L 7 SO 1337/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 1506/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1337/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 1. April 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit ab Dezember 2012.

Der in 1947 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Januar 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom Jobcenter Landkreis K. Der Kläger bezieht seit Februar 2013 von der Beklagen Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII.

Der alleinstehende Kläger bewohnt in K.-F. eine Mietwohnung mit vier Zimmern und 95 qm Wohnfläche. Bereits das Jobcenter Landkreis K. als SGB II-Leistungsträger hatte die Kosten der Unterkunft nach Durchführung des Kostensenkungsverfahrens nicht in voller Höhe übernommen, sondern die Kaltmiete auf die jeweils geltende Mietobergrenze gekürzt. Die Beklagte berücksichtigte nach dem Wechsel in das Leistungssystem des SGB XII ohne erneute Durchführung eines weiteren Kostensenkungsverfahrens in ihren Bewilligungsbescheiden jeweils lediglich die auf die Angemessenheitsgrenze herabgesetzte Nettokaltmiete. Neben- und Heizkosten wurden in der tatsächlichen Höhe übernommen. Der Kläger führte wegen der Kürzung der Unterkunftskosten eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Hinsichtlich des Bewilligungsabschnitts vom 1. Dezember 2013 bis 30. November 2014 wurde die Klage durch das Sozialgericht K. (SG) (Az.: S 3 SO 1697/14) mit Gerichtsbescheid vom 30. August 2016 abgewiesen und die hiergegen erhobene Berufung des Klägers vom Landessozialgericht (LSG) B.-W. mit Urteil vom 19. April 2018 (L 7 SO 3502/16) zurückgewiesen. Seine Klage bzgl. des Bewilligungsabschnitts vom 1. Dezember 2015 bis 30. November 2016 wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 31. August 2016 (S 3 SO 111/16) ab; die hiergegen erhobene Berufung des Klägers wurde mit Urteil vom 19. April 2018 durch das LSG B.-W. zurückgewiesen (L 7 SO 3501/16), das Bundessozialgericht (BSG) verwarf mit Beschluss vom 12. Juli 2018 die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision (B 8 SO 34/18 B). Hinsichtlich des Bewilligungsabschnitts vom 1. Dezember 2016 bis 30. November 2017 wies das SG nach Abgabe eines Teilanerkenntnisses seitens der Beklagten die Klage (S 3 SO 823/17) mit Urteil vom 26. Juli 2018 ab, das LSG B.-W. wies die Berufung durch Beschluss vom 17. Oktober 2018 zurück (L 2 SO 2669/18). Die am 26. März 2019 durch den Kläger erhobene Klage gegen den Bescheid vom 18. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2019 betreffend den Bewilligungsabschnitt vom 1. Dezember 2018 bis zum 30. November 2019 auf höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung wies das SG durch Gerichtsbescheid vom 5. August 2019 (S 3 SO 607/19) ab, das LSG B.-W. wies die Berufung des Klägers zurück (Urteil vom 4. Dezember 2019 - L 2 SO 2898/19 -). Im Verlauf dieses Rechtsstreits erließ die Beklagte für diesen Bewilligungsabschnitt unter dem 15. April 2019 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2019), 11. Juni 2019, 10. Juli 2019 und 22. Juli 2019 Änderungsbescheide.

Am 5. August 2019 hat der Kläger die vorliegende Klage zum SG erhoben (SG) und in der Sache höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den "gesamten Zeitraum von Dezember 2012 bis Heute" begehrt (S 3 SO 1506/19). Als Anlass hat er einen "Widerspruchsbescheid vom 21.06.2019" genannt, der aber tatsächlich nicht existiert. Der Kläger hat vorgetragen, dass er seit 1986 die Wohnung bewohne und über keine finanziellen Mittel verfüge, die Situation zu ändern. Das Sozialamt habe ihm bis heute keine kleinere Wohnung angeboten. Auch habe es nicht mitgeteilt, welche "Berechnungstabelle des Gesetzgebers für die Angemessenheit der Kürzungen" sie benütze. Daher seien die seit 2012 unberechtigt abgezogenen Geldbeträge auszuzahlen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass ein Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2019 nicht existiere. Auf die Frage des SG, ob der Kläger sich mit seiner Klage gegen den Änderungsbescheid vom 11. Juni 2019 betreffend die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 30. November 2019 wegen Erhöhung der Regelaltersrente wende, hat der Kläger mit Schreiben vom 16. September 2019 mitgeteilt, dass sich jede seiner Klagen auf den Zeitraum von Dezember 2012 bis "Heute" beziehe, und sinngemäß die Kürzung der Unterkunftskosten beanstandet.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit dem sinngemäßen Antrag des Klägers, "ihm für die Zeit ab 2012 bis laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren", als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 1. April 2020). Die Unzulässigkeit der Klage ergebe sich daraus, dass der Kläger sich nicht gegen einen konkreten Bescheid der Beklagten wende. Der von ihm benannte Bescheid existiere nicht. Ein Bescheid der Beklagten über die Ablehnung der vom Kläger begehrten Leistungen ab 2012 existiere nicht. Eine allgemeine Leistungsklage sei nicht statthaft.

Gegen den ihm am 11. April 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. April 2020 beim LSG B.-W. "Widerspruch" erhoben. Das SG verweigere seit Dezember 2012 die Abklärung, warum die Mitarbeiter des Sozialamts K. die Grundsicherung von 424,00 EUR des Gesetzgebers um ca. 150,00 EUR pro Monat kürzten. Das Existenzminimum dürfe nicht gekürzt werden und habe gar nichts zu tun mit irgendwelchen Quadratmetern. Er begehre, die "seit Dezember 2012 unberechtigt abgezogene (gestohlene) Geldbeträge, in der Höhe, ca.15000 EUR" an ihn "zu überweisen".

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 1. April 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Dezember 2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 3. Juli 2020 abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten sowie Gerichtsakten beider Rechtszüge, auch der Verfahren L 7 SO 3501/16, L 7 SO 3502/16, L 2 SO 2969/18 und L 7 SO 1656/20, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da der Kläger Leistungen von mehr als 750,00 EUR begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB XII ab Dezember 2012, nachdem die Beklagte während des Bezugs von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII seit Februar 2013 nicht die tatsächlichen Kosten der vom Kläger bewohnten Wohnung als Bedarf berücksichtigt hat, sondern lediglich die angemessenen Unterkunftskosten, was der Kläger im Regelfall bezogen auf die jeweiligen Bewilligungsabschnitte beanstandet hat. Mit der vorliegenden Klage begehrt er nun - unabhängig von einem konkreten Bescheid der Beklagten oder einem konkreten Verwaltungsverfahren - höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Zwar hat er in seiner Klageschrift vom 5. August 2019 auf einen Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2019 Bezug genommen, der tatsächlich aber nicht existiert. Die ausdrückliche Frage des SG, ob er sich gegen den Änderungsbescheid vom 11. Juni 2019, der im Übrigen gem. § 96 SGG Gegenstand des seinerzeit beim SG anhängigen Klageverfahrens S 3 SO 607/19 betreffend den Bescheid vom 8. Januar 2019 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 7. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2019 (Bewilligungsabschnitt von Dezember 2018 bis November 2019) geworden ist, wende, hat der Kläger in der Sache verneint. Er hat hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Begrenzung seiner Unterkunftsaufwendungen auf die angemessenen Unterkunftskosten seit Beginn des Leistungsbezugs bei der Beklagten für rechtswidrig hält, die er als "Kürzung des Regelsatz" interpretiert (vgl. Senatsurteil vom 19. April 2018 - L 7 SO 3502/16 - n.v.), und die Zahlung des entsprechenden Differenzbetrages verlangt, was er durch seinen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Juli 2020 gestellten Sachantrag klargestellt hat. Dieses Begehren verfolgt der Kläger mit einer isolierten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG). Eine (erneute) anfechtbare Verwaltungsentscheidung der Beklagten (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)) zu diesem Leistungsbegehren hat weder bei Klageerhebung noch bei Einlegung der Berufung vorgelegen. Zwar hat die Beklagte zwischenzeitlich auf den Fortzahlungsantrag des Klägers durch Bescheid vom 30. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2019 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Dezember 2019 bis zum 30. November 2020 dem Kläger Grundsicherungsleistungen bewilligt (SG, Gerichtsbescheid vom 13. Mai 2020 - S 3 SO 2287/19 -; Berufung anhängig beim Senat unter dem Aktenzeichen L 7 SO 1656/20). Jedoch ist dieser Bescheid nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er keinen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (z.B. Senatsurteil vom 21. Juni 2018 - L 7 SO 1357/18 - n.v. - m.w.N.), und deshalb gesondert angefochten werden muss.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Die Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; vgl. ferner BSG, Urteil vom 24. Februar 2016 - B 8 SO 11/14 R - BSGE 121, 12 - juris Rdnr. 10) ist mangels vorheriger Verwaltungsentscheidung unzulässig. Vor Bekanntgabe des Verwaltungsakts ist die Klage mangels gegenwärtiger Beschwer nicht zulässig. Eine "Heilung" der Unzulässigkeit tritt durch eine spätere Bekanntgabe eines ablehnenden Verwaltungsakts nicht ein (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 21. Juni 2018 - L 7 SO 1357/18 - n.v.; Senatsurteil vom 16. Oktober 2014 - L 7 AS 5359/11 - n.v.; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 15 VG 20/08 - juris Rdnr. 10). Eine isolierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist gleichfalls nicht statthaft. Danach kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Im Verhältnis zwischen dem Kläger als Bürger und dem Beklagten als Träger hoheitlicher Gewalt sowie im Hinblick auf die allein in Betracht kommenden laufenden Grundsicherungsleistungen hat aber vor Erhebung der Klage ein Verwaltungsakt zu ergehen, der zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung gemacht werden könnte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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