Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 13 KR 544/19
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 125/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenkassen dürfen gegenüber dem Krankengeldanspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen und die auch den Krankenkassen zuzurechnen sind.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. April 2020 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Februar 2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Fortzahlung von Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus.
Die 1972 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld gesetzlich krankenversichert. Sie war seit dem 9. Juli 2018 aufgrund der Diagnosen R42 G (Schwindel, Taumel) und H81.8 V (Sonstige Störungen der Vestibularfunktion) arbeitsunfähig erkrankt und bezog - auch nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Klägerin aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte - Krankengeld von der Beklagten. Sie legte für den Zeitraum vom 20. August 2018 bis 7. September 2018 (Freitag) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit gleichbleibender Diagnose vor. Die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reichte sie am 12. September 2018 (Mittwoch) für den Zeitraum vom 12. September 2018 bis 28. September 2018 ein.
Mit Bescheid vom 13. September 2018 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus ab. Um die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten aufrecht zu erhalten, sei eine Folgebescheinigung am nächsten Werktag, d.h. am Montag, dem 10. September 2018 notwendig gewesen, um einen lückenlosen und durchgehenden Krankengeldanspruch nachzuweisen. Da die Folgebescheinigung auf den 12. September 2018 datiere, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 legte die Klägerin Widerspruch ein. Es läge ein zu berücksichtigender Ausnahmefall vor. Die Klägerin habe sich am 10. September 2018 telefonisch bei ihrem behandelnden Arzt gemeldet, um einen Termin zu erhalten. Dies sei normalerweise kein Problem. Da sich der Hausarzt jedoch im Urlaub befand, habe sie bei dessen Vertreter erst am 12. September 2018 einen Termin erhalten. Aus diesem Grunde habe sie die Folgebescheinigung erst ab dem 12. September 2018 erhalten. Die Klägerin melde sich aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen immer vorab telefonisch in der Praxis an, da sie kein Auto fahren könne und zu Fuß aufgrund ihrer Erkrankung etwas unsicher sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Es reiche nicht aus, den Arzt telefonisch zu kontaktieren, es sei ein unmittelbarer persönlicher Kontakt zum Arzt notwendig. Sofern der Arzt in diesem Falle aus von ihm zu vertretenen Gründen keine Folgebescheinigung ausstelle, sei dies der Beklagten zuzurechnen. Eine solche Konstellation sei nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Februar 2019 vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Sie war der Auffassung, dass das Krankengeld zu Unrecht eingestellt worden sei. Es liege ein Ausnahmefall vor, da ihr ein früheres Erscheinen in der Praxis ihres Hausarztes vor dem 12. September 2018 verweigert worden sei. Dies, obwohl sie darauf hingewiesen habe, dass sie eine Folgebescheinigung benötige. Die Beklagte war der Auffassung, dass eine zu berücksichtigende Krankengeldlücke vorliege. Eine lückenlose Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Dies sei von besonderer Relevanz, da die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nur noch über den Bezug von Krankengeld bestanden habe. Das Ende der Mitgliedschaft schließe auch einen neuerlichen Krankengeldanspruch aus. Ein Ausnahmefall liege nicht vor, da nicht rechtzeitig ein unmittelbarer persönlicher Kontakt mit dem Arzt aufgenommen worden sei.
Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der Fassung vom gültig ab 23. Juli 2015 bis 10. Mai 2019 (im Folgenden: aF). Der Anspruch auf Krankengeld bleibe jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt werde, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolge; Samstage würden insoweit nicht als Werktage gelten (§ 46 Satz 2 SGB V aF). Das Krankengeld sei indes keine Dauerleistung, sondern werde abschnittsweise bewilligt. Zu den materiellen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs gehöre nicht nur die (prognostische) ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit, sondern auch das tatsächliche Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bedingender Krankheit (§ 44 SGB V aF) sowie die Anspruchsberechtigung zum Bezug von Krankengeld und die rechtzeitige Meldung. Die Klägerin sei zum Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 7. September 2018 nicht mehr nach den gesetzlichen Voraussetzungen als Beschäftigte mit Anspruch auf Krankengeld versichert, da die Agentur für Arbeit sie bereits vorher aus dem Leistungsbezug wegen Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs abgemeldet habe. Damit habe es der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes durch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bedurft, da die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung an den Fortbestand der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. des Leistungsbezugs nach dem SGB III geknüpft sei (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr. 7, Rn. 11 - 12). Das Versicherungsverhältnis ende grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (§ 190 Abs. 2 SGB V). Die Mitgliedschaft bleibe jedoch nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld bestehe (vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 RdNr. 16; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr. 6 RdNr. 15; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B – Juris RdNr. 7). Hierfür reiche es aus, dass der Versicherte am letzten Tage des Versicherungspflichtverhältnisses alle Voraussetzungen erfülle, um spätestens mit Ablauf dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages - einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl. BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 12). Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe sich dies aus der Entwicklungsgeschichte und dem Regelungssystem und -zweck, ohne dass der Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegenstehe (vgl. BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 12; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr 7, Rn. 11 - 12). Danach habe die Klägerin ihren Versicherungsschutz mit Krankengeldberechtigung nicht über den 7. September 2018 hinaus aufrechterhalten. Denn die Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erst am 12. September 2018 ärztlich ausgestellt worden. Der Versicherte müsse die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Erlöschen (BSG, Urteil vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B - Juris, mwN) oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden wolle (BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 18 mwN). Sowohl die ärztliche Feststellung, als auch die Meldung der Arbeitsunfähigkeit oblägen dem Versicherten, so dass die Folgen einer verspäteten Meldung grundsätzlich von ihm zu tragen seien (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr 7, Rn. 19 - 20). Die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V aF sowie die Melderegelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V seien strikt zu handhaben (BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, RdNr. 18 mwN). Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung beider Regelungen habe die Rechtsprechung Ausnahmen in engen Grenzen anerkannt, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden seien, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen seien (BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR30/04 R –, BSGE 95, 219-232, SozR 4-2500 § 46 Nr 1, Rn. 18). Hierzu müsse der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare tun, um seine Ansprüche zu wahren, von einer von der Krankenkasse zu vertretenden Fehlentscheidung gehindert worden sein und gleichzeitig seine Rechte bei der Kasse unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht haben (BSG, Urteil vom 08. November 2005 – B 1 KR 30/04 R –, BSGE 95, 219-232, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, Rn. 22 - 23). Unter diesen engen Voraussetzungen könne der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Dem Versicherten obliege es hierbei, einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V; BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84 S 167 f; Senat, BSGE 85, 271, 276 f. = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 16; Senat, BSGE 90, 72, 83 = SozR 3-2500 § 44 Nr. 10 S 42). Dieser Obliegenheit sei die Klägerin nicht nachgekommen. Vorliegend mangele es an der Rechtzeitigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, weil die Klägerin erst verspätet bei einem Arzt vorstellig geworden sei. Es obliege dem Versicherten, zur Vermeidung einer Unterbrechung von Krankengeld und zum Erhalt eines durchgehenden umfassenden Krankenversicherungsschutzes für eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R –, BSGE 123, 134-144, SozR 4-2500 § 46 Nr. 8, Rn. 20; BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 4, RdNr. 20). Hier habe die bescheinigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an einem Freitag geendet. Die Klägerin hätte somit die Möglichkeit gehabt, bereits freitags oder früher erneut einen Arzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufzusuchen (so auch BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R –, SozR 4-2500 § 192 Nr. 6, Rn. 20). Dass sich hier verwirklichte Risiko, dass nach Ablauf des Bescheinigungszeitraums nicht fristgerecht eine Folgebescheinigung erlangt worden sei, falle somit in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Die zeitliche Verzögerung der Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit könne vorliegend auch nicht auf eine von der Krankenkasse zu vertretene Fehlentscheidung zurückgeführt werden. Dies käme zum Beispiel in Betracht, wenn der behandelnde Arzt im rechtzeitigen Zeitraum fälschlicherweise nicht von einem Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit ausgegangen wäre und es deshalb an einer rechtzeitigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fehlen würde. Ein solcher Fall liege nicht vor. Die Beklagte treffe indes kein Verschulden dafür, dass die Klägerin erst am 12. September 2018 bei einem Arzt vorstellig geworden sei.
Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 27. April 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 27. Mai 2020 Berufung zu Hessischen Landessozialgericht erhoben. Die Klägerin habe sich am Montag, den 10. September 2018 telefonisch um einen Termin bei ihrem Hausarzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bemüht und sei an die Urlaubsvertretung verwiesen worden; dort habe sie erst für Mittwoch, den 12. September 2018 einen Termin bekommen. Damit habe die Klägerin alles in ihrer Macht Stehende getan, um eine Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit zu erhalten. Die Verzögerung falle nicht in ihren Verantwortungsbereich, sondern in den des Hausarztes bzw. des Vertretungsarztes und damit in die Sphäre der Beklagten. Die Klägerin legt ergänzend ein Attest ihres Arztes vor; darin bestätigt dieser, dass er am 10. September 2018 im Urlaub gewesen sei und die Klägerin daher erst am 12. September 2018 einen Termin habe erhalten können (Bl. 92 der Gerichtsakte). Außerdem reicht sie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis 31. August 2019 vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. April 2020 sowie den Bescheid vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe nicht alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Arbeitsunfähigkeit lückenlos zu belegen. Auch wenn das Bundessozialgericht die Anforderungen an die Zumutbarkeit mit den Urteilen vom 26. März 2020 (B 3 KR 10/19 R) etwas gelockert habe, werde aber in diesen Urteilen offenkundig ein bereits vereinbarter Termin vorausgesetzt, der dann seitens des Arztes verschoben werden. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall. Zudem fehle es an einem ärztlichen Verschulden, wenn dieser wegen Urlaub, Krankheit oder Überlastung nicht taggleich einen Termin zur Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit an einen Versicherten vergebe.
Durch Beschluss vom 26. August 2020 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.
Der Senat hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. September 2020 ergänzend angehört; wegen ihrer Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 94 bis 96 der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin des Senats konnte gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. April 2020 entscheiden, da ihr mit Beschluss vom 26. August 2020 der Rechtsstreit übertragen wurde, § 153 Abs. 5 SGG.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019.
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen des von der Klägerin geltend gemachten Krankengeldanspruchs wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Darmstadt liegen alle Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch im streitigen Zeitraum vor.
Grundsätzlich ist für den Anspruch der Klägerin auf Krankengeld erforderlich, dass am 12. September 2018 Versicherungsschutz - mit Blick auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V - fortbestand. Dies erforderte nach § 46 S. 2 SGB V in der bis 10. Mai 2019 geltenden Fassung (§ 46 SGB V a.F.), dass die Arbeitsunfähigkeit spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende, d.h. vorliegend am Montag, den 10. September 2018 ärztlich festgestellt wurde. Im Falle der Klägerin erfolgte jedoch keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung spätestens am 10. September 2018, sondern erst am 12. September 2018. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Krankengeldgewährung nötigen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung unterbrach damit wegen der nicht eingreifenden Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V an sich mangels aufrechterhaltener Pflichtmitgliedschaft der Klägerin mit Wirkung für die Zukunft den Krankenversicherungsschutz mit Krankengeldanspruch über den 8. September 2018 hinaus. Denn rechtlich hat grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung erfolgt (stRspr, BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R). Hierauf weist das Sozialgericht auch zu Recht hin.
Von diesen grundsätzlichen Erfordernissen hat das Bundessozialgericht enge Ausnahmen anerkannt (vgl. nur - jeweils m.w.N. – BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R; Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R; vgl. zuletzt - zur Meldung nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V - BSG Urteil vom 8. August 2019 - B 3 KR 6/18 R) und unter Fortentwicklung und Teilaufgabe früherer Rechtsprechung entschieden, dass eine Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen nicht nur bei medizinischen Fehlbeurteilungen (BSG Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R), sondern auch bei nichtmedizinischen Fehlern eines Vertragsarztes im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für den Versicherten unschädlich ist, wenn sie der betroffenen Krankenkasse zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R). Nach dieser Rechtsprechung steht dem Krankengeldanspruch eine erst verspätet erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht entgegen, wenn
1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um a. die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und b. dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) diese Rechtsprechung dahingehend fortentwickelt, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkassen zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R, Rn. 22, juris). Nach Auffassung des Bundessozialgerichts ist dies insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen (Folge-) Arbeitsunfähigkeitsfeststellung in der Sphäre des Vertragsarztes und nicht in derjenigen des Versicherten liegen (BSG, a.a.O., Rn. 23, juris) und verweist hierzu beispielhaft auf den dem Urteil vom 26. März 2020 zugrundeliegenden Fall, dass ein Vertragsarzt bzw. das von ihm angeleitete Praxispersonal einen rechtzeitig vereinbarten Termin in der Vorstellung verschiebt, dass ein späterer Termin für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich sei. Das Bundessozialgericht begründet die Gleichstellung eines - der Sphäre einer Krankenkasse zurechenbaren - unterbliebenen Arztkontaktes mit einem tatsächlichen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt damit, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt seien und führt hierzu - unter Bezugnahme auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot und den Rechtsgedanken von Treu und Glauben - aus (BSG a.a.O., Rn. 24-26, juris):
"Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der AU schon vertrauten (hier: Fach-)Arzt weiterbetreut zu werden, kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (s auch § 2 Abs 2 und § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2, § 21 Abs 1 Nr 2 Buchst g SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches Übermaßverbot). Diese Erwägungen waren für den Senat schon wesentlich für die Erweiterung der Unschädlichkeit von Arztfehlern im nichtmedizinischen Bereich (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen, kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten. Für die vorstehende Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF und Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Senats spricht darüber hinaus, dass sich Versicherungsträger in ihrem Verwaltungshandeln auch am Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl § 242 BGB) auszurichten haben, welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet (stRspr, aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 29 ff mit umfangreichen Rspr-Nachweisen; vgl auch zuletzt BSG (GS) Beschluss vom 20.2.2019 - GS 1/18 - juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 118 Nr 16 vorgesehen; BSG Urteil vom 9.4.2019 - B 1 KR 3/18 R - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1780 § 161 Nr 3 vorgesehen). Versicherungsträger aller Zweige dürfen sich daher zB nicht auf die Versäumung einer dem geltend gemachten Leistungsanspruch entgegenstehenden Ausschlussfrist berufen, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (vgl bereits BSG Urteil vom 17.11.1970 - 1 RA 233/68 - BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner zB BVerwG Urteil vom 28.3.1996 - 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39, 45 mwN = Buchholz 428 § 30a VermG Nr 2; BGH Urteil vom 27.6.1985 - IX ZR 17/85 - NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956). Das folgt vor allem auch aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB. Diese Regelung bestimmt sinngemäß, dass dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil der Eintritt gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, diese Bedingung (gleichwohl) als eingetreten gilt. § 162 Abs 1 BGB liegt damit der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass niemand - auch kein Träger öffentlicher Verwaltung aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten, das er (oder ein seiner Sphäre zuzurechnender Dritter) einer ihm rechtlich verbundenen Person gegenüber gezeigt hat, einen Vorteil ziehen darf (vgl nur Bork in Staudinger, BGB, § 162 RdNr 2, 4, 15, Stand 2015; ferner zB BVerwG Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 39/82 - BVerwGE 68, 156, 159 = Buchholz 448.0 § 13a WehrPflG Nr 15). Dem Rechtsgedanken der Regelung kommt auch im Bereich der Leistungsverwaltung des Sozialrechts Bedeutung zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Versäumung von (Ausschluss-) Fristen, die von einem Leistungsberechtigten einzuhalten sind (vgl bereits BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner BGH NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956 (juris RdNr 14 f)). Über den der Bestimmung zugrunde liegenden Rechtsgedanken wird dann fingiert, dass die Einhaltung der Ausschlussfrist durch den Begünstigten gewahrt ist (so BGH, ebenda, unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 15.7.1959 - V C 80.57 - BVerwGE 9, 89, 92 und BVerwG Urteil vom 24.6.1966 - VI C 72.63 - DVBl 1966, 857, auf BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO und BSG Urteil vom 17.5.1973 - 12 RJ 354/72 - SozR Nr 9 zu § 1252 RVO = DVBl 1973, 793 sowie auf BFH Urteil vom 22.4.1966 - VI 264/65 - BFHE 86, 148, 151)."
Der Senat schließt sich dieser Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus eigener Überzeugung an. In diesem Sinne dürfen auch Krankenkassen gegenüber dem Krankengeldanspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen und die auch den Krankenkassen zuzurechnen sind.
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausführungen hat die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019.
Aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20. August 2018 war die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis Freitag, den 7. September 2018 festgestellt. Entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 46 S. 2 SGB V a.F. blieb die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über den 7. September 2018 hinaus grundsätzlich nur bestehen, wenn eine erneute Feststellung der Arbeitsunfähigkeit - aufgrund eines Arzt-Patienten- Kontakts (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R) - spätestens am nächsten Werktag, d.h. am Montag, den 10. September 2018 erfolgt wäre. Dieser Arzt-Patienten-Kontakt am 10. September 2018 zwischen der Klägerin und ihrem Hausarzt Dr. D. bzw. einem anderen Arzt kam jedoch vorliegend nicht zustande.
Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin aber rechtzeitig am Montag, den 10. September 2018 bereits morgens telefonisch versucht, einen Termin zur Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit für den 10. September 2018 zu vereinbaren. Die Klägerin schildert hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. September 2020, dass bei Ausstellung der vorausgehenden Bescheinigung am 20. August 2018 zwar nicht konkret einen Wiedervorstellungstermin vereinbart worden sei, aber die Ergebnisse der fachärztlichen Untersuchungen zur ihren Schwindelbeschwerden abgewartet werden sollten und sie - falls keine Besserung eintrete - nach Ende der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder vorstellig werden sollte. Hierzu habe sie dann am 10. September 2018 morgens gegen 7.30 Uhr - kurz nach Öffnung der Praxis - angerufen und erfahren, dass ihr Hausarzt Dr. D. im Urlaub sei, wovon sie im Vorfeld nichts gewusst habe. Ihr sei mitgeteilt worden, dass sie einen Termin erst am Mittwoch, den 12. September 2018 bei Dr. E. - einem weiteren Arzt der Gemeinschaftspraxis - bekommen könne. Diesen Termin hat die Klägerin wahrgenommen, woraufhin Dr. E. mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. September 2020 - aufgrund eines Arzt-Patienten-Kontakts - weitere Arbeitsunfähigkeit bis 28. September 2018 festgestellt hat. Entsprechend bestätigt Dr. D. mit Attest vom 21. September 2020 (Bl. 92 der Gerichtsakte), dass er am 10. September 2018 im Urlaub gewesen sei und die Klägerin erst am Mittwoch, den 12. September 2018 erhalten habe. Der Senat hat keinen Zweifel an den von der Klägerin geschilderten und durch Dr. D. bestätigten Abläufen am Montag, den 10. September 2018. Die Schilderung der Klägerin ist nachvollziehbar und entspricht auch ihrem Vortrag bereits im Widerspruchsverfahren.
Der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie sich erst am Montag, den 10. September 2018, d.h. am letzten Tag der anspruchserhaltenden Frist um einen Arzttermin zur Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit bemüht habe und damit gerade nicht "rechtzeitig" tätig geworden sei. Nach Auffassung des Senats darf sich ein Versicherter auch am letzten Tag des anspruchserhaltenden Zeitraums an die Praxis des behandelnden Arztes wenden, um einen Arzttermin für den gleichen Tag zu vereinbaren (so auch: Knispel, jurisPR-SozR 17/2020 Anm. 3). Einem Versicherter ist es selbstverständlich gestattet, seine weitere Genesung über ein Wochenende abzuwarten und erst montags zu entscheiden, ob er sich arbeitsfähig fühlt oder zur Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit einen Arzt aufsucht. Eine Verpflichtung, "auf Vorrat" einen Arzttermin im anspruchserhaltenden Zeitraum zu vereinbaren, besteht nicht. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben bereits morgens früh um 7.30 Uhr in der Praxis angerufen und sie nach ihrer Erfahrung stets am gleichen Tag einen Termin erhalten habe, ist sie "rechtzeitig" tätig geworden. Ein persönliches Vorsprechen in der Praxis zur Terminvereinbarung ist unter diesen Umständen nicht erforderlich und der Klägerin aufgrund der bestehenden Krankheitssymptome auch nicht zumutbar. Die Klägerin hat auch nicht "auf den letzten Drücker" abends kurz vor Sprechstundenende in der Praxis ihres Hausarztes angerufen (vgl. Knispel, a.a.O.). Der Klägerin war es zudem nicht zumutbar, andere Ärzte oder gar den ärztlichen Notdienst anzurufen oder aufzusuchen, um dort einen Termin zur Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit zu erhalten; ein "Arzt-Hopping" ist unerwünscht (§ 76 Abs. 3 S. 1 SGB V) und kann vor der Klägerin nicht verlangt werden (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R, Rn. 24, juris).
Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin unter Berücksichtigung der Gesamtumstände damit alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um rechtzeitig in den anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erreichen. Das Nichtzustandekommen eines Arzt-Patientenkontakts am Montag, den 10. September 2018 ist nicht ihr, sondern vielmehr der Sphäre des Vertragsarztes und schließlich auch der Krankenkasse zuzurechnen.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die missverständliche Fassung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (§ 5 Abs. 3 AU-Richtlinie) den Vertragsärzten ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erlaubt. Entsprechend hervorgerufene bzw. aufrechterhaltene Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren Krankenkassen unschädliche leistungsrechtliche Folgen rückwirkender Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen sind den Krankenkassen als maßgebliche Mitakteure im Gemeinsamen Bundesausschuss und Anspruchsgegner der Krankengeldansprüche Versicherter zuzurechnen (BSG a.a.O. Rn. 28, juris unter Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 R). Ein insoweit schuldhaften Verhalten des Vertragsarztes ist - entgegen Auffassung der Beklagten - nicht zu verlangen.
Die durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) fortentwickelte Rechtsprechung ist auch nicht auf die Fälle beschränkt, in welchen der Arzt oder das Praxispersonal einen bereits vereinbarten Termin in noch anspruchserhaltender Zeit aus terminlichen oder sonstigen Gründen absagt und einen neuen Termin nach Ende der anspruchserhaltenden Zeit vereinbart. Das Bundessozialgericht spricht insoweit von "insbesondere" bzw. "typischerweise" (BSG, a.a.O. Rn. 23, juris). Diese Formulierungen machen deutlich, dass auch andere Fallkonstellationen geben kann, in welchen der Krankenkasse ein (fehlerhaftes) Arztverhalten den Krankenkassen zuzurechnen ist (vgl. auch schon BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 R zur missverständlichen Fassung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses).
Die Klägerin war auch über den 7. September 2018 hinaus tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt und hat entsprechend durchgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 31. August 2019 vorgelegt. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen bestehen auch seitens des Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass vor dem 31. August 2019 Arbeitsfähigkeit eingetreten ist.
Die Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Fortzahlung von Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus.
Die 1972 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund des Bezuges von Arbeitslosengeld gesetzlich krankenversichert. Sie war seit dem 9. Juli 2018 aufgrund der Diagnosen R42 G (Schwindel, Taumel) und H81.8 V (Sonstige Störungen der Vestibularfunktion) arbeitsunfähig erkrankt und bezog - auch nachdem die Bundesagentur für Arbeit die Klägerin aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte - Krankengeld von der Beklagten. Sie legte für den Zeitraum vom 20. August 2018 bis 7. September 2018 (Freitag) eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit gleichbleibender Diagnose vor. Die nächste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reichte sie am 12. September 2018 (Mittwoch) für den Zeitraum vom 12. September 2018 bis 28. September 2018 ein.
Mit Bescheid vom 13. September 2018 lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus ab. Um die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten aufrecht zu erhalten, sei eine Folgebescheinigung am nächsten Werktag, d.h. am Montag, dem 10. September 2018 notwendig gewesen, um einen lückenlosen und durchgehenden Krankengeldanspruch nachzuweisen. Da die Folgebescheinigung auf den 12. September 2018 datiere, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 legte die Klägerin Widerspruch ein. Es läge ein zu berücksichtigender Ausnahmefall vor. Die Klägerin habe sich am 10. September 2018 telefonisch bei ihrem behandelnden Arzt gemeldet, um einen Termin zu erhalten. Dies sei normalerweise kein Problem. Da sich der Hausarzt jedoch im Urlaub befand, habe sie bei dessen Vertreter erst am 12. September 2018 einen Termin erhalten. Aus diesem Grunde habe sie die Folgebescheinigung erst ab dem 12. September 2018 erhalten. Die Klägerin melde sich aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen immer vorab telefonisch in der Praxis an, da sie kein Auto fahren könne und zu Fuß aufgrund ihrer Erkrankung etwas unsicher sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Es reiche nicht aus, den Arzt telefonisch zu kontaktieren, es sei ein unmittelbarer persönlicher Kontakt zum Arzt notwendig. Sofern der Arzt in diesem Falle aus von ihm zu vertretenen Gründen keine Folgebescheinigung ausstelle, sei dies der Beklagten zuzurechnen. Eine solche Konstellation sei nicht gegeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Februar 2019 vor dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Sie war der Auffassung, dass das Krankengeld zu Unrecht eingestellt worden sei. Es liege ein Ausnahmefall vor, da ihr ein früheres Erscheinen in der Praxis ihres Hausarztes vor dem 12. September 2018 verweigert worden sei. Dies, obwohl sie darauf hingewiesen habe, dass sie eine Folgebescheinigung benötige. Die Beklagte war der Auffassung, dass eine zu berücksichtigende Krankengeldlücke vorliege. Eine lückenlose Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit sei nicht erfolgt. Dies sei von besonderer Relevanz, da die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten nur noch über den Bezug von Krankengeld bestanden habe. Das Ende der Mitgliedschaft schließe auch einen neuerlichen Krankengeldanspruch aus. Ein Ausnahmefall liege nicht vor, da nicht rechtzeitig ein unmittelbarer persönlicher Kontakt mit dem Arzt aufgenommen worden sei.
Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld über den 7. September 2018 hinaus. Der Anspruch auf Krankengeld entstehe von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V in der Fassung vom gültig ab 23. Juli 2015 bis 10. Mai 2019 (im Folgenden: aF). Der Anspruch auf Krankengeld bleibe jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt werde, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolge; Samstage würden insoweit nicht als Werktage gelten (§ 46 Satz 2 SGB V aF). Das Krankengeld sei indes keine Dauerleistung, sondern werde abschnittsweise bewilligt. Zu den materiellen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs gehöre nicht nur die (prognostische) ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit, sondern auch das tatsächliche Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bedingender Krankheit (§ 44 SGB V aF) sowie die Anspruchsberechtigung zum Bezug von Krankengeld und die rechtzeitige Meldung. Die Klägerin sei zum Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 7. September 2018 nicht mehr nach den gesetzlichen Voraussetzungen als Beschäftigte mit Anspruch auf Krankengeld versichert, da die Agentur für Arbeit sie bereits vorher aus dem Leistungsbezug wegen Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs abgemeldet habe. Damit habe es der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes durch fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bedurft, da die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung an den Fortbestand der versicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. des Leistungsbezugs nach dem SGB III geknüpft sei (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr. 7, Rn. 11 - 12). Das Versicherungsverhältnis ende grundsätzlich mit dem Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endet (§ 190 Abs. 2 SGB V). Die Mitgliedschaft bleibe jedoch nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld bestehe (vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 RdNr. 16; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr. 6 RdNr. 15; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B – Juris RdNr. 7). Hierfür reiche es aus, dass der Versicherte am letzten Tage des Versicherungspflichtverhältnisses alle Voraussetzungen erfülle, um spätestens mit Ablauf dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages - einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl. BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 12). Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe sich dies aus der Entwicklungsgeschichte und dem Regelungssystem und -zweck, ohne dass der Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegenstehe (vgl. BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr. 5, RdNr. 12; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr 7, Rn. 11 - 12). Danach habe die Klägerin ihren Versicherungsschutz mit Krankengeldberechtigung nicht über den 7. September 2018 hinaus aufrechterhalten. Denn die Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erst am 12. September 2018 ärztlich ausgestellt worden. Der Versicherte müsse die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Erlöschen (BSG, Urteil vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B - Juris, mwN) oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden wolle (BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 18 mwN). Sowohl die ärztliche Feststellung, als auch die Meldung der Arbeitsunfähigkeit oblägen dem Versicherten, so dass die Folgen einer verspäteten Meldung grundsätzlich von ihm zu tragen seien (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R –, BSGE 118, 52-63, SozR 4-2500 § 192 Nr 7, Rn. 19 - 20). Die Ausschlussregelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V aF sowie die Melderegelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V seien strikt zu handhaben (BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, RdNr. 18 mwN). Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung beider Regelungen habe die Rechtsprechung Ausnahmen in engen Grenzen anerkannt, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden seien, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen seien (BSG, Urteil vom 8. November 2005 – B 1 KR30/04 R –, BSGE 95, 219-232, SozR 4-2500 § 46 Nr 1, Rn. 18). Hierzu müsse der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare tun, um seine Ansprüche zu wahren, von einer von der Krankenkasse zu vertretenden Fehlentscheidung gehindert worden sein und gleichzeitig seine Rechte bei der Kasse unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend gemacht haben (BSG, Urteil vom 08. November 2005 – B 1 KR 30/04 R –, BSGE 95, 219-232, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1, Rn. 22 - 23). Unter diesen engen Voraussetzungen könne der Versicherte ausnahmsweise rückwirkend Krankengeld beanspruchen. Dem Versicherten obliege es hierbei, einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufzusuchen und seine Beschwerden zu schildern, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V; BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84 S 167 f; Senat, BSGE 85, 271, 276 f. = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 16; Senat, BSGE 90, 72, 83 = SozR 3-2500 § 44 Nr. 10 S 42). Dieser Obliegenheit sei die Klägerin nicht nachgekommen. Vorliegend mangele es an der Rechtzeitigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, weil die Klägerin erst verspätet bei einem Arzt vorstellig geworden sei. Es obliege dem Versicherten, zur Vermeidung einer Unterbrechung von Krankengeld und zum Erhalt eines durchgehenden umfassenden Krankenversicherungsschutzes für eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Sorge zu tragen (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R –, BSGE 123, 134-144, SozR 4-2500 § 46 Nr. 8, Rn. 20; BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr. 4, RdNr. 20). Hier habe die bescheinigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an einem Freitag geendet. Die Klägerin hätte somit die Möglichkeit gehabt, bereits freitags oder früher erneut einen Arzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufzusuchen (so auch BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R –, SozR 4-2500 § 192 Nr. 6, Rn. 20). Dass sich hier verwirklichte Risiko, dass nach Ablauf des Bescheinigungszeitraums nicht fristgerecht eine Folgebescheinigung erlangt worden sei, falle somit in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Die zeitliche Verzögerung der Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit könne vorliegend auch nicht auf eine von der Krankenkasse zu vertretene Fehlentscheidung zurückgeführt werden. Dies käme zum Beispiel in Betracht, wenn der behandelnde Arzt im rechtzeitigen Zeitraum fälschlicherweise nicht von einem Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit ausgegangen wäre und es deshalb an einer rechtzeitigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fehlen würde. Ein solcher Fall liege nicht vor. Die Beklagte treffe indes kein Verschulden dafür, dass die Klägerin erst am 12. September 2018 bei einem Arzt vorstellig geworden sei.
Die Klägerin hat gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 27. April 2020 zugestellten Gerichtsbescheid am 27. Mai 2020 Berufung zu Hessischen Landessozialgericht erhoben. Die Klägerin habe sich am Montag, den 10. September 2018 telefonisch um einen Termin bei ihrem Hausarzt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bemüht und sei an die Urlaubsvertretung verwiesen worden; dort habe sie erst für Mittwoch, den 12. September 2018 einen Termin bekommen. Damit habe die Klägerin alles in ihrer Macht Stehende getan, um eine Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit zu erhalten. Die Verzögerung falle nicht in ihren Verantwortungsbereich, sondern in den des Hausarztes bzw. des Vertretungsarztes und damit in die Sphäre der Beklagten. Die Klägerin legt ergänzend ein Attest ihres Arztes vor; darin bestätigt dieser, dass er am 10. September 2018 im Urlaub gewesen sei und die Klägerin daher erst am 12. September 2018 einen Termin habe erhalten können (Bl. 92 der Gerichtsakte). Außerdem reicht sie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis 31. August 2019 vor.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. April 2020 sowie den Bescheid vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe nicht alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Arbeitsunfähigkeit lückenlos zu belegen. Auch wenn das Bundessozialgericht die Anforderungen an die Zumutbarkeit mit den Urteilen vom 26. März 2020 (B 3 KR 10/19 R) etwas gelockert habe, werde aber in diesen Urteilen offenkundig ein bereits vereinbarter Termin vorausgesetzt, der dann seitens des Arztes verschoben werden. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall. Zudem fehle es an einem ärztlichen Verschulden, wenn dieser wegen Urlaub, Krankheit oder Überlastung nicht taggleich einen Termin zur Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit an einen Versicherten vergebe.
Durch Beschluss vom 26. August 2020 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.
Der Senat hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. September 2020 ergänzend angehört; wegen ihrer Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 94 bis 96 der Gerichtsakte) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berichterstatterin des Senats konnte gemeinsam mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. April 2020 entscheiden, da ihr mit Beschluss vom 26. August 2020 der Rechtsstreit übertragen wurde, § 153 Abs. 5 SGG.
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht Darmstadt hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2020 zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 13. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in gesetzlicher Höhe vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019.
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen des von der Klägerin geltend gemachten Krankengeldanspruchs wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Darmstadt liegen alle Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch im streitigen Zeitraum vor.
Grundsätzlich ist für den Anspruch der Klägerin auf Krankengeld erforderlich, dass am 12. September 2018 Versicherungsschutz - mit Blick auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V - fortbestand. Dies erforderte nach § 46 S. 2 SGB V in der bis 10. Mai 2019 geltenden Fassung (§ 46 SGB V a.F.), dass die Arbeitsunfähigkeit spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende, d.h. vorliegend am Montag, den 10. September 2018 ärztlich festgestellt wurde. Im Falle der Klägerin erfolgte jedoch keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung spätestens am 10. September 2018, sondern erst am 12. September 2018. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Krankengeldgewährung nötigen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung unterbrach damit wegen der nicht eingreifenden Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V an sich mangels aufrechterhaltener Pflichtmitgliedschaft der Klägerin mit Wirkung für die Zukunft den Krankenversicherungsschutz mit Krankengeldanspruch über den 8. September 2018 hinaus. Denn rechtlich hat grundsätzlich der Versicherte im Sinne einer Obliegenheit dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtzeitige ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung erfolgt (stRspr, BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R). Hierauf weist das Sozialgericht auch zu Recht hin.
Von diesen grundsätzlichen Erfordernissen hat das Bundessozialgericht enge Ausnahmen anerkannt (vgl. nur - jeweils m.w.N. – BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R; Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R; vgl. zuletzt - zur Meldung nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V - BSG Urteil vom 8. August 2019 - B 3 KR 6/18 R) und unter Fortentwicklung und Teilaufgabe früherer Rechtsprechung entschieden, dass eine Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen nicht nur bei medizinischen Fehlbeurteilungen (BSG Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 1 KR 37/14 R), sondern auch bei nichtmedizinischen Fehlern eines Vertragsarztes im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für den Versicherten unschädlich ist, wenn sie der betroffenen Krankenkasse zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R). Nach dieser Rechtsprechung steht dem Krankengeldanspruch eine erst verspätet erfolgte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht entgegen, wenn
1. der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um a. die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und b. dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist, 2. er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte AU-Bescheinigung), und 3. er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend macht.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Versicherte so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) diese Rechtsprechung dahingehend fortentwickelt, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, und es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus dem Vertragsarzt und der Krankenkassen zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R, Rn. 22, juris). Nach Auffassung des Bundessozialgerichts ist dies insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen (Folge-) Arbeitsunfähigkeitsfeststellung in der Sphäre des Vertragsarztes und nicht in derjenigen des Versicherten liegen (BSG, a.a.O., Rn. 23, juris) und verweist hierzu beispielhaft auf den dem Urteil vom 26. März 2020 zugrundeliegenden Fall, dass ein Vertragsarzt bzw. das von ihm angeleitete Praxispersonal einen rechtzeitig vereinbarten Termin in der Vorstellung verschiebt, dass ein späterer Termin für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich sei. Das Bundessozialgericht begründet die Gleichstellung eines - der Sphäre einer Krankenkasse zurechenbaren - unterbliebenen Arztkontaktes mit einem tatsächlichen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt damit, dass die Obliegenheiten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt seien und führt hierzu - unter Bezugnahme auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot und den Rechtsgedanken von Treu und Glauben - aus (BSG a.a.O., Rn. 24-26, juris):
"Ein "Arzt-Hopping", das ohnehin grundsätzlich unerwünscht ist (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V), statt des nachvollziehbaren Wunsches, von dem mit der AU schon vertrauten (hier: Fach-)Arzt weiterbetreut zu werden, kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden. Für Versicherte fallen zudem ihr soziales Schutzbedürfnis in der GKV zu ihrer finanziellen Absicherung im Krankheitsfall (s auch § 2 Abs 2 und § 4 Abs 2 Satz 1 Nr 2, § 21 Abs 1 Nr 2 Buchst g SGB I) und die Verhältnismäßigkeit von leistungsrechtlichen Folgen bei tatsächlichen Fristversäumnissen ins Gewicht (verfassungsrechtliches Übermaßverbot). Diese Erwägungen waren für den Senat schon wesentlich für die Erweiterung der Unschädlichkeit von Arztfehlern im nichtmedizinischen Bereich (BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8, RdNr 25 ff). Generalpräventive Erwägungen der Missbrauchsabwehr haben dagegen, vor allem in zweifelsfreien Folge-AU-Fällen, kein solch großes Gewicht, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten. Für die vorstehende Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF und Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Senats spricht darüber hinaus, dass sich Versicherungsträger in ihrem Verwaltungshandeln auch am Rechtsgedanken von Treu und Glauben (vgl § 242 BGB) auszurichten haben, welcher auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts Anwendung findet (stRspr, aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 1.7.2010 - B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 29 ff mit umfangreichen Rspr-Nachweisen; vgl auch zuletzt BSG (GS) Beschluss vom 20.2.2019 - GS 1/18 - juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2600 § 118 Nr 16 vorgesehen; BSG Urteil vom 9.4.2019 - B 1 KR 3/18 R - juris RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-1780 § 161 Nr 3 vorgesehen). Versicherungsträger aller Zweige dürfen sich daher zB nicht auf die Versäumung einer dem geltend gemachten Leistungsanspruch entgegenstehenden Ausschlussfrist berufen, wenn sie die Wahrung der Frist durch eigenes Fehlverhalten treuwidrig verhindert haben (vgl bereits BSG Urteil vom 17.11.1970 - 1 RA 233/68 - BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner zB BVerwG Urteil vom 28.3.1996 - 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39, 45 mwN = Buchholz 428 § 30a VermG Nr 2; BGH Urteil vom 27.6.1985 - IX ZR 17/85 - NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956). Das folgt vor allem auch aus dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB. Diese Regelung bestimmt sinngemäß, dass dann, wenn der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil der Eintritt gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird, diese Bedingung (gleichwohl) als eingetreten gilt. § 162 Abs 1 BGB liegt damit der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass niemand - auch kein Träger öffentlicher Verwaltung aus seinem eigenen treuwidrigen Verhalten, das er (oder ein seiner Sphäre zuzurechnender Dritter) einer ihm rechtlich verbundenen Person gegenüber gezeigt hat, einen Vorteil ziehen darf (vgl nur Bork in Staudinger, BGB, § 162 RdNr 2, 4, 15, Stand 2015; ferner zB BVerwG Urteil vom 28.10.1983 - 8 C 39/82 - BVerwGE 68, 156, 159 = Buchholz 448.0 § 13a WehrPflG Nr 15). Dem Rechtsgedanken der Regelung kommt auch im Bereich der Leistungsverwaltung des Sozialrechts Bedeutung zu, insbesondere im Zusammenhang mit der Versäumung von (Ausschluss-) Fristen, die von einem Leistungsberechtigten einzuhalten sind (vgl bereits BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO; ferner BGH NVwZ 1985, 938, 939 = LM Nr 36 zu § 190a BEG 1956 (juris RdNr 14 f)). Über den der Bestimmung zugrunde liegenden Rechtsgedanken wird dann fingiert, dass die Einhaltung der Ausschlussfrist durch den Begünstigten gewahrt ist (so BGH, ebenda, unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 15.7.1959 - V C 80.57 - BVerwGE 9, 89, 92 und BVerwG Urteil vom 24.6.1966 - VI C 72.63 - DVBl 1966, 857, auf BSGE 32, 60, 62 = SozR Nr 15 zu § 1286 aF RVO und BSG Urteil vom 17.5.1973 - 12 RJ 354/72 - SozR Nr 9 zu § 1252 RVO = DVBl 1973, 793 sowie auf BFH Urteil vom 22.4.1966 - VI 264/65 - BFHE 86, 148, 151)."
Der Senat schließt sich dieser Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus eigener Überzeugung an. In diesem Sinne dürfen auch Krankenkassen gegenüber dem Krankengeldanspruch ihrer Versicherten nicht einwenden, der dafür erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht rechtzeitig zustande gekommen, wenn dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen und die auch den Krankenkassen zuzurechnen sind.
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Ausführungen hat die Klägerin einen Anspruch auf Krankengeld vom 8. September 2018 bis zum 31. August 2019.
Aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 20. August 2018 war die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis Freitag, den 7. September 2018 festgestellt. Entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 46 S. 2 SGB V a.F. blieb die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin über den 7. September 2018 hinaus grundsätzlich nur bestehen, wenn eine erneute Feststellung der Arbeitsunfähigkeit - aufgrund eines Arzt-Patienten- Kontakts (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 22/15 R) - spätestens am nächsten Werktag, d.h. am Montag, den 10. September 2018 erfolgt wäre. Dieser Arzt-Patienten-Kontakt am 10. September 2018 zwischen der Klägerin und ihrem Hausarzt Dr. D. bzw. einem anderen Arzt kam jedoch vorliegend nicht zustande.
Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin aber rechtzeitig am Montag, den 10. September 2018 bereits morgens telefonisch versucht, einen Termin zur Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit für den 10. September 2018 zu vereinbaren. Die Klägerin schildert hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. September 2020, dass bei Ausstellung der vorausgehenden Bescheinigung am 20. August 2018 zwar nicht konkret einen Wiedervorstellungstermin vereinbart worden sei, aber die Ergebnisse der fachärztlichen Untersuchungen zur ihren Schwindelbeschwerden abgewartet werden sollten und sie - falls keine Besserung eintrete - nach Ende der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder vorstellig werden sollte. Hierzu habe sie dann am 10. September 2018 morgens gegen 7.30 Uhr - kurz nach Öffnung der Praxis - angerufen und erfahren, dass ihr Hausarzt Dr. D. im Urlaub sei, wovon sie im Vorfeld nichts gewusst habe. Ihr sei mitgeteilt worden, dass sie einen Termin erst am Mittwoch, den 12. September 2018 bei Dr. E. - einem weiteren Arzt der Gemeinschaftspraxis - bekommen könne. Diesen Termin hat die Klägerin wahrgenommen, woraufhin Dr. E. mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. September 2020 - aufgrund eines Arzt-Patienten-Kontakts - weitere Arbeitsunfähigkeit bis 28. September 2018 festgestellt hat. Entsprechend bestätigt Dr. D. mit Attest vom 21. September 2020 (Bl. 92 der Gerichtsakte), dass er am 10. September 2018 im Urlaub gewesen sei und die Klägerin erst am Mittwoch, den 12. September 2018 erhalten habe. Der Senat hat keinen Zweifel an den von der Klägerin geschilderten und durch Dr. D. bestätigten Abläufen am Montag, den 10. September 2018. Die Schilderung der Klägerin ist nachvollziehbar und entspricht auch ihrem Vortrag bereits im Widerspruchsverfahren.
Der Klägerin kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie sich erst am Montag, den 10. September 2018, d.h. am letzten Tag der anspruchserhaltenden Frist um einen Arzttermin zur Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit bemüht habe und damit gerade nicht "rechtzeitig" tätig geworden sei. Nach Auffassung des Senats darf sich ein Versicherter auch am letzten Tag des anspruchserhaltenden Zeitraums an die Praxis des behandelnden Arztes wenden, um einen Arzttermin für den gleichen Tag zu vereinbaren (so auch: Knispel, jurisPR-SozR 17/2020 Anm. 3). Einem Versicherter ist es selbstverständlich gestattet, seine weitere Genesung über ein Wochenende abzuwarten und erst montags zu entscheiden, ob er sich arbeitsfähig fühlt oder zur Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit einen Arzt aufsucht. Eine Verpflichtung, "auf Vorrat" einen Arzttermin im anspruchserhaltenden Zeitraum zu vereinbaren, besteht nicht. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben bereits morgens früh um 7.30 Uhr in der Praxis angerufen und sie nach ihrer Erfahrung stets am gleichen Tag einen Termin erhalten habe, ist sie "rechtzeitig" tätig geworden. Ein persönliches Vorsprechen in der Praxis zur Terminvereinbarung ist unter diesen Umständen nicht erforderlich und der Klägerin aufgrund der bestehenden Krankheitssymptome auch nicht zumutbar. Die Klägerin hat auch nicht "auf den letzten Drücker" abends kurz vor Sprechstundenende in der Praxis ihres Hausarztes angerufen (vgl. Knispel, a.a.O.). Der Klägerin war es zudem nicht zumutbar, andere Ärzte oder gar den ärztlichen Notdienst anzurufen oder aufzusuchen, um dort einen Termin zur Fortschreibung der Arbeitsunfähigkeit zu erhalten; ein "Arzt-Hopping" ist unerwünscht (§ 76 Abs. 3 S. 1 SGB V) und kann vor der Klägerin nicht verlangt werden (BSG, Urteil vom 26. März 2020 - B 3 KR 9/19 R, Rn. 24, juris).
Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin unter Berücksichtigung der Gesamtumstände damit alles in ihrer Macht Stehende und ihr Zumutbare getan, um rechtzeitig in den anspruchserhaltenden zeitlichen Grenzen eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erreichen. Das Nichtzustandekommen eines Arzt-Patientenkontakts am Montag, den 10. September 2018 ist nicht ihr, sondern vielmehr der Sphäre des Vertragsarztes und schließlich auch der Krankenkasse zuzurechnen.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die missverständliche Fassung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (§ 5 Abs. 3 AU-Richtlinie) den Vertragsärzten ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erlaubt. Entsprechend hervorgerufene bzw. aufrechterhaltene Fehlvorstellungen bei Vertragsärzten über deshalb auch vermeintlich den Versicherten in ihrem Verhältnis zu deren Krankenkassen unschädliche leistungsrechtliche Folgen rückwirkender Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen sind den Krankenkassen als maßgebliche Mitakteure im Gemeinsamen Bundesausschuss und Anspruchsgegner der Krankengeldansprüche Versicherter zuzurechnen (BSG a.a.O. Rn. 28, juris unter Verweis auf BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 R). Ein insoweit schuldhaften Verhalten des Vertragsarztes ist - entgegen Auffassung der Beklagten - nicht zu verlangen.
Die durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. März 2020 (B 3 KR 9/19 R) fortentwickelte Rechtsprechung ist auch nicht auf die Fälle beschränkt, in welchen der Arzt oder das Praxispersonal einen bereits vereinbarten Termin in noch anspruchserhaltender Zeit aus terminlichen oder sonstigen Gründen absagt und einen neuen Termin nach Ende der anspruchserhaltenden Zeit vereinbart. Das Bundessozialgericht spricht insoweit von "insbesondere" bzw. "typischerweise" (BSG, a.a.O. Rn. 23, juris). Diese Formulierungen machen deutlich, dass auch andere Fallkonstellationen geben kann, in welchen der Krankenkasse ein (fehlerhaftes) Arztverhalten den Krankenkassen zuzurechnen ist (vgl. auch schon BSG, Urteil vom 11. Mai 2017, B 3 KR 22/15 R zur missverständlichen Fassung der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses).
Die Klägerin war auch über den 7. September 2018 hinaus tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt und hat entsprechend durchgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 31. August 2019 vorgelegt. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen bestehen auch seitens des Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass vor dem 31. August 2019 Arbeitsfähigkeit eingetreten ist.
Die Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved