Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 320/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 291/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 61/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Kläger zu leistenden Beiträge, wobei der Kläger deren Reduzierung auf die Hälfte damit begründet, dass er noch drei unterhaltsberechtigte Kinder zu versorgen habe.
Der jetzt 66-jährige, schwerbehinderte Kläger ist seit dem 1. Juli 2011 als Rentner bei der Beklagten Pflichtmitglied in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, wobei neben seiner gesetzlichen Rente auch Beiträge auf Versorgungsbezüge verbeitragt werden, letztere dabei in Höhe des allgemeinen Beitragssatzes (Bescheide vom 29. September 2011, 29. November 2011 und 29. Oktober 2012). Er ist Vater von fünf Kindern (geboren 1978, 1980 Zwillinge, 1995 und 1997), wobei der 1980 geborene Sohn als schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80 und dem Merkzeichen "H" anerkannt ist und wegen des Bezuges einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Beklagte zahlt. Auch seine Ehefrau zahlt als Mitglied der Beklagten eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger bezieht neben der gesetzlichen Versichertenrente, die ab Juli 2011 monatlich 1.664,58 EUR sowie ab Juli 2013 monatlich 1.705,18 EUR betrug, noch eine gleichbleibende Betriebsrente in Höhe von 2.035,27 EUR. Beide werden zu Beiträgen zur Kranken- wie zur Pflegeversicherung durch die Beklagte herangezogen.
Unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 7. Dezember 2012 hatte der Kläger mit Schreiben vom 3. Oktober 2012 einen "deutlichen Abschlag" der monatlich auch auf seine Versorgungsbezüge zu entrichtenden Beiträge begehrt und begründete dies zum einen damit, dass bei ihm – wie bei Rentnern der gesetzlichen Rentenversicherung - nur der halbe Beitragssatz anfallen dürfe, dass wegen des Umfangs der Beitragserhöhung und seiner übergangslosen Einführung er sich seinem Vertrauen verletzt fühle und er schließlich aufgrund seiner fünf leiblichen Kinder, die für die zukünftige Generation sorgen müssten, besser zu stellen sei. Die jetzige Regelung begünstige kinderlose Personen, was mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im "Beitragskinderurteil" nicht zu vereinbaren sei. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragsberechnung aus Versorgungsbezügen erläutert hatte, teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 2013 erläuternd mit, wie sich die von ihm geforderten Beiträge ab dem 1. Juli 2013 berechnen.
Nachdem die Beklagte dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 8. August 2013 ihre Rechtsauffassung bestätigt und das Schreiben vom 16. Juli 2013 bereits als Verwaltungsakt ansah, hat der Kläger hiergegen am 14. April 2014 Widerspruch mit dem Ziel erhoben, ab dem 1. Juli 2011 seine Beiträge entweder unter Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten für seine drei Kinder zu berechnen oder hilfsweise nur noch in Höhe von fünfzig Prozent der gegenwärtigen Bemessung festzusetzen und ihm die dadurch zu viel gezahlten Beiträge zu erstatten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2014 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 16.06.2014 beim hiesigen Gericht erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die rückwirkende Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung nur "unter Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten für drei Kinder vom Bemessungsentgelt", hilfsweise reduziert auf die Hälfte begehrt sowie die dadurch überhöht gezahlten Beiträge zu erstatten. Er hält angesichts der Tatsache, dass seine gesamte monatliche Beitragslast in Höhe von zuletzt 531,97 EUR deutlich über den Beiträgen seiner aktiven Beschäftigungszeit liege, dies für ungerecht. Zudem verstoße die seiner Ansicht nach bestehende "Transfer-Ausbeutung" durch eine Nicht-Berücksichtigung seiner Erziehungsleistungen gegen die Grundrechte aus Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes. Zumal er im Hinblick auf seine Betriebsrente den Beitrag zur Krankenversicherung allein trage, womit sein Vertrauen auf eine angemessene Rente unter Verstoß seiner sozialrechtlichen Eigentumsposition nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt worden sei. Durch die Erziehung von fünf Kindern trage er zum Erhalt und zur Funktionsfähigkeit des umlagefinanzierten Sozialversicherungssystem bei, werde aber mit seinem Geldbeitrag mit höheren bzw. gleich hohen Beiträgen wie Mitglieder ohne Kinder belastet. Dabei werde übersehen, dass er dadurch bereits einen Beitrag leistet, der monetären Beiträgen prinzipiell äquivalent sei. Der Gesetzgeber habe mit der bestehenden Regelung der Beitragsbemessung nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße dem Schutz der Familien und der Kindererziehung Rechnung getragen, weshalb insbesondere der Erhebung des vollen Beitragssatzes auf die Versorgungsbezüge verfassungswidrig sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, rückwirkend ab dem 1. Juli 2011 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf seine Renten unter Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten von drei Kindern vom Bemessungsentgelt zu erheben,
hilfsweise unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Juli 2011 die Beiträge unter Berücksichtigung der Erziehung von fünf Kindern nur in Höhe von 50 vom Hundert der gegenwärtigen Bemessung zu erheben und die dadurch zu viel geleisteten Beiträge ihm zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass ihr Bescheid vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 rechtmäßig sei, da sie sich an die gültigen Gesetze gehalten habe. Für die auf die Versorgungsbezüge zu leistenden Beiträge habe der Gesetzgeber bewusst den allgemeinen Beitragssatz gewählt, was auch seitens des Bundessozialgerichts bestätigt und auch seitens des Bundesverfassungsgericht in seinem Nicht-Annahmebeschluss selbst aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beanstandet worden sei. Die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Anhebung des Beitragssatzes auf Versorgungsbezüge von ursprünglich der Hälfte jetzt auf den vollen allgemeinen Beitragssatz habe selbst das Bundesverfassungsgericht für ein geeignetes zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung geeignetes und erforderliches Mittel angesehen und deshalb nicht für verfassungswidrig gehalten. Dies gelte auch, soweit der Kläger beanstandet, dass die gesamten Beiträge allein von ihm zu tragen seien. Insoweit sei die vom Kläger geltend gemachte Verletzung von Verfassungsrecht bereits höchstrichterlich entkräftet worden. Schließlich habe der Gesetzgeber im Rahmen der Krankenversicherung keine Regelung hinsichtlich der Beitragshöhe für kindererziehende Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen, während er im Bereich der Pflegeversicherung beschlossen hat, dass kinderlose Versicherte ab Geburtsdatum 1940 und Jünger ab dem 1. Januar 2005 einen Zuschlag von 0,25 Prozent auf ihren Beitrag zahlen müssten.
Mit richterlicher Verfügung vom 6. November 2014 hat der Kammervorsitzende die Beteiligten darüber informiert, dass das Gericht gedenkt, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden und dazu eine Frist zur Stellungnahme bis zum 20. Dezember 2014 gesetzt. Während die Beklagte sich ausdrücklich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt hatte, hat sich der Kläger ausdrücklich dagegen gewandt und eine mündliche Verhandlung mit ehrenamtlichen Richtern beantragt, worauf er seiner Ansicht nach unter Beachtung des Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einen Anspruch habe. Zumal dem vorliegenden Fall grundsätzliche Bedeutung zukomme, zumal ähnlich zu bewertende Sachverhalte derzeit beim Bundessozialgericht zur Entscheidung und ggf. zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht anstünden. Dabei verweist er einerseits auf eine Revisionsschrift von Prof. Dr. C. an das Bundessozialgericht (zum dortigen Aktenzeichen B 1 KR 61 / 12 R), einen Schriftsatz an das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem dort anhängigen Klageverfahren, wonach der Nicht-Annahme-Beschluss des Bundesverfassungsgericht auf formale Fehler zurückzuführen sei sowie auf das Zeugnis des (ehemaligen) Vorsitzenden Richters am Hessischen Landessozialgericht Dr. D., dessen Vernehmung als Zeuge er beantragt.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch den Kammervorsitzenden per Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und die Beteiligten vorher zu dieser Vorgehensweise angehört wurden (§ 109 Abs. 1 SGG). Die Beteiligten wurden mit richterlicher Verfügung vom 6. November 2014 durch den Kammervorsitzenden darüber informiert, dass das Gericht beabsichtige, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wozu sie auch – zumal noch innerhalb der gesetzten Frist – Stellung genommen haben. Zwar hat der Kläger einer Entscheidung per Gerichtsbescheid widersprochen und ausdrücklich eine mündliche Verhandlung beantragt, eine Zustimmung zur Entscheidung per Gerichtsbescheid ist jedoch nicht erforderlich, wogegen auch weder verfassungsrechtliche Bedenken bestehen noch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK zu sehen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, München 2014, zu § 105, Rdz. 2 und 10 f). Der Sachverhalt ist nicht nur geklärt sondern einfach, besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen nicht vor, da es um die Anwendung zwingenden Rechts geht. Es ist auch nicht über eine komplizierte Rechtsfrage zu entscheiden, die höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und dem Verfahren kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Soweit der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken ins Feld führt, sind diese entweder bezüglich der hier strittigen Frage der Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung geklärt bzw. nicht überzeugend (wird unten noch näher ausgeführt).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr hat die Beklagte darin zu Recht festgestellt, dass auch ab dem 1. Juli 2011 von dem Kläger nicht nur auf die von ihm bezogene gesetzliche Versichertenrente und auf die von ihm darüber hinaus bezogene Betriebsrente Beiträge zur (gesetzlichen) Kranken- und (sozialen) Pflegeversicherung zu zahlen sind, sondern dass die Beiträge auf die Betriebsrente mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu berechnen sind.
Nach § 220 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) wie auch nach § 54 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) werden die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung wie der sozialen Pflegeversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen gedeckt. Dabei sind die Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 223 Abs. 1 SGB V, für die Pflegeversicherung § 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Dabei werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen, wobei für die Berechnung die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen sind (§ 223 Abs. 2 SGB V, für die Pflegeversicherung in Verbindung mit § 54 Abs. 3 SGB XI). Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze, sodass Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, außer Ansatz bleiben, soweit ausdrücklich nichts anderes bestimmt ist (§ 223 Abs. 3 SGB V / § 54 Abs. 3 SGB XI).
Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden dabei der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, wobei die §§ 226 Abs. 2, 228, 229 und 231 SGB V entsprechend gelten (§ 237 SGB V). Erreicht dabei – wie im Falle des Klägers - der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die Beitragsbemessungsgrenze, werden nacheinander der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen des Mitgliedes bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt (§ 238 SGB V). Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, - unter anderem - Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 5 SGB V i.V.m. § 54 Abs. 3 SGB XI). Dabei tragen versicherungspflichtige Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse die Beiträge aus Versorgungsbezügen allein (§ 250 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V), wenn diese auch von der Zahlstelle der Versorgungsbezüge einzubehalten sind und an die Krankenkasse zuzahlen haben.
Deshalb hat die Beklagte, was vom Kläger auch mit seiner Klage nicht angegangen wird, beim Kläger seit dem 1. Juli 2011 neben seiner gesetzlichen Rente auch die von ihm monatlich bezogene Betriebsrente der Versicherungspflicht unterworfen, da diese als Altersversorgung für den Kläger ausgestaltet ist. Strittig ist daher allein, ob von dem aus gesetzlicher Rente einerseits und Betriebsrente andererseits ermittelten Gesamtbetrag bei der Beitragsberechnung ein Abzug in Höhe der durchschnittlichen Unterhaltskosten von drei Kindern zu machen ist, bei der Beitragsbemessung für die Betriebsrente diese angesichts der Erziehung von fünf Kindern nur in Höhe von 50 vom Hundert anfallen bzw. erhoben werden dürfen. Dafür fehlt es jedoch nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage sondern eine solche erscheint auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
Die Berücksichtigung von "durchschnittlichen Unterhaltskosten" – zumal noch nach der Anzahl der Kinder – durch Abzug eines solchen Betrages von den vorhandenen, grundsätzlich beitragspflichtigen Einnahmen ist der Regelung der Beitragsbemessung sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung wie nach dem Recht der sozialen Pflegeversicherung fremd. Wie bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens wird auch bei der Bemessung der Beiträge auf gesetzliche Renten und Versorgungsbezügen (hier: monatlich zu zahlende Betriebsrente) ausschließlich auf den jeweiligen (Brutto-)Zahlbetrag abgestellt, ohne auf vermeintliche oder tatsächlich bestehende Unterhaltsverpflichtungen – seien sie in der Vergangenheit entstanden oder aktuell noch vorhanden – abzustellen. Wenn der Gesetzgeber dies – und sei es auch nur für eine Gruppe der versicherungspflichtigen der gesetzlichen Krankenkasse – hätte regeln wollen, hätte er dies ohne weiteres in der insgesamt doch sehr abgestuften Systematik der §§ 223 bis 258 SGB V tun können.
Der Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen, die Unterhaltsleistungen von Eheleuten gegenüber ihren Kindern in Form anderen Sozialleistungen (z. Bsp. Kindergeld, Elterngeld) oder etwa bei der steuerlichen Belastung (z. Bsp. Kinderfreibeträge, Berücksichtigung von Ausbildungskosten der Kinder) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Anerkennung von Kindererziehungszeiten) zu berücksichtigen. Ob damit der gesamte, vor allem finanzielle Aufwand der Eltern und deren möglicherweise durch die Betreuung der Kinder entstandenen Nachteile ausgeglichen werden, braucht die Kammer nicht zu entscheiden und ist auch verfassungsrechtlich nur in extremen Sonderfällen geboten, da der Gesetzgeber gerade in der Regelung der Sozialversicherung einen äußerst weiten Ermessungsspielraum hat. Die Beitragsbemessung aufgrund des aktuellen Einkommens (hier in Form der gesetzlichen Rentenversicherung, einer Betriebsrente sowie möglicherweise ergänzendem Arbeitseinkommen) entspricht der gesamten Systematik der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung, weshalb eine Ausnahme davon – hier durch pauschalen Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten für Kinder, zumal noch nach deren Anzahl gestaffelt – als systemwidrig einzustufen wäre. Ein Verstoß gegen Art. 2 oder Art. 6 Abs. 1 Grundgesetzes ist daher nicht anzunehmen bzw. aufgrund der Ziele der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu begründen.
Auch der Hinweis des Klägers auf den "Generationen-Vertrag" kann zur Überzeugung der Kammer keinen Grund dafür erbringen, dass die aktuelle gesetzliche Regelung der Beitragsbemessung – hier speziell unter Berücksichtigung des Bezuges einer gesetzlichen Rente und einer Betriebsrente – sich als verfassungswidrig erweist. Denn mit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung werden in der Regel auch Leistungen an diejenigen Kinder finanziert, deren Eltern – zumindest ein Elternteil – als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ihren Beitrag zahlen. Denn im Rahmen der Familienversicherung erhalten diese Kinder – unter den in § 10 SGB V definierten Bedingungen – kostenlose Krankenbehandlung ohne auch nur einen eigenen oder bezogen auf das versicherte beitragspflichtige Mitglied – einen erhöhten Beitrag zu leisten. Es entspricht dem Gedanken der Sozialversicherung, dass es keine Äquivalenz zwischen Beitragsbelastung und Leistung gibt, vielmehr bestimmte "Risiken" von der Gemeinschaft der Beitragszahlung zugunsten anderer abzudecken sind. Es erscheint daher zur Überzeugung der Kammer durchaus gerecht, die Tatsache der Kindererziehung bzw. der tatsächlichen Unterhaltsleistung – sei es in der Vergangenheit oder sei es in der aktuellen Situation – nicht auch noch bei der Beitragszahlung zu berücksichtigen. Damit erklärt sich zur Überzeugung der Kammer auch der deutliche Unterschied zu den Leistungen der Pflegeversicherung und der damit vom Bundesverfassungsgericht geforderten und inzwischen durch den Gesetzgeber auch umgesetzten unterschiedlichen Behandlung von kinderlosen Beitragszahlern zu solchen mit Kindern.
Desgleichen lässt sich ein, zumal noch auf Art. 14 Grundgesetz gestützter "Vertrauensverstoß auf eine angemessene Rente" nicht feststellen, ganz abgesehen davon, dass die Höhe der Rente bzw. einer Betriebsrente niemals dem Eigentumsschutz des Art. 14 Grundgesetz zuzuordnen ist. Das Vertrauen des Klägers kann sich damit allenfalls auf einen Bezug dieser Leistungen erstrecken, das jedoch nicht verletzt ist, weil er ja diese Einnahmen erhält.
Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Beitragsbemessung aus der Betriebsrente den vollen allgemeinen Beitrag zugrunde gelegt hat. Denn nach § 248 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V - in der Fassung vom 1. April 2003 - gilt bei Versicherungspflichtigen – wie im Übrigen auch bei allen freiwillig Versicherten – für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungbezügen und Arbeitseinkommen der allgemeine Beitragssatz; ausgenommen sind lediglich die Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte mit Ausnahme einer Übergangshilfe (§ 248 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 SGB V). Diese zum 1. April 2003 geänderte Regelung ist auch verfassungsgemäß (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 2006 – B 12 KR 13/05 R sowie Nicht-Annahme-Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 28. Februar 2008 - 1 BvR 2137/06) und wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dies ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt (Der Gesetzgeber erwartete dadurch jährliche Einnahmen von ca. 1,6 Mrd. Euro – vgl. Bundestagsdrucksache 15/1586, Seite 2). Im Übrigen ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen auch berechtigt, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung heranzuziehen (so Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Dezember 2002 1 BvR 1660/96). Da der allgemeine Beitragssatz mit nunmehr 15,5 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bestimmt ist (§ 241 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung), entspricht die von der Beklagten im Bescheid vom 16. Juli 2013 festgelegte Berechnung der Sach- und Rechtslage.
Soweit der Kläger seine Argumente der Absenkung des Bemessungsentgeltes bzw. eines niedrigeren Beitragssatzes auch für die Pflegeversicherung geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber durch die zum 1. Januar 2005 erfolgte Neufassung des § 55 SGB XI (Gesetz vom 23. Dezember 2002 – BGBl. I S. 4637 bzw. durch Gesetz vom 26. März 2007 – BGBL I, S. 378) aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 – 1 BvR 1629/94 festgelegt, dass der Beitragssatz von 2,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitgliedes (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI), soweit es nicht zum Personenkreis des § 28 Abs. 2 SGB XI gehört, sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Punkten (Beitragszuschlag für kinderlose), es sei denn sie sind Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB I. Damit hat der Gesetzgeber für den Bereich der Pflegeversicherung der Unterhaltsleistung der Eltern Rechnung getragen, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.
Da sich sowohl die vom Rentenversicherungsträger wie von der Zahlstelle für die vom Kläger bezogene Betriebsrente jeweils die den gesetzlichen Bestimmungen folgenden monatlichen Beiträgen von der Rente bzw. der Betriebsrente einbehalten und an die Beklagte weitergeleitet hat, sind diese auch wirksam entrichtet, sodass der Kläger keinen Anspruch auf – auch nur teilweise Erstattung hat (§ 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV). Damit erweist sich der Bescheid vom der Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 in Übereinstimmung mit der Sach- und Rechtslage, sodass die hiergegen erhobene Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der vom Kläger zu leistenden Beiträge, wobei der Kläger deren Reduzierung auf die Hälfte damit begründet, dass er noch drei unterhaltsberechtigte Kinder zu versorgen habe.
Der jetzt 66-jährige, schwerbehinderte Kläger ist seit dem 1. Juli 2011 als Rentner bei der Beklagten Pflichtmitglied in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, wobei neben seiner gesetzlichen Rente auch Beiträge auf Versorgungsbezüge verbeitragt werden, letztere dabei in Höhe des allgemeinen Beitragssatzes (Bescheide vom 29. September 2011, 29. November 2011 und 29. Oktober 2012). Er ist Vater von fünf Kindern (geboren 1978, 1980 Zwillinge, 1995 und 1997), wobei der 1980 geborene Sohn als schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80 und dem Merkzeichen "H" anerkannt ist und wegen des Bezuges einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Beklagte zahlt. Auch seine Ehefrau zahlt als Mitglied der Beklagten eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger bezieht neben der gesetzlichen Versichertenrente, die ab Juli 2011 monatlich 1.664,58 EUR sowie ab Juli 2013 monatlich 1.705,18 EUR betrug, noch eine gleichbleibende Betriebsrente in Höhe von 2.035,27 EUR. Beide werden zu Beiträgen zur Kranken- wie zur Pflegeversicherung durch die Beklagte herangezogen.
Unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 7. Dezember 2012 hatte der Kläger mit Schreiben vom 3. Oktober 2012 einen "deutlichen Abschlag" der monatlich auch auf seine Versorgungsbezüge zu entrichtenden Beiträge begehrt und begründete dies zum einen damit, dass bei ihm – wie bei Rentnern der gesetzlichen Rentenversicherung - nur der halbe Beitragssatz anfallen dürfe, dass wegen des Umfangs der Beitragserhöhung und seiner übergangslosen Einführung er sich seinem Vertrauen verletzt fühle und er schließlich aufgrund seiner fünf leiblichen Kinder, die für die zukünftige Generation sorgen müssten, besser zu stellen sei. Die jetzige Regelung begünstige kinderlose Personen, was mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im "Beitragskinderurteil" nicht zu vereinbaren sei. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 die gesetzlichen Bestimmungen zur Beitragsberechnung aus Versorgungsbezügen erläutert hatte, teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 16. Juli 2013 erläuternd mit, wie sich die von ihm geforderten Beiträge ab dem 1. Juli 2013 berechnen.
Nachdem die Beklagte dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 8. August 2013 ihre Rechtsauffassung bestätigt und das Schreiben vom 16. Juli 2013 bereits als Verwaltungsakt ansah, hat der Kläger hiergegen am 14. April 2014 Widerspruch mit dem Ziel erhoben, ab dem 1. Juli 2011 seine Beiträge entweder unter Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten für seine drei Kinder zu berechnen oder hilfsweise nur noch in Höhe von fünfzig Prozent der gegenwärtigen Bemessung festzusetzen und ihm die dadurch zu viel gezahlten Beiträge zu erstatten. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2014 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 16.06.2014 beim hiesigen Gericht erhobene Klage, mit der der Kläger weiterhin die rückwirkende Erhebung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung nur "unter Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten für drei Kinder vom Bemessungsentgelt", hilfsweise reduziert auf die Hälfte begehrt sowie die dadurch überhöht gezahlten Beiträge zu erstatten. Er hält angesichts der Tatsache, dass seine gesamte monatliche Beitragslast in Höhe von zuletzt 531,97 EUR deutlich über den Beiträgen seiner aktiven Beschäftigungszeit liege, dies für ungerecht. Zudem verstoße die seiner Ansicht nach bestehende "Transfer-Ausbeutung" durch eine Nicht-Berücksichtigung seiner Erziehungsleistungen gegen die Grundrechte aus Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes. Zumal er im Hinblick auf seine Betriebsrente den Beitrag zur Krankenversicherung allein trage, womit sein Vertrauen auf eine angemessene Rente unter Verstoß seiner sozialrechtlichen Eigentumsposition nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt worden sei. Durch die Erziehung von fünf Kindern trage er zum Erhalt und zur Funktionsfähigkeit des umlagefinanzierten Sozialversicherungssystem bei, werde aber mit seinem Geldbeitrag mit höheren bzw. gleich hohen Beiträgen wie Mitglieder ohne Kinder belastet. Dabei werde übersehen, dass er dadurch bereits einen Beitrag leistet, der monetären Beiträgen prinzipiell äquivalent sei. Der Gesetzgeber habe mit der bestehenden Regelung der Beitragsbemessung nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße dem Schutz der Familien und der Kindererziehung Rechnung getragen, weshalb insbesondere der Erhebung des vollen Beitragssatzes auf die Versorgungsbezüge verfassungswidrig sei.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, rückwirkend ab dem 1. Juli 2011 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf seine Renten unter Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten von drei Kindern vom Bemessungsentgelt zu erheben,
hilfsweise unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Juli 2011 die Beiträge unter Berücksichtigung der Erziehung von fünf Kindern nur in Höhe von 50 vom Hundert der gegenwärtigen Bemessung zu erheben und die dadurch zu viel geleisteten Beiträge ihm zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dass ihr Bescheid vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 rechtmäßig sei, da sie sich an die gültigen Gesetze gehalten habe. Für die auf die Versorgungsbezüge zu leistenden Beiträge habe der Gesetzgeber bewusst den allgemeinen Beitragssatz gewählt, was auch seitens des Bundessozialgerichts bestätigt und auch seitens des Bundesverfassungsgericht in seinem Nicht-Annahmebeschluss selbst aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beanstandet worden sei. Die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Anhebung des Beitragssatzes auf Versorgungsbezüge von ursprünglich der Hälfte jetzt auf den vollen allgemeinen Beitragssatz habe selbst das Bundesverfassungsgericht für ein geeignetes zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung geeignetes und erforderliches Mittel angesehen und deshalb nicht für verfassungswidrig gehalten. Dies gelte auch, soweit der Kläger beanstandet, dass die gesamten Beiträge allein von ihm zu tragen seien. Insoweit sei die vom Kläger geltend gemachte Verletzung von Verfassungsrecht bereits höchstrichterlich entkräftet worden. Schließlich habe der Gesetzgeber im Rahmen der Krankenversicherung keine Regelung hinsichtlich der Beitragshöhe für kindererziehende Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen, während er im Bereich der Pflegeversicherung beschlossen hat, dass kinderlose Versicherte ab Geburtsdatum 1940 und Jünger ab dem 1. Januar 2005 einen Zuschlag von 0,25 Prozent auf ihren Beitrag zahlen müssten.
Mit richterlicher Verfügung vom 6. November 2014 hat der Kammervorsitzende die Beteiligten darüber informiert, dass das Gericht gedenkt, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden und dazu eine Frist zur Stellungnahme bis zum 20. Dezember 2014 gesetzt. Während die Beklagte sich ausdrücklich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt hatte, hat sich der Kläger ausdrücklich dagegen gewandt und eine mündliche Verhandlung mit ehrenamtlichen Richtern beantragt, worauf er seiner Ansicht nach unter Beachtung des Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einen Anspruch habe. Zumal dem vorliegenden Fall grundsätzliche Bedeutung zukomme, zumal ähnlich zu bewertende Sachverhalte derzeit beim Bundessozialgericht zur Entscheidung und ggf. zur Vorlage beim Bundesverfassungsgericht anstünden. Dabei verweist er einerseits auf eine Revisionsschrift von Prof. Dr. C. an das Bundessozialgericht (zum dortigen Aktenzeichen B 1 KR 61 / 12 R), einen Schriftsatz an das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einem dort anhängigen Klageverfahren, wonach der Nicht-Annahme-Beschluss des Bundesverfassungsgericht auf formale Fehler zurückzuführen sei sowie auf das Zeugnis des (ehemaligen) Vorsitzenden Richters am Hessischen Landessozialgericht Dr. D., dessen Vernehmung als Zeuge er beantragt.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch den Kammervorsitzenden per Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweist und die Beteiligten vorher zu dieser Vorgehensweise angehört wurden (§ 109 Abs. 1 SGG). Die Beteiligten wurden mit richterlicher Verfügung vom 6. November 2014 durch den Kammervorsitzenden darüber informiert, dass das Gericht beabsichtige, den Rechtsstreit per Gerichtsbescheid zu entscheiden, wozu sie auch – zumal noch innerhalb der gesetzten Frist – Stellung genommen haben. Zwar hat der Kläger einer Entscheidung per Gerichtsbescheid widersprochen und ausdrücklich eine mündliche Verhandlung beantragt, eine Zustimmung zur Entscheidung per Gerichtsbescheid ist jedoch nicht erforderlich, wogegen auch weder verfassungsrechtliche Bedenken bestehen noch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK zu sehen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, München 2014, zu § 105, Rdz. 2 und 10 f). Der Sachverhalt ist nicht nur geklärt sondern einfach, besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen nicht vor, da es um die Anwendung zwingenden Rechts geht. Es ist auch nicht über eine komplizierte Rechtsfrage zu entscheiden, die höchstrichterlich noch nicht geklärt ist und dem Verfahren kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Soweit der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken ins Feld führt, sind diese entweder bezüglich der hier strittigen Frage der Berechnung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung geklärt bzw. nicht überzeugend (wird unten noch näher ausgeführt).
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr hat die Beklagte darin zu Recht festgestellt, dass auch ab dem 1. Juli 2011 von dem Kläger nicht nur auf die von ihm bezogene gesetzliche Versichertenrente und auf die von ihm darüber hinaus bezogene Betriebsrente Beiträge zur (gesetzlichen) Kranken- und (sozialen) Pflegeversicherung zu zahlen sind, sondern dass die Beiträge auf die Betriebsrente mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu berechnen sind.
Nach § 220 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) wie auch nach § 54 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) werden die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung wie der sozialen Pflegeversicherung durch Beiträge und sonstige Einnahmen gedeckt. Dabei sind die Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist (§ 223 Abs. 1 SGB V, für die Pflegeversicherung § 54 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Dabei werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen, wobei für die Berechnung die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen sind (§ 223 Abs. 2 SGB V, für die Pflegeversicherung in Verbindung mit § 54 Abs. 3 SGB XI). Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze, sodass Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, außer Ansatz bleiben, soweit ausdrücklich nichts anderes bestimmt ist (§ 223 Abs. 3 SGB V / § 54 Abs. 3 SGB XI).
Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden dabei der Beitragsbemessung neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, wobei die §§ 226 Abs. 2, 228, 229 und 231 SGB V entsprechend gelten (§ 237 SGB V). Erreicht dabei – wie im Falle des Klägers - der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die Beitragsbemessungsgrenze, werden nacheinander der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen des Mitgliedes bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt (§ 238 SGB V). Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, - unter anderem - Renten der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 5 SGB V i.V.m. § 54 Abs. 3 SGB XI). Dabei tragen versicherungspflichtige Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse die Beiträge aus Versorgungsbezügen allein (§ 250 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V), wenn diese auch von der Zahlstelle der Versorgungsbezüge einzubehalten sind und an die Krankenkasse zuzahlen haben.
Deshalb hat die Beklagte, was vom Kläger auch mit seiner Klage nicht angegangen wird, beim Kläger seit dem 1. Juli 2011 neben seiner gesetzlichen Rente auch die von ihm monatlich bezogene Betriebsrente der Versicherungspflicht unterworfen, da diese als Altersversorgung für den Kläger ausgestaltet ist. Strittig ist daher allein, ob von dem aus gesetzlicher Rente einerseits und Betriebsrente andererseits ermittelten Gesamtbetrag bei der Beitragsberechnung ein Abzug in Höhe der durchschnittlichen Unterhaltskosten von drei Kindern zu machen ist, bei der Beitragsbemessung für die Betriebsrente diese angesichts der Erziehung von fünf Kindern nur in Höhe von 50 vom Hundert anfallen bzw. erhoben werden dürfen. Dafür fehlt es jedoch nicht nur an einer gesetzlichen Grundlage sondern eine solche erscheint auch verfassungsrechtlich nicht geboten.
Die Berücksichtigung von "durchschnittlichen Unterhaltskosten" – zumal noch nach der Anzahl der Kinder – durch Abzug eines solchen Betrages von den vorhandenen, grundsätzlich beitragspflichtigen Einnahmen ist der Regelung der Beitragsbemessung sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung wie nach dem Recht der sozialen Pflegeversicherung fremd. Wie bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens wird auch bei der Bemessung der Beiträge auf gesetzliche Renten und Versorgungsbezügen (hier: monatlich zu zahlende Betriebsrente) ausschließlich auf den jeweiligen (Brutto-)Zahlbetrag abgestellt, ohne auf vermeintliche oder tatsächlich bestehende Unterhaltsverpflichtungen – seien sie in der Vergangenheit entstanden oder aktuell noch vorhanden – abzustellen. Wenn der Gesetzgeber dies – und sei es auch nur für eine Gruppe der versicherungspflichtigen der gesetzlichen Krankenkasse – hätte regeln wollen, hätte er dies ohne weiteres in der insgesamt doch sehr abgestuften Systematik der §§ 223 bis 258 SGB V tun können.
Der Gesetzgeber ist vielmehr davon ausgegangen, die Unterhaltsleistungen von Eheleuten gegenüber ihren Kindern in Form anderen Sozialleistungen (z. Bsp. Kindergeld, Elterngeld) oder etwa bei der steuerlichen Belastung (z. Bsp. Kinderfreibeträge, Berücksichtigung von Ausbildungskosten der Kinder) und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Anerkennung von Kindererziehungszeiten) zu berücksichtigen. Ob damit der gesamte, vor allem finanzielle Aufwand der Eltern und deren möglicherweise durch die Betreuung der Kinder entstandenen Nachteile ausgeglichen werden, braucht die Kammer nicht zu entscheiden und ist auch verfassungsrechtlich nur in extremen Sonderfällen geboten, da der Gesetzgeber gerade in der Regelung der Sozialversicherung einen äußerst weiten Ermessungsspielraum hat. Die Beitragsbemessung aufgrund des aktuellen Einkommens (hier in Form der gesetzlichen Rentenversicherung, einer Betriebsrente sowie möglicherweise ergänzendem Arbeitseinkommen) entspricht der gesamten Systematik der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung, weshalb eine Ausnahme davon – hier durch pauschalen Abzug der durchschnittlichen Unterhaltskosten für Kinder, zumal noch nach deren Anzahl gestaffelt – als systemwidrig einzustufen wäre. Ein Verstoß gegen Art. 2 oder Art. 6 Abs. 1 Grundgesetzes ist daher nicht anzunehmen bzw. aufgrund der Ziele der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu begründen.
Auch der Hinweis des Klägers auf den "Generationen-Vertrag" kann zur Überzeugung der Kammer keinen Grund dafür erbringen, dass die aktuelle gesetzliche Regelung der Beitragsbemessung – hier speziell unter Berücksichtigung des Bezuges einer gesetzlichen Rente und einer Betriebsrente – sich als verfassungswidrig erweist. Denn mit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung werden in der Regel auch Leistungen an diejenigen Kinder finanziert, deren Eltern – zumindest ein Elternteil – als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ihren Beitrag zahlen. Denn im Rahmen der Familienversicherung erhalten diese Kinder – unter den in § 10 SGB V definierten Bedingungen – kostenlose Krankenbehandlung ohne auch nur einen eigenen oder bezogen auf das versicherte beitragspflichtige Mitglied – einen erhöhten Beitrag zu leisten. Es entspricht dem Gedanken der Sozialversicherung, dass es keine Äquivalenz zwischen Beitragsbelastung und Leistung gibt, vielmehr bestimmte "Risiken" von der Gemeinschaft der Beitragszahlung zugunsten anderer abzudecken sind. Es erscheint daher zur Überzeugung der Kammer durchaus gerecht, die Tatsache der Kindererziehung bzw. der tatsächlichen Unterhaltsleistung – sei es in der Vergangenheit oder sei es in der aktuellen Situation – nicht auch noch bei der Beitragszahlung zu berücksichtigen. Damit erklärt sich zur Überzeugung der Kammer auch der deutliche Unterschied zu den Leistungen der Pflegeversicherung und der damit vom Bundesverfassungsgericht geforderten und inzwischen durch den Gesetzgeber auch umgesetzten unterschiedlichen Behandlung von kinderlosen Beitragszahlern zu solchen mit Kindern.
Desgleichen lässt sich ein, zumal noch auf Art. 14 Grundgesetz gestützter "Vertrauensverstoß auf eine angemessene Rente" nicht feststellen, ganz abgesehen davon, dass die Höhe der Rente bzw. einer Betriebsrente niemals dem Eigentumsschutz des Art. 14 Grundgesetz zuzuordnen ist. Das Vertrauen des Klägers kann sich damit allenfalls auf einen Bezug dieser Leistungen erstrecken, das jedoch nicht verletzt ist, weil er ja diese Einnahmen erhält.
Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Beitragsbemessung aus der Betriebsrente den vollen allgemeinen Beitrag zugrunde gelegt hat. Denn nach § 248 Satz 1, 1. Halbsatz SGB V - in der Fassung vom 1. April 2003 - gilt bei Versicherungspflichtigen – wie im Übrigen auch bei allen freiwillig Versicherten – für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungbezügen und Arbeitseinkommen der allgemeine Beitragssatz; ausgenommen sind lediglich die Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte mit Ausnahme einer Übergangshilfe (§ 248 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 SGB V). Diese zum 1. April 2003 geänderte Regelung ist auch verfassungsgemäß (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 2006 – B 12 KR 13/05 R sowie Nicht-Annahme-Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 28. Februar 2008 - 1 BvR 2137/06) und wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dies ein geeignetes und erforderliches Mittel zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt (Der Gesetzgeber erwartete dadurch jährliche Einnahmen von ca. 1,6 Mrd. Euro – vgl. Bundestagsdrucksache 15/1586, Seite 2). Im Übrigen ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen auch berechtigt, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung heranzuziehen (so Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Dezember 2002 1 BvR 1660/96). Da der allgemeine Beitragssatz mit nunmehr 15,5 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bestimmt ist (§ 241 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der seit dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung), entspricht die von der Beklagten im Bescheid vom 16. Juli 2013 festgelegte Berechnung der Sach- und Rechtslage.
Soweit der Kläger seine Argumente der Absenkung des Bemessungsentgeltes bzw. eines niedrigeren Beitragssatzes auch für die Pflegeversicherung geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber durch die zum 1. Januar 2005 erfolgte Neufassung des § 55 SGB XI (Gesetz vom 23. Dezember 2002 – BGBl. I S. 4637 bzw. durch Gesetz vom 26. März 2007 – BGBL I, S. 378) aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 – 1 BvR 1629/94 festgelegt, dass der Beitragssatz von 2,05 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitgliedes (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI), soweit es nicht zum Personenkreis des § 28 Abs. 2 SGB XI gehört, sich für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Punkten (Beitragszuschlag für kinderlose), es sei denn sie sind Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB I. Damit hat der Gesetzgeber für den Bereich der Pflegeversicherung der Unterhaltsleistung der Eltern Rechnung getragen, ohne dass dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.
Da sich sowohl die vom Rentenversicherungsträger wie von der Zahlstelle für die vom Kläger bezogene Betriebsrente jeweils die den gesetzlichen Bestimmungen folgenden monatlichen Beiträgen von der Rente bzw. der Betriebsrente einbehalten und an die Beklagte weitergeleitet hat, sind diese auch wirksam entrichtet, sodass der Kläger keinen Anspruch auf – auch nur teilweise Erstattung hat (§ 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV). Damit erweist sich der Bescheid vom der Beklagten vom 16. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2014 in Übereinstimmung mit der Sach- und Rechtslage, sodass die hiergegen erhobene Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved