L 1 KR 13/20

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 21 KR 973/19
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 13/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1963 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger begehrt die Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) ohne Lichtbild.

Die Gültigkeit seiner im Jahr 2014 noch ohne Lichtbild von der Beklagten ausgestellte eGK der ersten Generation lief am 31. Dezember 2018 aus. Mit E-Mail vom 28. Dezember 2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm eine neue eGK ohne Lichtbild zur Verfügung zu stellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Januar 2019 unter Hinweis auf die bestehende Rechtslage ab. Die Ausstellung einer provisorischen Ersatzbescheinigung komme mangels Mitwirkung des Klägers nicht mehr in Betracht (Hinweis auf § 15 Abs. 6 S. 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)). Hiergegen legte der Kläger am 15. Januar 2019 Widerspruch ein, rügte insbesondere eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und machte datenschutzrechtliche Bedenken geltend.

Am 18. Januar 2019 leitete der Kläger ein Eilverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hamburg ein mit dem Ziel, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine eGK ohne Lichtbild auszuhändigen (S 25 KR 182/19 ER). Der Antrag blieb erfolglos (ablehnender Beschluss vom 13. Februar 2019). Zur Begründung führte das SG unter anderem aus, dass sich die Verpflichtung zur Nutzung der eGK mit Lichtbild aus den §§ 15 und 291 SGB V ergebe. Die in § 291 Abs. 2 S. 4 und 5 SGB V vorgesehenen Ausnahmen griffen im Fall des Klägers nicht. Insbesondere sei weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass ihm die Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich sei. Der Verweis auf eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung genüge nicht, um Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der genannten Rechtsgrundlagen zu hegen. Ein Anspruch auf Befreiung von der Einführung der eGK bestehe auch nicht vor dem Hintergrund einer befürchteten Unsicherheit bei der Datenspeicherung. Die Rechtsordnung schütze die betroffenen Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter und von missbräuchlicher Nutzung. Die Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss blieb erfolglos. Ergänzend zu den Ausführungen der Kammer 25 des SG wies der erkennende Senat in seinem zurückweisenden Beschluss vom 7. März 2019 (L 1 KR 21/19 B ER) darauf hin, dass das Gesetz hinsichtlich der Unmöglichkeit, sich das Lichtbild selbst zu beschaffen, nicht an subjektive Gesichtspunkte, sondern an eine objektive Unmöglichkeit anknüpfte. Dies sei etwa bei bettlägerigen Versicherten, bei Aufenthalt in geschlossenen Einrichtungen und in vergleichbaren Fällen der Fall. Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit Daten bedingten nicht eine derartige objektive Unmöglichkeit. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Regelung sei bereits höchstrichterlich bestätigt worden (Hinweis insbesondere auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 35/13 R). Nachdem die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2019 zurückgewiesen hatte, hat der Kläger am 25. März 2019 Klage beim SG Hamburg erhoben, das diese nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2020 als unbegründet abgewiesen hat. Der angegriffene Bescheid vom 2. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2019 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Ausstellung einer eGK ohne Lichtbild. Das Gericht folge insoweit der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2019 und sehe gemäß § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend nehme es Gericht auf die im Eilverfahren ergangenen Beschlüsse der Kammer 25 vom 13. Februar 2019 und des Landessozialgerichts (LSG) vom 7. März 2019 Bezug. Zu Recht werde darin darauf hingewiesen, dass die Rechtsgrundlage zur Einführung der eGK der zweiten Generation nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu beanstanden ist. Der Kläger trage im Hauptsacheverfahren keine neuen Argumente vor, die zu einer anderen Beurteilung Anlass geben würden. Der Kläger könne sich auch nicht auf eine der in § 291 Abs. 2 S. 4 und 5 SGB V enthaltenen Ausnahmevorschriften berufen. Insoweit folge das SG ebenfalls den Ausführungen des LSG in dem Beschluss vom 7. März 2019. Demnach müsse eine objektive Unmöglichkeit der Mitwirkung an der Erstellung des Lichtbildes vorliegen. Innere Vorbehalte, wie sie der Kläger im Hinblick auf einen befürchteten Datenabfluss in die USA äußere, genügten demgegenüber nicht.

Gegen diesen ihm am 28. Januar 2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 10. Februar 2020 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Er wende sich nicht gegen den digitalen Fortschritt als solchen, sondern wolle mehr Datensicherheit. Insbesondere dürften Organisationen nur quelloffene Systeme nutzen. Er wende sich auch nicht grundsätzlich gegen die Einführung und Nutzung einer eGK. Unter Beachtung des Grundsatzes der Datensparsamkeit wehre er sich jedoch gegen die Forderung der Beklagten, ein Lichtbild einzureichen, weil das der einzige Punkt im Gesetz sein, an dem er widersprechen könne. Der Kläger weist darauf hin, dass er seit dem Jahr 2019 über eine eGK mit Lichtbild verfüge, dies aber nur, weil er anderenfalls nur noch als Selbstzahler ärztlich behandelt worden wäre. Er empfinde dies als Nötigung in einem besonders schweren Fall und habe deswegen auch Strafanzeige gestellt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 24. Januar 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine eGK ohne Lichtbild auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Begründungen des angefochtenen Gerichtsbescheids und des Beschlusses des erkennenden Senats vom 7. März 2019 im Verfahren L 1 KR 21/19 B ER. Ergänzend verweist sie darauf, dass es doch gerade angesichts der vom Kläger angegebenen Missbräuche und Missbrauchsgefahren in dessen eigenen Interesse liegen sollte, diese dadurch zu minimieren, dass er ein Lichtbild zur Verfügung stelle und Ärzte so in die Lage versetze, die Personenidentität bei Vorlage der Karte zu überprüfen.

Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 15. April 2019 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 24. September 2020 sowie die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst weiterem Inhalt der Prozessakte.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 151 SGG) eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung als unbegründet abgewiesen. Der erkennende Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf (§ 153 Abs. 2 SGG) sowie auf seinen eigenen Beschluss vom 7. März 2019 (L 1 KR 21/19 B ER) Bezug.

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer hiervon abweichenden rechtlichen Bewertung.

Der Kläger irrt, wenn er meint, aufgrund der Regelung in § 291 Abs. 2 S. 5 SGB V eine Art Wahlrecht zu haben, ob er eine eGK mit oder ohne Lichtbild zur Verfügung gestellt bekommen möchte. Dass er die engen Voraussetzungen für eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung, die eGK mit einem Lichtbild des Versicherten zu versehen, (Lebensalter unter 15 Jahre, (objektive) Unmöglichkeit der Mitwirkung) nicht erfüllt, ist vom SG und vom erkennenden Senat bereits mehrfach dargelegt worden.

100-prozentige Datensicherheit kann weder in der digitalen noch in der Papierwelt garantiert werden. Dass die Regelungen zur eGK und insbesondere auch zum seit Januar 2006 bestehenden Lichtbilderfordernis weder gegen deutsches noch europäisches Datenschutzrecht verstoßen, ist mehrfach – nach Überzeugung des erkennenden Senats zu Recht – höchstrichterlich bestätigt worden (BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224 (die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen: Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer vom 8. Juni 2016 – 1 BvR 864/15); zuletzt: BSG, Beschluss vom 11. November 2019 – B 1 KR 87/18 B, juris). Den datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Speicherung des Lichtbildes wird dadurch Rechnung getragen, dass nach einer Entscheidung des BSG vom 18. Dezember 2018 (B 1 KR 31/17 R, BSGE 127,181) die Speicherung der zur Ausstellung der eGK eingereichten Lichtbilder nach Übermittlung der Karte in den Herrschaftsbereich der Versicherten zu unterlassen ist.

Schließlich kann der Kläger auch nicht vor dem Hintergrund der Regelung in § 15 Abs. 6 S. 5 SGB V die erneute Ausstellung einer Ersatzbescheinigung in Form einer eGK ohne Lichtbild verlangen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein danach erforderlicher, aber unterbliebener Hinweis bei der erstmaligen Ausstellung auf deren Einmaligkeit überhaupt dazu führen kann, einen Anspruch auf die erneute Ausstellung einer solchen Ersatzbescheinigung gegen Kostentragung nach § 15 Abs. 6 S. 4 i.V.m. S. 3 SGB V zu begründen. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der vom Kläger begehrten eGK ohne Lichtbild überhaupt um eine "zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung" im Sinne dieser Vorschrift handelt, und ob bei der Ausstellung der eGK ohne Lichtbild im Jahr 2014 ein solcher Hinweis erfolgt ist. Dies hat der Sitzungsvertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bezweifelt, obwohl der Vortrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem SG ein anderer gewesen ist und Letzteres vor dem Hintergrund, dass das Lichtbilderfordernis bereits seit dem Jahr 2006 besteht, naheliegend erscheint. Denn mittlerweile ist dem Kläger – wenn auch unter ausdrücklichem Protest wegen der darin gesehenen Nötigung – mittlerweile eine eGK mit Lichtbild ausgestellt worden, sodass der zu überbrückende Übergangszustand nicht mehr anhält. Im Übrigen ist dem Kläger seit Jahren bewusst, dass die Beklagte keine weitere eGK ohne Lichtbild ausstellen wolle, sodass die Notwendigkeit eines Hinweises nicht mehr besteht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreits.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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