S 10 KR 422/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 422/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 139/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 90/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage des Klägers zu 2) wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Klage des Klägers zu 1) als unbegründet abgewiesen

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft des Klägers zu 1 (A. A.) bei der Beklagten als Familienversicherter seines Vaters (Kläger zu 2) in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.

Mit Bescheid vom 09. August 2013 hatte die Beklagte bereits festgestellt, dass A. A., geb. 1980, aufgrund des Bezugs einer Versichertenrente wegen voller Erwerbsunfähigkeit von über 385,00 EUR im Monat selbst in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert ist, weil er mit dem Renteneinkommen die monatliche Gesamteinkommensgrenze für die Einstufung in die Familienversicherung über seinen Vater (Kläger zu 2) überschreite.

Am 28. März 2015 beantragte der Kläger zu 2) für den Kläger zu 1) die Überprüfung der Familienversicherung und machte dazu im Wesentlichen geltend, dass dieser seit Januar 1998 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Gesamtbehinderung vom 80 einschließlich des Nachteilsausgleichs "H" (Hilflosigkeit) bewertet sei, seit 2006 eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe, sein behandelnder Arzt weiterhin die Notwendigkeit eines betreuten Wohnens attestiert habe, seitens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen im Gutachten vom 19.12.2013 festgestellt worden sei, dass die Alltagskompetenz in erhöhtem Maße eingeschränkt sei und schließlich von ihm seit geraumer Zeit gepflegt und betreut werde. Da er damit bereits seit Januar 1998 außerstande sei, sich selbst zu unterhalten sei der Anspruch auf Übernahme in seine Familienversicherung begründet, weshalb sowohl von einer weiteren Beitragserhebung abzusehen sei wie auch die für die Vergangenheit entrichteten Beiträge zu erstatten seien. Den Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 09. April 2015 mit der Begründung ab, dass angesichts der Eigenversicherung des Klägers zu 1) in der gesetzlichen Krankenversicherung bei ihr, eine Familienversicherung nicht möglich sei. Vielmehr könne er das umfassende Leistungsangebot infolge der eigenen Krankenversicherung nutzen.

Den Widerspruch, den der Vater des Klägers zu 1) auch auf den Bescheid der Familienkasse Hessen vom 02.02.2015 gestützt hatte, mit dem ihm – unter anderem – für seinen Sohn A. mit der Begründung – weiter – Kindergeld gewährt wurde, dass dieser wegen seiner Behinderung außerstand sei, sich selbst zu unterhalten, und geltend machte, dass aus der gesetzlichen Norm über die Familienversicherung deren Vorrang gegenüber anderen Versicherungseigenschaften zu entnehmen sei, wies die Beklagte, auch nachdem der Kläger zu 1) – über seinen Vater – selbst Antrag auf Aufnahme in die Familienversicherung bei seinem Vater gestellt hatte, mit Bescheid vom 02. Juli 2015 als unbegründet zurück.

Hiergegen haben sowohl der Kläger zu 1) als auch dessen Vater als Kläger zu 2) am 03.08.2015 beim hiesigen Gericht Klage mit dem Ziel erhoben, den Kläger zu 1) als familienversicherter Angehöriger beitragsfrei in der Familienversicherung des Klägers zu 2) zu berücksichtigen und die einbehaltenen Beiträge dem Kläger zu 1) zu erstatten. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger zu 1) Rentner sei und mit einem Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 80 einschließlich des Nachteilsausgleichs "H" nach dem Schwerbehindertenrecht bewertet sei. Die Beklagte habe zu Recht seinen Antrag vom 23.03.2015 wie auch seinen Widerspruch vom 12.04.2015 zu Unrecht abgelehnt.

Der Kläger zu 1) beziehe zwar eine – zunächst seit 2003 befristete und ab November 2008 unbefristete – Versichertenrente wegen voller Erwerbsunfähigkeit, jedoch sei seine Alltagskompetenz in erheblichem Maße eingeschränkt. Dieser befinde sich seit Juni 2015 wegen einer akuten Psychose in stationärer Krankenhausbehandlung, wobei ihm sein behandelnder Arzt Dr. C. am 17.11.2014 die weitere Unmöglichkeit der Nichtteilnahme am Erwerbsleben bescheinigt habe. Auch seitens der Familienkasse sei bescheinigt worden, dass der Kläger zu 1) wegen seiner Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Zudem sei er seit Jahren nicht mehr erwerbstätig und zwischenzeitlich auch vom Finanzamt A-Stadt als Steuerschuldner ausgetragen. Im Übrigen habe die Beklagte das Existenzminimum bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt, wonach – entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.07.2010 – bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben müsse. Angesichts der vom Landeswohlfahrtsverband gewährten Leistungen zum Lebensunterhalt in Einrichtungen in Höhe von 793,53 EUR werde von dort das Renteneinkommen des Klägers in Höhe von mtl. 950,59 EUR bzw. – ab 01.07.2016 in Höhe von 990,94 EUR - zurzeit nur vorläufig - in Ansatz gebracht, dagegen kein Vermögenseinsatz gefordert (Bescheid des LWV Hessen vom 01.08.2016).

Der Kläger zu 2) sei dagegen als Schwerbehinderter mit einem GdB von 60 bewertet, verheiratet und Vater von insgesamt fünf Kindern. Seine Ehefrau sei teilzeitbeschäftigt und er zahle Steuern sowie zusammen mit dieser auch Sozialversicherungsbeiträge in nicht zu geringer Höhe.

Die Beklagte habe verkannt, dass die beitragsfreie Versicherung zwar gegenüber einer Anzahl von Versicherungstatbeständen nachrangig sei, was jedoch nicht ausnahmslos gelte. Vielmehr finde dies seine Abgrenzung im Personenkreis der als schutzwürdig anzusehenden Personen, wie den Kläger zu 1). Da dieser von dem Kläger zu 2) seit vielen Jahren betreut und gepflegt werde und außerdem auch dessen Bevollmächtigter mit umfassender Generalvollmacht sei, müsse der Kläger zu 1) als Familienversicherter bei ihm kostenlos geführt werden. Angesichts der gesetzlichen Regelung zu Familienversicherung orientiere sich der Gesetzgeber an steuerrechtlichen Regelungen, wonach eine Steuerpflicht entfalle, wenn der Betreffende wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Da der Kläger zu 1) trotz seiner Erwerbsunfähigkeitsrente sich nicht selbst unterhalten könne, sei er gegenüber seinen Eltern unterhaltsberechtigt. Dabei müsse davon ausgegangen werden, dass sich ein Kind nicht selbst unterhalten könne, wenn es seinen eigenen Lebensunterhalt einschließlich notwendiger Aufwendungen in Folge der Behinderung nicht selbst bestreiten könne und keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne. Dennoch sei die Beklagte nicht bereit, den Behindertenstatus des Klägers zu 1) entsprechend zu würdigen, zumal dessen nachgewiesenen Aufwendungen die Höher seiner Erwerbsunfähigkeitsrente deutlich übersteige. Die nicht Berücksichtigung der behinderungsbedingten Aufwendungen diskriminiere ihn, so dass zwingend die Aufnahme in die Familienversicherung des Klägers zu 2) erfolgen müsse. Denn nach Artikel 25 der UN-BRK sei es verboten, Menschen mit Behinderungen zu diskriminieren. Sollte das Gericht sich dieser Auffassung nicht anschließen, sei eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union oder an das Bundesverfassungsgericht geboten.

Die Kläger machen zudem geltend, dass der Sachverhalt nicht umfassend ermittelt sei, weil sie die Verletzung höherrangigen Rechts gerügt hätten, weil der behinderungsbedingte Mehraufwand des Klägers zu 1) unberücksichtigt geblieben sei.

Im Übrigen sei die Beiladung der Familienkasse, die das Kindergeld für den Kläger zu 1) uneingeschränkt weiterzahle, des Finanzamtes A-Stadt, das den Kläger zu 1) nicht mehr als Steuerpflichtigen führe, sowie das Hessische Amt für Versorgung und Soziales, von dem der Kläger mit einem GdB von 80 sowie dem Nachteilsausgleich "H" bewertet worden sei, zum Verfahren beizuladen.

Des Weiteren könne sich die Beklagte nicht auf den Bescheid vom 09.08.2013 stützten, da dem Kläger zu 1) erst mit Schreiben des Gerichts vom 18.01.2016 zugegangen und mit Schreiben vom 07.02.2016 dagegen rechtzeitig Widerspruch erhoben worden sei. Insoweit bestehe auch eine gemeinsame Interessenlage zwischen den Klägern, so dass auch ein Klagerecht des Klägers zu 2) bestehe.

Schließlich verkenne die Beklagte, dass der Kläger zu 2) durchaus klagebefugt sei, weil der Kläger zu 1) in sehr hohem Maße eine eingeschränkte Alltagskompetenz besitze und er folglich nur eingeschränkt handlungsfähig sei. Dementsprechend liege die Prozessführungsbefugnis beim Stammversicherten, also dem Kläger zu 2). Zudem habe sich die Beklagte auf die Klage eingelassen, ohne die Prozessführung rechtzeitig gerügt zu haben.

Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 09. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2) als familienversicherter Angehöriger betragsfrei in der Familienversicherung des Klägers zu 1) zu berücksichtigen ist sowie alle zu Unrecht einbehaltenen Beiträge zur Krankenversicherung - zuletzt in Höhe von monatlich 85,78 EUR - und zur Pflegeversicherung – zuletzt in Höhe von 24,06 EUR - zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage des Klägers zu 2) als unzulässig und die Klage des Klägers zu 1) als unbegründet abzuweisen.

Sie macht zunächst geltend, dass der Kläger zu 2) nicht aktivlegitimiert sei. Adressat des mit der Klage angefochtenen Widerspruchsbescheides sei allein der Kläger zu 1) gewesen, während der Kläger zu 2) diesen lediglich in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter des Klägers zu 1) zur Kenntnis erhalten habe. Das geltend gemachte Recht auf Familienversicherung stehe allein dem Kläger zu 1) zu, so dass dieses auch nicht vom Kläger zu 2) in eigenem Namen geltend gemacht werden könne. Daher sei die von dem Kläger zu 2) erhobene Klage als unzulässig abzuweisen.

In der Sache verweist sie auf die gesetzlichen Regelungen, wonach der Kläger zu 1) aufgrund seiner bisher ausgeübten Tätigkeiten und der damit erzielten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung selbst pflichtversichertes Mitglied der gesetzlichen Kranken- und damit auch der sozialen Pflegeversicherung sei. So schreibe das Gesetz zur Familienversicherung vor, dass diese nur eingreife, wenn die Familienangehörigen nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V oder nicht freiwillig versichert sei. Erst dann könne die erweiternde Vorschrift des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V zur Anwendung kommen. Im Falle des Klägers zu 1) läge eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V vor, die zudem auch zur gesetzlichen Pflichtversicherung zur AOK führe. Dies führe zur Verbeitragung auf der Basis des Zahlbetrages der Rente, so dass entgegen der Auffassung der Kläger gerade keine Berücksichtigung von Mehraufwendungen, und sei es wegen einer bestehenden Behinderung stattfände. Ganz abgesehen davon wären die erzielten Renteneinkünfte des Klägers zu 1) bereits ein Ausschlusskriterium für die Familienversicherung gewesen. Die behauptete Diskriminierung von Behinderten lass die gesetzliche Regelung nicht erkennen.

Mit richterlicher Verfügung vom 17.05.2016 hat die erkennende Kammer des Sozialgerichts Darmstadt durch ihren Vorsitzenden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung per Gerichtsbescheid angehört. Während die Kläger sich mit Schriftsatz vom 17.07.2016 ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.08.2016 ihr ausdrückliches Einverständnis mit dieser Vorgehensweise erklärt.

Bezüglich des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und den Einzelheiten in den erwähnten Unterlagen wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung allein durch den Kammervorsitzenden entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist, die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Beteiligten durch richterlicher Verfügung vom 17.05.2016 ausdrücklich dazu gehört wurden (§ 105 Abs. 1 SGG).

Soweit die Kläger zur Schwierigkeit des Verfahrens vortragen, dass den angebotenen Beweisen (Auskunft des Rentenversicherungsträgers über den Bezug einer Versichertenrente, Auskunft des LWV Hessen über die Fortschreibung des IBRP vom 01.06.2013 mit der Maßgabe einer Verlängerung) nachzugehen seien und der Sachverhalt nicht umfassend ermittelt sei, weil eine Verletzung von höherem Recht gerügt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden, da die von den Klägern unter Beweis gestellte Tatsachen (Rentenbezug, Leistungen des LWV Hessen) als erwiesen betrachtet werden und zum anderen weitere Beiladungen nicht notwendig sind, weil die genannten Tatsachen durch die vorliegenden Unterlagen der entsprechenden Behörden belegt sind.

Schließlich kommt es auf eine Zustimmung der Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidungsform (Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz - SGG) nicht an; es reicht aus, dass diese zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört wurden. Dies ist seitens der Kläger durch die Postzustellungsurkunde vom 16.06.2016 und die Äußerungen in deren Schriftsatz vom 17.07.2016 sowie für die Beklagte durch das Empfangsbekenntnis vom 16.06.2016 und deren Schriftsatz vom 27.06.2016 nachgewiesen.

Die Klage des Klägers zu 2) ist als unzulässig abzuweisen, da er nicht selbständig klagefugt ist. Darunter versteht man, dass der jeweilige Kläger in eigenen Rechten verletzt sein muss (Formelle Beschwer). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da er kein eigenes Recht zur Klageerhebung geltend machen kann. Zum einen ist der mit der Klage angefochtene Widerspruchsbescheid vom 02.07.2015 dem Kläger zu 2) ausdrücklich nur als Bevollmächtigtem seines Sohnes (Kläger zu 1) zugestellt worden, zum anderen handelt es sich bei der Aufnahme in die Familienversicherung des Klägers zu 2) um eine, allein den Kläger zu 1) betreffende Entscheidung; nämlich ob dieser - weiterhin - eigene Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung aus seiner Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu leisten hat oder als Familienversicherter von der Zahlung von Beiträgen befreit ist. Ein eigenes rechtliches Interesse des Klägers zu 2) aus eigenem Recht liegt daher nicht vor, so dass dieser lediglich als Prozessbevollmächtigter des Klägers zu 1) an dem Verfahren mitwirken kann. Mangels eigenen Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers zu 2) war dessen ausdrücklich (auch) in seinem Namen erhobene Klage als unzulässig zurückzuweisen. Zumal der Kläger zu 1) selbst als Rentenbezieher Stammversicherter der Beklagten ist (§ 5 Abs. 1 Satz 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V, sowie in Verbindung mit § 20 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung - SGB XI).

Dagegen ist die in Prozessvollmacht des Herrn B. A. am 03.08.2015 im Namen des Herrn A. A. (Kläger zu 1) erhobene Klage zulässig, da Herr B. A. offensichtlich (auch) im Namen seines Sohnes die Klage eingereicht hat und dazu aufgrund erteilter Generalvollmacht/als dessen Betreuer auch befugt war. Wie oben bereits ausgeführt betrifft die Klage auch ein eigenes Recht des A. A., so dass keinerlei Bedenken gegen dessen Rechtschutzbedürfnis besteht. Die Klage des Klägers zu 1) ist daher als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 55 SGG zulässig.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn der mit der Klage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2015 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger zu 1) dadurch nicht in seinen Rechten verletzt wird. Vielmehr hat die Beklagte darin - erneut – zu Recht festgestellt, dass der Kläger zu 1) nicht Mitglied in der Familienversicherung seines Vaters (Kläger zu 2) ist bzw. auf seinen Antrag vom 28.03.2015 hin geworden ist.

Nach § 10 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) sind der Ehegatte, der Lebenspartner sowie Kinder von Mitgliedern familienversichert, wenn
1. diese Familienangehörigen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben
2. nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind,
3. nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,
4. nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5. kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8 a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt das zulässige Gesamteinkommen 400 Euro.

Vorliegend scheitert die allein nach § 10 SGB V zu begründende Familienversicherung sowohl an Ziffer 2 wie auch an Ziffer 5. Denn ausweislich der eigenen Angaben des Klägers, die durch den Bescheid des Landeswohlfahrtsverbandes vom 01.08.2006 belegt sind, bezog der Kläger zu 1) ab dem 01.07.2015 eine monatliche Versichertenrente in Höhe von 950, 59 EUR sowie ab dem 01.07.2016 in Höhe von 990,94 EUR, so dass er selbst versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist. Denn nach § 5 Abs. 1 Ziffer 11 SGB V unterliegen der Pflichtversicherung in der - gesetzlichen – Krankenversicherung Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zu Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren. Dabei kommt es auf den Versicherungsfall (Alter, Erwerbsminderung, Tod des Versicherten), der den Anspruch auslöst, nicht an (Kruse/Hänlein: Sozialgesetzbuch V, Gesetzliche Krankenversicherung, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Auflage, zu § 5 Rdz. 53). Da bereits die Rentenantragstellung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen die Pflichtversicherung auslöst, muss dies erst recht für den tatsächlichen Bezug einer Rente gelten.

Die gesetzlichen Vorgaben bedingen – entgegen der Auffassung der Kläger – zwingend, dass eine Familienversicherung gegenüber einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3 bis 8, 11 und 12 SGB V nachrangig und damit ausgeschlossen ist, wenn und soweit eine Versicherungspflicht als Rentenbezieher besteht. Dies ergibt sich auch aus § 5 Abs. 8 SGB V, wonach ausnahmsweise ausdrücklich ein Vorrang der Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 SGB V definiert wird. Denn dort wird ausdrücklich geregelt, dass gemäß § 5 Abs. 1 Nrn. 11 und 12 SGB V – ausnahmsweise – nicht versicherungspflichtig ist, wer nach Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Eine Versicherungspflicht des Klägers zu 1) lässt sich – unstreitig – weder aus § 5 Abs. 1 Ziffern 1-7 noch aus Ziffer 8 SGB V begründen, so dass auch kein Grund für eine Ausnahme-Regelung ersichtlich ist. Daraus kann jedoch, entgegen der Ansicht der Kläger, nicht abgeleitet werden, dass damit der Gesetzgeber grundsätzlich den Vorrang der Pflichtversicherung vor der Familienversicherung zu Gunsten behinderter Menschen aufgegeben habe. Vielmehr hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich auf die in § 5 Abs. 8 SGB V genannten Ausnahmefälle beschränkt, die aber im Falle des Klägers zu 1) nicht erfüllt sind. Deshalb muss es in seinem Falle beim Vorrang der Pflichtversicherung nach § 5 Ziffer 11 SGB V vor einem Anspruch auf Familienversicherung bleiben (§ 10 Abs. 1 Ziffer 2 SGB V). Ein Anspruch auf Familienversicherung lässt sich daher aufgrund des Bezuges einer eigenen Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht begründen. Dabei hat der Gesetzgeber auch keinerlei (weitere) Ausnahmetatbestände etwa in Bezug auf einen über dem Rentenzahlbetrag liegenden eigenen Bedarf gesehen und geregelt.

Ohne eine solche gesetzliche Regelung kann sich der Kläger zu 1) auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte den vom Kläger angegebenen, aber nicht belegten "behindertenbedingten Mehraufwand" rechtswidrig unberücksichtigt gelassen habe.

Im Übrigen scheitert, worauf die Beklagte ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, der Anspruch auf Aufnahme in die Familienversicherung seines Vaters (Kläger zu 2) auch an der Tatsache, dass der Kläger mit einem monatlichen Einkommen aus seiner Versichertenrente (ab 01.07.2015 in Höhe von 950,59 EUR bzw. ab 01.07.2016 in Höhe von 990,94 EUR) über ein Gesamteinkommen verfügt, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) überschreitet. Dabei wird bei Renten von dem Zahlbetrag ohne den auf eventuellen Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil ausgegangen (§ 10 Abs. 1 Ziffer 5 SGB V). Auch hier lässt das Gesetz eine Anrechnung/ein Abzug sogenannter "behinderungsbedingter Mehraufwendungen" nicht zu. Dabei verbietet sich sowohl ein Vergleich mit dem Steuerrecht wie auch mit den Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) aufgrund der unterschiedlichen Regelungsmaterie.

Da die Kammer angesichts des auch das Recht der Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsgedankens zudem weder einen Verstoß gegen die Verfassungsgrundsätze der Art. 2 und 3 des Grundgesetzes noch gegen Art 25 der UN-BRK erkennen kann, stellt sich für die Kammer auch nicht die Frage eines entsprechenden Vorlagebeschlusses - sei es an das Bundesverfassungsgericht oder sei es an einen Europäischen Gerichtshof.

Da der Kläger zu 2) keinen Anspruch auf Aufnahme in die Familienversicherung seines Vaters nach § 10 SGB V hat, vielmehr selbst nach § 5 Abs. 1 Ziffer 11 SGB V versicherungspflichtig ist, war sowohl der Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 09. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Juli 2015 wie auch der Antrag auf Feststellung, dass der Kläger zu 1) bei seinem Vater familienversichert ist, abzulehnen, so dass die gegen diesen Bescheid erhobene Klage als unbegründet zurückzuweisen war.

Angesichts der damit zutreffenden Entscheidung, dass aufgrund des Bezuges der Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit eine Pflichtversicherung mit Zahlung von entsprechenden Beiträgen gemäß dem Zahlbetrag dieser Rente zutreffend erfolgt, besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der in der Vergangenheit tatsächlich entrichteten Beiträge. Denn nach § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung – (SGB IV) sind nur "zu Unrecht" entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn dem Versicherten wurde aufgrund der Beitragszahlung bereits Leistungen gewährt.

Die Klage des Klägers zu 1) war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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