L 1 KR 337/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 298/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 337/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. August 2019 und der Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13. Juni 2018 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger über den 17. Dezember 2017 hinaus bis zum 16. Februar 2018 Krankengeld zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 18. Dezember 2017 bis zum 16. Februar 2018.

Der 1960 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Sein Beschäftigungsverhältnis endete zum 31. August 2017. Mit Erstbescheinigung vom 9. August 2017 attestierte die ihn behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin B N Arbeitsunfähigkeit bis zum 20. August 2017. In der Folgezeit bescheinigte ihm die Ärztin weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Dezember 2017. Am 18. Dezember 2017 (Montag) stellte sich der Kläger erneut in der Praxis seiner Ärztin vor, um die weiter fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen. Da die Praxis jedoch "saisonal (bedingt) überfüllt" gewesen sei, so der Kläger, und er unter starken Schmerzen litt, verließ er die Praxis. Am 19. Dezember stellte er sich erneut bei der Ihn behandelnden Ärztin vor. Sie bescheinigte weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 5. Januar 2018 und sodann am 8. Januar 2018 (Montag) weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit bis zum 16. Februar 2018.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er über den 17. Dezember 2017 hinaus keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Mit der am 4. Dezember 2017 ausgestellten ärztlichen Bescheinigung sei ihm Arbeitsunfähigkeit bis zum 17. Dezember 2017 bescheinigt worden. Für den weiteren Anspruch auf Krankengeld hätte er sich spätestens am 18. Dezember 2017 die Arbeitsunfähigkeit erneut ärztlich bestätigen lassen müssen. Da die aktuelle Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit erst am 19. Dezember 2017 ausgestellt worden sei, ende seine Versicherung mit einem Anspruch auf Krankengeld am 17. Dezember 2017. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Der Kläger erhob Widerspruch. Er legte ein Schreiben der ihn behandelnden Ärztin vom 12. Januar 2018 vor. Sie bestätigte, dass er sich am 18. Dezember 2017 in ihrer Praxis vorgestellt habe, um "seinen Krankenschein verlängern zu lassen". Da die Praxis saisonal überfüllt gewesen sei und er unter starken Schmerzen gelitten ha-be, sei er nach Hause gegangen und habe sich am Folgetag vorgestellt. Sie habe am 19. Dezember 2017 bei "gleicher Erkrankung und weiterhin bestehender Arbeitsunfähigkeit" erneut Arbeitsunfähigkeit "mit Feststellungsdatum auf den 18. Dezember 2017" bescheinigt.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2018 zurück. Der Kläger habe vom 18. Dezember 2017 an keinen Anspruch auf Krankengeld. Unstreitig sei der nächste Arztbesuch nach der bis zum 17. Dezember 2017 ausgestellten Folgebescheinigung erst am 19. Dezember 2017 erfolgt. Der Bezug des Krankengeldes ende in diesem Fall allein aus dem Grund, dass am 19. Dezember 2017 kein Versicherungsverhältnis mehr bestanden habe, das einen Krankengeldanspruch hätte begründen können. Es komme vorliegend nicht auf die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit als solche und den ihr zu Grunde liegenden Maßstab an. Es lägen keine Hinweise darauf vor, dass der Kläger alles in seiner Macht stehende und zumutbare unternommen habe, um eine ärztliche Bescheinigung über den Fortbestand seiner Arbeitsunfähigkeit bereits am Tage nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit zu erwirken. Soweit er vortrage, dass er die Praxis am 18. Dezember 2017 wegen Überfüllung und seiner starken Schmerzen wieder verlassen habe, hätte die Möglichkeit bestanden, stattdessen einen Hausbesuch durch den ärztlichen Notdienst zu veranlassen oder einen an-deren Arzt aufzusuchen. Dass ihm die behandelnde Ärztin erst am 19. Dezember 2017 einen neuen Termin gegeben habe, reiche hierfür nicht aus.

Hiergegen hat der Kläger am 18. Juli 2018 Klage beim Sozialgericht Potsdam erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. August 2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es der Kläger versäumt habe, seine weiter fortbestehende Arbeitsunfähigkeit am 18. Dezember 2017 feststellen zu lassen. Die Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit seien grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Der Kläger habe nicht alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare getan, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über den 17. Dezember 2017 hinaus zu erlangen. Das Aufsuchen der Praxis allein, ohne Untersuchung durch den Arzt, genüge jedenfalls nicht. Der Grund für das Verlassen der Praxis – eine überfüllte Praxis und damit verbundene lange Wartezeit bei erheblichen Schmerzen – entbinde den Kläger nicht von diesen Obliegenheiten. Es habe für ihn die Möglichkeit bestanden, bei sehr starken Schmerzen einen ärztlichen Notdienst zu rufen oder einen anderen Arzt aufzusuchen oder auf eine vordringliche Behandlung bei seiner Ärztin zu drängen. Eine überfüllte Praxis sei auch nicht als ein Verschulden der Ärztin der Krankenkasse zuzurechnen. Die Ärztin habe ihn nicht nach Hause geschickt, sondern der Kläger sei von sich aus allein gegangen, um sich dann selbstständig mit Schmerzmitteln zu medikamentieren.

Gegen das ihm am 22. August 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. September 2019 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen widerholt und vertieft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 14. August 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 17. Dezember 2017 bis zum 16. Februar 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam sei nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar entschieden, dass ein lückenloser Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit auch dann gegeben sei, wenn ein bereits vereinbarter Untersuchungstermin auf Wunsch des Arztes beziehungsweise seines Praxispersonals verschoben und zeitnah nachgeholt werde. So habe es sich aber im vorliegenden Fall nicht verhalten. Der Versicherte sei dafür verantwortlich, seinen nächsten Arzt-besuch so zu legen, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit lückenlos vom behandeln-den Arzt bescheinigt werden könne. Das gelte selbst dann, wenn die Arztpraxis we-gen eines geplanten Praxisurlaubs oder an sogenannten Brückentagen sowie zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen sei. In diesem Fall sei es dem Versicherten grundsätzlich zuzumuten, einen Vertragsarzt aufzusuchen, um die Arbeitsunfähigkeit (weiterhin) lückenlos nachzuweisen. Der Senat hat eine Auskunft der den Kläger behandelnden Ärztin über die Vorsprache des Klägers in ihrer Praxis am 18. Dezember 2017 eingeholt. Der Kläger hat zudem ein Gedächtnisprotokoll hinsichtlich seiner Vorsprache bei der ihn behandelnden Ärztin am 18.Dezember 2017 zu den Akten gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen In-halt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat auch über den 17. Dezember 2017 bis zum 16. Februar 2018 Anspruch auf Krankengeld.

Nach § 44 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der hier maßgeblichen, ab dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn sie wegen Krankheit arbeitsunfähig sind oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitierungseinrichtung behandelt werden. Der Kläger war in dem hier streitbefangenen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die von der behandelnden Ärztin für diesen Zeitraum ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in der Sache zutreffend sind. Das stellt auch die Beklagte ausdrücklich nicht in Frage. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und des Sozialgerichts scheitert der Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld auch nicht da-ran, dass der Kläger ab dem 18. Dezember 2017 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert war.

Ursprünglich bestand eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die durch die Beschäftigung vermittelte Versicherung des Klägers mit einem Anspruch auf Krankengeld endete nach § 190 Abs. 2 SGB V am 31. August 2017 mit dem En-de des Beschäftigungsverhältnisses. Während des anschließenden Bezugs von Krankengeld setzte sich die Mitgliedschaft bei der Beklagten jedoch nach § 192 Abs.1 Nr. 2 SGB V fort.

Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der ab dem 23. Juli 2015 geltenden hier maßgeblichen Fassung der Vorschrift bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von dem Beginn der Behandlung an, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsfähigkeit an. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist demnach Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld außerhalb eines stationären Aufenthalts. Das gilt auch für die Verlängerung einer bereits bestehenden und von der Krankenkasse bestätigten Arbeitsunfähigkeit, die von dem Arzt nur abschnittsweise (= bis zu einem konkreten Zeitpunkt) bescheinigt worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG blieb die Versicherung durch einen bereits entstandenen Krankengeldanspruch ohne Unterbrechung aufrecht erhalten, solange die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts jeweils erneut ärztlich festgestellt wurde (Urteile des BSG vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R -, zitiert nach juris RdNr. 18 und vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R-, zitiert nach juris RdNr. 20).

Mit Wirkung ab dem 23. Juli 2015 hat der Gesetzgeber durch die Einfügung der Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB V nunmehr ausdrücklich zur Voraussetzung für den Fortbestand des Krankengeldanspruches bestimmt, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit jeweils spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigtem Ende der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden muss. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass nicht die Geltung der vom BSG entwickelten Grundsätze für die Verlängerung des Krankengeldanspruchs in Frage gestellt, sondern den Versicherten ein Tag mehr Zeit für die Einholung der Anschlussbescheinigung eingeräumt werden sollte. Demnach hätte an sich die weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 17. Dezember 2017 hinaus spätestens bis zum Ablauf des 18. Dezember 2017 festgestellt hätte werden müssen, um den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld zu sichern.

Der Kläger ist indes erst am 19. Dezember 2017 von seiner ihn behandelnden Ärztin, rückwirkend über den 17. Dezember 2017 hinaus, fortbestehende Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. An sich erfolgte die Krankschreibung danach verspätet mit den von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Bescheid ausgesprochenen Rechtsfolgen. Ausnahmsweise unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG ist angesichts der besonderen Umstände des Sachverhalts hier jedoch von dem Erhalt des Krankengeldanspruchs auszugehen.

Bereits mit Urteil vom 11. Mai 2017 hatte das BSG (B 3 KR 22/15 R - juris RdNr. 34) entschieden, dass dem Krankengeldanspruch eine erst nachträglich erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) nicht entgegensteht, wenn

1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um (a) die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und (b) dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nicht-medizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z. B. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.

Diese Rechtsprechung hat das BSG durch Urteil vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) dahingehend fortentwickelt, dass es einem rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumut-bare getan und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. –erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, es dazu aber aus dem Arzt oder der Krankenkasse zurechenbaren Gründen nicht gekommen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts ist es also gerade nicht erforderlich, dass tatsächlich ein rechtzeitiger Arzt-Patienten-Kontakt mit dem Ziel einer Verlängerung der Krankschreibung stattgefunden hat. Ausreichend ist vielmehr, dass eine eingetretene Verspätung der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht dem Versicherten, sondern dem Arzt oder der Krankenkasse zuzurechnen ist. Dafür hat das BSG u.a. auf das Schutzbedürfnis der Versicherten hingewiesen, das insbesondere dann zum Tragen komme, wenn – wie hier – das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit außer Frage stehe. Den Versicherten dürfe kein Ärzte-Hopping abverlangt werden, zudem ergebe sich aus dem Rechtgedanken des § 162 Abs. 1 BGB, dass sich eine Krankenkasse auf einen nicht recht-zeitig zustande gekommenen Arzt-Patienten-Kontakt nicht berufen könne, wenn die Verspätung in der Sphäre des Vertragsarztes liege und auch der Krankenkasse zu-rechenbar sei.

Der Kläger hat zunächst alles ihm Gebotene getan, um rechtzeitig eine Verlängerung seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Denn nach seinem glaubhaften Vortrag, der auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, und den auch seine ihn behandelnde Ärztin bestätigt hat, hat er rechtzeitig am 18. Dezember 2017 in der Praxis seiner Ärztin vorgesprochen, um sich die weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen.

Der Kläger hat in seinem Gedächtnisprotokoll die Einzelheiten seiner Vorsprache dargelegt. Danach befanden sich in der Praxis seiner Ärztin zum Zeitpunkt seiner Vorsprache rund 50 Patienten. Obwohl er die Praxis frühzeitig aufgesucht hat (" ...bis 9:00 Uhr ..."), war ihm aufgrund entsprechender Erfahrungen in der Vergangenheit bewusst, dass ein Vorsprechen an diesem Tag bei der Ärztin nicht möglich sein werde. Die insoweit üblicherweise in der Praxis angewandte Verfahrensweise war die, den Patienten zu bitten, später oder am Folgetag erneut vorzusprechen. Der Kläger hat nach seinem Bekunden versucht, mit dem Praxispersonal Kontakt auf-zunehmen. Dieses habe ihm durch eine Geste ("Abwinken mit der Hand") aufgefordert, zu gehen und am nächsten Tag, wie üblich ("Wir machen das so wie immer"), wiederzukommen. Am Folgetag hat dann die ihn behandelnde Ärztin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, entsprechend seiner tatsächlichen Vorsprache am 18. Dezember 2017 zunächst unter diesem Datum ausgestellt. Der Senat hat keinen Grund, an dem Wahrheitsgehalt dieses Vortrags zu zweifeln.

Dieses Verhalten des Praxispersonals und die von der Vertragsärztin praktizierte Verfahrensweise ist nur durch die Formulierung des § 5 Abs. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses in der damaligen Fassung zu erklären, wonach eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise zulässig ist. Diese Regelung in den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien ist nach der Einschätzung des Senats der Anlass gewesen, dass die behandelnde Ärztin der Auffassung war, auch eine erst am 19. Dezember 2017 ausgestellte Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung reiche für den Erhalt des Krankengeldanspruchs des Klägers aus. Dass die Ärztin im guten Glauben war, ergibt sich aus ihrer Reaktion in diesem Verfahren. Die Ärztin glaubt offensichtlich immer noch, sich recht-mäßig verhalten und keinen Fehler begangen zu haben. Demnach lag bei der Ärztin eine Fehlvorstellung vor, deren Verursachung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss als Urheber der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien sich die dort vertretene Krankenkassenseite und damit auch die Beklagte zurechnen lassen muss. Folglich reichte die am 19. Dezember 2017 ausgestellte Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit durch die behandelnde Vertragsärztin für den Erhalt des Anspruches auf Krankengeld ab dem 18. Dezember 2017 hier angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG. Zudem betrifft der Rechtsstreit abgelaufenes Recht, da die Vorschrift des § 46 Abs. 2 SGB V mit Wirkung vom 11. Mai 2019 erneut geändert worden ist.
Rechtskraft
Aus
Saved