Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 2179/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4083/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. September 2018 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation.
Die geborene Klägerin, die zuletzt als Reinigungskraft beschäftigt war, erlitt im Rahmen der Geburt ihres ersten Kindes am 22. Juli 2015 bei einer Notfall-Sektio eine Fruchtwasserembolie mit intraoperativem Herzstillstand und Multiorganversagen mit anschließender Reanimation. Vom 18. August 2015 bis 7. September 2015 und 10. September 2015 bis 21. Oktober 2015 befand sich die Klägerin in stationärer Frührehabilitationsbehandlung (Phase B) im SRH Klinikum K. (Diagnosen laut Entlassbericht vom 19. November 2015: 1. Akute hypoxische respiratorische Insuffizienz und L.zeitbeatmung nach Notfall-Sektio bei abnormer fetaler Herzfrequenz am 22. Juli 2015, Fruchtwasserembolie, intraoperativer/präoperativer Herzstillstand mit mechanischer Reanimation, Ureterverletzung links intraoperativ, Massentransfusion bei akuter Blutungsanämie und DIC, sekundäre Uterusatonie, Notfallhysterektomie am 22. Juli 2015, PEG-Anlage 10. August 2015, dilatative Tracheatomie, Dekanülierung am 25. August 2015, 2. Multiorganversagen, 3. Minimal conscious state bei schwerer hypoxischer Enzephalopathie, spastische Tetraparese, Dysphagie, 4. Akute erosive Gastritis [Typ C, keine Helicobacterinfektion], 5. Anämie, 6. Hypernatriämie, Hyperkaliämie, 7. Geschlossene Tuberkulose, 8. Papilläre Neoplasie der Harnblase mit niedrig malignem Potenzial [Erstdiagnose]. Unter der Frührehabilitation hätten sich keine relevanten Verbesserungen ergeben. Das anfänglich apallische Zustandsbild sei allenfalls in einen Zustand des minimalen Bewusstseins übergegangen [minimal conscious state]). Anschließend wurde die Klägerin auf der Wachkomastation in einem Pflegeheim untergebracht.
Am 10. Februar 2016 beantragte die Klägerin (vertreten durch ihren Ehemann als Betreuer) bei der Beklagten die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und fügte dem Antrag u.a. das Pflegegutachten des MDK vom 16. Oktober 2015 und die Bestätigung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. zur Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation vom 18. Januar 2016 (gegenüber der Beigeladenen), dass eine medizinische Rehabilitationsleistung aussichtsreich erscheine, Leistungen der medizinischen Vorsorge voraussichtlich nicht den gewünschten Erfolg hätten und eine Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft drohe oder bereits gegeben sei (Diagnosen: Z.n. Entbindung per Kaiserschnitt, danach Fruchtwasserembolie und Reanimation).
Mit Bescheid vom 17. Februar 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die beantragte Leistung nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Die Klägerin sei auch nicht rehabilitationsbedürftig nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte holte den ärztlichen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 8. März 2016 ein. Danach sei eine schwere Hirnschädigung nach einem Herzkreislaufstillstand bei Geburt des 1. Kindes geblieben. Bei der doch jungen Frau scheine sich das Gehirn zu erholen, die Reaktionen bzw. Ansprechverhalten würden besser. Durch intensive Physiotherapie (Ergotherapie, KG, Logopädie) könnten sich vielleicht Restfunktionen verbessern. Im Pflegeheim seien solche Anwendungen mit 1-2mal pro Woche à 20 Minuten zu wenig, um Erfolge zu erzielen. Deshalb werde dringend zur Reha mit den Zielen Schluckübungen, Ergotherapie zur kognitiven Förderung und Krankengymnastik, passiv zur Kontrakturprophylaxe geraten. Ferner berücksichtigte die Beklagte den vorläufigen Entlassungsbrief der Klinik L. gGmbH vom 18. Januar 2016. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen Einwände sowie aller vorliegenden medizinischen Unterlagen habe nach erneuter sozialmedizinischer Überprüfung keine andere Entscheidung getroffen werden können. Bei der Art und Schwere der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin – Wachkoma bei schwerer hypoxischer Encephalopathie nach Sektio caesar, Zustand nach Fruchtwasserembolie, Reanimation, L.zeitbeatmung, geschlossene Lungen-TB – sei leider nicht zu erwarten, dass durch die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne.
Dagegen hat der Betreuer der Klägerin am 12. Juli 2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Hausärztin Dr. G. sei der Ansicht, dass eine Rehamaßnahme dringend erforderlich sei. Die Krankenkasse habe sie an die Beklagte verwiesen. Die Klägerin befinde sich zur Zeit im Pflegeheim. Durch das L.e Liegen entstünden jetzt schon offene Wunden. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. hat mitgeteilt, bei der Klägerin sei bei der Geburt ihres ersten Kindes eine Embolie des Gehirnes aufgetreten, sie liege seitdem im Koma. Der gesamte Körper versteife zusehends, die Klägerin könne sich nicht mehr bewegen und nichts schlucken, deshalb erfolge eine künstliche Ernährung über eine Magensonde sowie regelmäßige Gymnastik mit passiven Bewegungsübungen. Durch das Wachkoma sei die Klägerin seit der schweren Gehirnembolie zu 100% erwerbsunfähig. Die Aussichten auf Verbesserung der geistigen und körperlichen Funktionen seien bei einem so jungen Menschen schwer einzuschätzen. Es gebe viele kleine Erfolge, oft schon sei bei jungen Menschen eine Besserung in Form von Essen oder Schlucken beobachtet worden, oder eine Kontaktaufnahme und Kommunikation durch Sprechen oder Schreiben. Eine stationäre Heilmaßnahme sei gut geeignet und erforderlich, um eine wesentliche Besserung der derzeitigen schweren körperlichen Belastungen zu erreichen, weil in einer entsprechenden Rehaklinik intensive Bewegungstherapien, Schlucktraining, geistige Aktivierung täglich und durch speziell geschultes Personal stattfinde. Die ambulante Behandlung im Pflegeheim (2-3mal die Woche) sei viel zu wenig und könne den zunehmenden körperlichen Abbau nicht aufhalten. Die stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei notwendig, um die Zunahme der Behinderung zu stoppen und die Pflegebedürftigkeit zu mindern. Vielleicht sei ein Zustand erreichbar, dass die Klägerin zu Hause versorgt werden könne. Der Neurologe/Psychiater Dr. H. hat mitgeteilt, nach der Notfall-Sektio am 22. Juli 2015 sei es zu einer Fruchtwasserembolie mit intraoperativem Herzstillstand, einer Blutungsanämie, Multiorganversagen mit einer schweren hypoxischen Encephalopathie gekommen. Im weiteren Verlauf hätten sich eine minimale cerebrale Vigilanz sowie eine zunehmende spastische Tetraparese und Schluckstörungen ergeben. In den letzten Monaten sei es zu beginnenden Kontrakturen der Extremitäten gekommen. Desweiteren komme es wiederholt zu L.en Schrei- bzw. Weinattacken. Manchmal schienen die Äußerungen bzw. Bewegungen angstbesetzt. Desweiteren liege eine geschlossene Tuberkulose vor. Es erfolge eine umfassende medikamentöse Therapie bezüglich der Epilepsie, der Schrei- bzw. Weinattacken, der Spastik, des Bluthochdrucks und der möglicherweise vorhandenen Schmerzen. Seit dem 3. August 2016 erfolge wegen der Spastik eine ambulante Botoxbehandlung in den SLK-Kliniken. Außerdem erhalte die Klägerin eine krankengymnastische Behandlung. Die Erwerbsfähigkeit sei aufgrund der Schwere der Erkrankung aufgehoben und werde auch nicht mehr eintreten. Eine Erwerbsfähigkeit sei durch keine stationäre oder ambulante Maßnahme zu erzielen, und zwar wegen der schweren cerebralen Schädigung, die sich in einer minimalen cerebralen Vigilanz äußere (dies bedeute, dass einfache Reaktionen auf die Umwelt nachweisbar seien, gleichzeitig aber schwere neurologische Defizite vorlägen [hier: spastische Tetraparese mit inzwischen zunehmenden Kontrakturen]). Eine erneute medizinische Rehabilitationsmaßnahme werde eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit nicht abwenden können. Möglicherweise könnten die Kontrakturen oder die Spastik etwas gelindert werden. Denkbar wäre ein Versuch, durch die Intensivierung der physikalischen Therapie die Spastik und die Kontrakturen zu lindern. Eine relevante Verbesserung der Symptomatik sei nur dann zu erzielen, wenn eine erneute Reha vor Ablauf der Vierjahresfrist erfolge, da ansonsten davon auszugehen sei, dass die Kontrakturen irreversibel seien.
Das SG hat ferner von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten des Dr. L. vom 3. November 2017 eingeholt. Dieser hat die Klägerin am 24. Oktober 2017 untersucht und die vorliegenden Vorbefunde – einschließlich der Berichte über die physiotherapeutische und logopädische Behandlung – ausgewertet. Als Diagnose hat er ein apallisches Syndrom mitgeteilt. Grundsätzlich bestehe über einen Zeitraum von drei Jahren Rehabilitationsbedarf. Auch im vorliegenden Fall sei innerhalb des ersten Jahres zumindest eine Besserung der Vigilanz festgestellt worden, so dass man tatsächlich hoffen könne, durch eine erneute Behandlung in einem spezialisierten Zentrum Fortschritte zu erreichen. Insbesondere mit Blick auf die Medikation (Mirtazapin, Ciatyl Z, Benzodiazepine) und die hochdosierte antikonvulsive Medikation sei eine erneute Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll, um mit den Möglichkeiten dort die Medikation zu überprüfen, gegebenenfalls die Antikonvulsiva bzw. Antidepressiva und Neuroleptika zu reduzieren. Eventuell sei es im Rahmen einer solchen Maßnahme auch möglich, durch eine gezielte Förderung besser zu stimulieren als dies im Rahmen der Pflege möglich sei. Es bestehe keine Erwerbsfähigkeit und diese sei auch mit Blick auf den bisherigen Verlauf nicht mehr zu erwarten. Die begehrte medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei geeignet und notwendig, um einerseits eine weitere Verschlimmerung der Behinderung zu mindern und um die Chance auf eine (in Anbetracht des oben dokumentierten Verlaufs) weitere Besserung nicht zu verpassen. In einer geeigneten Einrichtung wäre es notwendig, die bisherige Medikation zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern und die therapeutischen Anstrengungen noch einmal zu intensivieren und zu optimieren. Ambulante Maßnahmen bzw. Maßnahmen im bisherigen Umfang seien hierzu nicht ausreichend.
Die Beklagte hat hierzu eingewandt, dass sich die Klägerin in der Rehabilitationsphase F (aktivierende Pflege) befinde, welche sachgerecht mit den erforderlichen Therapien durchgeführt werde. Eine Beugespastik der oberen Extremitäten, die einer medikamentösen systemischen Therapie nicht zugänglich ist, sei fachgerecht mit Botulinumtoxin behandelt worden. Ansonsten wiesen die physiotherapeutischen Berichte über einen Statuserhalt keine weiteren Fortschritte auf. Lediglich logopädisch sei eine verbesserte Wachheit beobachtet worden. Ein Schlucktraining sei über die Bahnung von Schluckreflexen erfolgt. Bewusstseinsnahe Schluckfunktionen würden hierbei nicht beschrieben. Wegen Wein- und Schreiattacken sei eine psychopharmakologische Behandlung erfolgt. Die hochdosierte Gabe von Antikonvulsiva stamme wohl noch aus der Akutphase der Behandlung. Die gutachterlichen klinischen Untersuchungsergebnisse zeigten keine bewusstseinsnahen Befunde auf. Auch die Schreckreaktionen auf Sinnesreize ließen sich unter der Diagnose eines apallischen Syndroms subsumieren. Inwieweit Angst und Schmerzempfindungen in das Bewusstsein vordrängen, bewege sich im spekulativen Bereich. Gutachterlich werde eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme für notwendig erachtet, jedoch würden keine konkreten Rehabilitationsziele benannt, sondern recht allgemein gehalten. Das Rehabilitationspotential sei gutachterlich nicht ausgelotet und dezidiert dargestellt worden. Es müsse dringend eine medikamentöse psychopharmakologische Neueinstellung erfolgen, die einen längeren Zeitraum erfordere und deshalb den rehabilitativen Rahmen übersteige. Aufgrund der Komplexität des Störungsbildes sei eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik mit neuropsychiatrischer Kompetenz und Erfahrungen mit dem Krankheitsbild angezeigt. Die Voraussetzungen des § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien nicht erfüllt. Medizinisch bestehe ein Behandlungsfall.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Mai 2018 hat Dr. L. korrigierend festgestellt, dass eine medikamentöse Umstellung eher weniger von BeL. sei und es vielmehr darauf ankomme, die Medikation unter konsequenter und intensivierter krankengymnastischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung ärztlich überwacht vorsichtig zu reduzieren. Eine derartige Maßnahme sei sehr wohl im Rahmen einer Rehabilitationsklinik möglich. Nachdem letztendlich im logopädischen Bereich eine Besserung des Status habe erreicht werden können, sei der Klägerin die Chance einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme mit intensivierter Behandlung zu gewähren.
Die Beklagte hat an ihrem Standpunkt festgehalten. Mit Urteil vom 20. September 2018 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Die Beklagte sei als Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) für diese Leistung gemäß § 14 Abs. 2 SGB IX zuständig, weil sie den Antrag der Klägerin vom 10. Februar 2016 nicht an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet habe und somit für die vorliegend begehrten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zuständig sei. Diese Zuständigkeit umfasse nicht nur die Prüfung der für die Beklagte geltenden Regelungen des SGB VI, sondern auch die Leistungsgesetze der anderen Rehabilitationsträger im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB IX, wozu auch die Leistungen gehörten, für die "eigentlich" die Krankenkasse als Rehabilitationsträger für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 SGB IX) zuständig sei. Die Klägerin habe einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Gewährung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 11 Abs. 2, 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), weil die dort genannten Voraussetzungen (ambulante Leistung nicht ausreichend und Notwendigkeit der Reha-Maßnahmen, um einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder einer Verschlimmerung zu verhüten) erfüllt seien. Dabei hat sich das SG auf die sachverständigen Zeugenauskünfte der behandelnden Hausärztin Dr. G. und des behandelnden Neurologen Dr. H. sowie das Gutachten des von Amts wegen bestellten Sachverständigen Dr. L. und dessen ergänzende Stellungnahme gestützt.
Gegen das der Beklagten am 22. Oktober 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. November 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Es ergäben sich keine konkreten Hinweise dafür, dass sich bei der Klägerin das Bewusstsein und die aktive Teilnahme an der Umwelt wieder einstellen würden. Dies sei auch der Grund, dass dem Gutachten des Dr. L. nur vage Formulierungen zu entnehmen seien in dem Sinne, eine Verschlimmerung der Behinderung zu verhindern und die Chance auf eine Verbesserung nicht zu verpassen. Eine drohende Verschlechterung, die einen weiteren Rehabilitationsbedarf im Sinne des SGB IX begründen könnte, werde im genannten Gutachten nicht nachvollziehbar ausgeführt. Im Gegenteil habe sich logopädisch beim therapeutischen Schlucktraining (nicht bei der konkreten Nahrungsaufnahme) ein besseres reflektorisches Abschlucken eingestellt. Inwieweit auf diese Begutachtung hin und zu welchem Zeitpunkt ein weiterer Funktionsaufbau erfolgen könne, sei prognostisch unklar und werde auch deshalb im Fachgutachten nicht näher hinterlegt. Auch die Rehabilitation im Rahmen eines sog. weiten Rehabilitationsbedarfes erfordere die Formulierung und Ausdifferenzierung von Rehabilitationszielen, die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen und Therapieinhalte, mit denen die Zielsetzung erreicht werden könne und die Einschätzung des Rehabilitationspotentials in einem angemessenen Zeitfenster. In der ergänzenden Stellungnahme würden weder die Rehabilitationsziele näher ausgeführt, noch werde eine prognostische Einschätzung des Rehabilitationspotentials gutachterlich hinterlegt. Es bleibe unklar, ob die Rehabilitationsziele mit dieser Maßnahme erreicht werden könnten. Das Vorliegen eines Rehabilitationspotentials sei für die Durchführung einer Rehabilitation für alle Kostenträger bindend. Die nach gutachterlicher Feststellung erforderliche medikamentöse Neueinstellung sei ein notwendiger medizinisch kurativer ambulanter bzw. ggf. stationärer Behandlungsauftrag. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. September 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf das Vorbringen in der ersten Instanz sowie das Gutachten des Dr. L. und dessen ergänzende Stellungnahme verwiesen. Durch Zuwendungen des Ehemannes und anderer seien in letzter Zeit Fortschritte Stück für Stück zu verzeichnen, jedoch seien diese nicht so erheblich, wie dies durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme gelingen könne. Die Klägerin reagiere mittlerweile auf ihren Ehemann und ihr Kind.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. BisL. sei bei ihr kein Antrag auf eine medizinische Rehabilitation von der Klägerin gestellt worden. Ob und inwieweit die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften gegeben seien, könne sie derzeit nicht beurteilen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 14 SGB IX.
Die Berichterstatterin hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 23. Juli 2019 erörtert. Dabei ist über eine weitere Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin berichtet worden. Diese könne nun drei bis vier Stunden im Rollstuhl sitzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
Mit Beschluss vom 30. Juli 2019 ist die BIG Direkt Gesund Krankenversicherung beigeladen worden. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 20. September 2018 zu Recht unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 verurteilt, der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten als zuständigem erstangegangenen Rehabilitationsträger einen Anspruch auf Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers folgt unabhängig von der materiell-rechtlichen Zuständigkeit aus § 14 SGB IX. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich (eigentlich) zuständige Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine nach § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken; diese Zuständigkeit ist ausschließlicher Natur (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Erstangegangener Rehabilitationsträger i.S. von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl. § 8 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, Rn. 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 7, Rn. 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 21, Rn. 24). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger anzusehen und damit im Außenverhältnis ausschließlich zuständig geworden. Denn obwohl die Hausärztin der Klägerin bereits im Januar 2016 bei der beigeladenen Krankenkasse eine Bescheinigung zur Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation vom 18. Januar 2016 eingereicht und die Beigeladene daraufhin ihre Zuständigkeit verneint und die Klägerin zur Antragstellung gegenüber der Beklagten aufgefordert hat, hat die Klägerin selbst erstmals am 10. Februar 2016 die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beantragt und sich dabei an die Beklagte gewandt. Eine Weiterleitung dieses Antrags an die Beigeladene oder einen sonstigen Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Demnach oblag es der Beklagten, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beklagten ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O. unter Hinweis auf st. Rspr.). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - Juris). Die Klägerin hat auch materiell-rechtlich einen Anspruch gegenüber der Beklagten. Da die behandelnden Ärzte der Klägerin und der Sachverständige Dr. L. übereinstimmend und – aufgrund der vorliegenden schwerwiegenden Diagnosen – nachvollziehbar dargelegt haben, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert ist und eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit oder deren Wiederherstellung durch eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nicht erreicht werden kann, sind die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI offenkundig nicht erfüllt. Die Klägerin erfüllt jedoch die Voraussetzungen der §§ 11 Abs. 2, 40 SGB V. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. § 40 Abs. 2 SGB V setzt für einen Anspruch auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation voraus, dass eine ambulante Leistung gemäß § 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreicht. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Zugrundelegung der vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen - im Wesentlichen gestützt auf das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Dr. L. und dessen ergänzende Stellungnahme sowie die sachverständigen Zeugenauskünfte der Hausärztin G. und des Neurologen und Psychiaters Dr. H. - zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte als erstangegangener Leistungsträger nach § 14 SGB IX zur Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verpflichtet ist, weil die Voraussetzungen der §§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 2 SGB V erfüllt sind. Das SG hat dabei die Angaben des Dr. H., dass durch Intensivierung der physikalischen Therapie möglicherweise die Spastiken und Kontrakturen gelindert werden können und der Dr. G., dass die gegenwärtige ambulante Therapie im Pflegeheim den zunehmenden körperlichen Abbau nicht aufhalten kann und durch eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation eine Zunahme der Behinderung gestoppt und die Pflegebedürftigkeit gemindert werden kann, zutreffend berücksichtigt. Das SG hat sich ferner mit schlüssiger Begründung der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. angeschlossen. Dabei hat es insbesondere auf die von Dr. L. dargestellte merkliche Verbesserung in der Phase der Frührehabilitation und die gemäß dem (dem Gutachten des Dr. L. beigefügten) Bericht über den logopädischen Behandlungsverlauf eingetretenen sehr guten Fortschritte im oralen Bereich abgestellt und auf die nachvollziehbare Einschätzung des Dr. L. Bezug genommen, dass die Klägerin in einer Reha intensivere Behandlungsmaßnahmen und mehr Möglichkeiten habe, einen besseren Therapieerfolg zu erzielen und mit den dortigen Möglichkeiten die Medikation der Klägerin – unter konsequenter und intensivierter krankengymnastischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung - ärztlich überwacht vorsichtig reduziert bzw. angepasst werden kann. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Ergänzend ist anzumerken, dass es nicht erforderlich ist – wie von der Beklagten formuliert – dass sich bei der Klägerin Bewusstsein und die aktive Teilnahme an der Umwelt wieder einstellen werden. Ausreichend ist vielmehr gemäß § 11 Abs. 2 SGB V, dass eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit gemindert bzw. ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden. Dieses Ziel kann nach übereinstimmenden Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin und des gerichtlichen Sachverständigen erreicht werden und auch für den Senat ist es nachvollziehbar, dass die bereits in Teilbereichen (vor allem im logopädischen Bereich) eingetretenen Erfolge durch intensivierte Maßnahmen in einer darauf spezialisierten Rehabilitationseinrichtung noch verbessert werden können und ambulante Maßnahmen bzw. die bisherigen Maßnahmen hierfür nicht ausreichend sind. Hier ist insbesondere die von Dr. L. in seinem Gutachten angesprochene Besserung innerhalb des ersten Jahres zu berücksichtigen, die er nachvollziehbar als Indiz dafür gewertet hat, dass durch eine erneute Behandlung in einem spezialisierten Zentrum weitere Fortschritte erzielt werden können. Zudem spielt auch das Alter der Klägerin eine Rolle, weil nach Angaben der Allgemeinärztin Dr. G. bei jungen Menschen weitere Verbesserungen beim Essen und Schlucken, der Kontaktaufnahme und Kommunikation möglich sind. Zur Überzeugung des Senats sind der von den behandelnden Ärzten und dem Sachverständigen angegebene Rehabedarf und die erforderlichen Therapien auch hinreichend konkretisiert worden und es bedarf keiner detaillierteren Formulierung einzelner Rehaziele und Therapien. Denn in Anbetracht der komplexen Erkrankung der Klägerin, insbesondere der schweren Hirnschädigung, ist zwar eine Verbesserung des Gesundheitszustands durch intensive Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach ärztlicher Beurteilung insgesamt wahrscheinlich, jedoch kann die konkrete Entwicklung in den unterschiedlichen Bereichen medizinisch schwer vorhergesagt werden. Es ist auch davon ausgehen, dass die konkrete Ausgestaltung der angemessenen Therapien (Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie) von einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung auf die Situation der Klägerin angepasst werden kann.
Im Übrigen zeigen auch die Angaben im Erörterungstermin, wonach zwischenzeitlich eine weitere Verbesserung eingetreten ist und die Klägerin nunmehr in der Lage ist, drei bis vier Stunden täglich im Rollstuhl zu sitzen, dass im Gesundheitszustand der Klägerin durchaus noch Verbesserungspotential besteht, das durch gezielte Rehabilitationsmaßnahmen in einer dafür geeigneten Einrichtung weiter gefördert werden kann.
Aus diesen Gründen war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass die Beklagte mit der Rechtsverfolgung in beiden Rechtszügen unterlegen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation.
Die geborene Klägerin, die zuletzt als Reinigungskraft beschäftigt war, erlitt im Rahmen der Geburt ihres ersten Kindes am 22. Juli 2015 bei einer Notfall-Sektio eine Fruchtwasserembolie mit intraoperativem Herzstillstand und Multiorganversagen mit anschließender Reanimation. Vom 18. August 2015 bis 7. September 2015 und 10. September 2015 bis 21. Oktober 2015 befand sich die Klägerin in stationärer Frührehabilitationsbehandlung (Phase B) im SRH Klinikum K. (Diagnosen laut Entlassbericht vom 19. November 2015: 1. Akute hypoxische respiratorische Insuffizienz und L.zeitbeatmung nach Notfall-Sektio bei abnormer fetaler Herzfrequenz am 22. Juli 2015, Fruchtwasserembolie, intraoperativer/präoperativer Herzstillstand mit mechanischer Reanimation, Ureterverletzung links intraoperativ, Massentransfusion bei akuter Blutungsanämie und DIC, sekundäre Uterusatonie, Notfallhysterektomie am 22. Juli 2015, PEG-Anlage 10. August 2015, dilatative Tracheatomie, Dekanülierung am 25. August 2015, 2. Multiorganversagen, 3. Minimal conscious state bei schwerer hypoxischer Enzephalopathie, spastische Tetraparese, Dysphagie, 4. Akute erosive Gastritis [Typ C, keine Helicobacterinfektion], 5. Anämie, 6. Hypernatriämie, Hyperkaliämie, 7. Geschlossene Tuberkulose, 8. Papilläre Neoplasie der Harnblase mit niedrig malignem Potenzial [Erstdiagnose]. Unter der Frührehabilitation hätten sich keine relevanten Verbesserungen ergeben. Das anfänglich apallische Zustandsbild sei allenfalls in einen Zustand des minimalen Bewusstseins übergegangen [minimal conscious state]). Anschließend wurde die Klägerin auf der Wachkomastation in einem Pflegeheim untergebracht.
Am 10. Februar 2016 beantragte die Klägerin (vertreten durch ihren Ehemann als Betreuer) bei der Beklagten die Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und fügte dem Antrag u.a. das Pflegegutachten des MDK vom 16. Oktober 2015 und die Bestätigung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. zur Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation vom 18. Januar 2016 (gegenüber der Beigeladenen), dass eine medizinische Rehabilitationsleistung aussichtsreich erscheine, Leistungen der medizinischen Vorsorge voraussichtlich nicht den gewünschten Erfolg hätten und eine Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft drohe oder bereits gegeben sei (Diagnosen: Z.n. Entbindung per Kaiserschnitt, danach Fruchtwasserembolie und Reanimation).
Mit Bescheid vom 17. Februar 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die beantragte Leistung nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Die Klägerin sei auch nicht rehabilitationsbedürftig nach den Leistungsgesetzen eines anderen Rehabilitationsträgers
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte holte den ärztlichen Befundbericht der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. vom 8. März 2016 ein. Danach sei eine schwere Hirnschädigung nach einem Herzkreislaufstillstand bei Geburt des 1. Kindes geblieben. Bei der doch jungen Frau scheine sich das Gehirn zu erholen, die Reaktionen bzw. Ansprechverhalten würden besser. Durch intensive Physiotherapie (Ergotherapie, KG, Logopädie) könnten sich vielleicht Restfunktionen verbessern. Im Pflegeheim seien solche Anwendungen mit 1-2mal pro Woche à 20 Minuten zu wenig, um Erfolge zu erzielen. Deshalb werde dringend zur Reha mit den Zielen Schluckübungen, Ergotherapie zur kognitiven Förderung und Krankengymnastik, passiv zur Kontrakturprophylaxe geraten. Ferner berücksichtigte die Beklagte den vorläufigen Entlassungsbrief der Klinik L. gGmbH vom 18. Januar 2016. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgetragenen Einwände sowie aller vorliegenden medizinischen Unterlagen habe nach erneuter sozialmedizinischer Überprüfung keine andere Entscheidung getroffen werden können. Bei der Art und Schwere der gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin – Wachkoma bei schwerer hypoxischer Encephalopathie nach Sektio caesar, Zustand nach Fruchtwasserembolie, Reanimation, L.zeitbeatmung, geschlossene Lungen-TB – sei leider nicht zu erwarten, dass durch die beantragte Leistung zur medizinischen Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne.
Dagegen hat der Betreuer der Klägerin am 12. Juli 2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Hausärztin Dr. G. sei der Ansicht, dass eine Rehamaßnahme dringend erforderlich sei. Die Krankenkasse habe sie an die Beklagte verwiesen. Die Klägerin befinde sich zur Zeit im Pflegeheim. Durch das L.e Liegen entstünden jetzt schon offene Wunden. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G. hat mitgeteilt, bei der Klägerin sei bei der Geburt ihres ersten Kindes eine Embolie des Gehirnes aufgetreten, sie liege seitdem im Koma. Der gesamte Körper versteife zusehends, die Klägerin könne sich nicht mehr bewegen und nichts schlucken, deshalb erfolge eine künstliche Ernährung über eine Magensonde sowie regelmäßige Gymnastik mit passiven Bewegungsübungen. Durch das Wachkoma sei die Klägerin seit der schweren Gehirnembolie zu 100% erwerbsunfähig. Die Aussichten auf Verbesserung der geistigen und körperlichen Funktionen seien bei einem so jungen Menschen schwer einzuschätzen. Es gebe viele kleine Erfolge, oft schon sei bei jungen Menschen eine Besserung in Form von Essen oder Schlucken beobachtet worden, oder eine Kontaktaufnahme und Kommunikation durch Sprechen oder Schreiben. Eine stationäre Heilmaßnahme sei gut geeignet und erforderlich, um eine wesentliche Besserung der derzeitigen schweren körperlichen Belastungen zu erreichen, weil in einer entsprechenden Rehaklinik intensive Bewegungstherapien, Schlucktraining, geistige Aktivierung täglich und durch speziell geschultes Personal stattfinde. Die ambulante Behandlung im Pflegeheim (2-3mal die Woche) sei viel zu wenig und könne den zunehmenden körperlichen Abbau nicht aufhalten. Die stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei notwendig, um die Zunahme der Behinderung zu stoppen und die Pflegebedürftigkeit zu mindern. Vielleicht sei ein Zustand erreichbar, dass die Klägerin zu Hause versorgt werden könne. Der Neurologe/Psychiater Dr. H. hat mitgeteilt, nach der Notfall-Sektio am 22. Juli 2015 sei es zu einer Fruchtwasserembolie mit intraoperativem Herzstillstand, einer Blutungsanämie, Multiorganversagen mit einer schweren hypoxischen Encephalopathie gekommen. Im weiteren Verlauf hätten sich eine minimale cerebrale Vigilanz sowie eine zunehmende spastische Tetraparese und Schluckstörungen ergeben. In den letzten Monaten sei es zu beginnenden Kontrakturen der Extremitäten gekommen. Desweiteren komme es wiederholt zu L.en Schrei- bzw. Weinattacken. Manchmal schienen die Äußerungen bzw. Bewegungen angstbesetzt. Desweiteren liege eine geschlossene Tuberkulose vor. Es erfolge eine umfassende medikamentöse Therapie bezüglich der Epilepsie, der Schrei- bzw. Weinattacken, der Spastik, des Bluthochdrucks und der möglicherweise vorhandenen Schmerzen. Seit dem 3. August 2016 erfolge wegen der Spastik eine ambulante Botoxbehandlung in den SLK-Kliniken. Außerdem erhalte die Klägerin eine krankengymnastische Behandlung. Die Erwerbsfähigkeit sei aufgrund der Schwere der Erkrankung aufgehoben und werde auch nicht mehr eintreten. Eine Erwerbsfähigkeit sei durch keine stationäre oder ambulante Maßnahme zu erzielen, und zwar wegen der schweren cerebralen Schädigung, die sich in einer minimalen cerebralen Vigilanz äußere (dies bedeute, dass einfache Reaktionen auf die Umwelt nachweisbar seien, gleichzeitig aber schwere neurologische Defizite vorlägen [hier: spastische Tetraparese mit inzwischen zunehmenden Kontrakturen]). Eine erneute medizinische Rehabilitationsmaßnahme werde eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit nicht abwenden können. Möglicherweise könnten die Kontrakturen oder die Spastik etwas gelindert werden. Denkbar wäre ein Versuch, durch die Intensivierung der physikalischen Therapie die Spastik und die Kontrakturen zu lindern. Eine relevante Verbesserung der Symptomatik sei nur dann zu erzielen, wenn eine erneute Reha vor Ablauf der Vierjahresfrist erfolge, da ansonsten davon auszugehen sei, dass die Kontrakturen irreversibel seien.
Das SG hat ferner von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten des Dr. L. vom 3. November 2017 eingeholt. Dieser hat die Klägerin am 24. Oktober 2017 untersucht und die vorliegenden Vorbefunde – einschließlich der Berichte über die physiotherapeutische und logopädische Behandlung – ausgewertet. Als Diagnose hat er ein apallisches Syndrom mitgeteilt. Grundsätzlich bestehe über einen Zeitraum von drei Jahren Rehabilitationsbedarf. Auch im vorliegenden Fall sei innerhalb des ersten Jahres zumindest eine Besserung der Vigilanz festgestellt worden, so dass man tatsächlich hoffen könne, durch eine erneute Behandlung in einem spezialisierten Zentrum Fortschritte zu erreichen. Insbesondere mit Blick auf die Medikation (Mirtazapin, Ciatyl Z, Benzodiazepine) und die hochdosierte antikonvulsive Medikation sei eine erneute Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll, um mit den Möglichkeiten dort die Medikation zu überprüfen, gegebenenfalls die Antikonvulsiva bzw. Antidepressiva und Neuroleptika zu reduzieren. Eventuell sei es im Rahmen einer solchen Maßnahme auch möglich, durch eine gezielte Förderung besser zu stimulieren als dies im Rahmen der Pflege möglich sei. Es bestehe keine Erwerbsfähigkeit und diese sei auch mit Blick auf den bisherigen Verlauf nicht mehr zu erwarten. Die begehrte medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei geeignet und notwendig, um einerseits eine weitere Verschlimmerung der Behinderung zu mindern und um die Chance auf eine (in Anbetracht des oben dokumentierten Verlaufs) weitere Besserung nicht zu verpassen. In einer geeigneten Einrichtung wäre es notwendig, die bisherige Medikation zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern und die therapeutischen Anstrengungen noch einmal zu intensivieren und zu optimieren. Ambulante Maßnahmen bzw. Maßnahmen im bisherigen Umfang seien hierzu nicht ausreichend.
Die Beklagte hat hierzu eingewandt, dass sich die Klägerin in der Rehabilitationsphase F (aktivierende Pflege) befinde, welche sachgerecht mit den erforderlichen Therapien durchgeführt werde. Eine Beugespastik der oberen Extremitäten, die einer medikamentösen systemischen Therapie nicht zugänglich ist, sei fachgerecht mit Botulinumtoxin behandelt worden. Ansonsten wiesen die physiotherapeutischen Berichte über einen Statuserhalt keine weiteren Fortschritte auf. Lediglich logopädisch sei eine verbesserte Wachheit beobachtet worden. Ein Schlucktraining sei über die Bahnung von Schluckreflexen erfolgt. Bewusstseinsnahe Schluckfunktionen würden hierbei nicht beschrieben. Wegen Wein- und Schreiattacken sei eine psychopharmakologische Behandlung erfolgt. Die hochdosierte Gabe von Antikonvulsiva stamme wohl noch aus der Akutphase der Behandlung. Die gutachterlichen klinischen Untersuchungsergebnisse zeigten keine bewusstseinsnahen Befunde auf. Auch die Schreckreaktionen auf Sinnesreize ließen sich unter der Diagnose eines apallischen Syndroms subsumieren. Inwieweit Angst und Schmerzempfindungen in das Bewusstsein vordrängen, bewege sich im spekulativen Bereich. Gutachterlich werde eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme für notwendig erachtet, jedoch würden keine konkreten Rehabilitationsziele benannt, sondern recht allgemein gehalten. Das Rehabilitationspotential sei gutachterlich nicht ausgelotet und dezidiert dargestellt worden. Es müsse dringend eine medikamentöse psychopharmakologische Neueinstellung erfolgen, die einen längeren Zeitraum erfordere und deshalb den rehabilitativen Rahmen übersteige. Aufgrund der Komplexität des Störungsbildes sei eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik mit neuropsychiatrischer Kompetenz und Erfahrungen mit dem Krankheitsbild angezeigt. Die Voraussetzungen des § 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien nicht erfüllt. Medizinisch bestehe ein Behandlungsfall.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Mai 2018 hat Dr. L. korrigierend festgestellt, dass eine medikamentöse Umstellung eher weniger von BeL. sei und es vielmehr darauf ankomme, die Medikation unter konsequenter und intensivierter krankengymnastischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung ärztlich überwacht vorsichtig zu reduzieren. Eine derartige Maßnahme sei sehr wohl im Rahmen einer Rehabilitationsklinik möglich. Nachdem letztendlich im logopädischen Bereich eine Besserung des Status habe erreicht werden können, sei der Klägerin die Chance einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme mit intensivierter Behandlung zu gewähren.
Die Beklagte hat an ihrem Standpunkt festgehalten. Mit Urteil vom 20. September 2018 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Die Beklagte sei als Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) für diese Leistung gemäß § 14 Abs. 2 SGB IX zuständig, weil sie den Antrag der Klägerin vom 10. Februar 2016 nicht an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet habe und somit für die vorliegend begehrten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zuständig sei. Diese Zuständigkeit umfasse nicht nur die Prüfung der für die Beklagte geltenden Regelungen des SGB VI, sondern auch die Leistungsgesetze der anderen Rehabilitationsträger im Sinne von § 6 Abs. 1 SGB IX, wozu auch die Leistungen gehörten, für die "eigentlich" die Krankenkasse als Rehabilitationsträger für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 SGB IX) zuständig sei. Die Klägerin habe einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Gewährung stationärer Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 11 Abs. 2, 40 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), weil die dort genannten Voraussetzungen (ambulante Leistung nicht ausreichend und Notwendigkeit der Reha-Maßnahmen, um einer drohenden Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder einer Verschlimmerung zu verhüten) erfüllt seien. Dabei hat sich das SG auf die sachverständigen Zeugenauskünfte der behandelnden Hausärztin Dr. G. und des behandelnden Neurologen Dr. H. sowie das Gutachten des von Amts wegen bestellten Sachverständigen Dr. L. und dessen ergänzende Stellungnahme gestützt.
Gegen das der Beklagten am 22. Oktober 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. November 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Es ergäben sich keine konkreten Hinweise dafür, dass sich bei der Klägerin das Bewusstsein und die aktive Teilnahme an der Umwelt wieder einstellen würden. Dies sei auch der Grund, dass dem Gutachten des Dr. L. nur vage Formulierungen zu entnehmen seien in dem Sinne, eine Verschlimmerung der Behinderung zu verhindern und die Chance auf eine Verbesserung nicht zu verpassen. Eine drohende Verschlechterung, die einen weiteren Rehabilitationsbedarf im Sinne des SGB IX begründen könnte, werde im genannten Gutachten nicht nachvollziehbar ausgeführt. Im Gegenteil habe sich logopädisch beim therapeutischen Schlucktraining (nicht bei der konkreten Nahrungsaufnahme) ein besseres reflektorisches Abschlucken eingestellt. Inwieweit auf diese Begutachtung hin und zu welchem Zeitpunkt ein weiterer Funktionsaufbau erfolgen könne, sei prognostisch unklar und werde auch deshalb im Fachgutachten nicht näher hinterlegt. Auch die Rehabilitation im Rahmen eines sog. weiten Rehabilitationsbedarfes erfordere die Formulierung und Ausdifferenzierung von Rehabilitationszielen, die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen und Therapieinhalte, mit denen die Zielsetzung erreicht werden könne und die Einschätzung des Rehabilitationspotentials in einem angemessenen Zeitfenster. In der ergänzenden Stellungnahme würden weder die Rehabilitationsziele näher ausgeführt, noch werde eine prognostische Einschätzung des Rehabilitationspotentials gutachterlich hinterlegt. Es bleibe unklar, ob die Rehabilitationsziele mit dieser Maßnahme erreicht werden könnten. Das Vorliegen eines Rehabilitationspotentials sei für die Durchführung einer Rehabilitation für alle Kostenträger bindend. Die nach gutachterlicher Feststellung erforderliche medikamentöse Neueinstellung sei ein notwendiger medizinisch kurativer ambulanter bzw. ggf. stationärer Behandlungsauftrag. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. September 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat auf das Vorbringen in der ersten Instanz sowie das Gutachten des Dr. L. und dessen ergänzende Stellungnahme verwiesen. Durch Zuwendungen des Ehemannes und anderer seien in letzter Zeit Fortschritte Stück für Stück zu verzeichnen, jedoch seien diese nicht so erheblich, wie dies durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme gelingen könne. Die Klägerin reagiere mittlerweile auf ihren Ehemann und ihr Kind.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. BisL. sei bei ihr kein Antrag auf eine medizinische Rehabilitation von der Klägerin gestellt worden. Ob und inwieweit die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften gegeben seien, könne sie derzeit nicht beurteilen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 14 SGB IX.
Die Berichterstatterin hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 23. Juli 2019 erörtert. Dabei ist über eine weitere Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin berichtet worden. Diese könne nun drei bis vier Stunden im Rollstuhl sitzen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.
Mit Beschluss vom 30. Juli 2019 ist die BIG Direkt Gesund Krankenversicherung beigeladen worden. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 20. September 2018 zu Recht unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2016 verurteilt, der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten als zuständigem erstangegangenen Rehabilitationsträger einen Anspruch auf Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
Die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers folgt unabhängig von der materiell-rechtlichen Zuständigkeit aus § 14 SGB IX. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, sofern Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich (eigentlich) zuständige Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine nach § 14 Abs. 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken; diese Zuständigkeit ist ausschließlicher Natur (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Erstangegangener Rehabilitationsträger i.S. von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw. Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt (vgl. § 8 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, Rn. 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 7, Rn. 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 21, Rn. 24). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger anzusehen und damit im Außenverhältnis ausschließlich zuständig geworden. Denn obwohl die Hausärztin der Klägerin bereits im Januar 2016 bei der beigeladenen Krankenkasse eine Bescheinigung zur Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation vom 18. Januar 2016 eingereicht und die Beigeladene daraufhin ihre Zuständigkeit verneint und die Klägerin zur Antragstellung gegenüber der Beklagten aufgefordert hat, hat die Klägerin selbst erstmals am 10. Februar 2016 die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beantragt und sich dabei an die Beklagte gewandt. Eine Weiterleitung dieses Antrags an die Beigeladene oder einen sonstigen Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Demnach oblag es der Beklagten, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beklagten ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013, a.a.O. unter Hinweis auf st. Rspr.). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - Juris). Die Klägerin hat auch materiell-rechtlich einen Anspruch gegenüber der Beklagten. Da die behandelnden Ärzte der Klägerin und der Sachverständige Dr. L. übereinstimmend und – aufgrund der vorliegenden schwerwiegenden Diagnosen – nachvollziehbar dargelegt haben, dass die Klägerin voll erwerbsgemindert ist und eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit oder deren Wiederherstellung durch eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nicht erreicht werden kann, sind die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI offenkundig nicht erfüllt. Die Klägerin erfüllt jedoch die Voraussetzungen der §§ 11 Abs. 2, 40 SGB V. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. § 40 Abs. 2 SGB V setzt für einen Anspruch auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation voraus, dass eine ambulante Leistung gemäß § 40 Abs. 1 SGB V nicht ausreicht. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Zugrundelegung der vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen - im Wesentlichen gestützt auf das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Dr. L. und dessen ergänzende Stellungnahme sowie die sachverständigen Zeugenauskünfte der Hausärztin G. und des Neurologen und Psychiaters Dr. H. - zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte als erstangegangener Leistungsträger nach § 14 SGB IX zur Gewährung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation verpflichtet ist, weil die Voraussetzungen der §§ 11 Abs. 2, 40 Abs. 2 SGB V erfüllt sind. Das SG hat dabei die Angaben des Dr. H., dass durch Intensivierung der physikalischen Therapie möglicherweise die Spastiken und Kontrakturen gelindert werden können und der Dr. G., dass die gegenwärtige ambulante Therapie im Pflegeheim den zunehmenden körperlichen Abbau nicht aufhalten kann und durch eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation eine Zunahme der Behinderung gestoppt und die Pflegebedürftigkeit gemindert werden kann, zutreffend berücksichtigt. Das SG hat sich ferner mit schlüssiger Begründung der Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. L. angeschlossen. Dabei hat es insbesondere auf die von Dr. L. dargestellte merkliche Verbesserung in der Phase der Frührehabilitation und die gemäß dem (dem Gutachten des Dr. L. beigefügten) Bericht über den logopädischen Behandlungsverlauf eingetretenen sehr guten Fortschritte im oralen Bereich abgestellt und auf die nachvollziehbare Einschätzung des Dr. L. Bezug genommen, dass die Klägerin in einer Reha intensivere Behandlungsmaßnahmen und mehr Möglichkeiten habe, einen besseren Therapieerfolg zu erzielen und mit den dortigen Möglichkeiten die Medikation der Klägerin – unter konsequenter und intensivierter krankengymnastischer, ergotherapeutischer und logopädischer Behandlung - ärztlich überwacht vorsichtig reduziert bzw. angepasst werden kann. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Ergänzend ist anzumerken, dass es nicht erforderlich ist – wie von der Beklagten formuliert – dass sich bei der Klägerin Bewusstsein und die aktive Teilnahme an der Umwelt wieder einstellen werden. Ausreichend ist vielmehr gemäß § 11 Abs. 2 SGB V, dass eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit gemindert bzw. ihre Verschlimmerung verhütet oder ihre Folgen gemildert werden. Dieses Ziel kann nach übereinstimmenden Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin und des gerichtlichen Sachverständigen erreicht werden und auch für den Senat ist es nachvollziehbar, dass die bereits in Teilbereichen (vor allem im logopädischen Bereich) eingetretenen Erfolge durch intensivierte Maßnahmen in einer darauf spezialisierten Rehabilitationseinrichtung noch verbessert werden können und ambulante Maßnahmen bzw. die bisherigen Maßnahmen hierfür nicht ausreichend sind. Hier ist insbesondere die von Dr. L. in seinem Gutachten angesprochene Besserung innerhalb des ersten Jahres zu berücksichtigen, die er nachvollziehbar als Indiz dafür gewertet hat, dass durch eine erneute Behandlung in einem spezialisierten Zentrum weitere Fortschritte erzielt werden können. Zudem spielt auch das Alter der Klägerin eine Rolle, weil nach Angaben der Allgemeinärztin Dr. G. bei jungen Menschen weitere Verbesserungen beim Essen und Schlucken, der Kontaktaufnahme und Kommunikation möglich sind. Zur Überzeugung des Senats sind der von den behandelnden Ärzten und dem Sachverständigen angegebene Rehabedarf und die erforderlichen Therapien auch hinreichend konkretisiert worden und es bedarf keiner detaillierteren Formulierung einzelner Rehaziele und Therapien. Denn in Anbetracht der komplexen Erkrankung der Klägerin, insbesondere der schweren Hirnschädigung, ist zwar eine Verbesserung des Gesundheitszustands durch intensive Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation nach ärztlicher Beurteilung insgesamt wahrscheinlich, jedoch kann die konkrete Entwicklung in den unterschiedlichen Bereichen medizinisch schwer vorhergesagt werden. Es ist auch davon ausgehen, dass die konkrete Ausgestaltung der angemessenen Therapien (Krankengymnastik, Ergotherapie, Logopädie) von einer geeigneten Rehabilitationseinrichtung auf die Situation der Klägerin angepasst werden kann.
Im Übrigen zeigen auch die Angaben im Erörterungstermin, wonach zwischenzeitlich eine weitere Verbesserung eingetreten ist und die Klägerin nunmehr in der Lage ist, drei bis vier Stunden täglich im Rollstuhl zu sitzen, dass im Gesundheitszustand der Klägerin durchaus noch Verbesserungspotential besteht, das durch gezielte Rehabilitationsmaßnahmen in einer dafür geeigneten Einrichtung weiter gefördert werden kann.
Aus diesen Gründen war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens berücksichtigt, dass die Beklagte mit der Rechtsverfolgung in beiden Rechtszügen unterlegen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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