S 31 R 819/15

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 31 R 819/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 203/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 5/18 R, B 13 R 203/18 B
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind zwischen den Beteiligten Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten.

Mit Rentenbescheid vom 12.05.2000 war der Klägerin Regelaltersrente bewilligt worden. Mit Rentenbescheid vom 25.08.2014 wurde die bisherige Regelaltersrente ab 01.07.2014 neu berechnet. Dabei wurden für Kindererziehungszeiten Entgeltpunkte von 1,5873 berücksichtigt plus einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten für 2 Kinder von 2,0000 Punkten. Insgesamt wurden persönliche Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten in Höhe von 3,5873 berücksichtigt. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch vom 25.08.2014 mit dem Begehren, dass pro Kind 3 Entgeltpunkte zu Grunde zu legen seien bei der Berechnung der Rente. Die Klägerin verwies auf die Ungleichbehandlung bei der Berechnung der Entgeltpunkte von Müttern, die Kinder seit dem 1. Januar 1992 geboren hätten, Jungmütter gegenüber denjenigen, die ihre Kinder vor dem 1. Januar 1992 geboren hätten, Altmütter. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen Artikel 3 Grundgesetz. Es bestehe kein biologischer Unterschied zwischen Alt- und Jungmüttern. Wegen der völlig gleichen biologischen Situation von Alt- und Jungmüttern beziehungsweise ihrer Kinder verstoße die auf der Stichtagsregelung beruhende unterschiedliche Regelung daher gegen Artikel 3 Grundgesetz. Für die unterschiedliche Behandlung gäbe es keine Gründe. Die Lebensumstände der Altmütter zur Zeit ihrer Kindererziehung seien insgesamt sehr viel schwieriger gewesen als die der Jungmütter. Es habe keine frühkindliche oder staatlich geförderte Kinderbetreuung gegeben, als die Altmütter ihre Kinder erzogen hätten. Es habe weder öffentliche Kinderhorte oder Tagesmütter noch Hortplätze in Behörden oder privaten Arbeitgebern, keine Ganztagsschulen oder Mahlzeiten in den Schulen oder Betreuung von Kindern nach Schulende gegeben. Den Altmüttern sei daher die Aufnahme einer Berufstätigkeit neben ihrer Kindererziehung fast unmöglich gewesen. Wenn überhaupt eine Differenzierung zwischen Alt- und Jungmüttern getroffen werden solle, dann müssten die Altmütter für die Kindererziehung mehr Entgeltpunkte als Jungmütter erhalten. Das Bundesverfassungsgericht habe gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in fast allen Bereichen trotz deutlicher unterschiedlicher biologischer Situation mit der Begründung der Ehe gleichgestellt, dass deren Rechtsverpflichtungen denen der Ehe weitgehend entsprechen würden. Dies gelte umso mehr beim Vergleich von Müttern, die ihre Kinder vor dem 1. Januar 1992 geboren hätten mit den Müttern, die ihre Kinder seit dem 1. Januar 1992 geboren hätten. Denn in beiden Fällen bestehe zusätzlich zur gleichen biologischen Situation gleiche Unterhalts- und Fürsorgepflicht zwischen den Müttern und ihren Kindern unabhängig von den Geburtsdaten. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde die Rechtslage erörtert. Abhängig vom Geburtsjahr des Kindes und des Beginns der Rentenleistung habe der Gesetzgeber unterschiedliche Regelungen zur Berücksichtigung und Bewertung von Zeiten der Kindererziehung getroffen. § 56 SGB VI regele die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Geburten ab dem 1. Januar 1992, § 249 SGB VI die Anerkennung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1992. Für C., geboren 1966 und D., geboren 1967 seien Kindererziehungszeiten nach § 249 SGB VI in der Fassung bis zum 30.06.2014 zu ermitteln, weil die Klägerin bereits seit 01.07.2000 eine Rente beziehe. Ihr seien die Kindererziehungszeiten für die ersten 12 Monate nach der Geburt des jeweiligen Kindes angerechnet worden. Mit der gesetzlichen Neuregelung des § 249 SGB VI zum 01.07.2014 habe der Gesetzgeber hinsichtlich des Umfangs der Kindererziehungszeiten bestimmt, dass Kindererziehungszeiten im Umfang von 24 Kalendermonaten anstelle von bisher 12 Kalendermonaten zu berücksichtigen seien. Die Rechtsanwendung sei jedoch auf den Personenkreis beschränkt, der am 01.07.2014 noch keinen Anspruch auf Rente habe. Um Rentenbezieher ebenfalls an der besseren Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung zu beteiligen, sei § 307 d SGB VI als Neuregelung hinzugefügt worden. Ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung werde gemäß § 307 d Abs. 1 SGB VI berücksichtigt, wenn am 30.06.2014 Anspruch auf eine Rente bestanden habe und in der Rente eine Kindererziehungszeit für den 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt eines vor dem 1. Januar 1992 angerechnet worden sei. Der Zuschlag für Kindererziehung betrage für jedes vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. § 70 Abs. 2 SGB VI regele die Bewertung von Zeiten der Kindererziehung in der allgemeinen Rentenversicherung. Kindererziehungszeiten würden für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte erhalten. Es handele sich hierbei um Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten. Für Kalendermonate, die mit sonstigen Beitragszeiten und mit Kindererziehungszeiten belegt seien, seien die für die sonstigen Beitragszeiten ermittelten Entgeltpunkte um 0,0833 Entgeltpunkte je Kalendermonat zu erhöhen. Die Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten und für sonstige Beitragszeiten seien allerdings höchstens bis zum Entgeltpunktwert der Anlage 2 b zum SGB VI zu berücksichtigen. Dem Bescheid vom 12.05.2000 könne entnommen werden, dass für Kindererziehungszeiten 1,5873 Entgeltpunkte ermittelt worden seien, diese seien zu begrenzen gewesen, weil Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung zeitgleich anzurechnen gewesen seien. Zusätzlich zu diesen Entgeltpunkten sei gemäß § 307 d SGB VI ab 01.07.2014 für jedes Kind einen Entgeltpunkt abzurechnen. Diese zusätzlichen Entgeltpunkte seien der Anlage 6 des angefochtenen Bescheides zu entnehmen. Weitere Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten sehe das Gesetz nicht vor. Der Rentenversicherungsträger sei bei seinem Handeln an Recht und Gesetz gebunden.

Am 21.12.2015 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, mit der sie die Zuerkennung von 6 Entgeltpunkten für 72 Kalendermonate begehrt. Zur Begründung hat sie erneut auf die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Behandlung von alten und jungen Müttern hingewiesen und ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Zusätzlich hat sie vorgetragen, ein Verstoß gegen das Grundgesetz liege auch darin, dass Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung zeitgleich angerechnet würden. Denn es sei Sinn und Zweck der Gewährung von Entgeltpunkten für Kindererziehung, dass die Kindererziehung selbst zu einem Rentenanspruch führen solle. Wenn dieser Anspruch gekürzt werde um zeitgleiche Zeiten einer Beschäftigung, dann würden arbeitende Mütter mit Kinder benachteiligt gegenüber nicht arbeitenden Müttern, was den Grundrechtsvorschriften widerspreche. Das Bundesverfassungsgericht sei auch insoweit anzurufen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, einen Rentenbescheid zu ihren Gunsten zu erlassen, in dem die Rente in der Weise berechnet werde, dass ihr für jedes ihrer Kinder C. und D. Zeiten der Kindererziehung von je vollen 36 Kalendermonaten, also zusammen 72 Kalendermonaten = 6 Entgeltpunkten, zugutekomme, ohne das Pflichtbeiträge aus einer Beschäftigung zeitgleich angerechnet würden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat dargelegt, dass bei der Rentenberechnung der Klägerin bisher berücksichtigte Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung beim Zusammentreffen mit Beitragszeiten auf Grund der Beschäftigung gegebenenfalls weiterhin auf die Anlage 2 b SGB VI zu begrenzen seien. Zusätzlich zu diesen Entgeltpunkten sei gemäß § 307 d SGB VI ab 01.07.2014 für jedes Kind einen Entgeltpunkt anzurechnen. Diese zusätzlichen Entgeltpunkte seien der Anlage 6 des angefochtenen Bescheides zu entnehmen. Weitere Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten sehe das Gesetz nicht vor.

Die Verwaltungsakte wurde dem Verfahren beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachverhaltsaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte vorliegend durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Rechtsstreit keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und das Gericht den Sachverhalt als geklärt ansieht.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Das Gericht folgt der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid gegebenen Begründung und sieht deshalb von einer ausführlichen Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ergehen folgende Hinweise:

Unstreitig wurde die Rente der Klägerin unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben rechtsfehlerfrei festgestellt. Streitig ist vorliegend die Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Gleichheitssatz. Die erkennende Kammer teilt die Zweifel der Klägerin an der Verfassungsgemäßheit der angewendeten Normen nicht. Die aktuellen Regelungen, die die Beklagte angewandt hat, dienen dem stufenweisen Abbau der Benachteiligung von Familien. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1996 (Az.: 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90) den Gesetzgeber als verpflichtet angesehen, für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Müttern mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden und den Müttern, deren Kinder nach 1992 geboren wurden zu sorgen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum zugebilligt. In der langfristigen Perspektive hat das Gericht aber eine Pflicht des Gesetzgebers zu einer weiteren Ausweitung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten über die mit dem Rentenreformgesetz 1992 eingeführte Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI hinaus gesehen. Dabei wurde dem Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht ein langjähriger Umsetzungszeitraum zugebilligt. Berücksichtigt wurde dabei, dass der Abbau der Benachteiligungen nur stufenweise vollzogen werden kann, Stichtagsregelungen daher zulässig sind. Die gesetzliche Neuregelung des § 249 SGB VI zum 01.07.2014 dient dem stufenweisen Abbau der Benachteiligung und liegt im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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