L 13 AL 2184/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2230/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 2184/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Mai 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt zuletzt noch die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes (Alg) unter Bemessung nach seinem in der Schweiz erzielten Einkommen.

Der Kläger ist gelernter Malergeselle und war in S., Deutschland, wohnhaft als Grenzgänger ab 18. November 1984 bis zum Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit am 21. Oktober 2013 als Maurer bei der AG (AGin) in Schweiz, beschäftigt. Ab 21. Oktober 2013 bis 21. Oktober 2015 zahlte die AGin dem Kläger, der seinen Angaben zufolge davor monatlich 5.780,00 SFR brutto erhalten hatte, ein Krankentaggeld in Höhe von 186,35 SFR täglich (gemäß den Angaben des Klägers durchschnittlich entsprechend ca. 5.590,50 SFR monatlich) aus, wobei bei der schweizerischen Versicherung ÖKK W. eine kollektive Erwerbsausfallversicherung bestand, die für den Kläger ab 21. Oktober 2013 Krankentaggeld leistete. Die ÖKK W. teilte in einem Schreiben an die AGin vom 2. September 2015 mit, die Leistungsdauer von 730 Tagen sei am 21. Oktober 2015 aufgebraucht. Die AGin kündigte mit zwei Schreiben vom 29. September 2015 das Arbeitsverhältnis sowohl zum 30. April 2016 als auch zum 31. Januar 2016 und sprach mit Schreiben vom 27. April 2016 eine weitere ordentliche Kündigung (ohne genaue Frist) aus, falls das Arbeitsverhältnis noch nicht aufgelöst sei.

Auf Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg – zunächst ab 12. Mai 2016 – mit Bescheiden vom 1. und 4. Juli 2016 für 540 Tage in Höhe von täglich 20,16 EUR (fiktive Bemessung nach der Qualifikationsstufe 4). Auf den Widerspruch, mit welchem ein früherer Beginn und ein höheres Alg unter Zugrundelegung des letzten Gehaltsanspruchs in der Schweiz in Höhe von 5.780,00 SFR geltend gemacht wurde, bewilligte die Beklagte – nach Feststellung eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen (sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme vom 1. August 2016) und Zugrundelegung einer möglichen Vermittlung in Tätigkeiten als Hausmeister, Verkäufer/Berater in Bau- und Heimwerkermärkten sowie auch als Fachhändler für Bedarf von Handwerksbetrieben im Baubereich – mit Änderungsbescheid vom 31. August 2016 und Widerspruchsbescheid vom 7. September 2016 Alg in Höhe von 25,60 EUR täglich (nunmehr unter Zugrundelegung der Qualifikationsstufe 3, Bemessungsentgelt 77,47 EUR täglich) sowie nachfolgend – nach Geburt eines Kindes am 11. Juni 2016 – mit Änderungsbescheid vom 16. September 2016 ab 1. Juni 2016 in Höhe von 28,59 EUR täglich (Bemessungsentgelt weiter 77,47 EUR täglich).

Grundlage der Bewilligung waren u.a. die vorgelegte "Arbeitgeberbescheinigung international" vom 14. Juni 2016 (das Arbeitsverhältnis habe bis zum 31. Oktober 2015 gedauert, Lohnfortzahlung sei über Krankentaggeld bis zum 31. Oktober 2015 erfolgt) und eine Bescheinigung der SVA S. vom 14. Juli 2016 im PDU 1 (versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers bis 31. Oktober 2015) sowie als Verdienstbescheinigung Lohnblätter, in denen die Zahlungen als "Versicherungsleistungen" und nicht als Lohn ausgewiesen waren (bei einer 41-Stundenwoche für das Jahr 2014 mit 68.328,55 SFR und für das [Teil-]Jahr 2015 mit 56.650,40 SFR).

Auf die am 4. Oktober 2016 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017 ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass Alg ab dem 1. Mai 2016 bewilligt werde.

Hinsichtlich der Höhe des Alg hat der Kläger die Klage weiterverfolgt und ab 1. Mai 2016 Leistungen unter Zugrundelegung eines höheren Bemessungsentgelts begehrt. Das Alg sei nicht nach fiktivem Einkommen zu berechnen. Er sei auf dem Arbeitsmarkt 100% einsatzfähig. Die Beklagte könne sich bei der Arbeitslosenkasse in der Schweiz schadlos halten. Die Bemessung des Alg habe anhand des vormaligen Monatsverdienstes von 5.780,00 CHF zu erfolgen. Bei der Zahlung des Krankentaggelds handle es sich nicht um die Zahlung eines Lohnanspruchs, sondern um eine Krankenversicherungsleistung, die lediglich über das Konto der AGin abgewickelt worden sei. Wenn davon auszugehen sei, dass er zuletzt kein Arbeitsentgelt bezogen habe, müsse das Alg zumindest anhand des Krankentaggeldes bemessen werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen, wonach das Alg fiktiv nach der Qualifikationsstufe 3 zu bemessen sei, weil der Kläger in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraum keine 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe, sondern vielmehr in der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 20. Oktober 2015 Krankentaggeld durch die ÖKK bezogen habe. Die Zahlung des Krankentaggeldes stelle keine Zahlung von Arbeitsentgelt dar. Nach Art. 64 des Landesmantelvertrages für das schweizerische Bauhauptgewerbe (LMV) habe die frühere Arbeitgeberin eine Krankentaggeldversicherung bei der ÖKK abgeschlossen. Damit sei die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a und 324b des schweizerischen Obligationenrechts (OR) vollumfänglich abgegolten. Die Zahlung sei mit dem deutschen Krankengeld vergleichbar. Das Krankentaggeld stelle keine Entlohnung für geleistete Arbeit dar. Hierbei sei unerheblich, dass die Zahlungen durch die AGin erfolgt sei. Im erweiterten Bemessungsrahmen habe der Kläger daher kein Arbeitsentgelt bezogen, sodass eine fiktive Bemessung zu erfolgen habe.

Mit Urteil vom 10. Mai 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf höheres Alg. Gemäß der nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 in der Fassung des Beschlusses 1/12 des gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 auf den vorliegenden Fall anzuwendenden VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – hier den (zitierten) Art. 65 Abs. 5a VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 62 VO (EG) Nr. 883/2004 seien dem Kläger als Grenzgänger im Sinne von Art. 65 Abs. 5a VO (EG) Nr. 883/04, Leistungen nach den deutschen Vorschriften unter grundsätzlicher Berücksichtigung des Entgelts oder Erwerbseinkommens, das er in der Schweiz erhalten habe, zu bewilligen. Nach § 149 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) betrage das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommenssteuergesetzes hätten, 67% (erhöhter Leistungssatz), für die übrigen Arbeitslosen 60% des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergebe, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt sei gemäß § 151 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe. Der Bemessungszeitraum umfasse die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr; er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen werde gemäß § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthalte. Könne ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahren erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, sei als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 152 Abs. 1 SGB III). Die Höhe des fiktiven Arbeitsentgelts ergebe sich aus verschiedenen Qualifikationsgruppen je nach Tätigkeit, auf die sich eine Vermittlung zu konzentrieren habe und dem dazu notwendigen Ausbildungsgrad (§ 153 Abs. 2 SGB III). Auf Grund des bescheinigten Endes des Versicherungspflichtverhältnisses in der Schweiz zum 31. Oktober 2015 erstrecke sich der erweiterte Bemessungsrahmen auf die Zeit vom 1. November 2013 bis 31. Oktober 2015. In dieser Zeit habe der Kläger fast ausschließlich Krankentaggeld bezogen. Lediglich für 20 Tage im Oktober 2013 habe er in diesem Zeitraum Arbeitsentgelt auf Grund einer tatsächlich geleisteten Beschäftigung erhalten. Daraus ergäben sich daher keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt. Eine Bemessung nach dem letzten Gehalt komme damit nach den Vorschriften des SGB III nicht in Betracht. Auch die Zahlung des Krankentaggeldes an den Kläger in der Zeit vom 21. Oktober 2013 bis 21. Oktober 2015 könne nicht für die Bemessung des Alg-Anspruchs herangezogen werden. Das dem Kläger gezahlte Krankentaggeld stelle kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 151 SGB III dar. Als Arbeitsentgelt gemäß § 151 SGB III gälten nach der allgemeinen Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt würden. Einnahmen aus der Beschäftigung seien dabei solche, die dem Arbeitnehmer im ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung zuflössen. Erforderlich sei insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang, wie er aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeit und Entlohnung folge, oder ein zumindest mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung. Arbeitsentgelt seien insoweit alle Einnahmen, die ohne die Beschäftigung beim Arbeitnehmer nicht denkbar wären. Für den ursächlichen Zusammenhang zur Beschäftigung genüge es, dass die Zuwendung wesentlich von dem Ziel mitbestimmt werde, den Arbeitnehmern eine (zusätzliche) Vergütung für die Arbeit zu schaffen. Nach Art. 324a des schweizerischen Obligationsrecht (OR) habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei Krankheit Lohn für eine angemessene Zeit fortzuzahlen, wenn durch Einzelvertrag oder Gesamtvertrag nichts Abweichendes, oder für den Arbeitnehmer mindestens Gleichwertiges geregelt sei. Art. 324b OR bestimme, dass der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten habe, wenn der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person lägen, obligatorisch versichert sei, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohnes deckten. Nach der durch die Rechtsprechung entwickelten Züricher Skala dürfte der Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit beim Kläger auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit bei der früheren Arbeitgeberin 34 Wochen betragen haben. Nach Art. 64 des LMV mit Stand 1. September 2013 seien Betriebe verpflichtet, die dem LMV unterstellten Arbeitnehmenden kollektiv für ein Tagegeld von 90% des wegen Krankheit ausfallenden, der normalen vertraglichen Arbeitszeit entsprechenden zuletzt bezahlten Lohnes zu versichern. Mit den Taggeldleistungen des Kollektivversicherers sei die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a und 324b OR vollumfänglich abgegolten. Die Prämien zu dieser Kollektivtaggeld-Versicherung würden vom Betrieb und den Arbeitnehmern je zur Hälfte getragen. Während der Laufzeit der Versicherung von mindestens 720 Tagen bestehe grundsätzlich Kündigungsschutz. Nach dem LMV stelle die Kollektivtaggeld-Versicherung keine bloße Versicherung des Arbeitgebers dar, um sich bei Lohnfortzahlungen für Krankheit der Arbeitnehmer abzusichern. Die Versicherung werde vielmehr hälftig von den Arbeitnehmern finanziert und verlängere den Anspruch auf Zahlungen nach der Regelung. Im LMV sei dadurch auch nicht die Zeit der Entgeltfortzahlung geregelt, sondern diese Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gerade abgegolten. Dass vorliegend die Arbeitgeberin Vertragspartnerin der ÖKK W. gewesen sei und die Zahlungen an den Kläger geleistet habe, führe nicht dazu, dass hier von einer Lohnfortzahlung auszugehen wäre, die in Deutschland – anders als die Zahlung von Krankengeld einer gesetzlichen Krankenversicherung oder Krankentaggeld einer privaten Krankenversicherung – als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV angesehen werde. Die Zahlung habe, insbesondere auch auf Grund der Dauer des Anspruchs von zwei Jahren, keinen ausreichenden Bezug mehr zu einer tatsächlich geleisteten Arbeit, sodass auch keine mittelbare Verknüpfung mehr angenommen werden könne. Insgesamt sei die Zahlung des Krankentaggeldes mehr mit der Zahlung von Krankengeld vergleichbar. Da damit im erweiterten Bemessungsrahmen lediglich die Zahlung von 20 Tagen Arbeitsentgelt erfolgt sei, habe eine fiktive Bemessung des Alg nach den Qualifikationsstufen des § 152 Abs. 1 SGB III zu erfolgen. Hierbei seien Fehler nicht ersichtlich. In eine höhere Stufe sei der Kläger sicher nicht einzugruppieren. Er verfüge über keinen Fachschulabschluss oder Meistertitel und sei auch nicht in eine entsprechende Tätigkeit zu vermitteln gewesen. Insgesamt sei der Kläger damit so gestellt, als hätte er in Deutschland für einen längeren Zeitraum Krankengeld aus einer gesetzlichen Krankenversicherung bezogen. Auch dann habe u.U. eine fiktive Bemessung zu erfolgen.

Gegen das am 31. Mai 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2. Juni 2017 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf Gewährung höheren Algs unter Zugrundelegung des letzten Gehalts begehrt. Im Berufungsverfahren trägt er im Wesentlichen vor, ihm sei ab 1. Mai 2016 Alg unter Zugrundelegung seines letzten Gehalts in Höhe von 5.780,00 CHF, umgerechnet 5.306,53 EUR, zu gewähren. Er habe im Bemessungszeitraum kein Krankengeld von der Krankenkasse (ÖKK W.) erhalten, sondern sei von der AGin weiterbezahlt worden. Dass die AGin durch eine von ihr abgeschlossene Versicherung die Gelder wieder als Regresszahlung erhalten habe, spiele hierbei keine Rolle. Letztlich zähle ausschließlich das Verhältnis von ihm zur AGin. Das Geld sei als Lohn deklariert gewesen und als solcher an ihn ausbezahlt worden. Er habe Lohnabrechnungen erhalten und das Arbeitsverhältnis sei auch erst später beendet worden. Es handle sich somit partout nicht um Krankengeldzahlungen. Hätte er tatsächlich Krankengeld erhalten, hätte er dieses auf Grund des Versicherungsvertrags von seiner Krankenversicherung erhalten. Das Geld sei zwar von der AGin von einer privat von ihr abgeschlossenen Versicherung geleistet worden, jedoch nicht von einer Krankenversicherung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11. Mai 2017 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 4. Juli 2016 sowie des Änderungsbescheids vom 31. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2016 und des Bescheids vom 16. September 2016 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 11. Mai 2017 zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 2016 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung des letzten Gehalts von 5.780,00 SFR, entsprechend 5.306,53 EUR, als Bemessungsentgelt zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Alg sei zutreffend berechnet. Wie das SG richtig ausgeführt habe, stelle das von der AGin gezahlte Krankentaggeld kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 151 SGB III dar. Die Zahlung habe keinen ausreichenden Bezug mehr zu einer tatsächlich geleisteten Arbeit gehabt. Das Krankentaggeld sei mit der Zahlung von Krankengeld vergleichbar. Die Auszahlung durch die AGin sei unerheblich. Dass das Krankentaggeld auf einer Lohnabrechnung ausgewiesen gewesen sei, mache diese Leistung nicht zu Arbeitsentgelt. Auch die spätere Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf des Krankentaggeldes spreche nicht für einen noch bestehenden Bezug zur geleisteten Arbeit. Die AGin habe mit dem Versicherungsträger ÖKK W. eine kollektive Erwerbsausfallversicherung (VVG) abgeschlossen. Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen AVB (Stand 1. Januar 2017, Quelle: www.ökk-ch) diene diese Versicherung der Deckung des Erwerbsausfalls wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Versicherungsnehmer sei die AG gewesen, Versicherter der Kläger. Die Taggeldleistungen der ÖKK W. würden laut AVB dem Versicherungsnehmer zur Weiterleitung an den Versicherten ausgezahlt. Folglich bleibe das Taggeld eine Leistung eines Krankenversicherungsunternehmens. Dass die Auszahlung an die Agin als Versicherungsnehmer vorgenommen werde, mache die Leistung Taggeld nicht zu einer Arbeitgeberleistung. Es fehle in der Zeit des Bezugs des Taggelds weiter an einem Austauschverhältnis von Arbeit und Gegenleistung. Als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV i.V.m. §151 Abs. 1 Satz1 SGB III sei das Taggeld nicht zu qualifizieren. Es entspreche seinem Zweck nach dem deutschen Krankengeld.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässig eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg unter Zugrundelegung des zuletzt erzielten Arbeitsentgelts bzw. des gezahlten Krankentaggelds und das Alg wurde mit fiktiver Bemessung unter Zugrundelegung der Qualifikationsstufe 3 von der Beklagten zutreffend berechnet.

Streitgegenstand ist, nachdem die Beklagte bereits in erster Instanz einen Anspruch auf Alg bereits ab 1. Mai 2016 anerkannt hat, lediglich noch die Höhe des dem Kläger zu gewährenden Alg, nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2016 und Änderungsbescheid vom 31. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2016 und des Bescheids vom 16. September 2016 sowie dem Teilanerkenntnis vom 11. Mai 2017 ab 1. Mai 2016 auf der Basis eines Bemessungsentgelts von 77,47 EUR täglich Alg i.H.v. 28,59 EUR täglich bewilligt hat. Der Kläger begehrt insofern die Gewährung von höherem Alg unter Zugrundelegung des bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 21. Oktober 2013 in der Schweiz erzielten monatlichen Bruttoentgelts von 5.780,00 SFR bzw. entsprechend 5.306,53 EUR.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von höherem Alg für die Zeit ab 1. Mai 2016. Das von ihm in der Schweiz bis 21. Oktober 2013 bezogene Arbeitsentgelt und auch das danach bezogene Krankentaggeld waren nicht der Bemessung des bundesdeutschen Alg zu Grunde zu legen.

Zutreffend hat das SG den anzuwendenden rechtlichen supranationalen Rahmen dargelegt. Insoweit war auch im Fall des Klägers bei der Prüfung des Anspruchs auf Alg die in der Schweiz zurückgelegte Versicherungszeit anspruchsbegründend zu berücksichtigen (Art 61 Abs. 1 VO [EG] 883/2004 i.V.m. dem Abkommen zwischen der Schweizer Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999, in Kraft seit 01.06.2002). Dies hat die Beklagte zutreffend getan, weshalb dem Kläger ein Alg-Anspruch über 540 Kalendertage zuzuerkennen war.

Da der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt, jedoch als Grenzgänger in der Schweiz gearbeitet und Taggeld bezogen hatte, sind nach Art. 62 Abs. 3, 65 Abs. 5a VO [EG] 883/2004 für die Höhe der jeweiligen Alg-Leistung die bundesdeutschen Regelungen anzuwenden, mithin die §§ 149 ff. SGB III.

Damit beträgt das Alg des Klägers gem. § 149 SGB III 60 % bzw. nach Geburt seines Kindes 67% des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das er im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Bemessungsentgelt ist nach § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat; Arbeitsentgelte, auf die die oder der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gelten als erzielt, wenn sie zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen sind (§ 151 Abs.1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III); er umfasst ein Jahr (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der an sich einjährige Bemessungsrahmen (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III) wird gemäß § 150 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum im einjährigen Bemessungsrahmen weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält bzw. es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen.

Vorliegend hat der Kläger im Zeitraum von einem Jahr bzw. zwei Jahren vor dem 1. November 2015, mithin in der Zeit vom 1. November 2013 bis zum 31. Oktober 2015, fast ausschließlich Krankentaggeld und nur an 20 Tagen im Oktober 2013 Arbeitsentgelt i.S.d. § 151 Abs. 1 SGB III erzielt. Das von ihm bezogene Krankentaggeld stellt kein Arbeitsentgelt dar. Er hat ab 21. Oktober 2013 kein Arbeitsentgelt, erst recht nicht in Höhe von 5.780,00 SFR, wie bis zum 20. Oktober 2013, bezogen.

Der Begriff des Arbeitsentgelts ist im SGB III selbst nicht definiert, sondern wird auch in § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III lediglich vorausgesetzt. Maßgeblich für die Auslegung des Begriffs des Arbeitsentgelts ist die Legaldefinition des § 14 Abs. 1 SGB IV, die nach § 1 Satz 2 SGB IV auch vorliegend anzuwenden ist. Danach gehören zum Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Auch Entgeltteile (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), die – was vorliegend nicht einschlägig ist – durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung als Direktzusage oder für eine Unterstützungskasse zur betrieblichen Altersversorgung verwendet werden, sind Arbeitsentgelte.

Einnahmen aus der Beschäftigung sind solche, die dem Arbeitnehmer im ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung zufließen (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53; vgl. auch BSG 28. Januar 1999 - B 12 KR 6/98 - SozR 3-2400 Nr. 16). Erforderlich ist insoweit ein unmittelbarer Zusammenhang, wie er aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeit und Entlohnung folgt (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53), oder ein zumindest mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung (BSG 29.01.2004 - B 4 RA 19/03 R - in juris). Arbeitsentgelt sind insoweit alle Einnahmen, die ohne die Beschäftigung beim Arbeitnehmer nicht denkbar wären (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53). Für den ursächlichen Zusammenhang zur Beschäftigung genügt es, dass die Zuwendung wesentlich von dem Ziel mitbestimmt wird, den Arbeitnehmern eine (zusätzliche) Vergütung für die Arbeit zu verschaffen (Werner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 14 SGB IV, RdNr. 53 unter Hinweis auf BSG 26. Oktober 1988 - 12 RK 18/87 - SozR 2100 § 14 Nr. 19 - in juris).

Wie das SG zutreffend entschieden hat, stellt das vom Kläger bezogene Krankentaggeld, das im Übrigen auch in den von der AGin vorgelegten Lohnblättern nicht als Lohn, sondern als "Versicherungsleistung" ausgewiesen war, kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 151 SGB III dar. Nach Art. 324a OR hat der Arbeitgeber gemäß den schweizerischen Regelungen dem Arbeitnehmer bei Krankheit Lohn für eine angemessene Zeit fortzuzahlen, wenn durch Einzelvertrag oder Gesamtvertrag nichts Abweichendes, aber für den Arbeitnehmer mindestens Gleichwertiges geregelt ist. Art. 324b OR bestimmt, dass der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten hat, wenn der Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person liegen, obligatorisch versichert ist, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohnes decken. Nach der durch die Rechtsprechung entwickelten im Kanton S., dem Sitz der AGin, anzuwendenden Züricher Skala beträgt der Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit beim Kläger aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit (bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit knapp 30 Jahre) bei der früheren Arbeitgeberin maximal 36 Wochen. Nach Art. 64 LMV mit Stand 1. September 2013 sind Betriebe verpflichtet, die dem LaMV unterstellten Arbeitnehmer kollektiv für ein Tagegeld von 90% des wegen Krankheit ausfallenden, der normalen vertraglichen Arbeitszeit entsprechenden zuletzt bezahlten Lohnes zu versichern. Mit den Taggeldleistungen des Kollektivversicherers ist die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a und 324b OR vollumfänglich abgegolten. Die Prämien zu dieser Kollektivtaggeld-Versicherung werden vom Betrieb und den Arbeitnehmern je zur Hälfte getragen. Während der Laufzeit der Versicherung von mindestens 720 Tagen besteht grundsätzlich Kündigungsschutz (vgl. Art. 21 Abs. 1 LMV).

Bei der Kollektivtaggeld-Versicherung handelt es sich auch nach dem LMV nicht um eine bloße Versicherung des Arbeitgebers, um sich bei Lohnfortzahlungen für Krankheit der Arbeitnehmer abzusichern. Sie wird vielmehr hälftig auch von den Arbeitnehmern finanziert und verlängert den Anspruch auf Zahlungen bei Krankheit auf 720 Tage an Stelle von 252 Tagen (gemäß der Züricher Skala). Im LMV ist dadurch auch nicht die Zeit der Entgeltfortzahlung geregelt, sondern diese Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gerade abgegolten. Dass vorliegend die Arbeitgeberin Vertragspartnerin der ÖKK W. war und die Zahlungen an den Kläger geleistet hat, führt nicht dazu, dass hier von einer Lohnfortzahlung auszugehen wäre, die in Deutschland – anders als die Zahlung von Krankengeld einer gesetzlichen Krankenversicherung oder Krankentaggeld einer privaten Krankenversicherung – als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV angesehen wird (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 1999, B 12 KR 14/98 R). Die Zahlung hat, insbesondere auch auf Grund der Dauer des Anspruchs von zwei Jahren keinen ausreichenden Bezug mehr zu einer tatsächlich geleisteten Arbeit, sodass auch keine mittelbare Verknüpfung mehr angenommen werden kann. Insgesamt ist die Zahlung des Krankentaggeldes insoweit mehr mit der Zahlung von Krankengeld vergleichbar.

Da damit im erweiterten Bemessungsrahmen lediglich die Zahlung von 20 Tagen Arbeitsentgelt erfolgt ist, hat die Beklagte zu Recht eine fiktive Bemessung des Alg nach den Qualifikationsstufen des § 152 Abs. 1 SGB III vorgenommen. Hierbei sind Fehler nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, dass der Kläger in eine höhere Stufe einzugruppieren gewesen wäre, sind weder dargetan, noch ersichtlich. Er verfügt über keinen Fachschulabschluss oder Meistertitel und war auch nicht in eine entsprechende Tätigkeit zu vermitteln. Wegen der Einzelheiten der Berechnung unter Zugrundelegung des fiktiven Einkommens wird auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden vom 31. August 2016 und 16. September 2016 verwiesen, die nach Prüfung durch den Senat insoweit auch nicht zu beanstanden sind. Insgesamt ist der Kläger damit so gestellt, als hätte er in Deutschland für einen längeren Zeitraum Krankengeld aus einer gesetzlichen Krankenversicherung bezogen. Auch dann hat u.U. eine fiktive Bemessung zu erfolgen.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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