehoben, soweit der Beklagte für den Monat Dezember 2018 von den Klägern jeweils einen über 37,14 EUR hinausgehenden Betrag erstattet verlangt. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Berufung des Beklagten wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Dezember 2018 und insoweit zuletzt darüber, ob im Rahmen der endgültigen Leistungsfestsetzung bei der Einkommensanrechnung ein Durchschnittseinkommen zu bilden ist.

Der im Jahr 1955 geborene Kläger zu 1) und die im Jahr 1959 geborene Klägerin zu 2) bewohnten im Jahr 2018 zusammen mit ihrer im Jahr 1997 geborenen Tochter eine Wohnung, für die eine Bruttowarmmiete von 617,37 EUR und ab Januar 2019 von 653,10 EUR anfiel; die Warmwasserbereitung erfolgte dezentral. Im September 2018 wurde vom Vermieter ein Betriebskostenguthaben von 132,14 EUR auf die Miete angerechnet, so dass diese in diesem Monat nur noch 485,22 EUR betrug. Der Kläger zu 1) erhielt eine Rente wegen Erwerbsminderung, die ab Juli 2018 monatlich 233,20 EUR betrug. Ferner wurde an den kindergeldberechtigten Kläger zu 1) Kindergeld für die Tochter in Höhe von monatlich 194,00 EUR erbracht. Die Tochter absolvierte ab September 2018 eine Ausbildung.

Der Beklagte bewilligte den Klägern vorläufig Leistungen für den Monat September 2018 in Höhe von 951,52 EUR, für Oktober 2018 von 819,38 EUR, für November und Dezember 2018 von jeweils 951,52 EUR sowie für Januar und Februar 2019 von jeweils 1.010,18 EUR (Bescheide vom 24.7.2018, 5.9.2018 und 8.1.2019).

Die Tochter der Kläger erzielte eine Ausbildungsvergütung im Monat September 2018 von 771,15 EUR brutto = 619,50 EUR netto, im Oktober und November 2018 von jeweils 785,46 EUR brutto = 633,81 EUR netto, im Dezember 2018 von 885,48 EUR brutto = 713,53 EUR netto sowie im Januar und Februar 2019 von jeweils 792,50 EUR brutto = 644,21 EUR netto.

Mit endgültigem Festsetzungsbescheid vom 8.11.2019 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für den Monat September 2018 in Höhe von 939,74 EUR, für Oktober 2018 von 796,14 EUR, für November 2018 von 928,28 EUR, für Dezember 2018 von 868,56 EUR sowie für Januar und Februar 2019 von jeweils 978,56 EUR. Er berücksichtigte dabei die tatsächliche in den jeweiligen Monaten von der Tochter erzielte Ausbildungsvergütung und rechnete beim Kläger zu 1) den sich daraus ergebenden jeweiligen Kindergeldüberhang (im Monat September 2018 in Höhe von 33,84 EUR, im Oktober 2018 von 89,34 EUR, im November 2018 von 45,29 EUR, im Dezember 2018 von 105,01 EUR sowie im Januar und Februar 2019 von jeweils 35,21 EUR) monatsgenau an. Mit zwei weiteren Bescheiden vom 8.11.2019 verlangte der Beklagte von den Klägern die Erstattung der überzahlten vorläufigen Leistungen unter anderem für den Monat Dezember 2018 in Höhe von jeweils 41,48 EUR.

Den Widerspruch der Kläger gegen die Bescheide vom 8.11.2019, den diese damit begründeten, dass bei der Tochter ein Durchschnittseinkommen hätte gebildet werden müssen, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.1.2020 (W 3687/19, W 3688/19 und W 3689/19) als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 4.2.2020 erhobenen Klage begehrten die anwaltlich vertretenen Kläger zunächst die Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 48,68 EUR für den Monat Dezember 2018 samt entsprechender Reduzierung der Erstattungsforderungen; sie änderten den Klageantrag in der Folge dahingehend, dass für den Monat Dezember 2018 weitere Leistungen von insgesamt 8,68 EUR sowie die entsprechende Reduzierung der Erstattungsforderungen begehrt wird. Bei der Tochter der Kläger sei ein Durchschnittseinkommen zu berücksichtigen. Dieses betrage nach Bereinigung anstelle der im Dezember 2018 vom Beklagten angesetzten 456,44 EUR nur 447,76 EUR. In der Höhe der Differenz müsse zur Bedarfsdeckung bei der Tochter weiteres Kindergeld angerechnet werden, weshalb sich der Kindergeldüberhang entsprechend reduziere und sich für die Kläger ein weiterer Leistungsanspruch in dieser Höhe ergebe.

Die Kläger beantragen,

die Bescheide des Beklagten vom 8.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2020 (W 3687/19 + 3688/19 + 3689/19) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 1.12.2018 bis 31.12.2018 weitere Leistungen in Höhe von insgesamt 8,68 EUR zu bewilligen und die Rückforderungen für den Monat Dezember 2018 entsprechend zu reduzieren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich insoweit auf die Ausführungen in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, dass nach § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II gerade kein Durchschnittseinkommen anzusetzen gewesen sei.

Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 31.7.2020 (Beklagter) und 3.8.2020 (Kläger) gegenüber dem Gericht ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist begründet.

Streitgegenständlich ist die endgültige Leistungsfestsetzungs- und Erstattungsentscheidung nur bezüglich des Monats Dezember 2018, denn die Kläger haben die Klage bereits bei Erhebung zulässigerweise (vgl. BSG v. 11.7.2019 – B 14 AS 44/18 R, RdNr. 10; juris) auf diesen Monat beschränkt.

Die Bescheide vom 8.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.1.2020 (W 3687/19, W 3688/19 und W 3689/19) sind hinsichtlich des Monats Dezember 2018 rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben Anspruch auf die Bewilligung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Monat Dezember 2018, so dass auch die Erstattungsforderung hinsichtlich der für Dezember 2018 vorläufig zu hoch gewährten Leistungen zu reduzieren ist.

Die Kläger erfüllten – unstreitig – die Anspruchsvoraussetzungen des § 19 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-4 SGB II. Im Streit steht allein die Höhe der Hilfebedürftigkeit.

Die (Gesamt-)Bedarfe der Kläger im streitigen Monat Dezember 2018 betrugen 1.176,78 EUR (2 x Partnerregelbedarf von 374,00 EUR, 2 x Mehrbedarf Warmwasser von 8,60 EUR, 2 x kopfteilige Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 205,79 EUR).

Auf diese Bedarfe ist das Einkommen des Klägers zu 1) in der Form der Erwerbsminderungsrente anzurechnen; die Rente von 233,20 EUR ist nach Bereinigung um die Versicherungspauschale nach § 6 Nr. 1 Alg II-V von 30,00 EUR in Höhe von 203,20 EUR bedarfsmindernd anzurechnen.

Hinzu kommt als Einkommen des Klägers zu 1) der Kindergeldüberhang, also der Teil des für die Tochter gewährten Kindergelds, den diese nicht nach § 11 Abs. 1 S. 5 und 4 SGB II zur Bedarfsdeckung benötigt (vgl. zum Kindergeldüberhang etwa BSG v. 23.6.2016 – B 14 AS 4/15 R; RdNr. 21; BSG v. 20.2.2014 – B 14 AS 53/12 R, RdNr. 14 und 19; juris).

Bei der Tochter der Kläger fielen im Monat Dezember 2018 Bedarfe in Höhe von 545,43 EUR (Regelbedarf U25 von 322,00 EUR, Mehrbedarf Warmwasser 7,64 EUR und kopfteilige Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 205,79 EUR) an. Zutreffend hat der Beklagte auf diese ein Einkommen in der Form der Ausbildungsvergütung in Höhe von 456,44 EUR angerechnet, so dass zur vollständigen Bedarfsdeckung Kindergeld in Höhe 88,99 EUR benötigt wird und ein Kindergeldüberhang in Höhe von 105,01 EUR (194,00 EUR - 88,99 EUR) beim Kläger zu 1) anfällt. Denn bei der Tochter der Kläger ist im Monat Dezember 2018 die in diesem Monat zugeflossene Ausbildungsvergütung zu berücksichtigen.

Zutreffend hat der Beklagte – entgegen der Auffassung der Kläger – im Rahmen der streitigen endgültigen Leistungsfestsetzung kein Durchschnittseinkommen der Einkünfte der Tochter gebildet. Zwar ist bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs nach § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II als Einkommen ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Die Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens bei der abschließenden Entscheidung erfolgt dabei unabhängig vom Grund der Vorläufigkeit, erfasst alle Einkommensarten und alle Monate des Bewilligungszeitraums (vgl. BSG v. 11.7.2019 – B 14 AS 44/18 R; RdNr. 18ff.; juris). Indes gilt unter anderem nach § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II von der Spezialregelung des § 41a Abs. 4 S. 1 und 3 SGB II eine Rückausnahme, die eine Berechnung auf der Grundlage des tatsächlichen monatlichen Einkommens erfordert, und die hier zur Anwendung kommt. Danach ist ein Durchschnittseinkommen nicht zu bilden, soweit der Leistungsanspruch in mindestens einem Monat des Bewilligungszeitraums durch das zum Zeitpunkt der abschließenden Feststellung nachgewiesene zu berücksichtigende Einkommen entfällt; mithin ein Leistungsanspruch bei monatlich exakter Abrechnung des nachgewiesenen und zu berücksichtigenden Einkommens zumindest in einem Monat mangels Hilfebedürftigkeit nicht besteht. Mit dem Absehen von der Bildung eines Durchschnittseinkommens in diesem Fall wird eine anspruchsmindernde Übertragung von Einkommensüberhängen auf die übrigen Monate vermieden; für den Leistungsträger – und nachfolgend das Gericht – bedeutet das, dass stets geprüft werden muss, ob in allen Monaten des Bewilligungszeitraums bei Zugrundelegung des im jeweiligen Monat exakt erzielten Einkommens Hilfebedürftigkeit bestand. Nur wenn dies zu bejahen ist, darf ein Durchschnittseinkommen gebildet und der abschließenden Festsetzung zugrunde gelegt werden (vgl. Grothe-Seifert in jurisPK-SGB II, Stand 17.4.2020, § 41a RdNr. 61).

Insoweit ist nach Auffassung der Kammer zunächst in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob bei der Tochter unter Berücksichtigung des monatlich tatsächlich erzielten Einkommens in zumindest einem Monat der Leistungsanspruch entfällt. Denn ihr Einkommen ist bei ihr vertikal anzurechnen und die Höhe des zur Bedarfsdeckung benötigten Kindergelds entscheidet über die Höhe des beim Klägers zu 1) zu berücksichtigenden Kindergeldüberhangs.

Bei der Tochter entfiel unter Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens in jedem Monat des Bewilligungszeitraums der Leistungsanspruch und damit auch "in mindestens einem Monat" im Sinne des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II. Stellt man etwa das im Monat Dezember 2018 vorhandene Einkommen der Tochter ihren Bedarfen gegenüber, so besteht für sie kein Leistungsanspruch. Denn den Bedarfen von 545,43 EUR steht das in diesem Monat erzielte Einkommen von 885,46 EUR brutto = 713,53 EUR netto gegenüber. Der Freibetrag beträgt 257,09 EUR (Grundfreibetrag 100,00 EUR nach § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II und Erwerbstätigenfreibetrag 157,09 EUR nach § 11b Abs. 3 S. 1 und 2 SGB II), so dass ein anzurechnendes Erwerbseinkommen von 456,44 EUR verbleibt. Hinzu kommt das Kindergeld, dass gemäß § 11 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II insoweit beim Kind angerechnet wird, als es zur Bedarfsdeckung benötigt wird, mithin vorliegend in Höhe von 88,99 EUR. Da die Tochter der Kläger folglich zumindest im Monat Dezember 2018 über bedarfsdeckende Einkünfte verfügt, liegt – bei ihr – die Rückausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II vor und es ist kein Durchschnittseinkommen bei der Tochter der Kläger anzusetzen.

Dies führt dazu, dass grundsätzlich in den Monaten September 2018 bis Februar 2019 jeweils ein unterschiedlich hoher Kindergeldüberhang beim Kläger zu 1) zu anzusetzen ist, wie ihn der Beklagte in dem angefochtenen endgültigen Festsetzungsbescheid ausgewiesen hat.

Auf einer zweiten Stufe ist aber zur Überzeugung der Kammer nunmehr für die Bedarfsgemeinschaft der Kläger zu prüfen, ob auch bei ihnen die Rückausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II eingreift. Denn nach Auffassung der Kammer kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass dies – nur – bei ihrer Tochter der Fall ist.

Ungeklärt ist bisher, ob die Rückausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfasst, auch wenn nur bei einem durch die Berücksichtigung des tatsächlichen zugeflossenen Einkommens in zumindest einem Monat der Leistungsanspruch entfällt. Der Wortlaut der Regelung ist insoweit nicht weiterführend. Zwar mögen Grundsätze der Verwaltungsökonomie dafür sprechen, in diesem Fall – einheitlich – bei allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ein Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen. Dies würde indes dem Grundsatz des Individualanspruch jedes Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft wiedersprechen (vgl. dazu zuletzt etwa BSG v. 11.7.2019 – B 14 AS 44/18 R, RdNr. 10; juris). Ausnahmen von der individuellen Einkommensanrechnung bei der Bestimmung des Leistungsanspruchs bedürfen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung, wie dies etwa aus § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II für die horizontale Einkommensanrechnung oder aber aus § 11 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II für die – von der einkommenssteuerrechtlichen Kindergeldberechtigung abweichenden – Anrechnung von Kinderzuschlag und Kindergeld folgt. Eine solche Regelung für eine Übertragung der Grundsätze zur Anrechnung eines Durchschnittseinkommens auf andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft fehlt im Rahmen des § 41a Abs. 4 SGB II; vielmehr zeigt die Regelung der weiteren Rückausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB II, dass der Gesetzgeber nicht allgemein auf alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, sondern auf jede einzelne leistungsberechtigte Person abstellt.

Zur Überzeugung der Kammer kann aber zumindest dann, wenn der Wegfall des Leistungsanspruchs bei nur einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II dazu führt, dass dieses aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet, die Rechtsfolge des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht mehr auf die verbleibenden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angewandt werden. Denn die Person, die aufgrund des bedarfsdeckenden Einkommens aus der Bedarfsgemeinschaft ausscheidet, unterfällt damit – mangels Anspruchsberechtigung – nicht mehr dem Leistungsregime des SGB II, so dass der Wegfall des Leistungsanspruchs im Sinne des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II bei ihr auch keine Rechtswirkungen mehr für die verbleibenden Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfalten kann. Im vorliegenden Fall könnte darüber hinaus auch der Sinn und Zweck der Regelung des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II, dass mit dem Absehen von der Bildung eines Durchschnittseinkommens eine anspruchsmindernde Übertragung von Einkommensüberhängen auf die übrigen Monate vermieden wird (vgl. dazu etwa Grothe-Seifert, jurisPK-SGB II, Stand 17.4.2020, § 41a RdNr. 61), nicht erreicht werden, weil der Einkommensüberhang bei der Tochter in der Form des Kindergeldüberhangs bei den in der Bedarfsgemeinschaft verbleibenden Mitgliedern ohnehin angerechnet wird.

Da die Tochter der Kläger mithin aufgrund des bei ihr vorhandenen bedarfsdeckenden Einkommens aus der Bedarfsgemeinschaft der Kläger nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ausscheidet, gilt die Rückausnahme des § 41a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II nur bei ihr und kann nicht auf die Kläger übertragen werden. Die Kläger selbst erfüllen indes die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 41a Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht. Denn bei ihnen entfällt unter Berücksichtigung des monatlich erzielten Einkommens in keinem Monat des Bewilligungszeitraums der Leistungsanspruch. Deshalb gilt für sie die Grundregel des § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II und aus ihren Einkünften im Bewilligungszeitraum ist daher ein Durchschnittseinkommen zu bilden.

Dies wirkt sich auf die monatlich gleichbleibende Erwerbsminderungsrente des Klägers zu 1) nicht aus, hingegen auf den bei ihm zu berücksichtigenden Kindergeldüberhang. Der Beklagte hat insoweit im Monat Dezember 2018 einen Kindergeldüberhang in Höhe von 105,01 EUR angerechnet. Bildet man indes aus diesem Einkommen einen Durchschnittsbetrag für den Bewilligungszeitraum (für jede Einkommensart ist gesondert ein Durchschnittseinkommen zu bilden; vgl. BSG v. 11.7.2019 – B 14 AS 44/18 R, RdNr. 41; juris), so durfte lediglich ein Kindergeldüberhang in Höhe von 57,32 EUR angerechnet werden. Denn unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kindergeldüberhänge im Monat September 2018 in Höhe von 33,84 EUR, im Oktober 2018 von 89,34 EUR, im November 2018 von 45,29 EUR, im Dezember 2018 von 105,01 EUR sowie im Januar und Februar 2019 von jeweils 35,21 EUR ergibt sich ein Durchschnittsbetrag in eben dieser Höhe. Rechnet man die Erwerbsminderungsrente von bereinigt 203,20 EUR und den durchschnittlichen Kindergeldüberhang von 57,32 EUR auf den (Gesamt-)bedarf der Kläger von 1.176,78 EUR an, so verbleiben im Dezember 2018 ungedeckte Bedarfe und damit Leistungsansprüche der Kläger von jeweils 458,13 EUR, mithin jeweils weitere 23,85 EUR im Vergleich zu den vom Beklagten bewilligten Leistungen von jeweils 434,28 EUR.

Aufgrund der Beschränkung des Klageantrags durch die anwaltlich vertretenen Kläger auf einen Betrag von insgesamt weiteren 8,68 EUR (mithin 4,34 EUR pro Kläger), konnte nach dem auch im sozialrechtlichen Verfahren geltenden Grundsatz ne ultra petita (vgl. dazu etwa BSG v. 23.4.2015 – B 5 RE 23/14 R, RdNr. 11f.; juris) trotz des höheren Leistungsanspruchs der Kläger nur ein Betrag in der geltend gemachten Höhe zugesprochen werden. Die tenorierten weiteren Leistungen sind "nur" zu bewilligen, aber nicht an die Kläger auszuzahlen, weil bereits vorläufige Leistungen in darüber hinausgehender Höhe gewährt wurden, so dass sich allein die Erstattungssumme in entsprechender Höhe reduziert. Ausgehend von den nach § 41a Abs. 6 SGB II vom Beklagten geltend gemachten Erstattungsbeträgen von jeweils 41,48 EUR dürfen aufgrund des tenorierten weiteren Leistungsanspruchs von jeweils 4,34 EUR nur noch Beträge in Höhe von jeweils 37,14 EUR erstattet verlangt werden; darüber hinausgehend waren die Erstattungsbescheide aufzuheben.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Der Wert des Beschwerdegegenstands des Beklagten übersteigt in Anbetracht der tenorierten Leistungen den Betrag von über 750,00 EUR nicht, so dass die Berufung gemäß §§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung bedurft hätte. Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Denn es liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage vor, wie die Regelungen zur Bildung eines Durchschnittseinkommens bzw. zur Rückausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II in Fällen des Kindergeldüberhangs anzuwenden sind; insbesondere ist nicht geklärt, ob die Rückausnahme des § 41a Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB II für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingreift, wenn nur bei einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Leistungsanspruch entfällt, selbst wenn dieses Mitglied dadurch kein Teil mehr der Bedarfsgemeinschaft ist.
Rechtskraft
Aus
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