Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 92/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 29/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.01.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Pflichtversicherungsbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum Inhaber einer Versicherungsagentur, in der der Beigeladene zu 1) - sein Sohn - beschäftigt war. Nach dem Anstellungsvertrag vom 14.12.1987 in der Fassung des Nachtrags vom 14.12.1994 waren ab 01.10.1994 ein Gehalt sowie eine Provisionspauschale von jeweils 1.593,00 DM sowie Reisekosten in Höhe von 843,00 DM vereinbart. Die Provisionspauschale wurde monatlich auch dann ausgezahlt, wenn die Höhe der tatsächlich erzielten Provisionen diesen Betrag nicht erreichten. Innerhalb eines Kalenderjahres erfolgte jedoch gegebenenfalls eine Verrechnung, wenn in den Folgemonaten höhere Provisionsansprüche entstanden. Wenn am Jahresende die tatsächlichen Provisionsansprüche unter der Höhe der Provisionspauschale blieben, erfolgte keine Rückforderung.
Der Beigeladene zu 1) war bis Ende 1994 Mitglied der Beigeladenen zu 2), ab dem 01.01.1995 war er privat krankenversichert. Unterlagen zur Beendigung der damaligen Mitgliedschaft liegen der Beigeladenen zu 2) nicht mehr vor. Ab Januar 1995 wurde der Beigeladene zu 1) bei der AOK Westfalen-Lippe als versicherungsfrei in der Krankenversicherung und pflichtversichert in der Renten- und Arbeitslosenversicherung angemeldet. Dabei gaben der Kläger und der Beigeladene zu 1) an, es sei ein Entgelt von 70.000,00 DM jährlich vereinbart. Nachdem der Kläger die zunächst gemachte Angabe zum Weisungsrecht korrigiert und mitgeteilt hatte, der Beigeladene zu 1) unterliege allen Anweisungen und sei einem familienfremden Arbeitnehmer absolut gleichzusetzen, stellte die AOK Westfalen-Lippe mit Bescheid vom 01.09.1995 fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 01.01.1995 der Angestelltenrenten- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.
Für den Beigeladenen zu 1) sind in den Jahren 1994 bis 1997 folgende Jahresarbeitsverdienste als sozialversicherungspflichtiges Entgelt gemeldet worden:
1994 55.560,00 DM,
1995 59.995,00 DM,
1996 58.833,00 DM,
1997 74,828.00 DM.
Aufgrund einer am 04.03.1998 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum Dezember 1993 bis Dezember 1997 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 05.03.1998 Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) für die Jahre 1995 und 1996 in Höhe von insgesamt 17.349,60 DM, weil wegen Nichterreichen der Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungspflicht bestanden habe. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, ab 1995 sei aufgrund der Gehaltsentwicklung ein Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze zu erwarten gewesen. Insoweit wies er darauf hin, der Beigeladene zu 1) habe im Januar 1995 ein monatliches Bruttoentgelt von 6.645,25 DM bezogen, das Gehalt habe auch in den Monaten Mai und November 1995 über der anteiligen Beitragsbemessungsgrenze gelegen. Im Jahre 1996 habe er im Mai und im Dezember Verdienste oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt. Diese Zahlen belegten, dass im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung auf Dauer mit einer Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze für das ganze Jahr zu rechnen gewesen sei, auch wenn diese Entwicklung sich tatsächlich aus anderen Gründen nicht realisiert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, das Entgelt habe im Jahr 1995 nur im Januar die anteilige Beitragsbemessungsgrenze überschritten, in den anderen Monaten habe der Beigeladene zu 1) neben dem laufenden Entgelt eine Einmalzahlung erhalten.
Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er hat an seiner Auffassung festgehalten, die von ihm genannten Entgelte für die einzelnen Monate belegten, dass von einem dauerhaften Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auszugehen gewesen sei. Der Kläger hat die Lohnabrechnungen für die Jahre 1995 und 1996 übersandt; insoweit wird auf Blatt 35 bis 60 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 24.01.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1) sei abhängig beschäftigt gewesen. Er sei nicht in der Krankenversicherung versicherungsfrei wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze gewesen, da ein voraussichtlich dauerhaftes Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze prognostisch nicht zu erwarten gewesen sei. Das Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in den einzelnen Monaten habe nicht aufgrund einer Vertragsänderung, sondern auf außerordentlich hohen Provisionszahlungen beruht, die, wie der Kläger selbst eingeräumt habe, starken Schwankungen in ihrer Höhe unterworfen seien.
Im Berufungsverfahren wiederholt der Kläger seinen bisherigen Vortrag. Er ist der Auffassung, die Beklagte müsse nachweisen, dass nicht von einem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auszugehen gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.01.2002 zu ändern und den Bescheid vom 05.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, bei stark schwankenden Bezügen könne ein Vergleich zwischen der Schätzung und dem tatsächlich erzielten Jahresarbeitsentgelt erst nach Ablauf eines Jahres vorgenommen werden. Von daher sei Versicherungsfreiheit für das Jahr 1995 in keinem Fall anzunehmen. Unter Berücksichtigung der unveränderten Gehaltsverhältnisse habe der Kläger auch nicht davon ausgehen können, dass für das Jahr 1996 Versicherungsfreiheit eintrete.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 2) meint, da der Beigeladene zu 1) schon im Jahr 1994 nicht die damals geltende Beitragsbemessungsgrenze überschritten habe, habe auch im Jahr 1995 nicht Versicherungsfreiheit eintreten können.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) nachgefordert.
Der Beigeladene zu 1) war in den Jahren 1995 und 1996 bei dem Kläger abhängig beschäftigt. Diese Feststellung der AOK Westfalen-Lippe im Bescheid vom 01.09.1995 hat der Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen. Somit bestand gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch Krankenversicherungspflicht.
Versicherungsfreiheit ergibt sich nicht aus dem Bescheid der AOK Westfalen- Lippe vom 01.09.1995. Diese hat in diesem Bescheid keine bindende Entscheidung zur Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung getroffen, vielmehr hat sie ausdrücklich nur über die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung entschieden. Zwar geht der Bescheid unausgesprochen von der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung aus (andernfalls hätte die AOK Westfalen-Lippe auch auf Versicherungspflicht in der Krankenversicherung erkennen müssen), eine Aussage dazu enthält das Schreiben aber nicht. Soweit der Beigeladene zu 1) behauptet hat, die Beigeladene zu 2) habe ihm eine "Befreiung" erteilt, hat er einen entsprechenden Nachweis nicht vorgelegt. Der Beigeladenen zu 2) liegen keine Unterlagen vor. Ersichtlich hat keiner der in § 8 Abs. 1 SGB V geregelten Sachverhalte vorgelegen, bei denen eine Befreiung von der Krankenversicherungspflicht auf Antrag möglich ist. Die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 SGB V tritt kraft Gesetzes ein und setzt keine Befreiung durch den Krankenversicherungsträger voraus, so dass es unwahrscheinlich ist, dass dem Beigeladenen zu 1) wegen der Höhe des Entgeltes eine "Befreiung" erteilt worden sein soll.
Entgegen der Annahme des Klägers war der Beigeladene zu 1) nicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze versicherungsfrei nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (in der damals geltenden Fassung). Da § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V darauf abstellt, ob das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahres arbeitsentgeltgrenze übersteigt, ist es unerheblich, ob in einzelnen Monaten die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Das tatsächliche Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) lag 1995 mit 59.995,00 DM deutlich unter der Grenze der damals geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze von 70.200,00 DM, auch im Jahr 1996 erreichte das Jahresarbeitsentgelt von 58.833,00 DM bei Weitem nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze von 72.000,00 DM.
Zwar hätte allein die Tatsache, dass auch im Jahr 1994 das tatsächliche Entgelt nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze erreichte, der Versicherungsfreiheit ab 01.01.1995 nicht entgegengestanden. Wird nämlich ein grenzüberschreitendes Entgelt ab Beginn eines neuen Kalenderjahres vereinbart, tritt Versicherungsfreiheit schon mit Beginn dieses und nicht erst mit Beginn des nächsten Jahres ein (vgl. KassKomm - Peters, § 6 SGB V Rdn. 14). So liegt es hier allerdings nicht. Das Gehalt des Beigeladenen zu 1) war nicht erhöht worden, vielmehr hatte er nach dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag nur Anspruch auf eine erfolgsunabhängige Vergütung von 3.196,00 DM zuzüglich 1.047,00 DM Fahrtkosten (abweichend vom Vertrag nach der tatsächlichen Handhabung). Dieser monatliche Anspruch lag weit unter der damals geltenden monatlichen Jahresarbeitsentgeltgrenze von 5.850,00 DM. Versicherungsfreiheit wäre somit nur in Betracht gekommen, wenn bei einer vorausschauenden Betrachtung mit hinreichender Sicherheit über der Anteilsprovision liegende Provisionsansprüche zu erwarten gewesen wären, aufgrund derer das Jahresarbeitsentgelt die geltende Grenze überschreiten würde. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Der Auflage, entsprechende Unterlagen vorzulegen, sind Kläger und die Beigeladene zu 1) nicht nachgekommen. Das einmalige Überschreiten der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze im Januar 1995 bot keine ausreichende Sicherheit für ein dauerhaftes Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Der Kläger hat selbst vorgetragen, Abschlussprovisionen seien vermehrt zum Jahresende und zu Beginn des neuen Jahres angefallen. Zum Jahresende habe die Versicherungsgesellschaft jeweils Herbstwerbungen durchgeführt, dadurch seien vermehrt Geschäfte abgeschlossen worden. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter Verträge provisionsmäßig in den Januar genommen, wenn sie die vorgegebenen Ziele im Dezember bereits erreicht gehabt hätten, um so eine sichere Zielerreichung für das nächste Jahr zu gewährleisten. Hierdurch seien vermehrt Provision im Januar angefallen. Dieser Anfall ungewöhnlich hoher Provisionsansprüche in den Monaten Januar und Dezember wird auch in den vorgelegten Lohnabrechnungen deutlich, denn der Beigeladene zu 1) hat nur im Januar 1995 und im Dezember 1996 Provisionszahlungen erhalten, aufgrund derer das Entgelt die anteilige Bemessungsgrenze überstieg. Soweit ansonsten die monatlichen Entgelte die anteilige Grenze überschritten haben, war dies nur aufgrund von Einmalzahlungen der Fall. Mangels einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme regelmäßiger monatlicher Provisionsansprüche von mehr als 3.000,00 DM, die der Beigeladene zu 1) hätte erzielen müssen, um zusammen mit seinem Gehalt und den Fahrtkosten unter Berücksichtigung zu erwartender Einmalzahlungen die Jahresarbeitsentgeltgrenze zu erreichen, war für die Annahme von Versicherungsfreiheit kein Raum. Die Behauptung des Klägers gegenüber der AOK Westfalen-Lippe, es sei ein Jahresgehalt von 70.000,00 DM vereinbart, entsprach nicht den Gegebenheiten und war offenbar zweckgerichtet.
Die Ansicht des Klägers, die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit nicht vorgelegen hätten, geht schon im Ansatz fehl. Die Versicherungsfreiheit ist eine Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht, so dass selbstverständlich derjenige, der sich auf Versicherungsfreiheit beruft, für das Vorliegen der Versicherungsfreiheit begründenden Tatsachen die objektive Beweislast trägt. Hiervon abgesehen stellt sich im vorliegenden Fall die Frage der Beweislast nicht, da Tatsachen, aufgrund derer von einem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auszugehen war, überhaupt nicht vorgetragen worden sind. Sollte der Kläger meinen, die Beklagte müsse ihn widerlegen, wenn er nur einfach behaupte, dass Versicherungsfreiheit eingetreten sei, wäre diese Auffassung abwegig.
Da der Beigeladene zu 1) somit 1995 und 1996 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung war, bestand auch Beitragspflicht (§ 223 Abs. 1 SGB V). Zugleich bestand Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)), so dass auch insoweit Beitragspflicht bestand (§ 54 Abs. 2 SGB XI). Die Verpflichtung des Klägers als Arbeitgeber zu Tragung der Beiträge ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Da der Beigeladene zu 1) sich nicht am Verfahren beteiligt bzw. die Position des Klägers unterstützt hat, ist es gerechtfertigt, dass er seine Kosten selbst zu tragen hat.
Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Pflichtversicherungsbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum Inhaber einer Versicherungsagentur, in der der Beigeladene zu 1) - sein Sohn - beschäftigt war. Nach dem Anstellungsvertrag vom 14.12.1987 in der Fassung des Nachtrags vom 14.12.1994 waren ab 01.10.1994 ein Gehalt sowie eine Provisionspauschale von jeweils 1.593,00 DM sowie Reisekosten in Höhe von 843,00 DM vereinbart. Die Provisionspauschale wurde monatlich auch dann ausgezahlt, wenn die Höhe der tatsächlich erzielten Provisionen diesen Betrag nicht erreichten. Innerhalb eines Kalenderjahres erfolgte jedoch gegebenenfalls eine Verrechnung, wenn in den Folgemonaten höhere Provisionsansprüche entstanden. Wenn am Jahresende die tatsächlichen Provisionsansprüche unter der Höhe der Provisionspauschale blieben, erfolgte keine Rückforderung.
Der Beigeladene zu 1) war bis Ende 1994 Mitglied der Beigeladenen zu 2), ab dem 01.01.1995 war er privat krankenversichert. Unterlagen zur Beendigung der damaligen Mitgliedschaft liegen der Beigeladenen zu 2) nicht mehr vor. Ab Januar 1995 wurde der Beigeladene zu 1) bei der AOK Westfalen-Lippe als versicherungsfrei in der Krankenversicherung und pflichtversichert in der Renten- und Arbeitslosenversicherung angemeldet. Dabei gaben der Kläger und der Beigeladene zu 1) an, es sei ein Entgelt von 70.000,00 DM jährlich vereinbart. Nachdem der Kläger die zunächst gemachte Angabe zum Weisungsrecht korrigiert und mitgeteilt hatte, der Beigeladene zu 1) unterliege allen Anweisungen und sei einem familienfremden Arbeitnehmer absolut gleichzusetzen, stellte die AOK Westfalen-Lippe mit Bescheid vom 01.09.1995 fest, dass der Beigeladene zu 1) seit dem 01.01.1995 der Angestelltenrenten- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.
Für den Beigeladenen zu 1) sind in den Jahren 1994 bis 1997 folgende Jahresarbeitsverdienste als sozialversicherungspflichtiges Entgelt gemeldet worden:
1994 55.560,00 DM,
1995 59.995,00 DM,
1996 58.833,00 DM,
1997 74,828.00 DM.
Aufgrund einer am 04.03.1998 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum Dezember 1993 bis Dezember 1997 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 05.03.1998 Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) für die Jahre 1995 und 1996 in Höhe von insgesamt 17.349,60 DM, weil wegen Nichterreichen der Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungspflicht bestanden habe. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, ab 1995 sei aufgrund der Gehaltsentwicklung ein Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze zu erwarten gewesen. Insoweit wies er darauf hin, der Beigeladene zu 1) habe im Januar 1995 ein monatliches Bruttoentgelt von 6.645,25 DM bezogen, das Gehalt habe auch in den Monaten Mai und November 1995 über der anteiligen Beitragsbemessungsgrenze gelegen. Im Jahre 1996 habe er im Mai und im Dezember Verdienste oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt. Diese Zahlen belegten, dass im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung auf Dauer mit einer Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze für das ganze Jahr zu rechnen gewesen sei, auch wenn diese Entwicklung sich tatsächlich aus anderen Gründen nicht realisiert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, das Entgelt habe im Jahr 1995 nur im Januar die anteilige Beitragsbemessungsgrenze überschritten, in den anderen Monaten habe der Beigeladene zu 1) neben dem laufenden Entgelt eine Einmalzahlung erhalten.
Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Er hat an seiner Auffassung festgehalten, die von ihm genannten Entgelte für die einzelnen Monate belegten, dass von einem dauerhaften Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auszugehen gewesen sei. Der Kläger hat die Lohnabrechnungen für die Jahre 1995 und 1996 übersandt; insoweit wird auf Blatt 35 bis 60 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 24.01.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1) sei abhängig beschäftigt gewesen. Er sei nicht in der Krankenversicherung versicherungsfrei wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze gewesen, da ein voraussichtlich dauerhaftes Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze prognostisch nicht zu erwarten gewesen sei. Das Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze in den einzelnen Monaten habe nicht aufgrund einer Vertragsänderung, sondern auf außerordentlich hohen Provisionszahlungen beruht, die, wie der Kläger selbst eingeräumt habe, starken Schwankungen in ihrer Höhe unterworfen seien.
Im Berufungsverfahren wiederholt der Kläger seinen bisherigen Vortrag. Er ist der Auffassung, die Beklagte müsse nachweisen, dass nicht von einem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auszugehen gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.01.2002 zu ändern und den Bescheid vom 05.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, bei stark schwankenden Bezügen könne ein Vergleich zwischen der Schätzung und dem tatsächlich erzielten Jahresarbeitsentgelt erst nach Ablauf eines Jahres vorgenommen werden. Von daher sei Versicherungsfreiheit für das Jahr 1995 in keinem Fall anzunehmen. Unter Berücksichtigung der unveränderten Gehaltsverhältnisse habe der Kläger auch nicht davon ausgehen können, dass für das Jahr 1996 Versicherungsfreiheit eintrete.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 2) meint, da der Beigeladene zu 1) schon im Jahr 1994 nicht die damals geltende Beitragsbemessungsgrenze überschritten habe, habe auch im Jahr 1995 nicht Versicherungsfreiheit eintreten können.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) nachgefordert.
Der Beigeladene zu 1) war in den Jahren 1995 und 1996 bei dem Kläger abhängig beschäftigt. Diese Feststellung der AOK Westfalen-Lippe im Bescheid vom 01.09.1995 hat der Kläger nicht mehr in Zweifel gezogen. Somit bestand gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch Krankenversicherungspflicht.
Versicherungsfreiheit ergibt sich nicht aus dem Bescheid der AOK Westfalen- Lippe vom 01.09.1995. Diese hat in diesem Bescheid keine bindende Entscheidung zur Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung getroffen, vielmehr hat sie ausdrücklich nur über die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung entschieden. Zwar geht der Bescheid unausgesprochen von der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung aus (andernfalls hätte die AOK Westfalen-Lippe auch auf Versicherungspflicht in der Krankenversicherung erkennen müssen), eine Aussage dazu enthält das Schreiben aber nicht. Soweit der Beigeladene zu 1) behauptet hat, die Beigeladene zu 2) habe ihm eine "Befreiung" erteilt, hat er einen entsprechenden Nachweis nicht vorgelegt. Der Beigeladenen zu 2) liegen keine Unterlagen vor. Ersichtlich hat keiner der in § 8 Abs. 1 SGB V geregelten Sachverhalte vorgelegen, bei denen eine Befreiung von der Krankenversicherungspflicht auf Antrag möglich ist. Die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 SGB V tritt kraft Gesetzes ein und setzt keine Befreiung durch den Krankenversicherungsträger voraus, so dass es unwahrscheinlich ist, dass dem Beigeladenen zu 1) wegen der Höhe des Entgeltes eine "Befreiung" erteilt worden sein soll.
Entgegen der Annahme des Klägers war der Beigeladene zu 1) nicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltsgrenze versicherungsfrei nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (in der damals geltenden Fassung). Da § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V darauf abstellt, ob das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahres arbeitsentgeltgrenze übersteigt, ist es unerheblich, ob in einzelnen Monaten die anteilige Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Das tatsächliche Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1) lag 1995 mit 59.995,00 DM deutlich unter der Grenze der damals geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze von 70.200,00 DM, auch im Jahr 1996 erreichte das Jahresarbeitsentgelt von 58.833,00 DM bei Weitem nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze von 72.000,00 DM.
Zwar hätte allein die Tatsache, dass auch im Jahr 1994 das tatsächliche Entgelt nicht die Jahresarbeitsentgeltgrenze erreichte, der Versicherungsfreiheit ab 01.01.1995 nicht entgegengestanden. Wird nämlich ein grenzüberschreitendes Entgelt ab Beginn eines neuen Kalenderjahres vereinbart, tritt Versicherungsfreiheit schon mit Beginn dieses und nicht erst mit Beginn des nächsten Jahres ein (vgl. KassKomm - Peters, § 6 SGB V Rdn. 14). So liegt es hier allerdings nicht. Das Gehalt des Beigeladenen zu 1) war nicht erhöht worden, vielmehr hatte er nach dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag nur Anspruch auf eine erfolgsunabhängige Vergütung von 3.196,00 DM zuzüglich 1.047,00 DM Fahrtkosten (abweichend vom Vertrag nach der tatsächlichen Handhabung). Dieser monatliche Anspruch lag weit unter der damals geltenden monatlichen Jahresarbeitsentgeltgrenze von 5.850,00 DM. Versicherungsfreiheit wäre somit nur in Betracht gekommen, wenn bei einer vorausschauenden Betrachtung mit hinreichender Sicherheit über der Anteilsprovision liegende Provisionsansprüche zu erwarten gewesen wären, aufgrund derer das Jahresarbeitsentgelt die geltende Grenze überschreiten würde. Hierfür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Der Auflage, entsprechende Unterlagen vorzulegen, sind Kläger und die Beigeladene zu 1) nicht nachgekommen. Das einmalige Überschreiten der anteiligen Jahresarbeitsentgeltgrenze im Januar 1995 bot keine ausreichende Sicherheit für ein dauerhaftes Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Der Kläger hat selbst vorgetragen, Abschlussprovisionen seien vermehrt zum Jahresende und zu Beginn des neuen Jahres angefallen. Zum Jahresende habe die Versicherungsgesellschaft jeweils Herbstwerbungen durchgeführt, dadurch seien vermehrt Geschäfte abgeschlossen worden. Im Übrigen hätten die Mitarbeiter Verträge provisionsmäßig in den Januar genommen, wenn sie die vorgegebenen Ziele im Dezember bereits erreicht gehabt hätten, um so eine sichere Zielerreichung für das nächste Jahr zu gewährleisten. Hierdurch seien vermehrt Provision im Januar angefallen. Dieser Anfall ungewöhnlich hoher Provisionsansprüche in den Monaten Januar und Dezember wird auch in den vorgelegten Lohnabrechnungen deutlich, denn der Beigeladene zu 1) hat nur im Januar 1995 und im Dezember 1996 Provisionszahlungen erhalten, aufgrund derer das Entgelt die anteilige Bemessungsgrenze überstieg. Soweit ansonsten die monatlichen Entgelte die anteilige Grenze überschritten haben, war dies nur aufgrund von Einmalzahlungen der Fall. Mangels einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme regelmäßiger monatlicher Provisionsansprüche von mehr als 3.000,00 DM, die der Beigeladene zu 1) hätte erzielen müssen, um zusammen mit seinem Gehalt und den Fahrtkosten unter Berücksichtigung zu erwartender Einmalzahlungen die Jahresarbeitsentgeltgrenze zu erreichen, war für die Annahme von Versicherungsfreiheit kein Raum. Die Behauptung des Klägers gegenüber der AOK Westfalen-Lippe, es sei ein Jahresgehalt von 70.000,00 DM vereinbart, entsprach nicht den Gegebenheiten und war offenbar zweckgerichtet.
Die Ansicht des Klägers, die Beklagte trage die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit nicht vorgelegen hätten, geht schon im Ansatz fehl. Die Versicherungsfreiheit ist eine Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Versicherungspflicht, so dass selbstverständlich derjenige, der sich auf Versicherungsfreiheit beruft, für das Vorliegen der Versicherungsfreiheit begründenden Tatsachen die objektive Beweislast trägt. Hiervon abgesehen stellt sich im vorliegenden Fall die Frage der Beweislast nicht, da Tatsachen, aufgrund derer von einem Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auszugehen war, überhaupt nicht vorgetragen worden sind. Sollte der Kläger meinen, die Beklagte müsse ihn widerlegen, wenn er nur einfach behaupte, dass Versicherungsfreiheit eingetreten sei, wäre diese Auffassung abwegig.
Da der Beigeladene zu 1) somit 1995 und 1996 versicherungspflichtig in der Krankenversicherung war, bestand auch Beitragspflicht (§ 223 Abs. 1 SGB V). Zugleich bestand Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)), so dass auch insoweit Beitragspflicht bestand (§ 54 Abs. 2 SGB XI). Die Verpflichtung des Klägers als Arbeitgeber zu Tragung der Beiträge ergibt sich aus § 28e Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Da der Beigeladene zu 1) sich nicht am Verfahren beteiligt bzw. die Position des Klägers unterstützt hat, ist es gerechtfertigt, dass er seine Kosten selbst zu tragen hat.
Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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