Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 KR 1108/19
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 616/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Krankenhausträger ist mit der nachträglichen Änderung einer DRG und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur nach abgeschlossenem MDK-Prüfverfahren nicht nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 ausgeschlossen. Die Regelung schließt nach ihrem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung nicht aus. Auch systematische Erwägungen sprechen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11.11.2019 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.918,59 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2018 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 6.918,59 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Zahlung weiterer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, ein selbständiges Kommunalunternehmen in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt das A. ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus. Die bei der Beklagten versicherte W. wurde dort in der Zeit vom 03.05. bis 20.05.2017 stationär behandelt.
Die Klägerin rechnete den Aufenthalt mit dem OPS 5-469.21 (andere Operation am Darm, Adhäsiolyse, laparoskopisch) nach der DRG G22B (Appendektomie oder laparoskopische Adhäsiologie bei Peritonitis oder mit äußerst schweren oder schweren CC, Alter über 9 Jahre, mit laparoskopischer Adhäsiologie oder Alter unter 16 Jahre, außer bei bösartigen Neubildungen) gemäß des Fallpauschalenkatalogs zur Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2017 (Fallpauschalenvereinbarung 2017 - FPV 2017) ab und stellte der Beklagten hierfür am 31.05.2017 einen Betrag von 6.001,01 EUR in Rechnung.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern ein, der die Klägerin am 12.06.2017 darüber informierte, dass eine Prüfung eingeleitet worden sei zur Klärung, ob die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in vollem Umfang medizinisch begründet gewesen und die Hauptdiagnose korrekt sei.
Nach einer Begutachtung vor Ort am 04.10.2017 kam der MDK im Gutachten vom 05.10.2017 zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose (K50.0 - Crohn-Krankheit des Dünndarms) korrekt gewesen sei, aber zwei Fehlbelegungstage vorlägen. Im Rahmen der Fallbesprechung mit dem Krankenhausverantwortlichen habe Konsens bezüglich der gutachterlichen Bewertung bestanden.
Die Beklagte kürzte daraufhin den in Rechnung gestellten Betrag und zahlte an die Klägerin 5.443,31 EUR.
Im Nachgang führte die Klägerin eine Kodieränderung durch (nunmehr OPS 5-469.20 = andere Operation am Darm, Adhäsiolyse, offen chirurgisch) und rechnete nach der DRG G04Z ab (Adhäsiolyse am Peritoneum, Alter unter 4 Jahre oder mit schweren CC oder kleine Eingriffe am Dünn- und Dickdarm oder bestimmte Eingriffe an abdominalen Gefäßen mit äußerst schweren CC oder Implantation eines Antireflux-Stimulationssystems), was einen Rechnungsbetrag von 12.361,90 EUR ergab (Endabrechnung vom 01.08.2018). Ihre Rechnung vom 31.05.2017 stornierte sie.
Die Beklagte teilte der Klägerin am 10.08.2018 mit, dass die Rechnungsänderung unzulässig sei. Nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens seien Nachberechnungen gemäß § 7 Abs. 5 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V gemäß § 17c Absatz 2 KHG vom 03.02.2016 (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) ausgeschlossen.
Die Klägerin hat am 15.07.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg erhoben und die noch offene Zahlung aus dem streitigen Behandlungsfall in Höhe von 6.918,59 EUR nebst Zinsen hieraus geltend gemacht. Die Bestimmung des § 7 Abs. 5 PrüfvV stehe der Rechnungsänderung nicht entgegen. Sie regele lediglich, welchen Gegenstand der Gutachter seiner Prüfung zugrunde zu legen habe, schließe aber keineswegs aus, dass das Krankenhaus innerhalb der vom BSG gesetzten Grenzen nach Abschluss des MDK-Prüfver-ahrens eine Rechnungskorrektur vornehme. Die Klägerin hat den OP-Bericht vom 15.05.2017 vorgelegt, dem zu entnehmen ist, dass der Eingriff zunächst laparoskopisch und nach Sichtung eines Konglomerattumors mittels einer Medianlaparotomie (Bauchschnitt) durchgeführt worden war.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Rechnungskorrektur mehr als neun Monate nach der MDK-Begutachtung vor Ort vorgenommen worden sei. Eine Berücksichtigung der geänderten Abrechnung sei daher nach § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV ausgeschlossen. Die Klägerin habe zudem ihre Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen, indem sie nicht innerhalb des laufenden MDK-Prüfverfahrens für eine korrekte Übermittlung der Behandlungsdaten gesorgt habe.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.11.2019 abgewiesen. Nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV sei die Klägerin mit der Neuberechnung ausgeschlossen. Die OPS-Korrektur sei mehr als fünf Monate nach Abschluss der MDK-Prüfung vorgenommen worden. Die Klägerin hätte bis zur abschließenden MDK-Begutachtung Zeit gehabt, Korrekturen vorzunehmen. Es sei der Sphäre der Klägerin zuzurechnen, dass ihr die fehlerhafte Kodierung erst neun Monate nach der MDK-Prüfung aufgefallen sei. Der Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV sei eindeutig. Insoweit sei auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung hinzuweisen, wonach im Abrechnungsverhältnis Bestimmungen eng auszulegen seien. Sinn der Regelung sei, dass nach einer MDK-Prüfung letztlich Rechtsfrieden im Abrechnungsstreit eintreten solle. Soweit andere Gerichte anders geurteilt hätten, sei das alte Recht der PrüfvV betroffen.
Dagegen hat die Klägerin am 28.11.2019 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Begründung hat ihr Prozessbevollmächtigter vorgetragen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV auch in der hier anzuwendenden Fassung vom 03.02.2016 keine Ausschlussfrist enthalte, sondern lediglich eine Fristenregelung für nachträgliche Korrekturen des Datensatzes im laufenden MDK-Prüfverfahren. Bei Nichteinhaltung der maßgeblichen Frist habe ein Krankenhaus keinen Anspruch auf Einbeziehung der Korrektur in die laufende Prüfung. Ein darüber hinausgehender Ausschluss - insbesondere der Ausschluss einer Rechnungskorrektur innerhalb der vom BSG gesetzten Grenzen nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens - sei vom Wortlaut der Regelung nicht gedeckt. Im Übrigen zeige auch die Regelung des § 10 PrüfvV, dass eine Rechnungskorrektur zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen sei. Unabhängig davon wäre ein Verständnis des § 7 Abs. 5 PrüfvV als Ausschlussfrist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gedeckt. Der Gesetzgeber habe durch das zum 01.01.2020 in Kraft getretene MDK-Reformgesetz ausdrücklich den Ausschluss von Rechnungskorrekturen in § 17c Abs. 2a Satz 1 KHG geregelt. Eine solche Regelung wäre unnötig gewesen, wenn die Vertragsparteien dies selbst hätten regeln dürfen und geregelt hätten.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV ohne Beschränkung formuliert sei. Er unterscheide nicht zwischen Datenkorrektur und -ergänzung im Prüfverfahren auf der einen Seite und Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren auf der anderen Seite. Eine solche Unterscheidung sei auch unbehelflich, da beide Aspekte untrennbar miteinander verbunden seien. Daten, deren Prüfung und Korrektur die PrüfvV regele, bestimmten auch die Abrechnung. Die Korrektur einer Rechnung basiere zwangsläufig auf korrigierten Daten. Das Prüfverfahren liefe ins Leere, wenn nachträglich und wiederholt - nur begrenzt durch Verjährung und Verwirkung - die Abrechnung korrigiert werden könne. Dem grundlegenden Beschleunigungsgebot, mit dem letztlich Rechtsfrieden im Abrechnungsstreit erreicht werden sollte, werde nur Rechnung getragen, wenn eine Nachkodierung nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens nach § 7 Abs. 5 PrüfvV ausgeschlossen sei. Ein anderes Verständnis - wie das der Berufung - würde es erlauben, dass eine im MDK-Verfahren geprüfte Rechnung einer nochmaligen Prüfung durch die Krankenhäuser unterzogen werden könne, was dazu führe, dass nach einer Rechnungsänderung erneut ein MDK-Verfahren eröffnet werden könne und auf diese Weise - auf die Spitze getrieben - ein MDK-Prüfverfahren seitens der Krankenhäuser niemals abgeschlossen sei, es sei denn alle in Betracht kommenden Aspekte einer Rechnung wären geprüft.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darauf erwidert, die Beklagte verkenne, dass der MDK nicht die Rechnung im Ganzen prüfe, sondern nur die von der Krankenkasse aufgezeigten Auffälligkeiten. Vorliegend sei der OPS-Kode selbst nicht Gegenstand der Prüfung gewesen. Hinzuweisen sei auch auf die Ergänzungsvereinbarung vom 02.04.2020 zur Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 zur Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V vom 03.02.2016, die den Hinweis enthalte, dass es sich bei der Frist gema&776;ß § 7 Absatz 5 Satz 2 und Satz 5 Pru&776;fvV um eine Frist handele, innerhalb der eine Korrektur durch das Krankenhaus an die Krankenkasse fu&776;r eine Einbeziehung in die Begutachtung durch den MDK erfolgt sein müsse.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11.11.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.918,59 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 15.08.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts und der Beklagtenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weiterer Vergütungsanspruch für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten W. in der geforderten Höhe zu.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG i.V.m. der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2017 maßgeblichen Fallpauschalenvereinbarung 2017 i.V.m. der zwischen den Beteiligten geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung.
Der mit Rechnungskorrektur vom 01.08.2018 geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig. Aus dem OP-Bericht vom 15.05.2017, der ein offen chirurgisches Vorgehen (Medianlaparotomie) bei der durchgeführten Darmoperation beschreibt, ergibt sich auch für den Senat zweifelsfrei, dass die von der Klägerin vorgenommene Änderung des OPS-Kodes zutreffend ist. Dass die Änderung des OPS-Kodes korrekt und infolgedessen die DRG G04Z (anstelle der DRG G22B) in Ansatz zu bringen ist, wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
Die streitgegenständliche Nachforderung von Krankenhausvergütung, die aus der geänderten DRG und der daraus folgenden erlöserhöhenden Abrechnung resultiert, bezieht sich auf eine in 2017 durchgeführte Behandlung und wurde von der Klägerin erstmals am 01.08.2018 geltend gemacht. Sie ist damit weder verjährt noch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwirkt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R; BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, m. w. N.). Auch dies wird von Seiten der Beklagten nicht bestritten.
Streitig ist allein die Rechtsfrage, ob die Klägerin mit der nachträglichen Kodierung der DRG G04Z und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur vom 01.08.2018 aufgrund des § 7 Abs. 5 PrüfvV präkludiert ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss aus dem Grundsatz nach Treu und Glauben.
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 hat folgenden Wortlaut: 1Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen sind nur einmalig möglich. 2Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Absatz 2 an die Krankenkasse erfolgen. 3Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. 4In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist. 5Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfgegenstandes nach § 6 Absatz 3 Satz 6 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen, die Sätze 3 und 4 gelten entsprechend. 6Je nach Eingang der Korrektur bzw. der Ergänzung verlängert sich die Gesamtprüffrist nach § 8 Satz 3 entsprechend. 7§ 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V findet auf Prüfungen, die aufgrund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen, keine Anwendung.
Diese Regelung steht der streitgegenständlichen Forderung nicht entgegen. Sie schließt schon nach ihrem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung nicht aus. Darüber hinaus sprechen auch systematische Erwägungen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält.
Satz 2 des § 7 Abs. 5 PrüfvV regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut die Frist, innerhalb der eine Datensatzkorrektur oder -ergänzung durch das Krankenhaus an die Krankenkasse fu&776;r eine Einbeziehung in die Prüfung durch den MDK erfolgt sein muss ("Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn ..."). Hält das Krankenhaus diese Frist nicht ein, hat es keinen Anspruch darauf, dass der MDK den geänderten oder korrigierten Datensatz bei seiner Prüfung berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende Rechtsfolge, insbesondere die, dass das Krankenhaus nach Beendigung der MDK-Prüfung nicht mehr berechtigt ist, in den Grenzen der Verjährung und Verwirkung weitere Krankenhausvergütung nachzufordern, kann dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV nicht entnommen werden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17, zum gleichlautenden § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV in der Fassung vom 01.09.2014). Dies gilt auch für die nachfolgenden Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016. Auch wenn hier eine andere Formulierung als in Satz 2 gewählt worden ist (" ..., ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich" bzw. " ...mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist"), können die Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht losgelöst vom vorangehenden Satz 2 verstanden werden, zumal sie sich explizit auf diesen beziehen: sie modifizieren die in Satz 2 gesetzte Fünf-Monatsfrist für den Fall, dass eine Begutachtung durch den MDK schon vor Ablauf von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens beendet sein sollte bzw. für den Fall einer Prüfung vor Ort. Gegenstand des § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 PrüfvV ist daher ebenfalls allein die nachträgliche Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren. Eine Aussage zur nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren bzw. zum Ausschluss einer Vergütung wird nicht getroffen. Soweit die Beklagte und das SG der Auffassung sind, dass es sich bei den Fristenregelungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handele, was sich insbesondere an der Formulierung des Satzes 3 zeige, und daher jegliche Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich seien, vermag dies nicht zu überzeugen. Diese Auslegung übersieht die Bezugnahme auf Satz 2 und verkennt den systematischen Gesamtzusammenhang, in dem die Regelung des § 7 Abs. 5 PrüfvV steht: § 7 PrüfvV regelt die "Durchführung der Prüfung" und ist Bestandteil einer "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V". Die PrüfvV ist keine Vereinbarung über die Abrechnung von Krankenhausbehandlungen. Da § 7 Abs. 5 PrüfvV - anders als etwa § 7 Abs. 2 PrüfvV - auch keine Aussage zu Konsequenzen für die Vergütung trifft für den Fall, dass die dort geregelten Fristen nicht eingehalten werden, kann weder aufgrund des Wortlauts noch aufgrund systematischer Erwägungen von einer materiellen Ausschlussfrist ausgegangen werden.
Auch das von der Beklagten angesprochene Beschleunigungsgebot, das sich im Übrigen allein auf das Prüfverfahren selbst bezieht, vermag eine über den Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV hinausgehende Auslegung als materielle Ausschlussfrist nicht zu rechtfertigen. Das Prüfverfahren gemäß § 275 Abs. 1c SGB V in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung (seit 01.01.2020 in § 275 c SGB V geregelt) dient dazu, Ungereimtheiten, die der Krankenkasse auffallen, möglichst umgehend aufzuklären. Wird vom Krankenhaus nach Beendigung des Prüfverfahrens ein Fehler entdeckt, der nicht Gegenstand des Prüfverfahrens war, kann das MDK-Prüfverfahren durch eine entsprechende Rechnungskorrektur nicht in die Länge gezogen werden, weil es schon beendet ist. Allenfalls kann ein neues in Gang gesetzt werden. Die nachträgliche Rechnungskorrektur verstößt auch nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in der Form der Verwirkung. Nach der Rechtsprechung des BSG findet das Rechtsinstitut der Verwirkung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (st.Rspr; vgl. z.B. BSGE 112, 141). Als ein Verwirkungsverhalten wertet das BSG regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Im Anschluss hieran entsteht in der Regel, so das BSG, eine Vertrauensgrundlage, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die Krankenkasse darauf vertraue, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (vgl. BSG, Urteil v. 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R). Gemessen hieran hat die Klägerin die weitere Vergütung rechtzeitig geltend gemacht. Den einvernehmlichen Abschluss eines MDK-Prüfverfahrens hat das BSG bislang nicht als Verwirkungsverhalten betrachtet.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 288 Abs. 1 des BGB in Verbindung mit § 21 Nr. 1 der Entgeltvereinbarung für den Budgetzeitraum 2016 vom 11.10.2016 in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 6.918,59 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Zahlung weiterer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, ein selbständiges Kommunalunternehmen in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts, betreibt das A. ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus. Die bei der Beklagten versicherte W. wurde dort in der Zeit vom 03.05. bis 20.05.2017 stationär behandelt.
Die Klägerin rechnete den Aufenthalt mit dem OPS 5-469.21 (andere Operation am Darm, Adhäsiolyse, laparoskopisch) nach der DRG G22B (Appendektomie oder laparoskopische Adhäsiologie bei Peritonitis oder mit äußerst schweren oder schweren CC, Alter über 9 Jahre, mit laparoskopischer Adhäsiologie oder Alter unter 16 Jahre, außer bei bösartigen Neubildungen) gemäß des Fallpauschalenkatalogs zur Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2017 (Fallpauschalenvereinbarung 2017 - FPV 2017) ab und stellte der Beklagten hierfür am 31.05.2017 einen Betrag von 6.001,01 EUR in Rechnung.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Bayern ein, der die Klägerin am 12.06.2017 darüber informierte, dass eine Prüfung eingeleitet worden sei zur Klärung, ob die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in vollem Umfang medizinisch begründet gewesen und die Hauptdiagnose korrekt sei.
Nach einer Begutachtung vor Ort am 04.10.2017 kam der MDK im Gutachten vom 05.10.2017 zu dem Ergebnis, dass die Hauptdiagnose (K50.0 - Crohn-Krankheit des Dünndarms) korrekt gewesen sei, aber zwei Fehlbelegungstage vorlägen. Im Rahmen der Fallbesprechung mit dem Krankenhausverantwortlichen habe Konsens bezüglich der gutachterlichen Bewertung bestanden.
Die Beklagte kürzte daraufhin den in Rechnung gestellten Betrag und zahlte an die Klägerin 5.443,31 EUR.
Im Nachgang führte die Klägerin eine Kodieränderung durch (nunmehr OPS 5-469.20 = andere Operation am Darm, Adhäsiolyse, offen chirurgisch) und rechnete nach der DRG G04Z ab (Adhäsiolyse am Peritoneum, Alter unter 4 Jahre oder mit schweren CC oder kleine Eingriffe am Dünn- und Dickdarm oder bestimmte Eingriffe an abdominalen Gefäßen mit äußerst schweren CC oder Implantation eines Antireflux-Stimulationssystems), was einen Rechnungsbetrag von 12.361,90 EUR ergab (Endabrechnung vom 01.08.2018). Ihre Rechnung vom 31.05.2017 stornierte sie.
Die Beklagte teilte der Klägerin am 10.08.2018 mit, dass die Rechnungsänderung unzulässig sei. Nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens seien Nachberechnungen gemäß § 7 Abs. 5 der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V gemäß § 17c Absatz 2 KHG vom 03.02.2016 (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) ausgeschlossen.
Die Klägerin hat am 15.07.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg erhoben und die noch offene Zahlung aus dem streitigen Behandlungsfall in Höhe von 6.918,59 EUR nebst Zinsen hieraus geltend gemacht. Die Bestimmung des § 7 Abs. 5 PrüfvV stehe der Rechnungsänderung nicht entgegen. Sie regele lediglich, welchen Gegenstand der Gutachter seiner Prüfung zugrunde zu legen habe, schließe aber keineswegs aus, dass das Krankenhaus innerhalb der vom BSG gesetzten Grenzen nach Abschluss des MDK-Prüfver-ahrens eine Rechnungskorrektur vornehme. Die Klägerin hat den OP-Bericht vom 15.05.2017 vorgelegt, dem zu entnehmen ist, dass der Eingriff zunächst laparoskopisch und nach Sichtung eines Konglomerattumors mittels einer Medianlaparotomie (Bauchschnitt) durchgeführt worden war.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Rechnungskorrektur mehr als neun Monate nach der MDK-Begutachtung vor Ort vorgenommen worden sei. Eine Berücksichtigung der geänderten Abrechnung sei daher nach § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV ausgeschlossen. Die Klägerin habe zudem ihre Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen, indem sie nicht innerhalb des laufenden MDK-Prüfverfahrens für eine korrekte Übermittlung der Behandlungsdaten gesorgt habe.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.11.2019 abgewiesen. Nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV sei die Klägerin mit der Neuberechnung ausgeschlossen. Die OPS-Korrektur sei mehr als fünf Monate nach Abschluss der MDK-Prüfung vorgenommen worden. Die Klägerin hätte bis zur abschließenden MDK-Begutachtung Zeit gehabt, Korrekturen vorzunehmen. Es sei der Sphäre der Klägerin zuzurechnen, dass ihr die fehlerhafte Kodierung erst neun Monate nach der MDK-Prüfung aufgefallen sei. Der Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV sei eindeutig. Insoweit sei auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung hinzuweisen, wonach im Abrechnungsverhältnis Bestimmungen eng auszulegen seien. Sinn der Regelung sei, dass nach einer MDK-Prüfung letztlich Rechtsfrieden im Abrechnungsstreit eintreten solle. Soweit andere Gerichte anders geurteilt hätten, sei das alte Recht der PrüfvV betroffen.
Dagegen hat die Klägerin am 28.11.2019 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Begründung hat ihr Prozessbevollmächtigter vorgetragen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV auch in der hier anzuwendenden Fassung vom 03.02.2016 keine Ausschlussfrist enthalte, sondern lediglich eine Fristenregelung für nachträgliche Korrekturen des Datensatzes im laufenden MDK-Prüfverfahren. Bei Nichteinhaltung der maßgeblichen Frist habe ein Krankenhaus keinen Anspruch auf Einbeziehung der Korrektur in die laufende Prüfung. Ein darüber hinausgehender Ausschluss - insbesondere der Ausschluss einer Rechnungskorrektur innerhalb der vom BSG gesetzten Grenzen nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens - sei vom Wortlaut der Regelung nicht gedeckt. Im Übrigen zeige auch die Regelung des § 10 PrüfvV, dass eine Rechnungskorrektur zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen sei. Unabhängig davon wäre ein Verständnis des § 7 Abs. 5 PrüfvV als Ausschlussfrist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) gedeckt. Der Gesetzgeber habe durch das zum 01.01.2020 in Kraft getretene MDK-Reformgesetz ausdrücklich den Ausschluss von Rechnungskorrekturen in § 17c Abs. 2a Satz 1 KHG geregelt. Eine solche Regelung wäre unnötig gewesen, wenn die Vertragsparteien dies selbst hätten regeln dürfen und geregelt hätten.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV ohne Beschränkung formuliert sei. Er unterscheide nicht zwischen Datenkorrektur und -ergänzung im Prüfverfahren auf der einen Seite und Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren auf der anderen Seite. Eine solche Unterscheidung sei auch unbehelflich, da beide Aspekte untrennbar miteinander verbunden seien. Daten, deren Prüfung und Korrektur die PrüfvV regele, bestimmten auch die Abrechnung. Die Korrektur einer Rechnung basiere zwangsläufig auf korrigierten Daten. Das Prüfverfahren liefe ins Leere, wenn nachträglich und wiederholt - nur begrenzt durch Verjährung und Verwirkung - die Abrechnung korrigiert werden könne. Dem grundlegenden Beschleunigungsgebot, mit dem letztlich Rechtsfrieden im Abrechnungsstreit erreicht werden sollte, werde nur Rechnung getragen, wenn eine Nachkodierung nach Abschluss des MDK-Prüfverfahrens nach § 7 Abs. 5 PrüfvV ausgeschlossen sei. Ein anderes Verständnis - wie das der Berufung - würde es erlauben, dass eine im MDK-Verfahren geprüfte Rechnung einer nochmaligen Prüfung durch die Krankenhäuser unterzogen werden könne, was dazu führe, dass nach einer Rechnungsänderung erneut ein MDK-Verfahren eröffnet werden könne und auf diese Weise - auf die Spitze getrieben - ein MDK-Prüfverfahren seitens der Krankenhäuser niemals abgeschlossen sei, es sei denn alle in Betracht kommenden Aspekte einer Rechnung wären geprüft.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat darauf erwidert, die Beklagte verkenne, dass der MDK nicht die Rechnung im Ganzen prüfe, sondern nur die von der Krankenkasse aufgezeigten Auffälligkeiten. Vorliegend sei der OPS-Kode selbst nicht Gegenstand der Prüfung gewesen. Hinzuweisen sei auch auf die Ergänzungsvereinbarung vom 02.04.2020 zur Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 zur Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V vom 03.02.2016, die den Hinweis enthalte, dass es sich bei der Frist gema&776;ß § 7 Absatz 5 Satz 2 und Satz 5 Pru&776;fvV um eine Frist handele, innerhalb der eine Korrektur durch das Krankenhaus an die Krankenkasse fu&776;r eine Einbeziehung in die Begutachtung durch den MDK erfolgt sein müsse.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 11.11.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.918,59 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 15.08.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte sowie der beigezogenen Akte des Sozialgerichts und der Beklagtenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig und auch begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weiterer Vergütungsanspruch für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten W. in der geforderten Höhe zu.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG i.V.m. der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2017 maßgeblichen Fallpauschalenvereinbarung 2017 i.V.m. der zwischen den Beteiligten geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung.
Der mit Rechnungskorrektur vom 01.08.2018 geltend gemachte weitere Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig. Aus dem OP-Bericht vom 15.05.2017, der ein offen chirurgisches Vorgehen (Medianlaparotomie) bei der durchgeführten Darmoperation beschreibt, ergibt sich auch für den Senat zweifelsfrei, dass die von der Klägerin vorgenommene Änderung des OPS-Kodes zutreffend ist. Dass die Änderung des OPS-Kodes korrekt und infolgedessen die DRG G04Z (anstelle der DRG G22B) in Ansatz zu bringen ist, wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
Die streitgegenständliche Nachforderung von Krankenhausvergütung, die aus der geänderten DRG und der daraus folgenden erlöserhöhenden Abrechnung resultiert, bezieht sich auf eine in 2017 durchgeführte Behandlung und wurde von der Klägerin erstmals am 01.08.2018 geltend gemacht. Sie ist damit weder verjährt noch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwirkt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R; BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, m. w. N.). Auch dies wird von Seiten der Beklagten nicht bestritten.
Streitig ist allein die Rechtsfrage, ob die Klägerin mit der nachträglichen Kodierung der DRG G04Z und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur vom 01.08.2018 aufgrund des § 7 Abs. 5 PrüfvV präkludiert ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Ebenso wenig ergibt sich ein Ausschluss aus dem Grundsatz nach Treu und Glauben.
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 hat folgenden Wortlaut: 1Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen sind nur einmalig möglich. 2Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Absatz 2 an die Krankenkasse erfolgen. 3Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. 4In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist. 5Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfgegenstandes nach § 6 Absatz 3 Satz 6 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen, die Sätze 3 und 4 gelten entsprechend. 6Je nach Eingang der Korrektur bzw. der Ergänzung verlängert sich die Gesamtprüffrist nach § 8 Satz 3 entsprechend. 7§ 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V findet auf Prüfungen, die aufgrund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen, keine Anwendung.
Diese Regelung steht der streitgegenständlichen Forderung nicht entgegen. Sie schließt schon nach ihrem Wortlaut die nachträgliche Korrektur einer Krankenhausabrechnung nicht aus. Darüber hinaus sprechen auch systematische Erwägungen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält.
Satz 2 des § 7 Abs. 5 PrüfvV regelt nach seinem eindeutigen Wortlaut die Frist, innerhalb der eine Datensatzkorrektur oder -ergänzung durch das Krankenhaus an die Krankenkasse fu&776;r eine Einbeziehung in die Prüfung durch den MDK erfolgt sein muss ("Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn ..."). Hält das Krankenhaus diese Frist nicht ein, hat es keinen Anspruch darauf, dass der MDK den geänderten oder korrigierten Datensatz bei seiner Prüfung berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende Rechtsfolge, insbesondere die, dass das Krankenhaus nach Beendigung der MDK-Prüfung nicht mehr berechtigt ist, in den Grenzen der Verjährung und Verwirkung weitere Krankenhausvergütung nachzufordern, kann dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV nicht entnommen werden (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2019, L 5 KR 1522/17, zum gleichlautenden § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV in der Fassung vom 01.09.2014). Dies gilt auch für die nachfolgenden Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016. Auch wenn hier eine andere Formulierung als in Satz 2 gewählt worden ist (" ..., ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich" bzw. " ...mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist"), können die Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht losgelöst vom vorangehenden Satz 2 verstanden werden, zumal sie sich explizit auf diesen beziehen: sie modifizieren die in Satz 2 gesetzte Fünf-Monatsfrist für den Fall, dass eine Begutachtung durch den MDK schon vor Ablauf von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens beendet sein sollte bzw. für den Fall einer Prüfung vor Ort. Gegenstand des § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 PrüfvV ist daher ebenfalls allein die nachträgliche Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren. Eine Aussage zur nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren bzw. zum Ausschluss einer Vergütung wird nicht getroffen. Soweit die Beklagte und das SG der Auffassung sind, dass es sich bei den Fristenregelungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handele, was sich insbesondere an der Formulierung des Satzes 3 zeige, und daher jegliche Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich seien, vermag dies nicht zu überzeugen. Diese Auslegung übersieht die Bezugnahme auf Satz 2 und verkennt den systematischen Gesamtzusammenhang, in dem die Regelung des § 7 Abs. 5 PrüfvV steht: § 7 PrüfvV regelt die "Durchführung der Prüfung" und ist Bestandteil einer "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V". Die PrüfvV ist keine Vereinbarung über die Abrechnung von Krankenhausbehandlungen. Da § 7 Abs. 5 PrüfvV - anders als etwa § 7 Abs. 2 PrüfvV - auch keine Aussage zu Konsequenzen für die Vergütung trifft für den Fall, dass die dort geregelten Fristen nicht eingehalten werden, kann weder aufgrund des Wortlauts noch aufgrund systematischer Erwägungen von einer materiellen Ausschlussfrist ausgegangen werden.
Auch das von der Beklagten angesprochene Beschleunigungsgebot, das sich im Übrigen allein auf das Prüfverfahren selbst bezieht, vermag eine über den Wortlaut des § 7 Abs. 5 PrüfvV hinausgehende Auslegung als materielle Ausschlussfrist nicht zu rechtfertigen. Das Prüfverfahren gemäß § 275 Abs. 1c SGB V in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung (seit 01.01.2020 in § 275 c SGB V geregelt) dient dazu, Ungereimtheiten, die der Krankenkasse auffallen, möglichst umgehend aufzuklären. Wird vom Krankenhaus nach Beendigung des Prüfverfahrens ein Fehler entdeckt, der nicht Gegenstand des Prüfverfahrens war, kann das MDK-Prüfverfahren durch eine entsprechende Rechnungskorrektur nicht in die Länge gezogen werden, weil es schon beendet ist. Allenfalls kann ein neues in Gang gesetzt werden. Die nachträgliche Rechnungskorrektur verstößt auch nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben in der Form der Verwirkung. Nach der Rechtsprechung des BSG findet das Rechtsinstitut der Verwirkung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (st.Rspr; vgl. z.B. BSGE 112, 141). Als ein Verwirkungsverhalten wertet das BSG regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses. Im Anschluss hieran entsteht in der Regel, so das BSG, eine Vertrauensgrundlage, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die Krankenkasse darauf vertraue, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (vgl. BSG, Urteil v. 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R). Gemessen hieran hat die Klägerin die weitere Vergütung rechtzeitig geltend gemacht. Den einvernehmlichen Abschluss eines MDK-Prüfverfahrens hat das BSG bislang nicht als Verwirkungsverhalten betrachtet.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 288 Abs. 1 des BGB in Verbindung mit § 21 Nr. 1 der Entgeltvereinbarung für den Budgetzeitraum 2016 vom 11.10.2016 in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.
Der Berufung war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved