L 1 KR 251/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 182 KR 1907/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 251/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 87/20 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
NZB unzulässig verworfen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Versicherungs- und Beitragspflicht.

Der 1961 geborene Kläger bezog bis zum 31. Juli 2016 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und war aufgrund dieses Leistungsbezugs bei der Beklagten pflichtversichert. Auf die Anfrage der Beklagten nach Veränderungen in seinem Versicherungsverhältnis ab dem 1. August 2016 reagierte er nicht. Daraufhin setzten die Beklagten durch Bescheid vom 25. November 2016 auf der Grundlage einer freiwilligen Versicherung des Klägers für ihn Höchstbeiträge fest. Ab dem 1. August 2016 seien 745,81 EUR monatlich zu zahlen.

Durch Bescheid vom 21. Dezember 2016 forderten die Beklagten den Kläger zur Zahlung von 3.027,24 EUR für offene Beiträge von August bis November 2016 ein-schließlich Säumniszuschlägen und Mahnkosten auf. Durch weiteren Bescheid vom 6. Januar 2017 setzten die Beklagten den ab dem 1. Januar 2017 zu zahlen-den Beitrag auf monatlich 774,30 EUR fest. Am 20. Januar 2017 forderten die Beklagten rückständige Beiträge für Dezember 2016 in Höhe von 757,18 EUR.

Der Kläger meldete sich am 15. Februar 2017 telefonisch bei den Beklagten und gab an, keine Einkünfte zu haben. Auf die Leistungen nach dem SGB II habe er verzichtet, um der Schikane des Jobcenters zu entgehen. Er lebe von Zuwendungen von Freunden und vom Flaschensammeln.

Durch Bescheid vom 20. Februar 2017 setzte die Beklagte daraufhin die Beiträge ab 1. August 2016 in Höhe des jeweiligen Mindestbeitrags fest (170,34 EUR ab dem 1. August 2016, 176,52 EUR ab dem 1. Januar 2017). Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 forderte sie Beiträge für den Monat Januar 2017 in Höhe von 183,02 EUR an (einschließlich 1,50 EUR Säumniszuschlag und 5,- EUR Mahngebühren) und wies auf ausstehende Beiträge in Höhe von 894,15 EUR hin.

Der Kläger erhob am 20. März 2017 Widerspruch gegen das Schreiben vom 21. Februar 2017 und wandte sich gegen die geltend gemachten Beitragsforderungen. Er habe kein Einkommen.

Die Beklagten antworteten dem Kläger zunächst, dass er Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 20. Februar 2017 eingelegt habe, und wiesen dann den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 21. Februar 2017 durch Widerspruchsbescheid vom 17. August 2017 zurück. Zu Recht seien die Beiträge für Januar 2017 angemahnt und ein Säumniszuschlag und eine Mahngebühr festgesetzt worden. Die Versicherung habe sich nach dem Ende der Pflichtmitgliedschaft als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II als freiwillige Versicherung fortgesetzt. Zur Kranken- und Pflegeversicherung seien Beiträge auf der Grundlage der jeweiligen Mindestbemessungsgrundlage zu entrichten.

Mit der am 18. September 2017 gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. August 2017 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, über keinerlei beitrags-pflichtige Einnahmen zu verfügen. Seit dem 1. August 2016 gehe er der äußerst geringfügigen Beschäftigung des Flaschensammelns nach. Er habe die freiwillige Krankenversicherung am 1. August 2016 aus freiem Willen verlassen. Er habe keinen Vertrag mehr mit den Beklagten, nehme deren Leistungen nicht in Anspruch und beabsichtige auch nicht, das in der Zukunft zu tun. Die Beklagten hätten ihn auch nicht über die Möglichkeit eines Krankenkassenwechsels informiert.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens haben die Beklagten noch durch Mahnungen vom 21. August 2018, 21. September 2018 und 21. November 2018 für Juli 2018, September 2018 und Oktober 2018 Beiträge in Höhe von jeweils 186,16 EUR (einschließlich Säumniszuschlag und Mahngebühr) angemahnt. Der Kläger hat jeweils Widerspruch erhoben.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 28. Mai 2019 abgewiesen. Die erhobene Anfechtungs- und Feststellungsklage sei unzulässig. Der angefochtene Bescheid vom 21. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 entscheide nicht über den Versichertenstatus des Klägers, sondern setze einen Säumniszuschlag und Mahnkosten fest. Soweit auch der Beitrag für den Monat Januar 2017 angemahnt werde, handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Vorbereitungshandlung zur Vollstreckung. Der Bescheid vom 20. Februar 2017, mit dem Beiträge aufgrund der obligatorischen Anschlussversicherung gegen den Kläger festgesetzt worden sei, sei von dem Kläger nicht angefochten worden. Im Übrigen gingen die Beklagten mit Recht von einer Mitgliedschaft über den 31. Juli 2016 hinaus in der Form einer obligatorischen Anschlussversicherung im Status eines freiwillig Versicherten aus. Die Voraussetzungen einer Familienversicherung erfülle der Kläger nicht. Andere Formen einer beitragsfreien Versicherung kenne das SGB V nicht. Die Versicherungs- und Beitragspflicht entfalle insbesondere nicht deswegen, weil ein Versicherter aus finanziellen Gründen zur Beitragszahlung nicht in der Lage sei. Es komme auch nicht darauf an, ob in der Vergangenheit bereits Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen worden seien oder das für die Zukunft beabsichtigt werde.

Gegen das ihm am 15. Juni 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Juli 2019 bei dem Sozialgericht Berlin eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung von Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Kläger beantragt (nach dem Sinn seines Verhaltens)

den Bescheid der Beklagten vom 21. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 aufzuheben und die Beklagten zur verurteilen, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in geringerer Höhe festzusetzen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten halten das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsalte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat die Berufung durch Beschluss zurückweisen. Er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich; die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise im Erörterungstermin vom 14. Januar 2020 angehört worden.

Der Senat hat klarstellend die Pflegekasse in das Rubrum aufgenommen, da Gegenstand des Klageverfahrens von Anfang an auch die Bemessung von Beiträgen zur Pflegeversicherung gewesen ist.

Gegenstand des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 21. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2017 ist – entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts – nicht nur die Festsetzung eines Säumniszuschlags und von Mahngebühren, sondern auch der Versichertenstatus und die für Januar 2017 geschuldeten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie die für die Monate August bis Dezember bereits entstandene Beitragsforderung. Dafür spricht zunächst, dass die Beitragsforderungen der Höhe nach ausdrücklich genannt werden. Im Übrigen haben die Beklagten in Ihrem Schreiben vom 27. März 2017, mit dem sie den vom Kläger erhobenen Widerspruch fälschlich auf den Bescheid vom 20. Januar 2017 bezogen haben, darauf hingewiesen, dass Gegen-stand des Widerspruchs die Beitragsforderungen und deren Höhe sei. Auch der Widerspruchsbescheid vom 17. August 2017 bezieht sich nicht allein auf die Erhebung eines Säumniszuschlags und einer Mahngebühr, sondern ausdrücklich auch auf die Berechtigung der für die Monate August 2016 bis Januar 2017 erhobenen Beitragsforderung. Demnach waren die Bescheide nach ihrem objektivierten Erklärungsinhalt so zu verstehen, dass sie auch eine Entscheidung über Grund und Höhe der geschuldeten Beiträge treffen wollten, sie verweisen nicht nur auf anderweitig bereits festgesetzte Beitragsforderungen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2019 ist nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Ergebnis zutreffend. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagten führen ihn mit Recht als freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung und entsprechend als Pflichtversicherten in der sozialen Pflegeversicherung. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass für seine Versicherung geringere Beiträge berechnet werden.

Der Kläger ist am 1. August 2016 freiwillig Versicherter der Beklagten zu 1) geworden. Ursprünglich war er nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als Bezieher von Arbeitslosengeld II pflichtversichert. Diese Pflichtversicherung endete nach § 190 Abs. 12 SGB V mit Ablauf des letzten Tags, für den die Leistung bezogen wurde, also am 31. Juli 2016. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger seitdem bis zum Ende des hier streitigen Zeitraums (Januar 2017) einen an-deren Versicherungspflichttatbestand nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 – 12 SGB V verwirklicht haben könnte.

Nach § 188 Abs. 4 SGB V in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung setzt sich für Personen, deren Versicherungspflicht endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit seinen Austritt. Dabei wird der Austritt nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Entsprechend ist der Kläger am 1. August 2016 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten zu 1) geworden. Auf das Fehlen einer Belehrung über die Austrittsmöglichkeit kommt es nicht an, weil der Kläger jedenfalls keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall in dem hier streitigen Zeitraum von August 2016 bis Januar 2017 erworben hat. Als freiwilliges Mitglied war er nach § 20 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) pflichtversichert in der sozialen Pflegeversicherung bei der Beklagten zu 2). Die Versicherung des Klägers ergibt sich auf gesetzlicher Grundlage und somit unabhängig davon, ob er mit ihr einverstanden ist.

Die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung führt nach § 223 Abs. 1 SGB V grundsätzlich zur Beitragspflicht, wobei die Beiträge nach den Einnahmen der Mitglieder bemessen werden (§ 223 Abs. 2 SGB V). Der Beitragsbemessung ist gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V je Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als Mindestbemessungsgrundlage zugrunde zu le-gen. Die Voraussetzungen für eine noch weitergehende Reduzierung der Beitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V erfüllt der Kläger offensichtlich nicht, er ist weder Schüler noch Student, Wandergeselle oder Rentenantragsteller mit für die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner ausreichenden Vorversicherungszeiten. Ob seine tatsächlichen Einnahmen die Mindestbemessungsgrundlage erreichen, ist unerheblich. Das Gesetz sieht insoweit eine Fiktion vor, der Kläger muss sich so behandeln lassen, als habe er Einnahmen in Höhe der Mindestbemessungsgrundlage. Sein tatsächliches Unvermögen zur Zahlung kann danach erst bei der Durchsetzung der Beitragsansprüche berücksichtigt werden.

Die für die Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung geltenden Grundsätze gelten nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI entsprechend für die Bemessung der Bei-träge zur sozialen Pflegeversicherung.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die Beiträge auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrundlage falsch berechnet haben könnten, sind weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen worden.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Säumniszuschlägen ist § 24 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, für Mahngebühren § 19 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz. Auch hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Zuschläge und Gebühren ist kein Gesetzesverstoß erkennbar.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und entspricht der Entscheidung in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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