S 49 AS 3901/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
49
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 3901/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2019 verpflichtet, den Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05.08.2019 und vom 23.11.2019 in der Sache zu bescheiden. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Widerspruchs.

Die am 27.10.19xx geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch [SGB II]. Mit Bescheid vom 18.07.2019 gewährte der Beklagte ihr monatliche Leistungen von 415,95 EUR für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 31.08.2020. Mit Änderungsbescheid vom 05.08.2019 verringerte der Beklagte die Leistungshöhe für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis zum 31.08.2020 auf monatlich 386,53 EUR.

Mit Schreiben vom 19.08.2019 erhob der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin Widerspruch (Az. W xxx4/19) gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 und rügte insbesondere die Höhe der Leistungen, die für Unterkunft und Heizung gewährt worden waren. Das Widerspruchsschreiben enthält die eingescannte Unterschrift des Prozessbevollmächtigten. Zudem wurde eine Vollmacht der Klägerin vom 18.12.2018 eingereicht, welche ebenfalls mit einer eingescannten Unterschrift versehen war. Am 19.08.2019 erhob der Prozessbevollmächtigte mit gesondertem Schreiben einen weiteren Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 05.08.2019 (Az. W xxx5/19).

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zum Az. W 5774/19 als unzulässig zurück. Gemäß § 84 Sozialgerichtsgesetz [SGG] sei eine eigenhändige Unterschrift grundsätzlich zur Widerspruchserhebung erforderlich. Diese liege nicht vor. Neben einer eingescannten Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf dem Widerspruchsscheiben sei auch die Unterschrift auf der Vollmacht lediglich eingescannt und weiche von der Unterschrift der Klägerin ab, welche diese auf Weiterbewilligungsanträgen gegenüber dem Beklagten verwandt habe. Die Vollmacht datiere auf den 18.12.2018 und solle eine unzulässige Pauschalvollmacht enthalten. Es seien keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Widerspruch mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden sei.

Mit Schriftsatz vom 19.09.2019, der am selben Tag beim SG Duisburg eingegangen ist, hat der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin Klage erhoben. Auch in diesem Zusammenhang übersandte der Prozessbevollmächtigte die Vollmacht der Klägerin, welche auf den 18.12.2018 datierte. Zudem überreichte er aktuelle Unterlagen der Klägerin zum Prozesskostenhilfeverfahren. Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Es liege kein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nach § 84 SGG vor. Zwar sei grundsätzlich eine eigenhändige Unterschrift erforderlich. Wenn aber allein aus dem Schriftsatz oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille das Schreiben in den Verkehr zu bringen hinreichend sicher hervorgehen würden, sei nach der Rechtsprechung die Schriftform ebenfalls gewahrt. Dies sei hier der Fall. Eine Zurückweisung wäre allenfalls dann möglich gewesen, wenn der Prozessbevollmächtigte seitens des Beklagten zuvor nach § 13 Abs. 1 S. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] erfolglos zum Nachweis seiner Bevollmächtigung aufgefordert worden sei. Eine solche vorherige Aufforderung zum Nachweis der Bevollmächtigung hätte es hier aber nicht gegeben. Es sei daher, unter isolierter gerichtlicher Aufhebung des fehlerhaften Widerspruchsbescheides, erneut durch den Beklagten über den Widerspruch der Klägerin in der Sache zu entscheiden. Dabei sei auch unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache erneut über den Widerspruch zu entscheiden.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 19.09.2020,

die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2019 zu verpflichten, über den Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 15.10.2019,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist ergänzend zu seinen Ausführungen im Widerspruchsbescheid darauf, dass selbst wenn der Widerspruch als zulässig zu werten wäre, der Widerspruch wegen der Unterkunftskosten in der Sache keinen Erfolg haben werde. Vor Erlass des Widerspruchsbescheides sei vorab kein Aufforderungsschreiben an den Prozessbevollmächtigten ergangen, in welchem dieser zur Nachholung einer Unterschrift und / oder Vorlage einer aktuelleren Vollmacht der Klägerin aufgefordert worden ist.

Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2019 gewährte der Beklagte der Klägerin, in Folge der gesetzlichen Anpassung der Regelbedarfe, für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.08.2020 Leistungen in Höhe von monatlich 400,84 EUR.

Mit Verfügung vom 20.07.2020 hat das Gericht den Beteiligten unter Hinweis auf § 105 SGG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Den Beteiligten wurde eine Stellungnahmefrist von vier Wochen ab Zugang der gerichtlichen Verfügung eingeräumt. Die Verfügung ist den Beteiligten am 22.07.2020 bzw. 23.07.2020 zugegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) ist zulässig und begründet.

I. Über die Klage kann gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zudem mit gerichtlicher Verfügung vom 20.07.2020 zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Ihnen wurde dabei die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, § 105 Abs. 1 S. 2 SGG. Die Stellungnahmefrist ist nunmehr verstrichen. Das Gericht sieht hier von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung insbesondere auch deshalb ab, da von dieser in Bezug auf Sach- und Streitstand kein Mehrwert zu erwarten ist und keine Möglichkeit einer unstreitigen Verfahrensbeendigung gegeben erscheint.

II. Für das Klagebegehren der Klägerin ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) statthaft, die auch im Übrigen zulässig ist.

1. Das Klagebegehren richtet sich entsprechend der ausführlichen Darlegung der Klageschrift auf die isolierte Aufhebung des rechtswidrigen Widerspruchsbescheides durch das Gericht, unter gleichzeitiger Verpflichtung des Beklagten im wiedereröffneten Widerspruchsverfahren dann eine Entscheidung in der Sache zu treffen.

Die Formulierung des Klageantrages steht dem nicht entgegen, selbst wenn dieser ausdrücklich auch auf eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten gerichtet ist, über den Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 - einer Ermessensentscheidung vergleichbar - gerade unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Denn das Gericht ist nach § 123 SGG nicht an die Fassung des Antrages gebunden, sondern an das erkennbare Klagebegehren, welches - insbesondere bei unvertretenen Klägern - nach dem sog. Prinzip der Meistbegünstigung auszulegen ist (vgl. zur Meistbegünstigung: BSG, Urt. v. 27.09.2011 – B 4 AS 160/10 R, juris, Rn. 14 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 123 SGG, Rn. 3 m.w.N.; Haupt, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 123 SGG [Entscheidung ohne Bindung an Anträge], Rn. 10) m.w.N. – "Im Zweifel begehrt der unvertretene Kläger (bereits angesichts Art. 19 Abs. 4 GG und §§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) ungeachtet des Wortlauts seines Antrags dasjenige, was ihm den größten Nutzen bringen kann. Die Auslegung der Anträge muss sich danach richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen."). Insofern ist wegen der detaillierten Darstellung zum Klageziel der Neubescheidung in der Klagebegründung davon auszugehen, dass das Klagebegehren in dem oben dargelegten Sinn zu verstehen ist. Die Klägerin begehrt erkennbar die alleinige Aufhebung des Widerspruchsbescheides und die Verpflichtung des Beklagten zur Entscheidung über den Widerspruch in der Sache. Offensichtlich nicht begehrt wird die erneute Entscheidung des Beklagten über Zulässigkeit und Begründetheit des Widerspruchs mit einem Ergebnis, dass erneut die Unzulässigkeit des Widerspruchs festgestellt werden würde. Für eine derartige Klage wäre auch kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Vielmehr begehrt die Klägerin eine – aus ihrer Sicht rechtlich gebotene - Widerspruchsentscheidung in der Sache, die seitens der Beklagten trotz zulässigen Widerspruchs noch nicht getroffen worden ist.

2. Soweit ein Kläger unter isolierter Aufhebung der Widerspruchsentscheidung durch das Gericht (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG) die gleichzeitige gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Sachentscheidung als Verwaltungsakt begehrt (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG), ist für dieses Begehren die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG statthaft (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.06.2020 – L 2 AS 401/19, juris, Rn. 29; SG Duisburg, Urt. v. 26.04.2018 – S 49 AS 857/17, juris, Rn. 23; Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 54 SGG (Stand: 30.06.2020), Rn. 66.1).

Die umstrittene Frage, inwiefern bei einem zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesenen Widerspruch eine Klage auf gerichtliche Entscheidung in der Sache möglich ist (dagegen etwa: SG Duisburg, Urt. v. 26.04.2018 – S 49 AS 857/17, Rn. 24 ff. m.w.N.; SG Kassel, Urt. v. 27.02.2019 – S 7 AS 29/19, juris, Rn. 25; a.A.: SG München, Urt. v. 28.06.2019 – S 46 AS 1966/18, juris, Rn. 20; Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 54 SGG (Stand: 30.06.2020), Rn. 66.1 m.w.N.; Loytved, jurisPR-SozR 10/2019 Anm. 4; zuletzt offengelassen etwa: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.09.2020 – L 7 AS 1021/20 NZB, juris, Rn. 24 m.w.N.), bedarf hier keiner weiterer Vertiefung. Unstreitig ist eine Klage auf isolierte Aufhebung eines rechtswidrigen Widerspruchsbescheides unter Zurückverweisung der Sache an die Behörde zur Entscheidung des Widerspruchs in der Sache jedenfalls dann möglich, wenn der Betroffene sich - wie hier - gerade nur auf die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides zur Rückverweisung beschränken möchte und allein die Fehlerhaftigkeit der Widerspruchsentscheidung geltend macht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.06.2020 – L 2 AS 401/19, juris, Rn. 29; Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 54 SGG (Stand: 30.06.2020), Rn. 66.1; Loytved, jurisPR-SozR 10/2019 Anm. 4).

3. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) ist auch im Übrigen zulässig.

Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil der Beklagte bereits angekündigt hat, dass er bei einer Sachentscheidung nicht inhaltlich von einem Widerspruchserfolg in der Sache – im Sinne der Gewährung weiterer Leistungen – ausgehen würde. Abweichend von § 95 SGG ist der Klagegegenstand hier analog § 79 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO] allein der Widerspruchsbescheid vom 20.08.2019, dessen besondere Fehlerhaftigkeit hier geltend gemacht wird. Wie eine inhaltliche Sachentscheidung über einen zulässigen Widerspruch zukünftig (nicht) ausfallen wird, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass der Behörde über die Prüfung der Zweckmäßigkeit im Widerspruchsverfahren ein besonders weiter eigener Überprüfungsmaßstab zusteht, der sich nicht auf die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung beschränkt.

Auch bestehen keine ernsthaften Zweifel an einer ausreichenden Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Bezug auf die Durchführung des Klageverfahrens i.S.d. § 73 Abs. 2 S. 1, Abs. 6 SGG. Unabhängig davon, ob die vorgelegte Vollmacht vom 18.12.2018 eine ausreichende Bevollmächtigung für das Klageverfahren enthält, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei Klageerhebung zum Prozesskostenhilfeverfahren aktuelle Unterlagen der Klägerin eingereicht, die von dieser selbst mit Blick auf das konkrete Klageverfahren ausgefüllt und unterschrieben worden sind. Es ist daher von einer Kenntnis der Klägerin von dem konkreten Klageverfahren vor dem SG Duisburg auszugehen. Konkrete Anhaltspunkte, dass diese Klage nicht mit Wissen und Wollen der Klägerin betrieben werden würde, sind nicht ersichtlich. Daher hatte das Gericht keine ausreichende Veranlassung hier bzgl. einer Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin von der Vermutungsregelung des § 73 Abs. 6 S. 5 SGG abzuweichen.

III. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist begründet. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20.08.2019 ist rechtswidrig, da der Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden ist (1.). Der Beklagte ist, unter Aufhebung des rechtswidrigen Widerspruchsbescheides vom 20.08.2019, zur Entscheidung über den Widerspruch der Klägerin vom 19.08.2019 in der Sache zu verpflichten (2.).

1. Der Widerspruchsbescheid vom 20.08.2019 ist fehlerhaft, da er zu Unrecht von einer Unzulässigkeit des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 18.07.2019 ausgeht (vgl. allgemein zu Zulässigkeitsvoraussetzungen des Widerspruchsverfahrens: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 83 SGG, Rn. 3 ff.; Gall, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 83 SGG (Stand: 15.07.2017), Rn. 24 ff.; Binder, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 2021 (abrufbar bereits über beck.online), § 83 SGG, Rn. 7 ff.).

a) Auf die im Widerspruchsbescheid angeführten Gründe kann die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig nicht in rechtmäßiger Weise gestützt werden.

Das Gericht kann hier im Ergebnis dahingestellt lassen, ob der Beklagte zum insofern maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Widerspruchsentscheidung noch zu Recht von einer unzureichenden Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin ausgehen durfte. Ausreichende Zweifel an der Bevollmächtigung, die zumindest eine rechtmäßige Aufforderung nach § 13 Abs. 1 S. 3 SGB X zum Nachwies gerechtfertigt hätten (vgl. hierzu umfassend: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.06.2020 – L 2 AS 401/19, juris, Rn. 30 ff.), sind zwar grundsätzlich gegeben gewesen (unzureichende Generalvollmacht vom 18.12.2018; abweichende Unterschrift auf der Vollmachtsurkunde).

Hier hat die Behörde es jedoch versäumt, die Klägerseite vor der Widerspruchsentscheidung überhaupt zum Nachweis der Bevollmächtigung nach § 13 Abs. 1 S. 3 SGB X aufzufordern. Der Widerspruchsbescheid mit dem erstmalig eine unzureichende Bevollmächtigung thematisiert worden ist, ist daher unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 S. 3 SGB X ergangen und somit rechtswidrig (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.10.2013 – L 2 AS 1342/13 B, juris, Rn. 13 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.04.2013 – L 3 AS 98/13, juris, Rn. 16; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urt. v. 04.11.2008 – L 4 KA 3/07, juris, Rn. 25 ff. – "Der die Vorlage der Vollmacht im Verwaltungsverfahren betreffende § 13 Abs. 1 SGB X unterscheidet sich von der das sozialgerichtliche Verfahren betreffenden Regelung in § 73 SGG (in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung) im Wesentlichen dadurch, dass nicht (auch) die schriftliche Erteilung der Vollmacht verlangt wird, sondern dass es in dieser Vorschrift allein um den Nachweis einer Vollmacht geht. Die Vollmacht kann also im Grundsatz auch mündlich erteilt werden und das Verlangen auf Vorlage einer schriftlichen Vollmacht dient allein dem Nachweis [ ]. Auch das mit § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X angestrebte Ziel, im Verwaltungsverfahren Rechtssicherheit bezogen auf das Vorliegen einer Vollmacht herbeizuführen, ist jedoch nicht mehr erreichbar, wenn die Vollmacht erst im anschließenden Gerichtsverfahren vorgelegt wird. Insofern gibt es keinen Unterschied zum gerichtlichen Verfahren. Deshalb sind für das Verwaltungsverfahren auch die für das gerichtliche Verfahren vom Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (a.a.O.) entwickelten und in dem Urteil des BSG vom 13. Dezember 2000 (a.a.O.) konkretisierten Maßstäbe entsprechend heranzuziehen. Für die Übertragbarkeit der für das gerichtliche Verfahren entwickelten Maßstäbe spricht, dass diese anhand allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsätze entwickelt worden sind, die auch für das Verwaltungsverfahren Geltung beanspruchen können. Danach erfordern Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, dass nicht durch nachträgliche Genehmigung einer prozessual zu Recht ergangenen Entscheidung die Grundlage entzogen wird. Nur soweit noch nicht eine das Rechtsmittel als unzulässig verwerfende Entscheidung vorliegt, kann durch die Genehmigung der Vertretenen, die auch in der Erteilung einer Prozessvollmacht liegen kann, der Mangel der Vollmacht mit rückwirkender Kraft geheilt werden [ ]. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig nur unter den für das gerichtliche Verfahren entwickelten Voraussetzungen erfolgen darf. [ ] Danach bedarf es, damit ein Widerspruch mangels Vollmacht als unzulässig zurückgewiesen werden kann, einer vorherigen schriftlichen Aufforderung, binnen einer bestimmten Frist die Vollmacht nachzureichen. Außerdem ist regelmäßig ein Hinweis erforderlich, dass der Widerspruch anderenfalls als unzulässig zurückgewiesen werden kann. Dieser hat im Verhältnis zu dem vollmachtlos auftretenden Prozessvertreter Anhörungs- und Warnfunktion. Spätestens mit Erhalt dieses Schreibens kann er erkennen, dass das Fehlen der Vollmacht zur Zurückweisung des Rechtsmittels führen kann und dies auch in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht mehr geheilt werden kann [ ].").

Zudem stellt das erstmalige und plötzliche Abstellen der Beklagten auf eine unzureichende Bevollmächtigung sowie die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses nach § 84 SGG im abschließenden Widerspruchsbescheid gleichermaßen einen Verstoß gegen den – auch durch § 24 SGB X - abgesicherten Grundsatz auf rechtliches Gehör dar (§ 62 SGB X i.V.m. § 62 SGG), auf dem die Widerspruchsentscheidung des Beklagten auch maßgeblich beruht, weil zuvor keine Äußerungsmöglichkeit der Klägerin oder ihres Bevollmächtigten zu diesen neuen Punkten gegeben worden ist. Auch aus diesem Grund ist die Widerspruchsentscheidung vom 20.08.2019 als unzulässige Überraschungsentscheidung ohne vorherige Anhörung der Klägerseite rechtswidrig (vgl. allgemein zur Geltung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör auch im Widerspruchsverfahren: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 85 SGG, Rn. 6 m.w.N.; Jüttner, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 85 SGG [Abhilfe oder Erlass eines Widerspruchsbescheids], Rn. 17; Masuch, in: Hauck/Noftz, SGB, 11/18, § 201 SGB IX, Rn. 16; vgl. zur besonderen Anhörungspflicht nach § 24 SGB X, wenn erstmalige Beschwer durch Widerspruchsentscheidung ergehen soll: BSG, Urt. v. 09.12.2004 – B 6 KA 44/03 R, juris, Rn. 36; Franz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 24 SGB X (Stand: 01.12.2017), Rn. 18, 29).

b) Der Widerspruch vom 19.08.2019 ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig, so dass der Beklagte eine Entscheidung in der Sache hätte treffen müssen.

aa) Sofern der Beklagte geltend macht, dass der Widerspruch entgegen § 84 SGG nicht formwirksam erhoben worden sei, weil mit den eingescannten Unterschriften keine eigenhändigen Unterschriften des Prozessbevollmächtigten und / oder der Klägerin vorgelegen haben, teilt das Gericht diese Betrachtung nicht.

Wenn nach überwiegender Ansicht bereits ein Faksimilestempel als Unterschrift zur Wahrung der Schriftform nach § 84 SGG ausreichen soll (BSG, Urt. v. 25.06.1963 – 10 RV 1143/61, juris, Rn. 9; Gall, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 84 SGG (Stand: 15.07.2017), Rn. 13 m.w.N.), sind die hierzu entwickelten Grundsätze auch auf eingescannte Unterschriften zu übertragen (so im Ergebnis wohl auch: SG München, Urt. v. 28.06.2019 – S 46 AS 1966/18, juris, Rn. 25 – "Eine einfache Regel "Unterschrift eingescannt, also Widerspruch unzulässig" gibt es wohl nicht."). Hier bestanden hinsichtlich der Urheberschaft des Prozessbevollmächtigten hinsichtlich des Widerspruchsschreibens, welches die konkreten Bescheiddaten ebenso benannt hat wie die aus Sicht des Unterzeichners maßgeblichen Widerspruchsaspekte, keine berechtigten Zweifel daran, dass dieses Schreiben mit Wissen und Wollen zwecks Widerspruchserhebung in den Verkehr gebracht worden war.

bb) Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.08.2019 gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 ist auch nicht unzulässig, weil sich der Ausgangsbescheid durch den zwischenzeitlich erlassenen Änderungsbescheid vom 05.08.2019 erledigt hätte. Die Änderungsbescheide vom 05.08.2019 und 23.11.2019 sind vielmehr analog § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 geworden.

Nach § 86 SGG wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert wird; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

Einer Einbeziehung des 05.08.2019 erlassenen Änderungsbescheides steht nicht entgegen, dass das Widerspruchsverfahren W 5774/19 gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 erst später am 19.08.2019 anhängig gemacht worden ist. Zwar regelt § 86 SGG seinem Wortlaut nach nicht ausdrücklich den Fall, dass der Ausgangsbescheid noch vor Einlegung des Widerspruchsbescheides abgeändert wird, da zum Zeitpunkt der Änderung ein bereits laufendes Vorverfahren (noch) nicht existiert. Vorliegend ist der Zeitraum einer laufenden Widerspruchsfrist aber bereits in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 86 SGG miteinzubeziehen (so ausdrücklich auch: Becker, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 86 SGG, Rn. 9 – "Nach ihrem Sinn und Zweck erfasst die Regelung aber auch einen Änderungsbescheid, der zwischen dem Erlass des ursprünglichen Verwaltungsakts und der Erhebung des Widerspruchs gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt ergeht. Dieser wird dann Gegenstand eines Vorverfahrens gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt, wenn ein solches eingeleitet wird. Wird ein Vorverfahren gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt jedoch nicht eingeleitet, wird der Änderungsbescheid nur Gegenstand eines eigenen Vorverfahrens, wenn gegen ihn gesondert Widerspruch eingelegt wurde."; ders., in: Roos/Wahrendorf, Sozialgerichtsgesetz: SGG, 1. Auflage 2014, § 86 SGG, Rn. 8; a.A.: Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86 SGG (Stand: 25.04.2019), Rn. 14; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 86 SGG, Rn. 2a). Eine vergleichbare Problematik bestand vor der Neuregelung der Parallelvorschrift des § 96 SGG in dem Fall, dass ein Änderungsbescheid nach Abschluss des Widerspruchsverfahren aber noch vor Klageerhebung ergeht. Hierbei wurde allgemein davon ausgegangen, dass § 96 SGG a.F. analog auch auf den Zeitraum zwischen Widerspruchsbescheid und Klageverfahren angewandt werden sollte (Hintz, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 58. Edition, Stand: 01.09.2020, § 86 SGG, Rn. 2; Binder, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 2021 (bereits abrufbar über beck.online), § 96 SGG, Rn. 3; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 96 SGG, Rn. 3a). Teilweise wurde die Einbeziehung des Änderungsbescheides in ein späteres Klageverfahren rechtsdogmatisch auch über eine allgemeine Rechtsanalogie zu den Grundsätzen des §§ 86, 96 SGG begründet (BSG, Urt. v. 01.08.1978 – 7 RAr 37/77, juris, Rn. 17 – "Gegenstand des Verfahrens sind nicht nur die Bescheide vom 12. April 1973 und 31. Oktober 1973, sondern auch der Bescheid vom 9. November 1973, der die vorangegangenen Bescheide abgeändert und ersetzt hat. Dem steht nicht entgegen, daß dieser Bescheid weder bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheides noch nach Klageerhebung (§ 96 SGG) ergangen ist. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, daß in solchen Fällen § 96 SGG anzuwenden ist [ ]. Auch der Senat ist der Meinung, daß abändernde oder ersetzende Bescheide, die nach Erlaß des Widerspruchsbescheides, aber noch vor Klageerhebung ergehen, dem der Regelung in §§ 86, 96 SGG zugrunde liegenden Gedanken der Prozeßökonomie entsprechend in das Klageverfahren über die abgeänderten oder ersetzten Bescheide einzubeziehen sind. Sinn des § 86 und des § 96 ist es nämlich, eine schnelle und erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis möglich zu machen [ ]. Wollte man weder § 86 noch § 96 in einem solchen Falle anwenden, so würde das bedeuten, daß zwar die abändernden und ersetzenden Verwaltungsakte vor Ergehen des Widerspruchsbescheides und während des gerichtlichen Verfahrens in die Überprüfung einbezogen werden würden, nicht aber die "zwischen beiden Verfahren" ergangenen Verwaltungsakte. Für sie wäre auch ein besonderes Vorverfahren erforderlich, was aber der zweckstrebenden Natur des Verfahrensrechtes widersprechen würde."). Diese Grundsätze sind für einen Änderungsbescheid entsprechend zu übertragen, der während einer noch laufenden Widerspruchsfrist erlassen wird. Ob diese Einbeziehung analog § 86 SGG oder analog einem allgemeinen Rechtsgedanken der §§ 86, 96 SGG zu begründen ist, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Für diese Rechtsauffassung spricht insbesondere auch der Umstand, dass § 96 SGG im Vergleich zu § 86 SGG die eingeschränktere Reichweite aufweist (vgl. zum Eingrenzungsbestreben des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 96 SGG: BT-Drs. 16/7716, S. 22). Wenn daher (analog) § 96 SGG (a.F.) selbst eine Einbeziehung von Änderungsbescheiden erfolgen soll, die während der (noch) laufenden Klagefrist erlassen werden, muss dies erst recht analog § 86 SGG für Änderungsbescheide gelten, die während der (noch) laufenden Widerspruchsfrist erlassen werden. Denn gerade aus den Regelungszielen der Prozessökonomie, des effektiven Rechtsschutzes und der Sicherstellung einer einheitlichen Entscheidung scheint auch hier eine Bündelung des gesamten Streitgegenstandes geboten (Becker, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 96 SGG, Rn. 5 m.w.N. - "Die Regelungen bewirken, dass die aktuelle Fassung einer getroffenen Regelung auch beim Vorliegen von Änderungsbescheiden in einem einzigen Verfahren überprüft werden kann, indem die neuen Bescheide kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchs- bzw. des Klageverfahrens werden. Dies soll einen rationellen und effektiven Rechtsschutz gewährleisten, divergierende Entscheidungen vermeiden und durch die kraft Gesetzes erfolgende Einbeziehung in ein bestehendes Verfahren auch dem Schutz der Beteiligten dienen."). Andernfalls ließe sich das erste Widerspruchsverfahren gegen den Ausgangsbescheid, der materiell-rechtlich nur noch in Gestalt seines Änderungsbescheides existiert, auch nicht sinnig ohne Blick auf das Ergebnis des dann parallel zu führenden Widerspruchsverfahrens gegen den Änderungsbescheid abschließen, was so durch § 86 SGG nicht gewollt erscheint.

Der Änderungsbescheid des Beklagten vom 05.08.2019 ist auch als Änderung des Bewilligungsbescheides vom 18.07.2019 i.S.d. § 86 Hs. 1 SGG anzusehen. Eine Änderung ist immer dann gegeben, wenn die Regelungsgegenstände beider Bescheide zumindest teilweise kongruent sind aber unterschiedliche Rechtsfolgen in dem Sinne bestimmen, das in die Regelung des ersten Bescheides durch den späteren Bescheid eingegriffen wird (BSG, Urt. v. 23.02.2005 – B 6 KA 45/03 R, juris, Rn. 17 m.w.N.; Jüttner, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 86 SGG [Abänderung des Verwaltungsakts während des Vorverfahrens], Rn. 3; Becker, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 86 SGG, Rn. 13; Senger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 86 SGG (Stand: 25.04.2019), Rn. 17 - "Maßgeblich ist, ob die von dem angefochtenen Verwaltungsakt ausgehende belastende Wirkung verstärkt oder verringert wird."). Mit dem Bescheid vom 05.08.2019 werden die ursprünglich für den denselben Zeitraum von September 2019 bis August 2020 bewilligten Leistungen von monatlich 415,95 EUR - welche die Klägerin bei Widerspruchserhebung ohnehin schon als zu gering angesehen hat – noch weiter auf monatlich 386,53 EUR abgesenkt. Die Klägerin muss sich mit dem Ziel noch höhere Leistungen zu erhalten, als ihr mit Bewilligungsbescheid vom 18.07.2019 ursprünglich gewährt worden sind, zwangsläufig und vorrangig auch gegen den Änderungsbescheid vom 05.08.2019 wenden, mit dem hier sogar noch geringere Leistungen bewilligt worden sind und welcher insofern eine noch stärkere Belastung darstellt.

2. Entgegen der wohl überwiegend vertretenen Ansicht sieht das Gericht – im Einklang mit dem Klageantrag - hier davon ab, durch Teilurteil eine isolierte Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Rückverweisung an die Behörde zur Sachentscheidung eine entsprechende gerichtliche Entscheidung der Klägerin vorzunehmen (a.A.: LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 - L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Teilurt. v. 30.09.2010 - L 1 AL 122/09, juris, Rn. 19; wohl auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 - L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5). Vielmehr hält es das Gericht auch bzgl. des stattgebenden Teils der Gerichtsentscheidung eine Entscheidung unmittelbar durch Endurteil für rechtlich geboten (so bereits: SG Duisburg, Urt. v. 26.04.2018 – S 49 AS 857/17, juris, Rn. 57 ff.; so - ohne nähere Begründung - im Ergebnis auch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.11.2013 - L 12 AS 343/13).

Sofern die Rechtsprechung von einer Entscheidung durch Endurteil absieht und über die (isolierte) Aufhebung des Widerspruchsbescheides und die Verpflichtung der Behörde zur (Neu-) Bescheidung des Widerspruches in der Sache durch Teilurteil nach § 202 SGG i.V.m. § 301 ZPO ausspricht, erscheint dies maßgeblich der Annahme geschuldet, dass ein Klageverfahren analog § 114 SGG auszusetzen sei, wenn ein Vorverfahren nicht durchgeführt wurde (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Teilurt. v. 10.12.2014 - L 2 R 494/13, juris, Rn. 37 ff.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 - L 7 AS 552/11 B, juris, Rn. 5). Nach der überwiegend vertretenen Ansicht könne in einer Klageerhebung auch eine erstmalige Widerspruchserhebung i.S.d. § 83 SGG gesehen werden (BSG, Urt. v. 13.12.2000 - B 6 KA 1/00 R, juris, Rn. 19; kritisch: Guttenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 114 SGG, Fn. 92) und es sei analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG nicht möglich, die Klage mangels Durchführung eines Widerspruchverfahrens (§ 78 SGG) als unzulässig abzuweisen (BSG, Urt. v. 24.10.2013 - B 13 R 31/12 R, juris, Rn. 20; BSG, Urt. v. 13.12.2000 - B 6 KA 1/00 R, juris, Rn. 25 m.w.N. – "Wurde vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt, führt das im Regelfall nicht zur Abweisung einer Klage als unzulässig. Bedarf es eines Widerspruchsverfahrens, geben die Gerichte den Beteiligten vielmehr Gelegenheit zur Nachholung [ ]."; Guttenberger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 114 SGG, Rn. 43; a.A.: SG Stuttgart, Gerichtsbescheid v. 09.05.2011 - S 20 SO 1922/11; SG Berlin, Urt. v. 16.05.2012 - S 205 AS 11726/09). Bei der isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung zur Bescheidung des Widerspruchs in der Sache sollen dann dieselben Grundsätze zur Aussetzung analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG gelten, da mit der gerichtlichen Aufhebung des Widerspruchsbescheides kein abgeschlossenes Widerspruchsverfahren (mehr) vorliege.

Dieses Rechtsverständnis hält das Gericht im Ergebnis jedenfalls dann nicht für überzeugend, wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die isolierte Aufhebung eines Widerspruchsbescheides unter Verpflichtung des Beklagten zur (Neu-) Bescheidung des Widerspruchs in der Sache geht. Denn anders als in den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen soll die Klage dann gerade nicht zu Lasten des Bürgers als unzulässig abgewiesen werden. Vielmehr wird der Klage zugunsten des Bürgers sogar stattgegeben. Der Bürger kann nun die Neubescheidung seines Widerspruchs in der Sache - ggf. auch im Wege der Vollstreckung (§§ 198 ff., 201 Abs. 1 SGG) - durchsetzen.

Warum es in diesen Fällen einer weiteren, parallelen Fortführung des gerichtlichen Klageverfahrens unter Aussetzung dieses Verfahrens analog § 114 Abs. 2 S. 2 SGG bedürfen würde, bis die Behörde einen neuen Widerspruchsbescheid in der Sache erlassen hat, erschließt sich dem Gericht nicht. Ein weiteres, ununterbrochenes Vorbehalten gerade des bisherigen Gerichtsverfahrens nur für den Bedarfsfall ist jedenfalls nicht angezeigt. Denn sofern die spätere Widerspruchsentscheidung in der Sache der Beschwer des Bürgers abhelfen sollte, erscheint ab diesem Zeitpunkt eine weitere erfolgreiche Fortführung des früheren Klageverfahrens ausgeschlossen. Wenn andernfalls auch nach der Widerspruchsentscheidung in der Sache eine Beschwer des Bürgers verbleiben sollte, bedarf es ebenfalls keiner Fortführung des ursprünglichen Klageverfahrens mehr. Denn mit dem Erlass des (neuen) Widerspruchsbescheides werden für den Bürger sämtliche Rechtsschutzmöglichkeiten (neu) eröffnet. Dieser kann ungehindert eine (neue) Klage gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des (neuen) Widerspruchsbescheides erheben. Eine Fortführung gerade des ursprünglichen Klageverfahrens erscheint demgegenüber - auch aus prozessökonomischen Erwägungen - nicht angezeigt. Denn mit dem Ausgangsbescheid in Gestalt des neuen (Sach-) Widerspruchsbescheides wird der bisherige Streitgegenstand inhaltlich vollständig ausgetauscht und ein inhaltlich (neues) Verfahren zur Sachprüfung beginnt von vorn. Es gibt auch keine wesentliche inhaltliche Überschneidung mit dem bisherigen Streitstoff des Gerichtsverfahrens mehr, der gerade in der - nicht länger relevanten - Frage nach der Zulässigkeit des Widerspruchs und der Rechtmäßigkeit des früheren (nicht mehr existenten) Widerspruchsbescheides bestand. Insofern sind auch keine Synergieeffekte für die Beteiligten oder das Gericht zu erwarten. Ein Bedürfnis des Bürgers für den Unterliegensfall im Widerspruchsverfahren schon einmal ein (weiter) laufendes Klageverfahren auf Vorrat bei Gericht anhängig zu haben, ist nicht gegeben.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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