S 30 AS 1379/14 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
30
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AS 1379/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 984/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei Scheuer/Kloevekorn aus Bonn wird abgelehnt.

Gründe:

I:

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die am 00.001994 geborene Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin. Sie kam nach ihren eigenen Angaben am 25. Oktober 2013 in die Bundesrepublik Deutschland, um als Pflegekraft zu arbeiten. Da die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit scheiterte, beantragte sie am 30. Januar 2014 die Gewährung von Grundsicherungsleistungen beim Antragsgegner. Die Antragstellerin wohnt aktuell mietfrei unter der Anschrift D in C einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Tante, deren Lebensgefährten sowie einer Verwandten des Lebensgefährten. Nach ihren eigenen Angaben bestreitet sie ihren Lebensunterhalt derzeit durch Zuwendungen ihrer Tante.

Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2014 ab. Die Antragstellerin würde dem Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unterliegen, da sich ihr Aufenthaltsrecht als polnische Staatsbürgerin in der Bundesrepublik Deutschland allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Gegen den Widerspruchsbescheid wurde am 19. März 2014 Klage erhoben (Az. S 30 AS 1115/14).

Am 7. April 2014 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Köln gestellt. Sie trägt vor, dass sie bis auf Zuwendungen, die sie in unregelmäßigen Abständen von ihrer Tante erhalte, mittellos sei. Da die Mittel ihrer Tante begrenzt seien, habe sie versprochen, das geliehene Geld zurückzugeben. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners sei der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unwirksam, da er gegen europarechtliche Vorgaben verstoße.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sowie ihr die Rechtsanwaltskanzlei Scheuer/Kloevekorn im Wege der Prozesskostenhilfe beizuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen und zu entscheiden, dass Kosten gemäß § 193 SGG nicht zu erstatten sind.

Die Antragstellerin sei vom Anspruchsausschluss des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB erfasst, so dass kein Anordnungsanspruch bestehe. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin habe ihren Lebensunterhalt in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts problemlos sicherstellen können. Die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin sei nicht nachgewiesen.

Gründe:

II:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, als auch ein Anordnungsanspruch, d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen Leistungsanspruches, glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der ZPO). Bezüglich der Gewährung von angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II ist bereits ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 22 SGB II können nur tatsächliche Aufwendungen erstattet werden. Aktuell wohnt die Antragstellerin mietfrei bei ihrer Tante.

Soweit der Antrag darauf gerichtet ist Regelbedarfsleistungen gemäß § 20 SGB II im Verfahren auf Gewährung von einzelnen Rechtsschutz zu erhalten, ist kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsgrund ist nur dann gegeben, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuellen Interessenlage des Antragstellers — unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter — unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sich zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Dazu müssen Tatsachen vorliegen bzw. glaubhaft gemacht sein, die darauf schließen lassen, dass der Eintritt des wesentlichen Nachteils im Sinne einer objektiven und konkreten Gefahr unmittelbar bevorsteht (vgl. Mayer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 86 b, Rd.-Nr. 27 a).

Eine besondere Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Regelung ist gemessen an diesen Vorgaben für die Kammer nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht ersichtlich. Weder wurde substantiiert dargelegt, dass die von der Tante gewährten Zuwendungen nicht ausreichend sind, um aktuell den Lebensunterhalt zu bestreiten, noch wurde vorgetragen, dass diese sie nicht mehr unterstützen könne bzw. die Einstellung der Unterstützungsleistungen unmittelbar bevorsteht. Angaben bezüglich der Höhe der Zuwendungen und des Zeitpunkts der Zuwendungen fehlen gänzlich. Eine eidesstattliche Versicherung der Tante zu diesem Sachverhalt wurde von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin nicht zur Akte gereicht. Gegen das Vorliegen einer besonderen Eilbedürftigkeit spricht insbesondere, dass sich die Antragstellerin nach ihren Angaben bereits seit dem 25. Oktober 2013 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und seit dieser Zeit ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Dass sich die Situation der Antragstellerin signifikant geändert hat, wurde nicht glaubhaft gemacht. Damit hat sie insgesamt eine aktuelle besondere Notlage, die es unzumutbar macht, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, nicht dargelegt. Ein Anordnungsgrund ist hinsichtlich der Erbringung von Regelleistungen zu verneinen, wenn der laufende Lebensunterhalt durch ein privates Darlehen bestritten werden kann (vgl. dazu Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2011, Aktenzeichen L 5 AS 2197/10 B ER, L 5 AS 2206/10 B PKH; Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2012, Az. L 2 AS 1671/12 B ER, dort Rn. 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG analog und berücksichtigt, dass der Antrag keinen Erfolg hatte.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da die Voraussetzungen für die Gewährung nicht vorliegen. Die Rechtsverfolgung bietet aus den dargelegten Gründen nicht die gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Rechtskraft
Aus
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