S 35 EG 4/19

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
35
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 EG 4/19
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung und Erstattung von Elterngeld für die Partnerschaftsbonusmonate.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Vater der am xxxxx.2015 geborenen Zwillinge M. und C ... Er lebt gemeinsam mit seinen Kindern und seiner Ehefrau in einem Haushalt zusammen.

Die Eheleute beantragten im Februar 2016 bei der Beklagten Elterngeld, die Ehefrau für den 1. bis 5. Lebensmonat der Zwillinge Basiselterngeld, für den 6. bis 13. Lebensmonat Elterngeld Plus und für den 14. bis 17. Lebensmonat Elterngeld Plus unter Berücksichtigung der Partnerschaftsbonusmonate. Der Kläger selbst beantragte für den 1. bis 4 Lebensmonat Basiselterngeld, für den 5. bis 6 Lebensmonat Elterngeld Plus und für den 14. bis 17. Lebensmonat ebenfalls Elterngeld Plus unter Berücksichtigung der Partnerschaftsbonusmonate.

Die Eheleute sind selbständig tätig, der Kläger seit August 2008 als Hörfilmautor. Er gab an vom 10.04.2016 bis 09.06.2016 mit einer Wochenarbeitszeit von 25 Stunden tätig zu werden ebenso wie in der Zeit vom 10.01.2017 bis 09.05.2017 und durchschnittlich 1.100,00 Euro zu verdienen. In der Zeit vom 10.12.2015 bis 09.04.2016 würde er hingegen kein Einkommen erzielen und lediglich bis zu 25 Stunden in der Woche arbeiten. Dies wollte er durch die Annahme von weniger Aufträgen als bisher erreichen. Nach dem vorgelegten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2014 erzielte er ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 31.520,00 Euro. Er ist in der Künstlersozialversicherung pflichtversichert.

Seine Ehefrau ist seit Mai 2008 als Art Direktorin selbständig tätig. Sie gab an vom 10.05.2016 bis 09.01.2017 mit ca. 20-30 Wochenstunden tätig zu werden und in der Zeit vom 10.01.2017 bis 09.05.2017 mit ca. 25 Wochenstunden. Auch sie wollte weniger Aufträge annehmen. Nach dem vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 2014 erzielte sie ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 38.364,00 Euro.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 17.02.2016 vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung Elterngeld und zwar für den 1. bis 4. Lebensmonat Basiselterngeld in Höhe von 1.420,65 Euro, für den 5. und 6. Lebensmonate Elterngeld Plus in Höhe von 710,33 Euro und für den 14. bis 17. Lebensmonat ebenfalls 710,33 Euro für die Partnerschaftsmonate. In der Begründung des Bescheides heißt es hierzu weiter, dass voraussichtlich im Bezugszeitraum des Elterngeldes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt werden wird. Zu den Partnerschaftsbonusmonaten wies die Beklagte darauf hin, dass dieser voraussetze, dass beide Elternteile in vier aufeinanderfolgenden Lebensmonaten nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sind. Dies sei entsprechend nachzuweisen. Die Bewilligung könne daher zunächst nur vorläufig erfolgen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung der Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, sind auf Grund dieser vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten.

Auch der Ehefrau wurde mit Bescheid vom 17.02.2016 in der Fassung des Bescheides vom 25.02.2016 vorläufig unter dem Vorbehalt der Rückforderung Elterngeld und zwar für den 1. bis 5. Lebensmonat Basiselterngeld, für den 6. bis 13. Lebensmonate Elterngeld Plus sowie für den 14. bis 17. Lebensmonat Elterngeld Plus für die Partnerschaftsmonate bewilligt.

Im Juli 2018 wurden Eheleute aufgefordert eine Gewinn- und Verlustrechnung für den Bezugszeitraum des Elterngeldes einzureichen und die tatsächlich wöchentliche Arbeitszeit anzugeben. Sie reichten daraufhin einen Ausdruck eines elektronischen Kalenders ein und bezifferten ihren Gewinn im Bezugszeitraum.

Mit Bescheid vom 11.10.2018 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger das Elterngeld endgültig fest. Für den 14. bis 17. Lebensmonate lehnte sie die Gewährung von Elterngeld hingegen ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Voraussetzung für die Partnerbonusmonate nicht vorgelegen habe, da die wöchentliche Arbeitszeit von 25-30 Stunden nicht eingehalten worden sei. Ein Betrag in Höhe von 3.251,65 Euro wurde erstattet verlangt.

Gegenüber der Ehefrau wurde das Elterngeld ebenfalls endgültig festgesetzt sowie für den 14. bis 17. Lebensmonate abgelehnt. Die Beklagte verlangte einen Betrag in Höhe von 3.512,60 Euro erstattet.

Hiergegen reichten Eheleute jeweils Widerspruch ein und legten ein neues Arbeitstagebuch vor, in denen nun auch die Zeiten der Kinderbetreuung wegen Krankheiten der Kinder aufgeführt waren. Sie erläuterten, dass die Zeiten ebenfalls als Arbeitszeiten zur berücksichtigen seien.

Mit Bescheiden vom 07.01.2019 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. In der Begründung führte sie aus, dass bei der Berechnung der Arbeitszeit in den Partnerschaftsbonusmonaten die Zeiten der Kinderbetreuung bei Krankheit der Kinder nicht zu berücksichtigen seien. Dies sei bei selbständig Tätigen, anders als bei abhängig Beschäftigten, die von Arbeit für Zeiten der Pflege des erkrankten Kindes freigestellt werden, nicht möglich. Diese Ungleichbehandlung von Selbständigen und abhängig Beschäftigten sei nicht ungerechtfertigt, weil es sich bei dem Elterngeld um eine freiwillige Leistung des Bundes mit großem Gestaltungsspielraum handeln würde. Dies werde z.B. auch beim unterschiedlichen Bemessungszeitraum deutlich. Die Ausübung der jeweiligen Erwerbstätigkeit und die Art der Erzielung von Einkommen weiche wesentlich voneinander ab, weshalb die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sei.

Mit den hiergegen am 05.02.2019 erhobenen Klagen verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Es sei nicht ersichtlich, weshalb bei einer angestellten Erwerbstätigkeit die erforderliche Kinderbetreuung im Falle der Erkrankung als Arbeitszeit gilt, bei ihm und seiner Frau aufgrund der Erwerbstätigkeit indes nicht. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Vielmehr würde nach der Auffassung der Beklagten im Falle der Erkrankung des Kindes dem Arbeitnehmer ermöglicht, Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten zu erhalten, Selbständigen hingegen nicht. Mit der erforderlichen Betreuungszeit der Kinder während ihrer Erkrankung sei die erforderliche Wochenarbeitszeit über 25 Stunden, aber unter 30 Stunden bei den Eheleuten erreicht.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 11.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2019 für den 14. bis 17. Lebensmonat aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Elterngeld nach dem Bundeselterngeldgesetz für diesen Zeitraum für die Kinder M. und C. in Form der Partnerschaftsbonusmonate in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit zu einer bestimmten Zeit ausüben müsse und durch die Erkrankung des Kindes daran gehindert ist, die Arbeit auszuüben. Demgegenüber stehe es dem Selbständigen frei, wann er seine Tätigkeit ausübt. Er kann diese nachholen. Darüber hinaus sei die Aufstellung unschlüssig, weil die Betreuungszeit im Falle der Erkrankung des Kindes stets mit 4 Stunden angegeben sei, obwohl die Kinder nach den eigenen Angaben im ersten Monat lediglich 2 Stunden in der Kita betreut wurden, dann folgend 3-4 Stunden.

Die Klage der Ehefrau ist unter dem Aktenzeichen S 35 EG 3/19 geführt.

Die Kammer hat die Ehefrau des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergänzend befragt. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Einlassungen wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 12.02.2020 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung, der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 11.10.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2019 ist, soweit er angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Elterngeld gegen die Beklagte für die Partnerschaftsbonusmonate und hat daher die Überzahlung zu erstatten.

Ermächtigung zum Erlass einer von dem Bescheid vom abweichenden Regelung ergibt sich aus dem gemäß § 8 Abs. 3 BEEG zulässigen und gebotenen Vorbehalt der Vorläufigkeit der mit Bescheid vom 17.02.2016 erfolgten Bewilligung.

Der Kläger erfüllt zwar grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG, indes war der Gesamtanspruch des Ehepaares von 14 Lebensmonaten Elterngeld im 14. bis 17. Lebensmonat der Zwillinge bereits erschöpft und die Voraussetzungen für die Gewährung weiterer vier Monate Elterngeld (Partnerschaftsbonusmonate) lagen nicht vor, weil seine Ehefrau in diesem Zeitraum nicht mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 25-30 Stunden tätig war.

Nach § 4 Abs. 4 BEEG haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Elterngeld auf der Grundlage des Basiselterngeldes. Erfolgt für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit, können sie für zwei weitere Monate Elterngeld auf der Grundlage des Basiselterngeldes beanspruchen (Partnermonate). Nach § 4 Abs. 3 kann statt für einen Monat Elterngeld zu beanspruchen, die berechtigte Person jeweils zwei Monate lang ein Elterngeld in hälftiger Höhe des Basiselterngeldes beziehen (Elterngeld Plus).

Vorliegend hat die Ehefrau des Klägers Basiselterngeld für den 1. bis 5. Lebensmonat in Anspruch genommen, der Kläger für den 1. bis 4. Lebensmonat. Zusätzlich hat seine Ehefrau Elterngeld Plus für den 6. bis 13. Lebensmonat beansprucht, der Kläger selbst für den 5. und 6. Lebensmonat. Dies entspricht einem Zeitraum von insgesamt 14 Monatsbeträgen Elterngeld.

Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht daher nur gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG, wenn beide Elternteile in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten gleichzeitig nicht weniger als 25 und nicht mehr als 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sind (Nr. 1) und die Voraussetzungen des § 1 erfüllen (Nr. 2). In diesem Fall hat jeder Elternteil für diese Monate Anspruch auf vier weitere Monatsbeträge Elterngeld Plus (Partnerschaftsbonus).

Die Ehefrau des Klägers erreicht indes in den Lebensmonaten 14. bis 17. nicht im Durchschnitt diese Wochenarbeitszeit.

Aus dem im Widerspruchsverfahren überreichten Arbeitstagebuch geht hervor, dass die Ehefrau im 14. Lebensmonat 84,5 Stunden erwerbstätig war, im 15. Lebensmonat 96 Stunden, im 16. Lebensmonat 87 Stunden und um 17. Lebensmonat 105 Stunden ihre selbständige Tätigkeit ausgeübt hat.

Sie müsste indes je nach Tagen im jeweiligen Lebensmonat ihrer Kinder auf mindestens 100 bis 110 Stunden kommen, um die Mindestarbeitszeit zu erreichen. Soweit der Kläger zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit auch Zeiten der Kinderbetreuung addiert, die angefallen sind, weil die Kinder erkrankt sind, ist dies nicht geeignet, um auf die erforderliche Mindestarbeitszeit zu kommen. Die von der Ehefrau vorgenommene Betreuung der erkrankten Kinder ist nicht mit einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen und kann daher bei der Berechnung keine Berücksichtigung finden.

Der Wortlaut des Gesetzes knüpft an ein tatsächliches Verhalten an. Wenn die Klägerin also tatsächlich nicht erwerbstätig ist, sondern sich um die Betreuung ihrer kranken Kinder kümmert, so liegt darin begrifflich keine Erwerbstätigkeit.

Zwar hat das Bundessozialgericht zu § 1 Abs. 1 Nr. 4 BEEG, der die allgemeine Höchstarbeitszeitgrenze normiert, ausgeführt, dass in Fällen, in denen ein in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer seiner Erwerbstätigkeit zwar tatsächlich nicht ausübt und er daher Zeit hat, die Betreuung und Erziehung seines Kindes sicherzustellen, gleichwohl in Vollzeit erwerbstätig ist, weil er lediglich bezahlten Erholungsurlaub in Anspruch nimmt. Ein bezahlter Erholungsurlaub wird damit der Erwerbstätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gleichgestellt (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015 – B 10 EG 3/14 R).

Würde man diese Rechtsprechung auf § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG übertragen, so bedeutet dies für einen abhängig Beschäftigten, dass er die Mindestwochenarbeitszeit auch dann erreichen kann, wenn er unter Fortzahlung der Bezüge nach tarifvertraglicher, arbeitsvertraglicher oder gesetzlicher Regelung von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt wird, z.B. bei Inanspruchnahme von Erholungsurlaub. Denn in diesem Fall wird ihm die Arbeitszeit, die er an sich vertraglich schuldete, entsprechend vergütet, so als hätte er sie auch tatsächlich ausgeübt.

Es erscheint schon fraglich, ob eine solche Auslegung mit dem Gesetzeszweck vereinbar ist.

Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung des Partnerschaftsbonus beabsichtigt, die partnerschaftliche Arbeitsteilung zu unterstützen und ein nachhaltiges und belastbares Zeitarrangement zwischen den Eltern begünstigen (BT-Drs 18/2583, 16, 28. ff.). Die Regelung soll den Eltern auch einen Anlass geben, das gesetzlich vorgegebene Zeitarrangement auszuprobieren und in eine partnerschaftliche Aufgabenteilung hineinzuwachsen. Für diesen Zeitraum besteht grundsätzlich auch ein Teilzeitanspruch während der Elternzeit (vgl. § 15 Absatz 7 Satz 1 Nummer 3) (BT-Drs. 18/2583, 29).

Wenn ein Partner die erforderliche Arbeitszeit mit der Abgeltung von Überstunden und Erholungsurlaub erfüllen kann, erfolgt aber gerade keine Erprobung des vom Gesetzgeber als sinnvoll erachteten Arbeitszeitmodells. Die Eltern wachsen auch nur schwerlich in eine partnerschaftliche Aufgabenteilung hinein, wenn ein Elterngeld größtenteils auf dem Papier, indes tatsächlich kaum erwerbstätig ist. Andererseits wird der überwiegende Teil der Eltern kaum über so viel Kontingente verfügen, die es ihm erlauben, über die erforderlichen vier Monate hinweg die Mindestarbeitszeit mit arbeitsrechtlichen Ersatzzeiten zu füllen.

Ob es dem Gesetzesweck entspricht, wenn die Mindestarbeitszeit bei einem Arbeitnehmer auch durch eine Freistellung von der Arbeit erreicht werden kann, kann indes vorliegend dahinstehen.

Die vom Kläger begehrte Gleichstellung mit einer abhängig Beschäftigten kann aus Sicht der Kammer jedenfalls nicht erfolgen.

§ 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG trifft eine typisierende Regelung, weil sie für den Anspruch auf Elterngeld in den Partnerschaftsbonusmonaten auf den Umfang der Erwerbstätigkeit abstellt, unabhängig davon, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung handelt.

Sofern aufgrund arbeitsrechtlicher Vorschriften Zeiten als Arbeitszeit gelten, auch wenn tatsächliche keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, kommt es in der Anwendung der Norm zu einer Ungleichbehandlung, weil der selbständig Tätige sich insbesondere bei der Erkrankung des Kindes nicht auf eine vergleichbare Regelung berufen kann. Diese ist indes durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Eine solche Auslegung des § 4 Abs. 4 Satz 3 BEEG verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Grundgesetz. Denn zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit bestehen hinreichend gewichtige Unterschiede, die eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Während der Arbeitnehmer aufgrund vertraglicher Vereinbarung eine bestimmte Arbeitszeit schuldet, schwankt die Auftragslage und damit auch der Zeitaufwand bei selbstständiger Tätigkeit ihrer Natur nach häufiger. Selbständige können auch durch Akquise und Ablehnung von Aufträgen im Regelfall ihre Arbeitszeit in der Regel selbst beeinflusst werden. Er kann sich zudem seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei einteilen, z.B. wann er Aufträge abarbeitet. Der Arbeitnehmer hingegen ist – wie auch der Arbeitgeber – an die Regelungen im Arbeitsvertrag und die gesetzlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften gebunden. Die Nachholung von Arbeit ist nicht ohne weiteres möglich. Es liegt daher, anders als bei Arbeitnehmern, in der Hand des Selbständigen, in welchem Umfang er tätig wird.

Da die Arbeitszeit bei einem Selbständigen keine von vornherein feststehende Größe ist, erweist sich zudem die Festlegung des Arbeitszeitausfalls in diesem Fall als besonders schwierig, wenn nicht gar unmöglich, während bei einem Arbeitnehmer bei einer Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung, wie bei der Erkrankung des Kindes nach § 616 BGB, feststeht, welche Arbeitszeit er schuldete.

Da sich die Ungleichbehandlung nur unter erheblichen Schwierigkeiten, nämlich mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand zur Ermittlung des tatsächlichen Arbeitsausfalls infolge der Erkrankung der Kinder vermeiden ließe, erweist sich die durch die Kammer gefundene Auslegung des § 4 Abs. 4 BEEG bei selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht als unverhältnismäßig.

Der Gesetzgeber hat im Bereich des Sozialrechts, zu dem die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören, darüber hinaus einen weiten Gestaltungsspielraum. Das gilt uneingeschränkt für das Elterngeld als fürsorgerische Leistung der Familienförderung, die über die bloße Sicherung des Existenzminimums hinausgeht (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11). Hieraus folgt, dass keine Gleichstellung zwischen abhängig Beschäftigen und selbständig Tätigen erreicht werden muss. So hat das Bundessozialgericht z.B. auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen, dass ein Anspruch auf Partnermonate nur bestehen, wenn diese mit einer Minderung des Einkommens einhergehen, was ein selbständig Tätiger aber nur erreichen kann, wenn er im Bemessungszeitraum überhaupt positive Einkünfte hatte (BSG, Urteil vom 28. März 2019 – B 10 EG 6/18 R).

Schließlich konnte sich das Gericht aber auch nicht mit der erforderlichen Gewissheit von einem zeitlich bestimmbaren Arbeitszeitausfall bei der Ehefrau des Klägers überzeugen. Die Kammer hat zwar keine Zweifel daran, dass die Zwillinge der Eheleute tatsächlich erkrankt sind, da dies angesichts der Eingewöhnungsphase in der Kita und der Winterjahreszeit nicht ungewöhnlich ist. In welchem zeitlichen Umfang die Erkrankung der Kinder bei der Ehefrau indes tatsächlich zu einer Unmöglichkeit der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit geführt, vermochte das Gericht trotz des detailliert geführten Arbeitstagebuches nicht bestimmen.

So hat die Ehefrau hat zwar angegeben, dass sie und ihr Ehemann vereinbart haben, sich die Betreuung paritätisch zu teilen, so dass jeder an sechs Tagen in der Woche jeweils vier Stunden arbeiten kann zzgl. einer Zusatzstunde.

Rein tatsächlich wurde diese Aufgabenteilung auch an Tagen, an denen beide Kinder gesund waren bzw. die Großmutter als Betreuungsperson eingesprungen ist, nicht konsequent eingehalten. So gibt es Tage, an denen ein Elternteil tatsächlich in einem größeren oder kleineren Stundenumfang tätig war und Wochen, in denen an sieben Tagen gearbeitet wurde und nur an fünf.

Aus diesem Grund lässt sich der Arbeitszeitausfall durch die Betreuung des Kindes aus Sicht der Kammer auch nicht allgemein mit vier Stunden anrechnen. So möchten der Kläger und seine Frau zwar an Tagen, an denen eines der Kinder erkrankt ist, pauschal vier Stunden – also die von ihm mit seiner Frau verabredete übliche Arbeitszeit – als Arbeitszeit angerechnet wissen. Tatsächlich hat die Ehefrau des Klägers an einigen dieser Tage aber zusätzlich zu den vier Betreuungsstunden weitere 2-3 Stunden gearbeitet, so z.B. am 12.01.2017, 13.01.2017, 12.02.2017, 06.03.2017 und 03.04.2017. Unklar bleibt dabei, ob die ausgefallene Arbeitszeit daher tatsächlich vier Stunden betrug oder weniger. Würde man die Vereinbarung zwischen den Eheleuten zugrunde legen, die sich tatsächlich nicht in dem Arbeitstagebuch wiederspiegelt, so könnte die Ehefrau an Tagen, an denen sie die Betreuung eines erkrankten Kindes übernommen hat, insgesamt nicht mehr als vier Stundengeltend machen. In diesem Fall käme die Ehefrau im 14. Lebensmonat nur auf 108,5 Stunden (84,5 Stunden Erwerbstätigkeit und 24 Stunden Kinderbetreuung wegen Erkrankung statt 28 durch Kürzung am 12. und 13.01.2017, also an den Tagen, an denen die Klägerin jeweils zwei Stunden erwerbstätig war). Die Mindestarbeitszeit von durchschnittlich 25 Wochenstunden wäre damit nicht erreicht (108,5 Stunden x 31 Tage im Lebensmonat: 7 = 24,5 Stunden im Wochendurchschnitt).

Auch erweist sich die Bestimmung deshalb für die Kammer als unmöglich, weil die Ehefrau des Klägers nach dem im Verwaltungsverfahren eingereichten Arbeitstagebuch und der Klagebegründung teils an den Wochenenden die Betreuungszeit des erkrankten Kindes als Arbeitszeit angerechnet wissen will (z.B. 01.04. und 02.04.2017 sowie am 30.04.), teils indes nicht (so am 04.03. und 05.03.2017). In der mündlichen Verhandlung hat sie angegeben, dass die an den Wochenenden eingetragenen Betreuungszeiten nicht als Arbeitszeit gelten sollen, weil man sich die Wochenenden freihalten wollte. Auch insoweit bleibt für die Kammer unklar, ob die angegebene Betreuungszeit tatsächlich den Arbeitszeitausfall wiederspiegelt. Sollte die Betreuungszeit an den Wochenenden tatsächlich keine Arbeitszeit ersetzen, so würde die Ehefrau des Klägers im 16. Lebensmonat nicht auf die erforderliche Mindestarbeitszeit kommen, denn ohne die Betreuungszeit am 01.04. und 02.04.2017 ergäbe sich eine Gesamtzeit von lediglich 107 Stunden (107 Stunden: 31 Tage im Lebensmonat x 7= 24,16 Stunden im Wochendurchschnitt).

Schließlich kann die Ehefrau des Klägers auch keine Besserstellung gegenüber einem abhängig Beschäftigten verlangen. So ist der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Freistellung wegen Erkrankung des Kindes in der Regel begrenzt, weil der Anspruch nach § 616 BGB durch Arbeitsvertrag etc. abdingbar ist. Sie macht in den vier Lebensmonaten ihrer Kinder aber insgesamt 21 Erkrankungstage geltend. Dies dürfte das üblicherweise vereinbarte und gesetzlich normierte Maß übersteigen, so dass sie danach auch im 17. Lebensmonat, geht man von einer Erschöpfung des Anspruchs aus, lediglich auf 105 Stunden Erwerbstätigkeit käme, die die durchschnittliche Mindestwochenarbeitszeit nicht erreicht (105 Stunden: 30 Tage im Lebensmonat x 7 = 24,5 Stunden im Wochendurchschnitt).

Der Anspruch auf Elterngeld ab dem 15. Lebensmonat besteht damit wegen der Nichterreichens der gesetzlich vorgesehenen Mindestarbeitszeit von 25 Wochenstunden unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt.

Auch die Erstattungsforderung in Höhe von 3.251,65 Euro ist berechtigt. Rechtsgrundlage ist § 42 Abs. 2 S 2 SGB I. Hierauf kann eine Rückforderung gestützt werden, wenn – wie hier - bei der Bewilligung des Geldbetrages deutlich genug auf die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Erstattungspflicht hingewiesen worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 4/13 R). Da mit dem Bewilligungsbescheid vom 17.02.2016 das Elterngeld lediglich vorläufig und mit dem deutlichen Vorbehalt der Rückforderung bewilligt wurde, ist mit der rechtmäßigen Entscheidung über die endgültige Leistungsbewilligung eine Überzahlung in der geltend gemachten Höhe eingetreten, die zu erstatten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits.
Rechtskraft
Aus
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