S 2 R 151/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 151/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 70/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob die dem Kläger bereits bewilligte Erwerbsminderungsrente im Zeitraum Juni 2009 bis Juni 2012 wegen Berücksichtigung von Hinzuverdienst nicht zu zahlen ist.

Der Kläger war Inhaber einer Bäckerei. Am 09.06.2006 beantragte er die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Diese wurde schließlich mit Bescheid vom 25.07.2011 rückwirkend ab 01.06.2009 bewilligt. Die Rente sei ab Rentenbeginn nicht zu zahlen, da das Arbeitseinkommen des Klägers alle Hinzuverdienstgrenzen überschreite. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15.08.2011 Widerspruch ein. Er habe im fraglichen Zeitraum kein Arbeitseinkommen erzielt, da er wegen seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei zu arbeiten. Die von der Beklagten berücksichtigten Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien nicht ihm, sondern seiner Ehefrau und seinen Kindern zuzuschreiben, da diese den Betrieb der Bäckerei aufrecht erhalten habe. Er selbst sei dazu nicht in der Lage gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Beurteilung, ob Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit vorliegt, richte sich nach § 15 SGB IV. Hiernach sei Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechtes ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen sei als Arbeitseinkommen im Sinne des § 96a SGB VI zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten sei. Zum Arbeitseinkommen gehörten unter anderem Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Es sei unerheblich, ob eine selbstständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werde. Für die Berücksichtigung von Arbeitseinkommen reiche es nach § 15 Abs. 1 S. 2 SGB IV aus, dass es einkommensteuerrechtlich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb bewertet werde. Bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Hinzuverdienstes sei vom steuerlichen Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit auszugehen. Zuständig für Ermittlung und Feststellung im Bereich des Einkommensteuergesetzes seien die Finanzbehörden. Der Rentenversicherungsträger sei diesbezüglich an die Feststellungen der Finanzbehörde gebunden. Der steuerrechtliche Gewinn sei im Einkommensteuerbescheid ausgewiesen. Aus den Einkommensteuerbescheiden des Klägers für die Jahre 2008 und 2009 die hervor, dass die Finanzbehörde die Einkünfte aus Gewerbebetrieb dem Kläger zuordne und nicht der Ehefrau. Für die Ermittlung des Hinzuverdienstes aus selbstständiger Tätigkeit sei analog § 165 SGB VI ein Zwölftel des Jahreseinkommens gemäß dem entsprechenden Einkommensteuerbescheid in Ansatz zu bringen, soweit kein Nachweis des monatlichen Arbeitseinkommens erfolge. Danach ergebe sich für die Zeit ab 1.6.2009 ein pauschalierter Betrag in Höhe von 2597, 83 Euro und ab 1.1.2010 in Höhe von 3121,58 EUR. Die Hinzuverdienstgrenze für die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von einem Viertel habe ab 1.6.2009 bei 1058,40 EUR und ab 1.1.2010 bei 1073,10 EUR gelegen. Ab dem 1.6.2009 bestehe damit wegen Überschreitens sämtlicher Hinzuverdienstgrenzen kein zahlbarer Rentenanspruch. Der angefochtene Bescheid sei somit nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die am 8.3.2012 bei Gericht eingegangene Klage. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Er sei seit vielen Jahren alkoholkrank und erbringe deshalb überhaupt keine Arbeitsleistung näher. Die unter seinem Namen geführte Bäckerei werde ausschließlich durch die Ehefrau und die Kinder geführt. Er selbst sei mindestens seit 2008 hierzu nicht mehr in der Lage. Um sich finanziell über Wasser zu halten, hätten die Ehefrau und die Kinder des Klägers die Bäckerei weiterbetrieben. Sie hätten dabei allerdings den Fehler gemacht, ihre Arbeitsleistung nicht betriebswirtschaftlich zu dokumentieren. Die Ehefrau habe sich kein eigenes Gehalt ausgezahlt. Wenn die Rente nicht ausgezahlt werde, würden die Eheleute doppelt bestraft. Die Ehefrau des Klägers habe keinen Gehalt erhalten und der Kläger selbst bekommen nun auch keine Rente dies widerspräche dem Sinn und Zweck des Rentensystems. Im Übrigen habe der Kläger das Gewerbe zum 30.06.2012 abgemeldet.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1.6.2009 ohne Berücksichtigung von Hinzuverdienst aufgrund Arbeitseinkommens auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Aufgrund der Gewerbeabmeldung werde dem Kläger ab dem 1.7.2012 die Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe der Vollrente ausgezahlt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts-und Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Zahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung im Zeitraum 1.6.2009 bis 30.6.2012.

Rechtsgrundlage der Entscheidung der Beklagten ist § 43 i.V.m. § 96a SGB VI. Gemäß § 96a Abs. 1 SGB VI wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Demnach hängt der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Rente alleine davon ab, ob er durch Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit die Hinzuverdienstgrenzen so weit überschreitet, dass die Beklagte zur tatsächlichen Leistung nicht verpflichtet ist.

Die Beklagte hat die in den maßgeblichen Steuerbescheiden für den Kläger festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt. Bei diesen Einkünften handelt es sich um Arbeitseinkommen aus einer selbständigen Tätigkeit, die nach § 96a SGB VI für die Prüfung der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen heranzuziehen sind.

Da § 96a SGB VI keine näheren Angaben dazu enthält, was unter "Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit" zu verstehen ist, ist insoweit auf § 15 SGB IV zurückzugreifen. Gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechtes ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Nach dem durch das Agrarsozialreformgesetz 1995 mit Wirkung zum 01.01.1995 neu gefassten Satz 2 der Vorschrift ist Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Diese Vorschrift ist dahingehend zu verstehen, dass die steuerrechtliche Zuordnung nicht nur für die Höhe des als Arbeitseinkommens zu wertenden Einkommens, sondern auch für die Bewertung von Einkommen als Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit maßgeblich sein soll. Diese Auslegung hat das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 07.10.2004 – B 13 RJ 13/04 R unter Berücksichtigung von Wortlaut, Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte überzeugend hergeleitet. Die Kammer schließt sich dieser Auslegung an. Demgegenüber ist der Entscheidung des 4. Senates vom 27.1.1999 – B RA 17/98 R, der zufolge Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit die Ausübung einer eigenständigen Tätigkeit und damit den Einsatz eigener Arbeitskraft voraussetzt, entgegen der von der Kammer zunächst vertretenen Rechtsauffassung nicht zu folgen. Die Entscheidung beruht auf einem besonders gelagerten Sachverhalt, der mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist und ist insbesondere mit der bei der Änderung des § 15 Abs.1 Satz 2 SGB IV gegebenen Gesetzesbegründung nicht vereinbar. Dort wird hervorgehoben, dass die Änderung aus Gründen der Praktikabilität erfolge. Mit der Neufassung solle nunmehr bei unterschiedlichen Wertungen, sei es zwischen Trägern der Sozialversicherung, sei es zwischen Trägern der Sozialversicherung und der Finanzverwaltung, allein das Einkommensteuerrecht maßgeblich sein, womit eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht werde (vgl. BT-DrS 12/5700 S.92 zu Art.3 Nr.2). Mit der Formulierung "Zuordnung zum Arbeitseinkommen" ist die Feststellung, ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt, mit umfasst.

Aus den somit maßgeblichen Feststellungen in den Steuerbescheiden ergeben sich für den Kläger im Jahr 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 31.174 EUR, entsprechend 2.598 EUR monatlich, und im Jahr 2010 in Höhe von 35.031 EUR, entsprechend 2.919 EUR monatlich. Damit ist in beiden Jahren die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auch nur in Höhe eines Viertels deutlich überschritten. Für die Jahre 2011 und 2012 liegen die Steuerbescheide nicht vor. Die Kammer geht insoweit jedoch von im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen aus, da eine Änderung nicht vorgetragen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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