L 32 AS 1288/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 191 AS 5837/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1288/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rechtsmittel beim BSG eingelegt
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. April 2015 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Bescheide vom 15. Juli 2015 wird abgewiesen. Kosten sind auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Umfang und die Zulässigkeit der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II als Sachleistungen (Lebensmittelgutscheine, Direktüberweisungen an Energieversorger und Vermieter) für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2012.

Der 1964 geborene Kläger stand seit Januar 2005 über erhebliche Zeiträume im Leistungsbezug der Beklagten. Seine Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) betrugen im ersten Halbjahr 2012 monatlich 330,73 Euro (Grundmiete 230,73 Euro, Betriebskosten 62,00 Euro, Heizkosten 38,00 Euro) inklusive Warmwasserkosten. Die Stromabschläge an den Energieversorger V GmbH betrugen bis April 2012 monatlich 11 Euro, danach 15,00 Euro.

Seit 2010 erklärte sich der Kläger gegenüber der Beklagten mehrfach für mittellos, so z.B. nachdem ihm der Regelsatz für Mai 2010 als Vorschuss gezahlt worden war und der Kläger diesen Betrag nach eigenen Angaben für Ausgaben genutzt hatte, die im Zusammenhang mit einer Reise nach Russland entstanden seien. Die Beklagte überwies dem Kläger Ende Dezember 2010 einen Betrag von 287,09 Euro auf den Leistungsanspruch für Januar 2011, welchen die Beklagte mit Bescheid vom 4. Januar 2011 in Höhe von monatlich 688,09 Euro gewährte. Am 4. Januar 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung eines Darlehens und gab an, mittellos zu sein, da er die Ende Dezember 2010 für Januar 2011 an ihn gezahlten Leistungen für Unterhaltszahlungen nach Russland überwiesen habe. Die Beklagte gewährte dem Kläger ein Darlehen in Form von Lebensmittelgutscheinen und teilte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, künftig die Regelleistung als Teilbetrag i.H.v. 300 Euro in Form von Sachleistungen zu erbringen, weil sich der Kläger unwirtschaftlich verhalte.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2011 verfügte die Beklagte die Änderung der Zahlungsweise dahingehend, dass ein Teil des Regelbedarfs als Sachleistungen nach § 23 Abs. 2 SGB II erbracht werde sowie die Überweisung von 310,00 Euro an den Vermieter erfolge (die Entscheidung werde auf § 22 Abs. 4 SGB II gestützt, da aufgrund des dargestellten Sachverhalts davon ausgegangen werden müsse, dass auch die KdUH zweckentfremdet würden und somit die zweckentsprechende Verwendung nicht sichergestellt sei). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Juli 2011, S 207 AS 2694/11 I, Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19.04.2012, L 28 AS 1251/11).

Am 11. November 2011 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen bei der Beklagten.

Zum 6. Dezember 2011 nahm der Kläger ein bis zum 29. Februar 2012 befristetes Arbeitsverhältnis als Helfer Tiefbau mit einer monatlichen Bruttovergütung von 900 Euro, fällig jeweils am fünften Arbeitstag des Folgemonats, auf.

Mit vorläufigem Bescheid vom 20. Dezember 2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Hinblick auf die noch nicht feststehenden Arbeitsentgelte vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2012 unter Anrechnung eines monatlichen Nettoerwerbseinkommens i.H.v. jeweils 713,48 Euro (unter Berücksichtigung der Freibeträge: 453,48 Euro) als Leistungen für KdUH i.H.v. monatlich 251,25 Euro und für die Monate April bis Juni 2012 monatlich 704,73 Euro (374 Euro Regelbedarf und 330,73 Euro für KdUH). Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung werde nicht gewährt. Die Beklagte gab als Zahlungsempfänger die LGmbH, die BA-SH/Zentralkasse, die G Ltd., den Energieversorger V und den Kläger an. Sie führte weiter aus: "Bitte beachten sie: Die Leistungen werden gemäß § 22 Abs. 7 SGB II und § 24 Abs. 2 SGB II wie folgt ausgezahlt: Zeitraum vom 01.01.2012 - 31.03.2012: Kosten der Unterkunft: 231,25 Euro per Direktüberweisung an die Hausverwaltung (den Differenzbetrag in Höhe von 99,48 Euro überweisen Sie bitte selbst) Forderungsmanagement: 20,00 Euro per Direktüberweisung Achtung: Aufgrund der Anrechnung Ihres Einkommens in dieser Zeit mindern sich die Ihnen zustehenden Leistungen in soweit, als dass sie die Abschläge in der derzeitigen Höhe von 11,00 Euro monatlich selbst überweisen müssen. Zeitraum vom 01.03.2012 - 30.06.2012: Kosten der Unterkunft: 330,73 Euro per Direktüberweisung an die Hausverwaltung Forderungsmanagement: 20 Euro per Direktüberweisung V: 11,00 Euro per Direktüberweisung Auszahlung an Sie selbst: 211,00 Euro Lebensmittelgutscheine: 132,00 Euro (vier Stück zu je 33,00 Euro, wöchentliche Zusendung) die Entscheidung erfolgt aufgrund der in der Vergangenheit mehrfach erfolgten Erklärung der Mittellosigkeit trotz bereiter Mittel. Ergänzend wird auf die Ermessensgesichtspunkte im Widerspruchsbescheid vom 03.02.2011 zum Geschäftszeichen W 1097/11 verwiesen."

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 27. Dezember 2011.

Das Arbeitsentgelt für Dezember 2011 abzgl. eines Vorschusses von 300,00 Euro vom 21. Dezember 2011 i.H.v. 304,68 Euro wurde dem Konto des Klägers am 6. Januar 2012 gutgeschrieben. Am 11. Januar 2012 erhielt der Kläger eine Barauszahlung seines Arbeitgebers i.H.v. 300 Euro, sowie am 13. und 17. Februar 2012 zwei weitere Barauszahlungen i.H.v. 300 Euro bzw. 100 Euro. Dem Konto des Klägers wurden am 6. Februar 2012 auf Überweisung vom Arbeitgeber 426,97 Euro gutgeschrieben. Im März 2012 überwies der Arbeitgeber dem Kläger 294,03 Euro. Die Stromabschlagszahlungen für Dezember 2011 und Februar 2012 (jeweils 11,00 Euro) nahm der Kläger nicht vor. Die Schlussrechnung des Energieversorgers vom 27. März 2012 wies einen offenen Rechnungsbetrag von 65,78 Euro aus. Auf das Konto des Klägers wurde am 8. Mai 2012 als Steuererstattung 2011 ein Betrag von 111,27 Euro überwiesen.

Der Kläger erklärte sich am 5., 19., 23. und 26. Januar, am 16., 17. und 23. Februar 2012, insgesamt 21 Mal im Zeitraum vom 1. Januar bis 22. Mai 2012 gegenüber der Beklagten als mittellos. Im April und Mai 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Notwendigkeit der Neuanschaffung von Waschmaschine, Herd und Kühlschrank geltend. Für Waschmaschine und Kühlschrank waren ihm mit Bescheid vom 18. Dezember 2009 Darlehen gewährt worden. Die Geräte befanden sich im Mai 2012 nicht mehr in der Wohnung des Klägers. Für eine Waschmaschine gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2012 ein Darlehen i.H.v. 200 Euro.

Nach Überweisung des Arbeitsentgelts für Dezember 2011 erteilte die Beklagte den vorläufigen Änderungsbescheid vom 12. Januar 2012, mit welchem sie für Januar 2012 Leistungen i.H.v. insgesamt 630,05 Euro (299,32 Euro Regelbedarf und 330,73 Euro für KdUH, Nettoerwerbseinkommen abzgl. Freibeträge i.H.v. 74,68 Euro) gewährte. Die Nachzahlung i.H.v. 378,80 Euro werde wie folgt angewiesen: 99,48 Euro per Direktüberweisung an die Hausverwaltung, 11,00 Euro per Direktüberweisung an den Energieversorger V, 136,32 Euro an den Kläger selbst (Gutschrift auf dem Konto des Klägers am 17.01.2012), Lebensmittelgutscheine 132,00 Euro (vier Stück zu je 33,00 Euro, wöchentliche Zusendung). Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein (am 16.01.2012).

Im Monat Januar 2012 übersandte die Beklagte dem Kläger vier Lebensmittelgutscheine. Zwei Gutscheine vom 30. Januar 2012 wurden vom Kläger am 3. Februar 2012 zurückgegeben und durch das Jobcenter storniert. Zwei Gutscheine wurden vom Kläger im Einzelhandel eingelöst. Die nicht eingelösten Restbeträge überwies die Beklagte am 7. Februar 2012 (Betrag: 0,26 Euro) und mit dem Gegenwert für die zwei stornierten Gutscheine am 28. Februar 2012 (Überweisungsbetrag: 66,32 Euro).

Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 9. März 2012 rechnete die Beklagte für März 2012 ein Nettoerwerbseinkommen i.H.v. 294,03 Euro, unter Berücksichtigung der Freibeträge i.H.v. 42,19 Euro an und gewährte Leistungen i.H.v. 662,54 Euro (331 Euro Unterhalt und 330,73 Euro KdUH). Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 12. März 2012.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2012 zurück, wobei sie den Widerspruch vom 27. Dezember 2011 als unbegründet zurückwies und die Widersprüche vom 16. Januar 2012 und 19. März 2012 als unzulässig behandelte. Die Einkommensanrechnung sei für die Monate Januar und Februar 2012 rechtswidrig für den Kläger begünstigend erfolgt. Obwohl der Kläger von seinem Arbeitgeber im Januar 2012 Entgelt für Dezember 2011 i.H.v. 304,68 Euro und einen Vorschuss i.H.v. 300 Euro erhalten habe, seien nur 74,68 Euro angerechnet worden, so dass das Jobcenter ihn in diesem Monat überzahlt habe. Entsprechendes gelte für Februar 2012, als dem Kläger zwei Barauszahlungen von insgesamt 400 Euro und eine Entgeltzahlung auf das Konto i.H.v. 426,97 Euro zugeflossen seien, während bei ihm nur Einkünfte i.H.v. 453,48 Euro angerechnet worden seien, während 566,97 Euro hätten angerechnet werden müssen. Für den Monat März 2012 sei eine Nachberechnung mit Bescheid vom 9. März 2012 unter Berücksichtigung des restlichen Auszahlungsbetrages i.H.v. 294,03 Euro erfolgt, wobei der auf ein Bruttogehalt i.H.v. 859,21 Euro bezogene Freibetrag i.H.v. 251,84 Euro nur zu einem anrechenbaren Einkommen i.H.v. 42,19 Euro geführt habe, wodurch der Kläger ebenfalls nicht beschwert sei. Die teilweise Auszahlung der Leistung mittels Lebensmittelgutscheinen sowie die Direktauszahlung der Miete seit Juli 2005 und der Stromabschläge seit Februar 2008 an Vermieter bzw. Stromversorger rechtfertigten sich daraus, dass Miet- und Stromschulden vorgebeugt werden müsse, da der Kläger sich in der Vergangenheit mehrfach vor Ablauf eines Monats mittellos erklärt und die ihm ausgezahlten Grundsicherungsleistungen offensichtlich zweckwidrig verwendet habe. Nicht nachvollziehbar sei, warum sich der Kläger jeweils wenige Tage, nachdem er einen Vorschuss i.H.v. 300 Euro erhalten habe, erneut mittellos erklärt habe. Er habe am 11. Januar und am 13. Februar 2012 jeweils 300 Euro in bar erhalten, aber am 16. Januar und 16. Februar 2012 jeweils wegen Mittellosigkeit bei der Beklagten vorgesprochen. Unklar und nicht beantwortet sei geblieben, wofür der Kläger die Vorschüsse, die seinen Bedarf überstiegen hätten, verwendet habe. Da er sich zudem stetig mittellos erklärt habe, sei davon auszugehen, dass er die Vorschüsse nicht für seinen Lebensunterhalt verwendet habe. Bei diesem Verhalten sei festzustellen, dass er seine Regelleistung nicht nur einmal vorzeitig verbraucht habe. Das bisherige Geschehen spreche dafür, dass der Kläger mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht sachgerecht wirtschaften könne.

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 21. März 2012 erhobenen Klage gewendet. Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und auf den Beschluss des BVerfG vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05 verwiesen.

Am 30. März 2012 hat der Kläger mit dem Begehren, die Beklagte zur Barauszahlung der ab Dezember 2011 bewilligten Leistungen zu verurteilen, Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben (Az.: S 158 AS 7472/12).

Mit Änderungsbescheid vom 3. April 2012 stellte die Beklagte die Leistungsgewährung anrechnungsfrei für Zeiträume ab April 2012 und passte die direkt angewiesenen Stromabschläge auf 15 Euro monatlich ab 1. Mai 2012 an. Dieser Bescheid enthielt keinen Hinweis auf eine Vorläufigkeit.

Mit Beschluss vom 1. April 2015 hat das Sozialgericht Berlin die ursprünglich zum Aktenzeichen S 158 AS 7472/12 erhobene Klage zum hiesigen Verfahren verbunden und mit Urteil vom 1. April 2015 die Klagen abgewiesen. Soweit der Kläger die Auszahlung bzw. Überweisung von weiteren 132 Euro monatlich für die Monate Januar bis März 2012 begehre, stehe ihm kein weiterer Anspruch zu, denn die Leistungsansprüche seien durch die ausgehändigten Lebensmittelgutscheine an Erfüllungsstatt erloschen. Dies gelte auch für die KdUH; der insoweit bestehende Anspruch sei durch Direktzahlung an den Vermieter des Klägers vollständig erloschen. Eine Beschwer des Klägers sei nicht mehr ersichtlich. Ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 7 SGB II vorgelegen hätten, wofür die überzeugenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid sprechen würden, spiele daher keine Rolle. Hinsichtlich der vom Kläger gerügten Einkommensanrechnung für die Monate Januar bis März 2012 verweise die Kammer auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012. Ergänzend sei festzustellen, dass das Begehren des Klägers, bei der Einkommensanrechnung gezahlte Wochenend-, Feiertags- und Nachtzuschläge unberücksichtigt zu lassen, bereits deshalb ins Leere laufe, als nach Aktenlage die Zahlung derartiger Zuschläge nicht ansatzweise ersichtlich sei. Soweit der Kläger die Zahlung weiterer 22 Euro vor dem Hintergrund begehre, seine direkt an den Stromversorger gezahlten Stromabschläge seien nicht durch den in der Regelleistung enthaltenen Anteil gedeckt, sei dem bereits deshalb nicht zu folgen, als die monatlichen Stromabschläge des Klägers in diesem Zeitraum nur 11,00 Euro bis April 2012 bzw. 15,00 Euro ab Mai 2012 betragen hätten und auch nur diese Beträge an den Stromversorger überwiesen worden seien. Das BVerfG habe mit Beschluss vom 23. Juli 2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, festgestellt, dass auch die seit dem 1. Januar 2011 geltenden Regelsätze nicht verfassungswidrig seien. Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Kosten für die BVG-Monatskarte von 33,50 Euro ("Sozialticket") sei außer für Januar 2012 für den streitgegenständlichen Zeitraum schon nicht konkret dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass der Kläger solche überhaupt erworben habe. Es sei nicht ersichtlich, dass er das Ticket für den Monat Januar 2012 nicht habe durch die Freibeträge auf das erzielte Erwerbseinkommen habe decken können. Soweit der Kläger die Erstattung von pauschal 50 Euro für Porto- und Bewerbungskosten für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 von der Beklagten begehre, sei von ihm ebenfalls weder dargelegt worden, noch sei nach Aktenlage ersichtlich, auf welche Bewerbungsbemühungen er hierfür Bezug nehme. Es fehle diesbezüglich bereits an einem vorherigen Antrag bei der Beklagten. Für einen Anspruch auf "Urlaubsgeld" gegen die Beklagte fehle es bereits an einer gesetzlichen Grundlage.

Gegen das dem Kläger am 7. Mai 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am Sozialgericht Berlin eingelegte Berufung vom 8. Mai 2015. Zur Begründung verweist der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen und auf das Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 und den Beschluss vom 14. Juli 2014, die Sozialcharta von 1961 sowie auf Art. 2 Genfer Abkommen von 1949 und das Recht auf Leben. Es gebe kein Gesetz, statt Regelleistungen Lebensmittelgutscheine auszugeben und Armut zur Schau zu stellen. Es sei Nötigung und Erpressung. Die Bescheide vom 14. Juli 2016 und 15. Juli 2016 seien nicht betrachtet worden. Nach der Räumung seiner Wohnung im Jahr 2013 seien Originalunterlagen vernichtet worden, welche der Beklagten aber vorlägen.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15. Juli 2015 über die endgültige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2012 entschieden und dem Kläger für Januar 2012 Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 330,05 Euro, für Februar 2012 i.H.v. 137,76 Euro und für März von 330,73 Euro neben dem Regelbedarf für März von 331,81 Euro bewilligt. Mit einem weiteren Bescheid vom 15. Juli 2015 hat die Beklagte gegenüber dem Kläger die Erstattung von 413,49 Euro (für Januar 2012 von 300,00 Euro, für Februar 2012 von 113,49 Euro) geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf die Bescheide vom 15. Juli 2015 (Bl. 58 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. April 2015 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 20. Dezember 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12. Januar und 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012 in der Form der Bescheide vom 3. April 2012 und vom 15. Juli 2015 zu ändern, 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 monatliche Arbeitslosengeld II-Leistungen a) ohne Anrechnung von Einkommen für Wochenend-, Feiertags- und Nachtzuschläge zu gewähren, b) ihm seine monatlichen Unterkunfts- und Heizkosten auf sein Konto zu überweisen, c) ihm monatlich weitere 22,00 Euro für Stromabschläge zu gewähren, d) die Kosten für die BVG-Monatskarte in Höhe von monatlich 33,50 Euro zu übernehmen, e) ihm 50,00 Euro für Porto-und Bewerbungskosten auszuzahlen sowie f) ihm Urlaubsgeld in gesetzlicher Höhe für diesen Zeitraum zu gewähren. 3. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2012 anstelle der Lebensmittelgutscheine monatlich 132,00 Euro auf sein Konto zu überweisen, 4. den Erstattungsbescheid vom 15. Juli 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Leistungen für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. Juni 2012 seien bereits mit dem Änderungsbescheid vom 3. April 2012 abschließend bewilligt worden.

Das Einkommen des Klägers aus der Erwerbstätigkeit sei anhand der Nachweise zum Zufluss berücksichtigt worden. Im Januar 2012 sei das Dezemberentgelt 2011 i.H.v. 750 Euro brutto und 304,68 Euro netto (Zufluss 6. Januar 2012) berücksichtigt worden, zuzüglich eines Vorschusses auf das Januarentgelt i.H.v. 300 Euro vom 11. Januar 2012. Im Februar 2012 sei das Januarentgelt 2012 i.H.v. 900 Euro brutto und 426,97 Euro netto (Zufluss am 6. Februar 2012) zuzüglich zweier Vorschüsse auf das Februarentgelt i.H.v. 300 Euro vom 13. Februar 2012 und 100 Euro vom 17. Februar 2012 berücksichtigt. Im März sei das Februarentgelt i.H.v. 859,21 Euro brutto und 294,03 Euro netto mit einem Zufluss am 6. März 2012 berücksichtigt worden. Die Bescheide vom 15. Juli 2015 seien Gegenstand des Verfahrens geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakten und der Aktenauszüge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers entscheiden (§ 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), weil er in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Rechtsstreits ist auf Berufung der Bescheid der Beklagten vom 3. April 2012, welcher als endgültiger Bescheid für die Monate April bis Juni 2012 die vorläufigen Bescheide vom 20. Dezember 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12. Januar und 9. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012 ersetzt hat (§ 39 Abs. 2 SGB X) und deshalb gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 15. Juli 2015 über die endgültige Festsetzung der Leistungen für die Zeiträume von Januar bis März 2012, welche die genannten vorläufigen Bescheide hinsichtlich der betroffenen Monate ersetzt haben, sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Über diese Bescheide hatte der Senat auf Klage zu entscheiden (BSG 18.03.2015, B 2 U 8/13 R, RdNr. 15 m.w.N.)

Die zulässige Berufung ist ebenso wie die Klage gegen die Bescheide vom 15. Juli 2015 unbegründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen endgültigen Bescheide der Beklagten verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat im Zeitraum von Januar bis Juni 2012 keinen Anspruch auf höhere Leistungen von der Beklagten. Die von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderungen sind dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig. Zwar war der Kläger im gesamten Zeitraum von Januar bis Juni 2012 erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Sinne von §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Er hat jedoch keinen Anspruch auf höhere Leistungen oder auf Nachzahlungen von Leistungen in diesem Zeitraum.

Er erfüllt die Voraussetzungen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte solche Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Der Kläger erfüllte im hier relevanten Zeitraum hinsichtlich seines Alters – Geburtsjahr 1964 – die Voraussetzungen nach Nr. 1. Er war im genannten Zeitraum erwerbsfähig im Sinne von Nr. 2 der Vorschrift in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SGB II, denn er war in gesundheitlicher Hinsicht erwerbsfähig. Dies ergibt sich aus der von ihm bis Februar 2012 ausgeübten Erwerbstätigkeit. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit des Klägers erfolgt wäre und dass sich der Gesundheitszustand danach verschlechtert hätte. Er hatte im Sinne von Nr. 4 i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bunderepublik, nämlich in Berlin.

Der Kläger war hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II, denn er konnte seinen Lebensunterhalt nicht vollständig aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern und hat die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten. Eigenes Einkommen hatte er im hier relevanten Zeitraum zum einen durch die von der Beklagten berücksichtigten Arbeitsentgelte. Diese überstiegen weder nach dem zutreffenden Rechenwerk des Bescheides vom 3. April 2012, noch nach der korrekten Berechnung im Bescheid vom 15. Juli 2015 die Bedarfe i.H.v. monatlich insgesamt 704,73 Euro (374 Euro Regelbedarf und 330,73 Euro für KdUH). Die Beklagte hat dabei die Einkünfte auf Arbeitsentgelt und die Freibeträge zutreffend berücksichtigt. Einkommen hatte der Kläger auch durch die ihm im Mai 2012 zugeflossene Steuererstattung. Soweit die Beklagte unzutreffend diesen Zufluss der Steuererstattung nicht beachtet und nicht in die Leistungsberechnung eingestellt hat, ist dieser Zufluss in Höhe von 111,27 Euro mangels anderer Einkünfte im Mai und Juni 2012 nicht geeignet, die Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Hinsichtlich des anzurechnenden Einkommens nimmt der Senat auf die im Übrigen zutreffenden Berechnungen in den Anlagen der genannten Bescheide (Gerichtsakte Bl. 33 ff. und 58 ff.) entsprechend § 136 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insofern ab. Der Kläger war danach zur Überzeugung des Senats im Sinne des Grundsicherungsrechts des SGB II hilfebedürftig.

Der Hilfebedarf ist durch die Leistungen der Beklagten gedeckt worden, so dass der Kläger keinen weiteren Anspruch hat.

Soweit der Kläger fordert, bei der Einkommensanrechnung gezahlte Wochenend-, Feiertags- und Nachtzuschläge unberücksichtigt zu lassen, sind derartige Zuschläge nicht ansatzweise ersichtlich. Die Entgeltabrechnungen für Dezember 2011 sowie für Januar und Februar 2012 weisen derartige Zuschläge nicht aus.

Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Auszahlung bzw. Überweisung von weiteren 132 Euro monatlich für die Monate Januar bis März 2012. Für Januar 2012 scheidet eine Forderung in dieser Höhe schon deshalb aus, weil die Beklagte die vom Kläger nicht eingelösten Restbeträge aus den Lebensmittelgutscheinen am 7. Februar 2012 (Betrag: 0,26 Euro) und mit dem Gegenwert für die zwei stornierten Gutscheine am 28. Februar 2012 (Überweisungsbetrag: 66,32 Euro) dem Kläger überwiesen hat.

Soweit der Kläger die Zahlung weiterer 22 Euro monatlich für die Stromabschläge begehrt und Kosten für die BVG-Monatskarte von 33,50 Euro ("Sozialticket") geltend macht, verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des Urteils vom 1. April 2015 und sieht insofern gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Für die Gewährung des durch den Kläger von der Beklagten verlangten Urlaubsgeldes gibt es keine gesetzliche Grundlage. Er kann deshalb insoweit einen Anspruch wegen § 31 SGB I nicht geltend machen.

Soweit der Kläger die Erstattung von pauschal 50 Euro für Porto- und Bewerbungskosten für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 von der Beklagten begehrt, kann der Senat derartige Kosten nicht feststellen; der Kläger hat diese Kosten weder belegt, noch entsprechende Beweismittel bezeichnet.

Im Übrigen ist die Form der Leistungsgewährung durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Die Beklagte kann sich dabei auf § 24 Abs. 2 SGB II stützen. Danach kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden, solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken. Diese Regelung ist verfassungskonform. Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 entschieden (Aktenzeichen: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, RdNr. 138), dass dem Gesetzgeber freigestellt ist, Grundsicherungsleistungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auch als Sachleistungen zu erbringen. Die Regelung dient erkennbar dem Zweck, auch im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens einzelner Leistungsberechtigter sicherzustellen, dass diesen das Existenzminimum tatsächlich zur Verfügung steht. Weil die Regelung ausdrücklich vorsieht, dass die Sachleistungen zur Deckung der gesamten Bedarfe nach § 20 Abs. 1 SGB II, wie sie im Regelbedarf zusammengefasst werden, vollständig oder teilweise erbracht werden können, sind dafür auch die Bedarfe für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Haushaltsenergie und die Erzeugung von Warmwasser erfasst. Die Leistungsträger der Grundsicherung können deshalb durch Sachleistung die Deckung dieser Bedarfe sicherstellen. Dies kann durch Ausgabe etwa von Lebensmittelgutscheinen, aber auch durch die direkte Zahlung der Stromkostenabschläge an Energieversorgungs-unternehmen erfolgen.

Die Voraussetzungen für eine derartige Sachleistungsgewährung sind vorliegend erfüllt, denn der Kläger hat sich wegen unwirtschaftlichen Verhaltens als ungeeignet erwiesen, mit den Leistungen für den Regelbedarf seinen Bedarf zu decken. Dies betrifft auch die Zahlungen für den Strom, da der Kläger für Dezember 2011 und Februar 2012 die erforderlichen Abschläge trotz seines Einkommens nicht gezahlt hat.

So hat er bereits vor dem hier streitigen Zeitraum wiederholt ihm für die Sicherung seines Lebensbedarfs zugewiesene Mittel zweckentfremdet eingesetzt, sei es durch die Finanzierung einer Auslandsreise oder die Ausführung von Zahlungen an Familienmitglieder im Ausland. Aber auch im vorliegenden Zeitraum hat er wiederholt (allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 21 Mal) Mittellosigkeit gegenüber der Beklagten geltend gemacht, obwohl ihm durch Arbeitseinkommen, die vom Arbeitgeber gezahlten Abschläge und durch die Leistungen der Beklagten ausreichend Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts tatsächlich zur Verfügung standen. Zutreffend hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid darauf verwiesen, dass nicht nachvollziehbar ist, dass der Kläger jeweils kurze Zeit, nachdem er Abschläge in erheblichem Umfang vom Arbeitgeber erhalten hatte, Mittellosigkeit gegenüber der Beklagten behauptet hat. Ebenso wenig erscheint nachvollziehbar, wieso erst im Jahr 2009 bzw. 2010 angeschaffte langlebige Haushaltsgeräte wie Waschmaschine und Kühlschrank bereits Anfang 2012 nicht mehr in der Wohnung des Klägers vorhanden waren und er deshalb Darlehen zur Neuausstattung von der Beklagten beansprucht hat.

Die Beklagte war auf der Grundlage des § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II auf befugt, Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten direkt an den Vermieter zu zahlen. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist entsprechend § 136 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2012.

Auch die auf der Grundlage der §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III mit Erstattungsbescheid vom 15. Juli 2015 geltend gemachten Erstattungsforderungen sind nicht zu beanstanden. Die Forderungen für die überzahlten vorläufigen Leistungen sind im Bescheid vom 15. Juli 2015 zutreffend festgestellt. Die Erstattungsforderung für Januar 2012 errechnet sich aus der Differenz des nach dem Bescheid vom 12. Januar 2012 für Januar 2012 gezahlten Betrages von 630,05 Euro und dem rechtmäßig zustehenden Betrag von 330,05 Euro (Differenz 300,00 Euro) und aus der Differenz des für Februar 2012 gezahlten Betrages von 251,25 Euro nach dem Bescheid vom 20. Dezember 2012 zum zutreffenden Anspruch auf 137,76 Euro (Differenz 113,49 Euro).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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