L 9 KR 319/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 1661/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 319/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld über den 8. Juni 2018 hinaus. Die im Jahre 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie war seit dem 19. September 2017 arbeitsunfähig, bezog zunächst sechswöchige Lohnfortzahlung und anschließend Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis endete zum 20. März 2018. Mit Gültigkeit bis einschließlich 8. Juni 2018 legte die Klägerin nahtlos Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuletzt ausgestellt von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S. B am 11. Mai 2018, basierend auf der Diagnose F32.1 (mittelgradige depressive Episode).

Für die Zeit vom 9. bis 17. Juni 2018 wurde Arbeitsunfähigkeit nicht bescheinigt.

Am 18. Juni 2018 bescheinigte die Ärztin B Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich 30. Juli 2018. Vom 25. Juli 2018 bis zum 29. August 2018 wurde die Klägerin stationär behandelt (Klinik am H, Zentrum für Neurologie, Kardiologie, Orthopädie, Psychosomatik, Medical Wellness). Für den Zeitraum 30. August 2018 bis 31. Januar 2019 bescheinigte die Ärztin B Arbeitsunfähigkeit, durchweg aufgrund der Diagnose F32.1.

Mit Bescheid vom 19. Juni 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Anspruch auf Krankengeld mit dem 8. Juni 2018 ende. Seit dem 9. Juni 2018 sei sie in Ermangelung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert. Die erneute Krankschreibung datiere erst vom 18. Juni 2018 und damit nicht vom ersten Werktag nach dem 8. Juni 2018. Ein nachgehen-der Krankengeldanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V bestehe nicht, denn die Klägerin werde voraussichtlich länger als einen Monat nach dem Ende des Krankengeldanspruchs arbeitsunfähig sein.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr sei bewusst, der Nachweispflicht in Bezug auf ihre Arbeitsunfähigkeit nicht ordnungs-gemäß nachgekommen zu sein. Sie habe am 4. Juni 2018 einen Termin bei der Ärztin B gehabt, wobei sie es "leider versäumt" bzw. "schlichtweg vergessen" habe, einen neuen Krankenschein anzufordern. Ein Merkmal ihrer Erkrankung seien Konzentrationsstörungen. Sie sei davon ausgegangen, dass ihr Krankenschein noch bis zum 18. Juni 2018 gelte. Zugleich legte sie ein Attest der Ärztin B vom 22. Juni 2018 vor; danach sei die Klägerin seit dem 13. Februar 2018 durchgehend und bis auf weiteres arbeitsunfähig. Aufgrund ihrer starken Konzentrationseinschränkung als Symptom der Depression habe sie vergessen, sich am 8. Juni 2018 eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2018 zurück. Für die Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs sei es nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich gewesen, Arbeitsunfähigkeit nahtlos bescheinigen zu lassen. Dem sei die Klägerin nicht nachgekommen. Die Regel sei strikt zu befolgen, weshalb das Vorbringen der Klägerin im Widerspruchsverfahren unerheblich sei. Ein nachgehender Anspruch auf Krankengeld auf der Grundlage von § 19 Abs. 2 SGB V scheide aus, weil ein sich innerhalb eines Monats anschließendes Versicherungspflichtverhältnis nicht in Sicht gewesen sei, so dass die Krankenversicherung ab 9. Juni 2018 als freiwillige fortzusetzen gewesen sei (Hinweis auf B 1 KR 25/14 R).Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R) bezogen, wonach eine Ausnahme vom Gebot der nahtlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu machen sei, wenn kein Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum bestehe und keinerlei Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch ersichtlich seien. Dem wolle der Gesetzgeber auch mit einer Gesetzesänderung (§ 46 Satz 3 SGB V n.F.) Rechnung tragen. Ein Leistungsmissbrauch könne ausgeschlossen werden; sie sei am 4. Juni 2018 rechtzeitig bei ihrer Behandlerin vorstellig geworden. Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat darauf hingewiesen, dass die vom Bundessozialgericht in der Entscheidung B 3 KR 22/15 R aufgestellten Voraussetzungen schon deshalb nicht vorlägen, weil die Klägerin nicht alles in ihrer Macht stehende und ihr Zumutbare unternommen habe, um ihre Ansprüche zu wahren. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31. Juli 2019 ab-gewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zum Zeitpunkt der Feststellung ihrer Arbeitsunfähigkeit sei die Klägerin nicht mehr mit einem Anspruch auf Krankengeld krankenversichert gewesen. Der nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses fortbestehende und einen Anspruch auf Krankengeld umfassende Krankenversicherungsschutz habe zum 8. Juni 2018 geendet. Die im Zeitraum 9. bis 17. Juni 2018 entstandene Lücke könne der Beklagten unter keinem erdenklichen Umstand zugerechnet werden. Das gelte auch im Lichte des Attests der Ärztin B vom 22. Juni 2018; auch diese bringe nur vor, dass die Klägerin es vergessen habe, sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen. Das stimme auch überein mit dem Vorbringen der Klägerin im Widerspruchsverfahren. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R) könne nicht fruchtbar gemacht werden, denn im Falle der Klägerin gehe es nicht um ein Fehlverhalten bzw. eine Fehlvorstellung der Vertragsärztin. Unabhängig davon sei nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum etwa geschäfts- oder handlungsunfähig gewesen sei, denn es habe ja in ihrer Macht gestanden, Termine bei ihrer Ärztin wahrzunehmen. Dass Arbeitsunfähigkeit gegebenenfalls tatsächlich vorgelegen habe, sei bei alledem rechtlich unerheblich. Gegen den ihr 1. August 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2. September 2019 (Montag) Berufung eingelegt. Sie sei auch im Zeitraum 9. bis 17. Juni 2018 objektiv arbeitsunfähig gewesen. Zur Frage der Handlungsfähigkeit der Klägerin hätte das Gericht hätte die Ärztin B als Zeugin hören bzw. ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen. Auch hätte die Behandlerin selbst auf die Ausstellung einer Folgebescheinigung hinwirken müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Krankengeld über den 8. Juni 2018 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 14. August 2020 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Die Beteiligten haben sich schriftlich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter entschieden, weil das Sozialgericht über die Klage durch Gerichtsbescheid entschieden und der Senat durch Beschluss vom 14. August 2020 die Berufung dem Berichterstatter zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen hat.

Im erklärten Einverständnis der Beteiligten durfte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffende Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen und zu betonen bleibt: Der Fall der Klägerin beurteilt sich – wie üblich – nach der im streitigen Zeitpunkt (hier: 8./9. Juni 2918) geltenden Rechtslage. Bis zum 8. Juni 2018 war die Klägerin, die nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis stand, nur deshalb mit einem Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten weiterversichert, weil ihre Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) aufrechterhalten war. Dieser Status ist seinerseits abhängig vom "Anspruch auf Krankengeld". Nach § 46 Satz 2 SGB V in der bis 10. Mai 2019 gültigen Fassung bleibt der "Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt". Hieran gemessen bestand der Anspruch auf Krankengeld nur bis zum 8. Juni 2018, denn nur bis zu diesem Tag war die Arbeitsunfähigkeit lückenlos ärztlich bescheinigt.

In den Genuss der seit 11. Mai 2019 bestehenden neuen Rechtslage in Form von § 46 Satz 3 SGB V n.F. (eingeführt durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019) kommt die Klägerin nicht, denn der Regelung ist keine Rückwirkung beigemessen. Die Norm lautet nun: "Für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld ab-hängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird." Diese Neuregelung wurde eingeführt, um besonderen Härte entgegen zu wirken, wie sie sich gerade im Falle der Klägerin zeigen. Die Gesetzesbegründung führt insoweit aus (BT-Drs. 19/6337, S. 92):

"Mit der Regelung wird sichergestellt, dass Versicherten, deren Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld vom lückenlosen Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, bei verspäteter, aber spätestens innerhalb eines Monats nachgeholter ärztlicher Feststellung der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, das Krankengeld nicht voll-ständig und dauerhaft entfällt und sie es nach dem Zeitraum der Feststellungslücke weiter erhalten können. Nach Satz 1 entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vor-sorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an; im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten in-soweit nicht als Werktage. Das bedeutet, dass Folgebescheinigungen für Krankheiten spätestens am nächsten, auf den letzten Tag der zuvor bescheinigten (Erst-)Arbeitsunfähigkeit folgenden Arbeitstag, der ein Werktag ist, ausgestellt werden müssen, um einen nahtlosen Bezug von Krankengeld sicher zu gewährleisten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehört die Erlangung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu den Obliegenheiten des Versicherten. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung sind deshalb grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Dies gilt selbst dann, wenn der Versicherte seinen Arzt zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht angetroffen hat und diese deshalb verspätet festgestellt wird. Wird die Folgebescheinigung verspätet ausgestellt, hat dies in Abhängigkeit vom versicherungsrechtlichen Status unterschiedliche Konsequenzen. Bei Versicherten, die weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der ärztlichen Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit wieder auf, weil auch zu diesem Zeitpunkt eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld besteht. Das Krankengeld entfällt damit nur für die Tage, die die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt zu spät aufgesucht wurde. Endete das Beschäftigungsverhältnis während des Krankengeldbezuges oder wurde Krankengeld bei einer bereits vorher bestehenden Arbeitslosigkeit gezahlt, endet die nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 fortbestandene Mitgliedschaft mit dem Tag nach dem Ende der letzten, rechtzeitig aus-gestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. In der Regel ist das Versicherungsverhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer freiwilligen Versicherung oder Familienversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld fortzuführen. Damit besteht nach bisheriger Rechtslage bei verspäteter Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit für deren weitere Dauer kein Anspruch auf Krankengeld mehr, so dass das Krankengeld vollständig und dauerhaft entfällt. Insoweit erfährt dieselbe Obliegenheitsverletzung in unterschiedlichem Maße eine Sanktionierung, wobei ein vollständiger und dauerhafter Verlust eines Rechtsanspruchs im Verhältnis zur Schwere der Obliegenheitsverletzung, die regelmäßig zum Entfallen des Anspruchs auf Krankengeld für den Zeitraum der Säumnis führt, unangemessen ist. Das vollständige und dauerhafte Entfallen des Krankengeldes bei verspäteter Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit stellt insoweit für Versicherte, deren den Anspruch auf Krankengeld gewährleistende Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 vom lückenlosen Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, eine besondere Härte dar. Dies gilt insbesondere, wenn bei schwerwiegenden Erkrankungen eine zwischenzeitliche Genesung nicht anzunehmen ist und der Versicherte zum Zeitpunkt der für den weiteren Krankengeldanspruch notwendigen Folge-Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt aufzusuchen. Für die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld zur Vermeidung von Versorgungslücken mit besonderer Härte ist es ausreichend und zur Sicherstellung einer verwaltungspraktikablen Umsetzung notwendig, den Zeitraum für eine verspätete Feststellung der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit auf längstens einen Monat zu begrenzen."

Diese Formulierungen zeigen, welche harte Konsequenz es nach alter Rechtslage nach sich zog, wenn es im Zustande der Mitgliedschaftserhaltung nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zu Lücken in der Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit kam. Der Fall der Klägerin ist indessen ausschließlich an der alten Rechtslage zu messen; die erst etwa ein Jahr später in Kraft getretene Neuregelung gilt für im Jahre 2018 abgeschlossene Sachverhalte nicht.

Auch die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, hier die im Verfahren wiederholt zitierte Entscheidung vom 11. Mai 2017 (B 3 KR 22/15 R), kann die Klägerin nicht für sich fruchtbar machen. Die hier gefundenen Formulierungen dienten als Ventil, um in einzelnen besonderen Konstellationen unbillige Ergebnisse zu vermeiden. In keiner Weise sind von dieser Rechtsprechung aber Sachverhalte umfasst, in denen es die Versicherte – wie hier – vergessen hat, sich rechtzeitig um eine nahtlos anschließende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu bemühen. Bei der behandelnden Ärztin Bast vermag der Senat kein "Verschulden" zu sehen, das etwa der Beklagten anzurechnen wäre; es ist nicht Sache von Vertragsärzten, die lückenlose Krankschreibung von Versicherten ei-geninitiativ zu überwachen und ihnen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen förmlich anzutragen.

Zu einer Beweiserhebung in Gestalt einer Befragung der Ärztin B oder der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens sah der Senat sich nicht veranlasst. Es besteht kein Anlass für Beweiserhebung und würde ins Blaue hinein ermitteln, wenn der Fall schlechthin keinen Anlass für eine Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen bietet. Auch mit einer mittelgradigen Depression war die Klägerin vor und nach dem 8./9. Juni 2018 in der Lage, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen zu lassen und diese der Beklagten zuzuleiten. Im Zustand einer Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit wäre dies nicht denkbar. Die Klägerin ist insoweit beim Wort zu nehmen, es "schlichtweg vergessen" zu haben, sich um eine nahtlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu bemühen. Weitere Sachaufklärung von Amts (§ 103 Satz 1 SGG) wegen ist in diesem Lichte nicht erforderlich; konkrete Beweisanträge waren nicht gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved