Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 10 SB 130/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 SB 32/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 SB 4/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 verpflichtet, in der Person des Klägers einen Grad der Behinderung von 80 ab dem 15.10.2012 festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) durch den Beklagten.
Bei dem 1953 geborenen Kläger stellte der Beklagte im Jahr 2008 einen GdB von 70 sowie die Voraussetzungen für das Vorliegen des Merkzeichens "G" fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden folgende Gesundheitsstörungen mit Einzel-GdB berücksichtigt:
Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der Gliedmaßen Einzel-GdB 50
Schädelverletzung, depressive Störung Einzel-GdB 30
Chronische Nasennebenhöhlenentzündung Einzel-GdB 20
Am 15.10.2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten wegen Verschlimmerung der bisher festgestellten Behinderungen und Hinzutreten neuer Behinderungen die Feststellung eines höheren GdB sowie des Merkzeichens "RF" (Bl. 243 f. der Verwaltungsakte). Seinem Antrag fügte er Unterlagen seiner behandelnden Ärzte bei. Der Beklagte forderte einen Bericht des behandelnden Allgemeinmediziners, Dr. B., an (Bl. 253 der Verwaltungsakte). Der Kläger übersandte zudem Arztbriefe seiner Radiologin Dr. C. vom 20.6.2012 und 26.01.2012 sowie einen Laborbefund. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Neufeststellung am 10.12.2012 ab, da keine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers vorliege, die eine Erhöhung des GdB rechtfertige. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen nicht vor. Dagegen erhob der Kläger am 13.12.2012 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 wies der Kläger den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Gesamtauswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen nicht festgestellt werden könne.
Gegen den Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides hat der Kläger am 18.04.2013 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.
Der Kläger trägt vor, das Versorgungsamt habe die Erkenntnisse der Radiologin aus den oben genannten Arztbriefen nicht berücksichtigt. Er habe im Jahr 1966 in der DDR einen Wegeunfall erlitten und leide seitdem an verschiedenen Beeinträchtigungen. Insofern sei der GdB mit 70 nicht zutreffend bewertet. Er teilte mit, dass es ihm um die Erhöhung des GdB gehe, von der Rundfunkgebühr sei er vom Landkreis befreit (Bl. 57, 92 der Gerichtakte).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 10.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger seit dem 15.10.2012 einen höheren GdB als 70 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt seine Bescheide.
Das Gericht hat über die bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten. Im Einzelnen gelangten zur Akte ein Bericht der Radiologin Dr. C. vom 10.07.2013, des Allgemeinmediziners Dr. B. vom 10.09.2013 sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. D. vom 12.11.2013.
Das Gericht hat zudem Beweis angeordnet durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. Der Kläger hat mehrmals darauf hingewiesen, dass er eine Begutachtung nicht für erforderlich halte, da er das Gutachten der NVA aus dem Jahr 1976 vorgelegt habe und er zudem ein Attest seines Hausarztes vom 24.02.2014 vorgelegt habe, aus dem sich ergebe, dass es beim Kläger in Stresssituationen im Zusammenhang mit Gerichtsterminen oder Begutachtungen zu psychovegetativen Dekompensationen bis hin zu Panikattacken und Blutdruckentgleisungen komme. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger zudem mitgeteilt, dass er einer Begutachtung durch den Sachverständigen auch bei ihm zu Hause oder in der Praxis seines Hausarztes nicht zustimmen werde. Eine Entbindung seines Hausarztes von der Schweigepflicht gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger abgelehnt (Bl. 144 der Gerichtsakte). Daraufhin hat der Sachverständige am 10.06.2014 ein Gutachten nach Aktenlage erstattet.
Der Sachverständige hat auf psychiatrischem Fachgebiet ein organisches Psychosyndrom nach einem Schädelhirntrauma diagnostiziert. Auf anderen Fachgebieten lägen eine Rizarthrose, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie eine Schlafapnoesyndrom und eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung vor. Der Hirnschaden sei nach Ziff. 3.1.2. der Versorgungsmedizinverordnung als Hirnschaden mit psychischen mittelgradigen Auswirkungen mit einem Grad der Behinderung von 60 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der übrigen Beeinträchtigungen ergebe sich für den Kläger ein Gesamt-GdB von 80. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.08.2014 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass sein Gutachten nicht die Klärung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall im Jahr 1966 und den Behinderungen des Klägers zum Gegenstand hatte, sondern die Feststellung einer Behinderung.
Unter Bezugnahme auf das Gutachten hat der Beklagte einen Vergleich vorgeschlagen, wonach der Wortlaut der Behinderungen ergänzt werden solle und ab dem 17.10.2012 ein GdB auf insgesamt 80 festgestellt werde. Der Kläger hat den Vergleich nicht angenommen. Termine mit denen das Gericht beabsichtigte die Sach- und Rechtslage zu erörtern, mussten aufgehoben werden, da der Kläger unter Vorlage von Attesten vortrug, dies sei ihm gesundheitlich nicht zuzumuten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Das Begehren des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass er lediglich die Erhöhung des GdB begehrt. Im Schreiben vom 27.11.2013 teilte er mit, dass es ihm "im Grunde um die Erhöhung der Schwerbehindertenprozente" gehe, da er vom Landkreis von der Rundfunkgebühr befreit sei. Auch auf Anfrage des Gerichts vom 28.01.2014 nach seinem konkreten Antrag, teilte der Kläger am 03.02.2014 mit, dass er die "Aufstockung" seiner Schwerbehindertenprozente beantrage (Bl. 92 der Gerichtsakte).
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht für die Beeinträchtigungen des Klägers nur einen Gesamt-GdB von 70 festgestellt. Seit Antragstellung am 15.10.2012 ist bei dem Kläger ein GdB von 80 festzustellen.
Gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen den Grad der Behinderung fest. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden nach § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft. Gemäß § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX gelten für diese Feststellung die Maßstäbe von § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) und insbesondere ihre Anlage zu § 2 (Versorgungsmedizinische Grundsätze) entsprechend.
Bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.12.2010, Az.: B 9 SB 35/10, juris Rdnr. 3). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese Beeinträchtigungen den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.12.2010, Az.: B 9 SB 35/10, juris Rdnr. 3).
Der GdB ist dabei gemäß Punkt A. 2. a) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze unabhängig von der Ursache einer Gesundheitsstörung zu bilden. Vielmehr kommt es ausweislich des Wortlauts von § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX auf die Auswirkungen einer Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei dem Kläger entgegen der Ansicht des Beklagten die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 80 zu bewerten. Die Kammer stützt sich hierbei auf das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. E. vom 10.06.2014 nebst seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.08.2014 sowie auf die eingegangen Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers.
Auf dem Gebiet der Psyche liegen bei dem Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Beeinträchtigungen vor, die mit einem Einzel-GdB von 60 gemäß Punkt B. 3. 1. 2. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu bewerten sind. Der Sachverständige diagnostizierte bei dem Kläger ein organisches Psychosyndrom nach einem Schädelhirntrauma. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Auswirkungen des Hirnschadens des Klägers mittelgradig und mit einem GdB von 60 zu bewerten sind. Insofern schließt sich die Kammer der Bewertung des Sachverständigen an. Sowohl aus dem Verhalten des Klägers während des Prozesses als auch aus den Schilderungen der behandelnden Ärzte ist ersichtlich, dass sich die psychischen Störungen des Klägers deutlich im Alltag auswirken. Der Kläger kehrt in seinen Schilderungen immer wieder auf das Unfallereignis im Jahr 1966 zurück. Der Kläger berichtet über Unruhe- und Angstzustände bis hin zu Panikattacken und auch der Hausarzt des Klägers berichtet im Attest vom 24.02.2014 über eine Panikattacke mit psychischer und hypertensiver Dekompensation im Rahmen eines Gespräches über eine Begutachtung (Bl. 121 der Gerichtsakte). Diese Ängstlichkeit ist nach Ansicht des Sachverständigen ebenso ein Symptom des organischen Psychosyndroms wie die von dem Kläger beschriebenen Konzentrationsstörungen, Störungen des geistigen Leistungsvermögens, Erschöpfbarkeit und verminderte Belastbarkeit bei Stress. Mangels weitergehender Mitwirkung des Klägers an der Aufklärung des Sachverhalts konnte die Kammer keine weitergehenden Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der psychischen Leiden des Klägers erlangen. Insbesondere steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine Bereitschaft des Klägers zu einer Untersuchung, auch im Wege eines Hausbesuches, sowie einer Erörterung der Sachlage mit dem Gericht nicht besteht.
Der Kläger leidet ausweislich des Berichts des Hausarztes Dr. B. an einem Diabetes mellitus, der mit der Tablettengabe Metformin behandelt wird. Über Hyperglykämien wird nicht berichtet. Der HbA1c-Wert lag bei 7 bis 7,5% (vgl. Bl. 34 der Gerichtsakte). Gemäß B. 15. 1. Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist eine Bewertung mit einem GdB von 0 zutreffend, da der Kläger aufgrund der Therapie nur kaum in der Lebensführung beeinträchtigt ist.
Hinsichtlich des in den Akten erwähnten Schlaf-Apnoe-Syndroms handelt es sich lediglich um eine Verdachtsdiagnose (vgl. Bl 33 der Gerichtsakte, Bl. 256 der Verwaltungsakte). Eine Bewertung mit einem GdB scheidet insofern nach Ansicht der Kammer aus.
Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Funktionsstörungen der Wirbelsäule und Gliedmaßen mit einem höheren GdB als dem von dem Beklagten angenommenen GdB von 50 zu bewerten sind. Aus der Erklärung des Klägers über die Schweigepflichtsentbindung ergibt sich nicht, dass sich der Kläger in orthopädischer Behandlung befindet. Der letzte fachärztliche Bericht datiert aus dem Jahr 2008 (Bl. 204ff. der Verwaltungsakte). Auch auf der Grundlage des Berichtes der behandelnden Radiologin Dr. C. (Bl. 28 ff. der Gerichtsakte) ist keine Höherbewertung dieser Funktionsbeeinträchtigungen zu erkennen. Die Radiologin kam bei der Untersuchung betreffend Brust- und Lendenwirbelsäule sowie des ersten Strahls der rechten Hand zu folgender Beurteilung: Skoliose der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie Spondylochondrose und Spondylosis deformans (degenerative Veränderungen an Wirbelkörpern), eine Costotransversalarthrose links sowie mäßige Deformation der Wirbelkörper, mäßige Bandscheibenerniedrigungen im Bereich der Brustwirbelsäule und bei dem Wirbelkörper L4/5. Zum einen rechtfertigen gemäß Punkt B. 18. 1. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Veränderungen, die mit Bild gebenden Verfahren festgestellt wurden, allein noch nicht die Annahme eines GdB. Vielmehr kommt es auf die Auswirkungen an. Zudem sind die aufgeführten Leiden beziehungsweise ihre Auswirkungen bereits bei der Bewertung des GdB von 50 berücksichtigt. Die Kammer konnte zudem keine weitergehenden Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Leiden des Klägers erlangen, da der Kläger einer gutachterlichen Untersuchung nicht zustimmte.
Bei dem Kläger liegt zudem eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob mit diesem Leiden verbundenen Beeinträchtigungen wie vom Beklagten angenommen mit einem GdB von 20 zu bewerten sind oder ob nur eine leichtere chronische Nasennebenhöhlenentzündung gemäß Punkt B. 6. 2. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vorliegt, die mit einem GdB von 0-10 zu bewerten wäre, denn zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass diese Beeinträchtigungen jedenfalls nicht den Gesamt-GdB erhöhen (siehe unten).
Zur Ermittlung des Gesamt-GdB sind rechnerische Methoden – insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung – gemäß Punkt A. 3. a. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um den Beeinträchtigungen insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Punkt A. 3. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen; auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen. Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind, vgl. Punkt A. 3. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
Zur Überzeugung der Kammer steht nach Durchführung der Beweisaufnahme fest, dass bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 80 zu bilden ist. Von einem höheren Grad der Behinderung kann sich die Kammer nicht überzeugen, da der Kläger sowohl eine Untersuchung durch Sachverständige, als auch eine Erörterung mit ihm ablehnte. Auch Facharztberichte, die über die vorliegenden Arztberichte hinausgehen, waren dem Gericht nicht zugänglich. Als führender GdB sind mit einem GdB von 60 die psychischen Störungen des Klägers zu erkennen. Die mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewertenden Funktionsstörungen der Wirbelsäule und Gliedmaßen erhöhen den Gesamt-GdB, überschneiden sich aber vorliegend hinsichtlich der Schmerzen auch mit dem Funktionsbereich Psyche. Hingegen hat die chronische Nasennebenhöhlenentzündung keine Auswirkungen auf den GdB, da es sich hierbei nur um eine leichte Gesundheitsstörung handelt, die gemäß Punkt A. 3. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze keine Gesamt-GdB-Erhöhung rechtfertigt. Diese Beeinträchtigung tritt hinter den übrigen Beeinträchtigungen zurück, da die mit Nasennebenhöhlenentzündungen verbundenen Beeinträchtigungen hier Anbetracht der wesentlich höher zu bewertenden übrigen Leiden nur untergeordneter Natur sind. Insgesamt war daher ein GdB von 80 zu bilden. Die Kammer schließt sich damit der Bewertung des Sachverständigen an, der bei dem Kläger ebenfalls einen Gesamt-GdB angenommen hat. Dieser Gesamt-GdB ist ab Antragstellung anzunehmen. Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen an, der eine Bewertung der Störungen auf psychiatrischem Gebiet auch schon bei Antragstellung annimmt.
Aus den dargelegten Gründen ist der Bescheid rechtswidrig und von dem Beklagten bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 80 ab Antragstellung am 15.10.2012 festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) durch den Beklagten.
Bei dem 1953 geborenen Kläger stellte der Beklagte im Jahr 2008 einen GdB von 70 sowie die Voraussetzungen für das Vorliegen des Merkzeichens "G" fest. Als Funktionsbeeinträchtigungen wurden folgende Gesundheitsstörungen mit Einzel-GdB berücksichtigt:
Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der Gliedmaßen Einzel-GdB 50
Schädelverletzung, depressive Störung Einzel-GdB 30
Chronische Nasennebenhöhlenentzündung Einzel-GdB 20
Am 15.10.2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten wegen Verschlimmerung der bisher festgestellten Behinderungen und Hinzutreten neuer Behinderungen die Feststellung eines höheren GdB sowie des Merkzeichens "RF" (Bl. 243 f. der Verwaltungsakte). Seinem Antrag fügte er Unterlagen seiner behandelnden Ärzte bei. Der Beklagte forderte einen Bericht des behandelnden Allgemeinmediziners, Dr. B., an (Bl. 253 der Verwaltungsakte). Der Kläger übersandte zudem Arztbriefe seiner Radiologin Dr. C. vom 20.6.2012 und 26.01.2012 sowie einen Laborbefund. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Neufeststellung am 10.12.2012 ab, da keine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers vorliege, die eine Erhöhung des GdB rechtfertige. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" lägen nicht vor. Dagegen erhob der Kläger am 13.12.2012 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 wies der Kläger den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Gesamtauswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen nicht festgestellt werden könne.
Gegen den Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides hat der Kläger am 18.04.2013 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.
Der Kläger trägt vor, das Versorgungsamt habe die Erkenntnisse der Radiologin aus den oben genannten Arztbriefen nicht berücksichtigt. Er habe im Jahr 1966 in der DDR einen Wegeunfall erlitten und leide seitdem an verschiedenen Beeinträchtigungen. Insofern sei der GdB mit 70 nicht zutreffend bewertet. Er teilte mit, dass es ihm um die Erhöhung des GdB gehe, von der Rundfunkgebühr sei er vom Landkreis befreit (Bl. 57, 92 der Gerichtakte).
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Beklagten vom 10.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger seit dem 15.10.2012 einen höheren GdB als 70 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verteidigt seine Bescheide.
Das Gericht hat über die bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten. Im Einzelnen gelangten zur Akte ein Bericht der Radiologin Dr. C. vom 10.07.2013, des Allgemeinmediziners Dr. B. vom 10.09.2013 sowie der Allgemeinmedizinerin Dr. D. vom 12.11.2013.
Das Gericht hat zudem Beweis angeordnet durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. Der Kläger hat mehrmals darauf hingewiesen, dass er eine Begutachtung nicht für erforderlich halte, da er das Gutachten der NVA aus dem Jahr 1976 vorgelegt habe und er zudem ein Attest seines Hausarztes vom 24.02.2014 vorgelegt habe, aus dem sich ergebe, dass es beim Kläger in Stresssituationen im Zusammenhang mit Gerichtsterminen oder Begutachtungen zu psychovegetativen Dekompensationen bis hin zu Panikattacken und Blutdruckentgleisungen komme. Auf Nachfrage des Gerichts hat der Kläger zudem mitgeteilt, dass er einer Begutachtung durch den Sachverständigen auch bei ihm zu Hause oder in der Praxis seines Hausarztes nicht zustimmen werde. Eine Entbindung seines Hausarztes von der Schweigepflicht gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger abgelehnt (Bl. 144 der Gerichtsakte). Daraufhin hat der Sachverständige am 10.06.2014 ein Gutachten nach Aktenlage erstattet.
Der Sachverständige hat auf psychiatrischem Fachgebiet ein organisches Psychosyndrom nach einem Schädelhirntrauma diagnostiziert. Auf anderen Fachgebieten lägen eine Rizarthrose, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie eine Schlafapnoesyndrom und eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung vor. Der Hirnschaden sei nach Ziff. 3.1.2. der Versorgungsmedizinverordnung als Hirnschaden mit psychischen mittelgradigen Auswirkungen mit einem Grad der Behinderung von 60 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der übrigen Beeinträchtigungen ergebe sich für den Kläger ein Gesamt-GdB von 80. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.08.2014 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass sein Gutachten nicht die Klärung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfall im Jahr 1966 und den Behinderungen des Klägers zum Gegenstand hatte, sondern die Feststellung einer Behinderung.
Unter Bezugnahme auf das Gutachten hat der Beklagte einen Vergleich vorgeschlagen, wonach der Wortlaut der Behinderungen ergänzt werden solle und ab dem 17.10.2012 ein GdB auf insgesamt 80 festgestellt werde. Der Kläger hat den Vergleich nicht angenommen. Termine mit denen das Gericht beabsichtigte die Sach- und Rechtslage zu erörtern, mussten aufgehoben werden, da der Kläger unter Vorlage von Attesten vortrug, dies sei ihm gesundheitlich nicht zuzumuten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Das Begehren des Klägers ist dahingehend auszulegen, dass er lediglich die Erhöhung des GdB begehrt. Im Schreiben vom 27.11.2013 teilte er mit, dass es ihm "im Grunde um die Erhöhung der Schwerbehindertenprozente" gehe, da er vom Landkreis von der Rundfunkgebühr befreit sei. Auch auf Anfrage des Gerichts vom 28.01.2014 nach seinem konkreten Antrag, teilte der Kläger am 03.02.2014 mit, dass er die "Aufstockung" seiner Schwerbehindertenprozente beantrage (Bl. 92 der Gerichtsakte).
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Bescheid vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht für die Beeinträchtigungen des Klägers nur einen Gesamt-GdB von 70 festgestellt. Seit Antragstellung am 15.10.2012 ist bei dem Kläger ein GdB von 80 festzustellen.
Gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 des Neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen den Grad der Behinderung fest. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden nach § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft. Gemäß § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX gelten für diese Feststellung die Maßstäbe von § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) und insbesondere ihre Anlage zu § 2 (Versorgungsmedizinische Grundsätze) entsprechend.
Bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Die Bemessung des (Gesamt-)GdB ist dabei in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.12.2010, Az.: B 9 SB 35/10, juris Rdnr. 3). In einem ersten Schritt sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. In einem zweiten Schritt sind diese Beeinträchtigungen den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann, in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB, in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der maßgebliche (Gesamt-)GdB zu bilden (Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.12.2010, Az.: B 9 SB 35/10, juris Rdnr. 3).
Der GdB ist dabei gemäß Punkt A. 2. a) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze unabhängig von der Ursache einer Gesundheitsstörung zu bilden. Vielmehr kommt es ausweislich des Wortlauts von § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX auf die Auswirkungen einer Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist bei dem Kläger entgegen der Ansicht des Beklagten die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 80 zu bewerten. Die Kammer stützt sich hierbei auf das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. E. vom 10.06.2014 nebst seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.08.2014 sowie auf die eingegangen Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers.
Auf dem Gebiet der Psyche liegen bei dem Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Beeinträchtigungen vor, die mit einem Einzel-GdB von 60 gemäß Punkt B. 3. 1. 2. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu bewerten sind. Der Sachverständige diagnostizierte bei dem Kläger ein organisches Psychosyndrom nach einem Schädelhirntrauma. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Auswirkungen des Hirnschadens des Klägers mittelgradig und mit einem GdB von 60 zu bewerten sind. Insofern schließt sich die Kammer der Bewertung des Sachverständigen an. Sowohl aus dem Verhalten des Klägers während des Prozesses als auch aus den Schilderungen der behandelnden Ärzte ist ersichtlich, dass sich die psychischen Störungen des Klägers deutlich im Alltag auswirken. Der Kläger kehrt in seinen Schilderungen immer wieder auf das Unfallereignis im Jahr 1966 zurück. Der Kläger berichtet über Unruhe- und Angstzustände bis hin zu Panikattacken und auch der Hausarzt des Klägers berichtet im Attest vom 24.02.2014 über eine Panikattacke mit psychischer und hypertensiver Dekompensation im Rahmen eines Gespräches über eine Begutachtung (Bl. 121 der Gerichtsakte). Diese Ängstlichkeit ist nach Ansicht des Sachverständigen ebenso ein Symptom des organischen Psychosyndroms wie die von dem Kläger beschriebenen Konzentrationsstörungen, Störungen des geistigen Leistungsvermögens, Erschöpfbarkeit und verminderte Belastbarkeit bei Stress. Mangels weitergehender Mitwirkung des Klägers an der Aufklärung des Sachverhalts konnte die Kammer keine weitergehenden Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der psychischen Leiden des Klägers erlangen. Insbesondere steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass eine Bereitschaft des Klägers zu einer Untersuchung, auch im Wege eines Hausbesuches, sowie einer Erörterung der Sachlage mit dem Gericht nicht besteht.
Der Kläger leidet ausweislich des Berichts des Hausarztes Dr. B. an einem Diabetes mellitus, der mit der Tablettengabe Metformin behandelt wird. Über Hyperglykämien wird nicht berichtet. Der HbA1c-Wert lag bei 7 bis 7,5% (vgl. Bl. 34 der Gerichtsakte). Gemäß B. 15. 1. Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist eine Bewertung mit einem GdB von 0 zutreffend, da der Kläger aufgrund der Therapie nur kaum in der Lebensführung beeinträchtigt ist.
Hinsichtlich des in den Akten erwähnten Schlaf-Apnoe-Syndroms handelt es sich lediglich um eine Verdachtsdiagnose (vgl. Bl 33 der Gerichtsakte, Bl. 256 der Verwaltungsakte). Eine Bewertung mit einem GdB scheidet insofern nach Ansicht der Kammer aus.
Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die Funktionsstörungen der Wirbelsäule und Gliedmaßen mit einem höheren GdB als dem von dem Beklagten angenommenen GdB von 50 zu bewerten sind. Aus der Erklärung des Klägers über die Schweigepflichtsentbindung ergibt sich nicht, dass sich der Kläger in orthopädischer Behandlung befindet. Der letzte fachärztliche Bericht datiert aus dem Jahr 2008 (Bl. 204ff. der Verwaltungsakte). Auch auf der Grundlage des Berichtes der behandelnden Radiologin Dr. C. (Bl. 28 ff. der Gerichtsakte) ist keine Höherbewertung dieser Funktionsbeeinträchtigungen zu erkennen. Die Radiologin kam bei der Untersuchung betreffend Brust- und Lendenwirbelsäule sowie des ersten Strahls der rechten Hand zu folgender Beurteilung: Skoliose der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie Spondylochondrose und Spondylosis deformans (degenerative Veränderungen an Wirbelkörpern), eine Costotransversalarthrose links sowie mäßige Deformation der Wirbelkörper, mäßige Bandscheibenerniedrigungen im Bereich der Brustwirbelsäule und bei dem Wirbelkörper L4/5. Zum einen rechtfertigen gemäß Punkt B. 18. 1. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze Veränderungen, die mit Bild gebenden Verfahren festgestellt wurden, allein noch nicht die Annahme eines GdB. Vielmehr kommt es auf die Auswirkungen an. Zudem sind die aufgeführten Leiden beziehungsweise ihre Auswirkungen bereits bei der Bewertung des GdB von 50 berücksichtigt. Die Kammer konnte zudem keine weitergehenden Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Leiden des Klägers erlangen, da der Kläger einer gutachterlichen Untersuchung nicht zustimmte.
Bei dem Kläger liegt zudem eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob mit diesem Leiden verbundenen Beeinträchtigungen wie vom Beklagten angenommen mit einem GdB von 20 zu bewerten sind oder ob nur eine leichtere chronische Nasennebenhöhlenentzündung gemäß Punkt B. 6. 2. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vorliegt, die mit einem GdB von 0-10 zu bewerten wäre, denn zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass diese Beeinträchtigungen jedenfalls nicht den Gesamt-GdB erhöhen (siehe unten).
Zur Ermittlung des Gesamt-GdB sind rechnerische Methoden – insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung – gemäß Punkt A. 3. a. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um den Beeinträchtigungen insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Punkt A. 3. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen; auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen. Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind, vgl. Punkt A. 3. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.
Zur Überzeugung der Kammer steht nach Durchführung der Beweisaufnahme fest, dass bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 80 zu bilden ist. Von einem höheren Grad der Behinderung kann sich die Kammer nicht überzeugen, da der Kläger sowohl eine Untersuchung durch Sachverständige, als auch eine Erörterung mit ihm ablehnte. Auch Facharztberichte, die über die vorliegenden Arztberichte hinausgehen, waren dem Gericht nicht zugänglich. Als führender GdB sind mit einem GdB von 60 die psychischen Störungen des Klägers zu erkennen. Die mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewertenden Funktionsstörungen der Wirbelsäule und Gliedmaßen erhöhen den Gesamt-GdB, überschneiden sich aber vorliegend hinsichtlich der Schmerzen auch mit dem Funktionsbereich Psyche. Hingegen hat die chronische Nasennebenhöhlenentzündung keine Auswirkungen auf den GdB, da es sich hierbei nur um eine leichte Gesundheitsstörung handelt, die gemäß Punkt A. 3. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze keine Gesamt-GdB-Erhöhung rechtfertigt. Diese Beeinträchtigung tritt hinter den übrigen Beeinträchtigungen zurück, da die mit Nasennebenhöhlenentzündungen verbundenen Beeinträchtigungen hier Anbetracht der wesentlich höher zu bewertenden übrigen Leiden nur untergeordneter Natur sind. Insgesamt war daher ein GdB von 80 zu bilden. Die Kammer schließt sich damit der Bewertung des Sachverständigen an, der bei dem Kläger ebenfalls einen Gesamt-GdB angenommen hat. Dieser Gesamt-GdB ist ab Antragstellung anzunehmen. Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen an, der eine Bewertung der Störungen auf psychiatrischem Gebiet auch schon bei Antragstellung annimmt.
Aus den dargelegten Gründen ist der Bescheid rechtswidrig und von dem Beklagten bei dem Kläger ein Gesamt-GdB von 80 ab Antragstellung am 15.10.2012 festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
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