L 2 U 49/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 66/18
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 U 49/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
,
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. 4. Der Streitwert wird auf 6.968,67 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Veranlagung des Unternehmens des Klägers zu den Gefahrklassen im Gefahrtarif der Beklagten.

Der Kläger ist seit dem 27. August 2015 Mitglied bei der Beklagten. In seiner Betriebsbeschreibung vom 2. November 2015 gab er an, dass sein Unternehmen im Gewerbezweig "Abbruch und Trockenbauten, Bauhelfer" tätig sei. Mit Veranlagungsbescheid vom 17. November 2015 ist das Unternehmen des Klägers mit dem Gewerbezweig "Abbruch im Hochbau" der Gefahrtarifstelle 500 und der Gefahrklasse 20,74 zugewiesen worden. Der Büroteil des Unternehmens ist der Gefahrtarifstelle 900 und der Gefahrklasse 0,44 zugewiesen worden. Ebenfalls mit Bescheid vom 17. November 2015 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit fest.

Der Kläger bat mit Schreiben vom 12. August 2016 um Überprüfung der Veranlagung, da von Anfang an nur Malerhilfstätigkeiten und Spachtelarbeiten ausgeführt worden seien. Mit Schreiben vom 22. August 2016, eingegangen bei der Beklagten am 30. August 2016, gab der Kläger an, "Beschichtung von Oberflächen" durchzuführen. Der Prüfdienst der Beklagten kam zu dem Ergebnis, dass tatsächlich lediglich Maler- und Malerhilfstätigkeiten ausgeführt würden.

Mit Bescheid vom 28. November 2016 hob die Beklagte den Veranlagungsbescheid vom 17. November 2015 auf, soweit er unrichtig geworden sei. Der Unternehmensteil "Abbruch im Hochbau", der bisher der Gefahrentarifstelle 500 zugewiesen gewesen sei, werde nunmehr ab dem 1. September 2016 als "Spachtel- und Verfugarbeiten" der Gefahrentarifstelle 200 und der Gefahrklasse 7,48 zugeordnet.

Der Kläger teilte im Folgenden mehrfach per E-Mail mit, dass er eine Änderung der Gefahrentarifstelle auch für die Vergangenheit begehre. Mit Bescheid vom 16. Februar 2017 änderte die Beklagte den Beitragsvorschussbescheid für 2016 ab und legte zur Berechnung des Vorschusses im Bereich "Bauausbau und Fertigteilherstellung" Arbeitsentgelte von 66.581 Euro und im Bereich "Abbruch und Entsorgung" Arbeitsentgelte von 133.162 Euro zugrunde. Mit weiterem Bescheid vom 16. Februar 2017 erließ sie einen Vorschussbescheid für die Vorschussteilbeträge 2017.

Hiergegen legte der Kläger am 20. Februar 2017 Widerspruch ein. Im Hinblick auf den geänderten Beitragsvorschussbescheid für 2016 bemängelte er, dass nie Abbrucharbeiten durchgeführt worden seien. Gegen den Vorschussbescheid für 2017 wendete er ein, dass die Fälligkeitstermine in der Vergangenheit lägen. Beim Beitragskonto seien die Zahlungen in 2016 nicht berücksichtigt worden. Am 22. Februar 2017 legte auch der Steuerberater des Klägers Widerspruch gegen den geänderten Beitragsvorschussbescheid für 2016 mit der Begründung ein, dass die Einstufung mit Abbrucharbeiten für Januar bis August 2016 unzutreffend vorgenommen worden sei.

Am 25. April 2017 erließ die Beklagte einen Beitragsbescheid für das Jahr 2016, einen Beitragsvorschussbescheid für 2017 sowie einen Beitragsvorschussbescheid für die Vorschussteilbeträge 2018. Auch hiergegen legte der Kläger jeweils Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2017 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dass er die Vertretung des Klägers in der Angelegenheit des Widerspruches vom 22. Februar 2017 gegen den Beitragsvorschussbescheid vom 16. Februar 2017 übernehme.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 führte die Beklagte aus, dass sie die Widersprüche als Überprüfungsantrag gegen den Veranlagungsbescheid vom 28. November 2016 ausgelegt habe. Der Veranlagungsbescheid sei rechtmäßig gewesen, da eine rückwirkende Änderung der Gefahrklasse nach § 160 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) nicht in Betracht komme. Mit weiteren Bescheiden vom gleichen Tag änderte die Beklagte den Beitragsbescheid für das Jahr 2016 und den Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2017 ab und erließ einen Beitragsvorschussbescheid für die Vorschussteilbeträge für das Jahr 2018.

Am 2. August 2017 legte der Bevollmächtigte des Klägers gegen die Bescheide vom 23. Juni 2017, und zwar den Überprüfungsbescheid, den geänderten Beitragsvorschussbescheid für das Jahr 2017, den geänderten Beitragsbescheid für das Jahr 2016, den Beitragsvorschussbescheid für die Vorschussteilbeträge für das Jahr 2018 und die Ablehnung der Stundung Widerspruch ein. Er habe mit Fax vom 22. Juni 2017 um 12:42 Uhr mitgeteilt, dass er den Kläger anwaltlich vertrete. Trotzdem sei die Zustellung noch an den Kläger selbst erfolgt.

Mit Veranlagungsbescheid vom 10. November 2017 wurde die Zuordnung des Unternehmens des Klägers ab 1. August 2018 zu "Bauausbau und Fertigteilherstellung" mit der Gefahrklasse 6,89 und der Gefahrtarifstelle 200 geändert.

Die Beklagte wies die Widersprüche vom 2. August 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2018 als unzulässig zurück, weil sie nicht fristgemäß erhoben worden seien.

Hiergegen hat der Kläger am 5. März 2018 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Klage hat er nicht begründet.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. September 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Änderung der Veranlagung in eine andere (günstigere) Gefahrtarifstelle. Das Gericht verweise auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden und stelle fest, dass die Beklagte die einschlägigen Vorschriften des SGB VII zutreffend angewandt habe.

Gegen den ihm am 15. November 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 16. Dezember 2019 Berufung eingelegt. Die Beitragsvorschussbescheide seien fehlerhaft. Die Beklagte habe fälschlicherweise angenommen, dass 8/12 der Arbeitsentgelte, die von dem Kläger gezahlt worden seien, auf den Bereich Abbruch und Entsorgung entfielen. Dieser habe eine erheblich höhere Gefahrklasse, so dass sich die Beiträge hierdurch erhöht hätten. Die Widersprüche seien auch nicht verfristet gewesen, da die angefochtenen Bescheide trotz Bevollmächtigung an den Kläger übersandt worden seien.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid vom 26. September 2019 aufzuheben und die Bescheide vom 23. Juni 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2018 abzuändern und eine neue Veranlagung des Unternehmens des Klägers zu einer niedrigeren Gefahrtarifstelle ab dem 27. August 2015 vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass sich der Bevollmächtigte des Klägers nur für den Widerspruch gegen den Vorschussbescheid vom 16. Februar 2017 bevollmächtigt habe. Der Kläger wende sich in der Sache gegen die Veranlagung, da diese erst zum 1. September 2016 geändert worden sei. Für das Jahr 2017 sei der Kläger nicht beschwert, da für das ganze Jahr die geänderte Veranlagung erfolgt sei. Eine neue Veranlagung könne nicht im Rahmen der Überprüfung eines Beitragsbescheides erfolgen. Der Veranlagungsbescheid vom 17. November 2015 und der Veranlagungsänderungsbescheid vom 28. November 2016 seien bestandskräftig. Der Überprüfungsbescheid vom 23. Juni 2017 sei hinsichtlich der Veranlagung ebenfalls bestandskräftig. Mit Übertragungsbeschluss vom 26. September 2019 hat der Senat der Berichterstatterin, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet, das Verfahren nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die beigezogenen Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift vom 14. Oktober 2020 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Kläger wendet sich nur noch dagegen, dass eine rückwirkende Änderung des Veranlagungsbescheids vom 17. November 2015 abgelehnt worden ist und Beiträge nicht entsprechend einer niedrigeren Gefahrklasse erhoben worden sind.

Die angefochtenen Bescheide vom 23. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Februar 2018 sind auch insoweit rechtmäßig. Es kann dabei dahinstehen, ob die Widersprüche verfristet waren. Denn jedenfalls hat die Beklagte zu Recht entschieden, dass eine rückwirkende Änderung der Veranlagung des Unternehmens des Klägers zu einer niedrigeren Gefahrklasse nicht in Betracht kommt. Nach § 160 Abs. 2 SGB VII wird der Veranlagungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben, soweit die Veranlagung zu einer zu niedrigen Gefahrklasse geführt hat oder eine zu niedrige Gefahrklasse beibehalten worden ist, weil die Unternehmer ihren Mitteilungspflichten nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen sind oder ihre Angaben in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 1) oder die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrklasse von den Unternehmern nicht zu vertreten ist (Nr. 2). In allen übrigen Fällen wird ein Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats, der der Bekanntgabe des Änderungsbescheides folgt, aufgehoben. Vorliegend scheidet eine Änderung für die Vergangenheit aus, da die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrklasse von dem Kläger selbst zu verantworten ist. Die Zuordnung zu der zu hohen Gefahrklasse erfolgte aufgrund der Angaben des Klägers, dass er Abbruch und Trockenbauten durchführe. Es ist von ihm allein zu vertreten, dass aufgrund dieser Aussage keine Zuordnung zu den von ihm ausgeführten Tätigkeiten der Spachtel- und Verfugarbeiten erfolgte. Die Beklagte hat daher zutreffend eine Änderung der Gefahrklasse erst ab dem 1. September 2016 berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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