L 11 KR 3394/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2435/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3394/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird ein Bescheid angefochten, mit dem der Erlass einer
Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X abgelehnt wurde, ist richtige Klageart die mit der Verpflichtungsklage verbundene
Anfechtungsklage (vgl BSG 12.09.2019, B11 AL 19/18R, SozR 4-4300 § 330 Nr. 8). Eine Anhörung nach § 24 SGB X ist nicht erforderlich, wenn Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach einer zunächst nur vorläufigen Festsetzung erstmals endgültig festgesetzt werden. Die Aufhebung eines Beitragsbescheides nach § 44 Abs 1
Satz 1 SGB X kommt nur in Betracht, wenn die festgesetzten Beiträge materiell-rechtlich zu Unrecht erhoben wurden. Der förmlichen Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen vorläufigen Beitragsfestsetzung bedarf es nicht, unabhängig davon, ob die Behörde berechtigt war, über die Beitragshöhe durch einstweiligen Verwaltungsakt zu entscheiden. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen sind den beitragspflichtigen Einnahmen
nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen. Bei der Bemessung des Arbeitseinkommens ist ein Verlustvortrag nach § 10d EStG nicht zu berücksichtigen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine rückwirkende bzw endgültige Festsetzung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit von Dezember 2011 bis November 2016

Die 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten zu 1) als Selbständige freiwillig gesetzlich krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Sie beantwortete zuletzt mit Schreiben vom 12.04.2010 eine Einkommensanfrage der Beklagten unter Vorlage des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2008. Mit Bescheid vom 05.05.2010 setzte die Beklagte zu 1) die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.09.2008 nach Zeiträumen gestaffelt neu fest. Für die Zeit ab 01.01.2010 setzte die Beklagte zu 1) den Beitrag auf Grundlage der Mindestbemessungsgrenze (851,67 EUR) fest, weil die im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 ausgewiesenen Einkünfte unter der Mindestbemessungsgrenze lagen. Der Beitrag zur Krankenversicherung wurde mit 121,79 EUR und für die Pflegeversicherung mit 16,61 EUR festgesetzt. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, künftige Einkommensveränderungen rechtzeitig mitzuteilen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin zunächst nicht nach. Erst im November 2016 legte sie der Beklagten zu 1) die Einkommensteuerbescheide für die Jahre ab 2009 vor.

Für die Zeit ab dem Jahr 2011 erließ die Beklagte zu 1) dennoch weitere Beitragsbescheide. Sie passte die Beiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheiden vom 14.01.2011 ab 01.01.2011, vom 09.02.2012 ab 01.01.2012, vom 06.02.2013 ab 01.01.2013, vom 31.01.2014 ab 01.01.2014, vom 03.02.2015 ab 01.01.2015 und vom 01.02.2016 ab 01.01.2016 an die Änderungen der Rechengrößen in der Sozialversicherung an. Die Bescheide aus den Jahren 2012 bis 2016 ergingen auch im Namen der Pflegekasse. Die Bescheide vom 14.01.2011 und vom 09.02.2012 enthielten folgenden Hinweis: "Die Beitragseinstufung ist ohne die erforderlichen amtlichen Unterlagen erfolgt. Dieser Beitragsbescheid wird unter Vorbehalt nach § 32 SGB X erlassen. Eine endgültige Bescheiderteilung erfolgt, wenn Sie uns amtliche Unterlagen (Einkommensteuerbescheid) einreichen." Die Bescheide für die Jahre 2013 bis 2016 enthielten den Hinweis, dass die Festsetzungen unter Vorbehalt erfolgen. Die Klägerin wurde aufgefordert, zukünftige Einkommensänderungen jeweils mitzuteilen.

Nachdem die Klägerin im November 2016 die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre ab 2009 der Beklagten zu 1) vorgelegt hatte, machten die Beklagten mit Bescheid vom 09.11.2016 für die Zeit vom 01.12.2011 bis zum 09.11.2016 einen Beitragsrückstand in Höhe von insgesamt 15.638,39 EUR geltend. Die Beklagte zu 1) setzte - auch im Namen der Beklagten zu 2) - für den Zeitraum ab 01.12.2011 die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wie folgt neu fest:

ab von den Beklagten als monatliches Einkommen zugrunde gelegter Betrag Beiträge Krankenversicherung / Pflegeversicherung 01.12.2011 2.791,33 EUR KV 415,91 EUR PV 54,43 EUR

01.05.2012 2.466,34 EUR KV 367,48 EUR PV 48,09 EUR

01.01.2013 KV 367,48 EUR PV 50,56 EUR

01.04.2013 2.824,26 EUR KV 420,81 EUR PV 57,90 EUR

01.06.2014 2.212,66 EUR KV 329,69 EUR PV 45,36 EUR

01.01.2015 KV 329,68 EUR PV 52,00 EUR

01.07.2015 2.403,50 EUR KV 358,12 EUR PV 56,48 EUR

01.01.2016 KV 362,93 EUR PV 56,48 EUR

01.04.2016 2.327,16 EUR KV 351,40 EUR PV 54,69 EUR

Mit E-Mail vom 15.11.2016 teilte die Klägerin der Beklagten zu 1) mit, die Bankeinzugsermächtigung auszusetzen, der Betrag bedürfe zunächst ihrer Prüfung. Die Beklagte zu 1) übersandte auf Anforderung der Klägerin eine detaillierte Aufstellung über die Zusammensetzung des nachgeforderten Betrages. Ferner erläuterte sie noch die Zusammensetzung der zugrunde gelegten Einkommen.

Da der Beitragsrückstand nicht beglichen wurde, stellte die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 13.03.2017 außerdem das Ruhen des Leistungsanspruches fest.

Die Klägerin beantragte am 12.04.2017 die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 09.11.2016 über die Beitragsfestsetzung für die Zeit vom 01.12.2011 bis 09.11.2016. Sie war der Auffassung, die fehlerhafte Beitragsfestsetzung hätten allein die Beklagten zu vertreten. Ihnen sei von Anfang an bekannt gewesen, dass sie hauptberuflich eine selbständige Tätigkeit ausübe. Sie genieße daher Vertrauensschutz. Im Übrigen könne der Bescheid vom 09.11.2016 aufgrund der bestehenden bestandskräftigen Altbescheide nur in die Zukunft wirken und sei daher für die Vergangenheit nichtig. Zugleich erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid über die Feststellung des Ruhens des Leistungsanspruchs.

Mit Schreiben vom 19.04.2017 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin mit, sie sei aufgrund der vorliegenden Angaben zum zeitlichen Aufwand sowie der wirtschaftlichen Bedeutung ihrer Tätigkeit davon ausgegangen, dass die Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung als nebenberuflich selbständig gelte. Die Klägerin sei letztmalig mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 eingestuft und festgesetzt worden. Das über den letzten Einkommenssteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibe jedoch nur bis zur Erteilung des nächsten Einkommenssteuerbescheides maßgebend. Einer Aufhebung habe es insofern nicht bedurft. Sie habe darauf hingewiesen, dass Einkommensveränderungen rechtzeitig mitzuteilen seien. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2017 hat die Beklagte zu 1) den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.03.2017 über das Ruhen des Leistungsanspruchs zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 19.07.2017 die Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (S 9 KR 2435/17) und die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des Beitragsbescheides vom 09.11.2016 beantragt. Sie hat geltend gemacht, die bis zum Jahre 2016 fehlerhaften Festsetzungen der Beiträge hätten allein die Beklagten zu vertreten. In den einzelnen Beitragsbescheiden seit dem Jahr 2011 sei nicht aufgeführt, dass die Beklagten die Beiträge nach dem Mindesttarif für nebenberuflich Selbständige erhebe. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass die nach ihren Angaben durch mehrere Bescheide der Krankenkasse festgesetzten monatlichen Beiträge zutreffend seien, nachdem sie den Beklagten die Fragebögen und Einkommenssteuererklärungen überlassen habe. Die Bescheide über die Beitragsfestsetzung bis zum 09.11.2016 seien bestandskräftig. Der Bescheid vom 09.11.2016 sei für die vergangenen Zeiträume nichtig. Die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Beitragsbescheides hätten nicht vorgelegen.

Auf richterlichen Hinweis hat die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2018 Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.04.2017 über die Ablehnung der Abänderung des Beitragsbescheides vom 09.11.2016 erhoben. Diesen hat die Beklagte zu 1) mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2018 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin ebenfalls Klage erhoben (S 13 KR 2408/18), die nach richterlichem Hinweis für erledigt erklärt worden ist.

Mit Urteil vom 08.08.2019 hat das SG die Klage (S 9 KR 2435/17) abgewiesen. Die Beiträge für die Zeit ab dem 01.12.2011 seien zutreffend festgesetzt worden. Die Klägerin sei als Selbständige freiwilliges Mitglied der Krankenversicherung und Pflichtmitglied in der sozialen Pflegeversicherung. Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder werde einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV Spitzenverband) geregelt. Gemäß § 240 Abs 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 7 Abs 3 der vom GKV Spitzenverband erlassenen einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler ( BVGsSz )) gelte für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (vgl § 223 Abs 3 SGB V). Würden niedrigere Einnahmen nachgewiesen, seien diese als beitragspflichtige Einnahmen heranzuziehen, mindestens jedoch für den Kalendertag der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (vgl § 18 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IV )). Die Voraussetzungen für die Beitragsbemessung gemäß § 7 Abs 7 BVGsSz seien vom Mitglied nachzuweisen. Der Nachweis niedriger Einnahmen können nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl Urteil vom 02.09.2009, Az B 12 KR 21/08 R) nur noch durch Vorlage von Einkommensteuerbescheiden geführt werden. Das über den letzten Einkommensteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bleibe danach bis zur Erteilung des nächsten Einkommensteuerbescheids maßgebend. Der neue Einkommensteuerbescheid sei für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Lege das Mitglied den Einkommensteuerbescheid später vor und ergäbe sich eine günstigere Beitragsbemessung, seien die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommensteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen. Die Regelung des § 7 BVGsSz stehe in Übereinstimmung mit § 240 Abs 4 Satz 6 SGB V, wonach Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten zu führenden Nachweises nach § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Die Beklagten hätten die Beiträge der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum erstmalig anhand des eingereichten Einkommenssteuerbescheides des Jahres 2008 festgesetzt. Die Beklagten hätten anschließend nach Vorlage der Einkommenssteuerbescheide zutreffend die Beiträge für die auf die Ausfertigung der Einkommenssteuerbescheide korrekt festgesetzt. § 7 Abs 7 BVGsSz sei dergestalt auszulegen, dass es einer förmlichen Aufhebung eines ergangenen Beitragsbescheides nicht bedürfe, denn mit Ausstellung eines neuen Steuerbescheids entfalle ab diesen Zeitpunkt die Regelungswirkung des auf den früheren Steuerbescheid ergangenen Beitragsbescheids von Gesetzes wegen: er habe sich im Sinne des § 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erledigt. Gleichzeitig folge hieraus auch die Befugnis zur rückwirkenden Beitragskorrektur. Insoweit bedürfe es nicht der Voraussetzungen des § 48 SGB X. Vorläufige Beitragsfestsetzungen enthielten keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung. Eine Aufhebung der Bescheide vom 09.02.2012, vom 06.02.2013, vom 31.01.2014 und vom 03.02.2015 wäre nach § 48 SGB X gleichwohl möglich gewesen, da die Klägerin auf grob fahrlässige Weise ihren Mitteilungspflichten nicht nachgekommen sei.

Hiergegen richtet sich die am 08.10.2019 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag und führt ergänzend aus, dass es einer förmlichen Aufhebung der Beitragsbescheide vom 09.02.2012, 06.02.2013, 31.01.2014 und 03.02.2015 bedurft hätte. § 7 Abs 7 BVGsSz gehe nur davon aus, dass nach vorgelegtem Steuerbescheid ein aus dem Steuerbescheid sich ergebender neuer Beitrag festzusetzen sei. Die Vorschrift normiere jedoch keine Automatik, dass mit der Neufestsetzung der alte Bescheid erledigt oder aufgehoben sei. Auslegungsfähig sei diese Vorschrift nicht in Bezug auf eine Automatik hinsichtlich der Aufhebung des Altbescheids. Regelungsverfügungen hätten eindeutige und klare Aussagen gegenüber dem von der Regelung betroffenen Adressaten zu enthalten. Zumindest müsse die Regelungsverfügung enthalten sein, dass der alte Bescheid aufgehoben werde und an seine Stelle der neue Bescheid trete. Die Beitragskorrektur hätte unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X erfolgen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08.08.2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 09.11.2016 aufzuheben, soweit darin Beiträge für die Zeit vom 01.12.2011 bis 09.11.2016 neu festgesetzt worden sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führen aus, dass es nach wohl herrschender Auffassung einer expliziten förmlichen Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht bedürfe, wenn dieser durch einen neuen ersetzt werde und eindeutig erkennbar sei, dass damit der alte Verwaltungsakt aufgehoben werden soll. So liege der Fall hier. Durch den jeweiligen Text sowie durch die Benennung der betroffenen Zeiträume sei jeweils eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, dass eine Neuregelung getroffen werden solle.

Mit Bescheiden vom 23.01.2017, 11.01.2018 und 07.01.2019 hat die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) die Beiträge aufgrund der Änderung der Rechengröße in der Sozialversicherung jeweils zu Jahresbeginn angepasst. Mit Bescheid vom 15.01.2019 hat die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheides 2017 die Beiträge für die Zeit ab 01.12.2018 und dementsprechend aufgrund der Änderung der Rechengröße in der Sozialversicherung ab 01.01.2019 angepasst. Mit Bescheid vom 19.02.2019 hat die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) die Beiträge für die Zeit ab 01.02.2019 aufgrund der Reduzierung des Zusatzbeitrages geändert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagten haben zu Recht eine Abänderung des Bescheides vom 09.11.2016 abgelehnt. Der Bescheid vom 19.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 über die Ablehnung der Abänderung des Beitragsbescheides vom 09.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Richtige Klageart ist die mit der Verpflichtungsklage verbundene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Mit der Anfechtungsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018, soweit damit ihr Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 09.11.2016 abgelehnt wurde. Mit der Verpflichtungsklage begehrt sie die Rücknahme des Bescheides vom 09.11.2016, soweit die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.12.2011 bis 09.11.2016 neu festgesetzt wurden (zur Klageart gegen ablehnende Entscheidungen auf der Grundlage von § 44 SGB X vgl BSG 12.09.2019, B 11 AL 19/18 R, SozR 4-4300 § 330 Nr 8; Baumeister in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl § 44 SGB X, Stand 23.03.2020, Rn 154 ff). Mit ihrem Antrag vom 12.04.2017 hat die Klägerin (ebenso wie in der Klageschrift) eine Aufhebung des Beitragsbescheides vom 09.11.2016 nur insoweit geltend gemacht, als es den genannten Zeitraum betrifft. Nur dieser Zeitraum ist daher auch Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist dies bestätigt worden. Die weiteren Bescheide der Beklagten, die einen späteren Zeitraum betreffen, sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klage- oder Berufungsverfahrens geworden.

Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt aufzuheben, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs 1 SGB X). Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist (§ 44 Abs 3 SGB X).

Zuständig für die Entscheidung über die Rücknahme des Beitragsbescheides vom 09.11.2016 sind die Beklagten, da sie auch für die Festsetzung der Beiträge zuständig waren und es noch sind. Über die Erhebung von Beiträgen zur Pflegeversicherung entscheiden die Pflegekassen als Träger der Pflegeversicherung. Krankenkassen und Pflegekassen können jedoch für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Das Mitglied ist in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung auch im Namen der Pflegekasse ergeht. Haben die Krankenkassen und Pflegekassen die Beiträge gemeinsam festgesetzt, kann auch ein gemeinsamer Widerspruchsbescheid erlassen werden (§ 46 Abs 2 Sätze 4 bis 6 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI). Dies gilt auch für die Entscheidung über einen auf die Rücknahme eines gemeinsamen Beitragsbescheides der Krankenkasse und der Pflegekasse gerichteten Antrag nach § 44 SGB X.

Der Senat geht davon aus, dass der Widerspruchsbescheid vom 29.06.2018 (zumindest konkludent) auch im Namen der Beklagten zu 2) ergangen ist, da über den Widerspruch erst nach Erhebung der Klage gegen die Beklagten entschieden wurde. Andernfalls läge noch gar keine Entscheidung über die Pflegeversicherungsbeiträge vor, so dass die Klage mangels Durchführung eines Verwaltungsverfahrens insoweit unzulässig wäre. Selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass der mit der Anfechtungsklage angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig ist, als die Beklagte zu 1) auch über die Rücknahme der Pflegeversicherungsbeiträge entschieden hat, aber eine gemeinsame Entscheidung nicht anzunehmen ist, weil die Beklagte zu 1) nicht ausdrücklich auch im Namen der Beklagten zu 2) entschieden hat, würde dies nicht zu einem Erfolg der Klage führen. Der mit der Verpflichtungsklage geltend gemachte Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB X auf Rücknahme des Bescheides vom 09.11.2016 besteht auch in Bezug auf die Pflegeversicherungsbeiträge nicht (siehe die nachfolgenden Ausführungen), und für eine isolierte (teilweise) Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

Die von der Klägerin begehrte Aufhebung des Bescheides vom 09.11.2016 kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil die Beklagten die Klägerin vor Erteilung dieses Bescheides nicht gemäß § 24 SGB X angehört haben. Eine Anhörung war nicht erforderlich, weil mit diesem Bescheid erstmals endgültig die Höhe der Beiträge festgesetzt wurde. Im Übrigen kann offenbleiben, ob eine Anhörung bei der hier gegebenen Fallkonstellation hätte erfolgen müssen. Das Unterlassen der Anhörung räumt dem Betroffenen keine dem materiellen Recht zuzuordnende Position ein, die für sich genommen einen Anspruch auf die Durchbrechung der Bindungswirkung im Überprüfungsverfahren rechtfertigt (vgl BSG 03.05.2018, B 11 AL 3/17 R, SozR 4-1300 § 44 Nr 37 = juris Rn 18 mwN). Bereits aus der Formulierung "und soweit deshalb" in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X lässt sich ableiten, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes und der zu Unrecht erhobenen Beiträge bestehen muss. Ein solcher Kausalzusammenhang lässt sich nur anhand der materiellen Rechtslage beurteilen. § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist daher dahin zu verstehen, dass es lediglich darauf ankommt, ob die erhobenen Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (vgl ausführlich für zu Unrecht nicht erbrachte Sozialleistungen BSG 03.05.2018, B 11 AL 3/17 R, SozR 4-1300 § 44 Nr 37, juris Rn 19). Dies ist nicht der Fall.

Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) am 01.01.1989 nach § 240 SGB V. Im Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2017 wurde die Vorschrift mehrmals geändert. Nach allen Fassungen galt, dass die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt wird und dabei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V). Das freiwillige Mitglied hatte auch in dem fraglichen Zeitraum der Krankenkasse auf Verlangen über alle für die Feststellung der Beitragspflicht erforderlichen Tatsachen unverzüglich Auskunft zu erteilen und Änderungen in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Beitragspflicht erheblich sind und nicht durch Dritte gemeldet werden, unverzüglich mitzuteilen (§ 206 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Pflicht zur Mitteilung von Änderungen besteht und bestand auch ohne ausdrückliches Verlangen der Krankenkasse. Änderungen der Einkommensverhältnisse muss der Versicherte von sich aus mitteilen.

Die Höhe der vom freiwilligen Mitglied zu zahlenden Beiträge wird von den Krankenkassen durch Beitragsbescheide geregelt. Bei diesen Bescheiden handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, die - sofern sie die Beitragshöhe endgültig regeln - nur unter den Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB X aufgehoben werden können. Wird allerdings mit einem Beitragsbescheid die Beitragshöhe nur vorläufig durch einstweiligen Verwaltungsakt festgesetzt, entfaltet dieser keine Bindungswirkung in Bezug auf die endgültige Regelung der Beitragshöhe. Die Bindungswirkung eines bestandskräftig gewordenen einstweiligen Verwaltungsakts schafft zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des endgültigen Verwaltungsakts und ist von vornherein auf Ersetzung durch den endgültigen Verwaltungsakt angelegt, ohne den Verwaltungsträger bei Erlass des endgültigen Verwaltungsakts zu binden. Mit seinem Erlass erledigen sich die vorläufigen Regelungen iS von § 39 Abs 2 SGB X (BSG 22.03.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5; BSG, 30.03.2011, B 12 KR 18/09 R juris; Urteil des Senats vom 18.05.2010, L 11 R 3189/09). Einer förmlichen Aufhebung der vorläufigen Regelungen bedarf es nicht. Dies gilt nach Auffassung des Senats unabhängig davon, ob die Krankenkasse berechtigt war, über die Beitragshöhe durch einstweiligen Verwaltungsakt zu entscheiden (diese Frage wurde vom BSG im Urteil vom 22.03.2006 offengelassen). Auch einstweilige Verwaltungsakte gestalten die Rechtslage zwischen den Beteiligten verbindlich, so dass die Beklagte berechtigt war, die vorläufige Festsetzung durch eine endgültige Beitragsfestsetzung zu ersetzen (Urteil des Senats vom 09.12.2008, L 11 KR 3793/08, juris Rn 38).

Die Beitragsbescheide vom 14.01.2011, 09.02.2012, 06.02.2013, 31.01.2014, 03.02.2015 und vom 01.02.2016 waren sämtlich einstweilige Verwaltungsakte, mit denen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nur vorläufig bis zum Erlass der Einkommensteuerbescheide festgesetzt wurden. Die Bescheide vom 14.01.2011 und vom 09.02.2012 enthielten folgenden Hinweis: "Die Beitragseinstufung ist ohne die erforderlichen amtlichen Unterlagen erfolgt. Dieser Beitragsbescheid wird unter Vorbehalt nach § 32 SGB X erlassen. Eine endgültige Bescheiderteilung erfolgt, wenn Sie uns amtliche Unterlagen (Einkommensteuerbescheid) einreichen." Die Bescheide für die Jahre 2013 bis 2016 enthielten den Hinweis, dass die Festsetzungen unter Vorbehalt erfolgen. Die Klägerin wurde zudem aufgefordert, zukünftige Einkommensänderungen jeweils mitzuteilen. Zwar ist der Hinweis auf § 32 SGB X fehlerhaft. Nach dieser Vorschrift kann ein Verwaltungsakt unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Vorbehalt (als Nebenbestimmung) verbunden werden (§ 32 Abs 2 Nr 5 SGB X). Ein einstweiliger Verwaltungsakt ist aber keine (endgültige) Regelung mit Vorbehalt, sondern eine (vorläufige) Regelung unter Vorbehalt. Aus den Ausführungen der Beklagten in allen Bescheiden war jedoch für die Klägerin ohne Weiteres zu ersehen, dass die Beklagten nur eine vorläufige und keine endgültige Regelung treffen wollten. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, Rechtsbehelfe gegen diese Beitragsbescheide einzulegen mit dem Ziel, die Beiträge endgültig festzusetzen. Im Übrigen war sie nach § 206 SGB V verpflichtet, die Einkommensteuerbescheide der Beklagten zu 1) unverzüglich vorzulegen, dh sobald sie diese vom Finanzamt erhalten hat. Das Verlangen nach Vorlage der Einkommensteuerbescheide haben die Beklagten in ihren Bescheiden deutlich gemacht. Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen. Im Hinblick darauf, dass die Beiträge zunächst nur vorläufig festgesetzt wurden und die Klägerin überdies ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, ist für die Zubilligung von Vertrauensschutz kein Raum. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich die Beklagten keine allzu große Mühe bei der Überprüfung des Einkommens der Klägerin gegeben haben.

Die vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BVGsSz) vom 27.10.2008 (in Kraft getreten am 01.01.2009, § 13 BVGsSz) gestalten die Beitragsbemessung näher aus. Sie bieten ab 01.01.2009 grundsätzlich eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 17) und verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht (vgl Senatsurteile vom 18.06.2013, L 11 KR 300/12; 14.05.2013, L 11 KR 1553/11). Maßgeblich ist vorliegend die bis 27.11.2018 geltende Fassung.

Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen (§ 2 Abs 1 Satz 1 BVGsSz). Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BVGsSz). Diese Regelungen übernehmen die von der Rechtsprechung des BSG entwickelte Auslegung des § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V (vgl BSG 23.09.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 31 unter Verweis auf BT-Drucks 11/2237 S 225; BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris Rn 19). Eine solche Generalklausel genügt, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtigen Beschäftigten auch andere Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen, die bereits in der ständigen Rechtsprechung des BSG als Einnahmen zum Lebensunterhalt anerkannt worden sind (BSG 22.03.2006, B 12 KR 8/05 R, juris Rn 19). Erfasst werden auch die für die Beitragsbemessung nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V zwingend heranzuziehenden Einnahmen des freiwilligen Mitglieds, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (vgl BSG 21.09.2005, B 12 KR 12/04 R, juris Rn 19).

Zu den beitragspflichtigen Einkünften zählen bei freiwillig Versicherten ua das Arbeitseinkommen, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist (§ 15 Abs 1 SGB IV). Zum Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit iS des Sozialversicherungsrechts rechnen auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 2 Nr 1 EStG). Grundsätzlich ist für die Zuordnung von Einnahmen zum Arbeitseinkommen die steuerrechtliche Abgrenzung der Einkunftsarten maßgebend (Senatsurteil vom 18.08.2020, L 11 KR 4229/19, juris; vgl BSG 23.09.1999, B 12 KR 12/98 R, SozR 3-2500 § 240 Nr 31 S 140 ff mwN). Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und Einnahmen aus Kapitalvermögen sind den beitragspflichtigen Einnahmen nach Abzug von Werbungskosten zuzurechnen. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Als Werbungskosten ist bei Einnahmen aus Kapitalvermögen ein Betrag von 51 EUR pro Kalenderjahr zu berücksichtigen, sofern keine höheren tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen werden. Maßgeblich für den Nachweis der beitragspflichtigen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen ist der Einkommenssteuerbescheid (§ 6 BVGsSz). Es übersteigt regelmäßig den einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zumutbaren Verwaltungsaufwand, die Einkommensverhältnisse eines jeden Versicherten selbst zu prüfen und zu bewerten. Andere Unterlagen als der Einkommensteuerbescheid sind insoweit nicht geeignet, eine verlässliche und für die Vergangenheit abschließende Datenbasis zu liefern (Senatsurteil vom 12.09.2017, L 11 KR 817/17 – Photovoltaikanlage unter Hinweis auf BSG 28.05.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26 zur Bedeutung des Einkommensteuerbescheides bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter).

Nachgewiesene Änderungen in den Verhältnissen, die für die Beitragsbemessung erheblich sind, werden vom Zeitpunkt der Änderung an wirksam (§ 6 Abs 4 Satz 2 BVGsSz). Für die Berücksichtigung von Änderungen bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen gilt § 7 Abs 7 entsprechend (§ 6 Abs 6 BVGsSz), ebenso für die sonstigen Einkünfte. Nach § 7 Abs 7 Satz 2 bis 4 BVGsSz bleibt das über den letzten Einkommenssteuerbescheid festgesetzte Arbeitseinkommen bis zur Erteilung des nächsten Einkommenssteuerbescheids maßgebend. Der neue Einkommenssteuerbescheid ist für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Legt das Mitglied den Einkommenssteuerbescheid später vor und ergäbe sich eine günstigere Beitragsbemessung, sind die Verhältnisse erst ab Beginn des auf die Vorlage dieses Einkommenssteuerbescheids folgenden Monats zu berücksichtigen. Die zeitversetzte Berücksichtigung der tatsächlichen Einnahmen hat das BSG im Hinblick auf den über die Jahre stattfinden Ausgleich stets gebilligt (BSG 22.03.2006, B 12 KR 14/05 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 5; BSG 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 19). Das seit 01.01.2018 geltende Verfahren nach § 240 Abs 4a SGB V findet für den hier streitigen Zeitraum keine Anwendung.

Die Einkünfte der Klägerin wurden im Bescheid vom 09.11.2016 der Beitragsbemessung auf der Grundlage der Einkommenssteuerbescheide auch in zutreffender Höhe und zeitlich korrekt zugrunde gelegt. Die Beklagten haben die Beiträge zutreffend berechnet. Insbesondere war kein Abzug eines in den Einkommenssteuerbescheiden berücksichtigten Sparer-Pauschbetrages zu machen (BSG 09.08.2006, B 12 KR 8/06 R, BSGE 97, 41-47 = SozR 4-2500 § 240 Nr 8, juris Rn 19). Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich dabei um Werbungskosten handelt, denn nach § 20 Abs 9 Satz 1 EStG in der ab 18.08.2007 geltenden Fassung ist bei der Ermittlung von Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten ein Betrag von 801 EUR abzuziehen; der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen. Die BVGsSz enthalten jedoch eine hiervon abweichende Regelung mit der Berücksichtigung eines jährlichen Betrages von 51 EUR, wobei der Nachweis höherer Kosten möglich bleibt. Höhere Kosten hat die Klägerin nicht nachgewiesen, den Pauschbetrag von 51 EUR haben die Beklagten berücksichtigt.

Auch die in den Einkommenssteuerbescheiden enthaltenen Verlustvorträge haben die Beklagten zutreffend nicht berücksichtigt. Nach § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Ein Verlustvortrag nach § 10d EStG ist daher nicht zu berücksichtigen. Diese Norm zählt nach Gesetzeswortlaut und Systematik des EStG nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts (vgl BSG 16.05.2001, B 5 RJ 46/00 R, BSGE 88, 117-125 = SozR 3-2600 § 97 Nr 4 = SozR 3-2400 § 15 Nr 9 = juris Rn 14). Vorliegend handelt es sich um einen Verlustvortrag im Sinne von § 10d EStG, denn er ist nach der Ermittlung der Einkünfte und der Summe der Einkünfte und nicht bezogen auf einzelne Einkommensarten erfolgt. Lediglich Abzüge, die auf der Ebene der Ermittlung der Einkünfte vorgenommen werde dürften, sind innerhalb der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts zu berücksichtigen.

Die Berechnung der konkreten Beiträge aus diesem so ermittelten Einkommen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat insoweit keine Einwände erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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