Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 1996/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 781/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Januar 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 10. April 2017.
Der geborene polnische Kläger war vom 1. September 2014 bis 31. März 2017 bei der Bautechnik GmbH & Co KG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31. März 2017 durch fristgerechte Kündigung des Arbeitgebers vom 9. Februar 2017. Vom 13. Februar 2017 bis 31. März 2017 war der bei der AOK krankenversicherte Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben (vgl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Fachärzte für Innere Medizin Dres. P. vom 13. Februar 2017, 17. Februar 2017 und 10. März 2017) und bezog vom 27. März bis 31. März 2017 Krankengeld (vgl. Bescheinigung der AOK vom 6. April 2017). Am 13. Februar 2017 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitssuchend und beantragte zum 31. März 2017 die Gewährung von Alg. Nach einem Vermerk in den Akten der Beklagten wurde im Zusammenhang mit der Antragstellung die Kenntnisnahme des Merkblattes für Arbeitslose bestätigt. Mit Bescheid vom 11. April 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 1. April 2017 bis 30. März 2018 in Höhe von 31,60 EUR täglich. Am 21. April 2017 übersandte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des polnischen Facharztes für Psychiatrie Dr. G. für die Zeit ab 11. April 2017. Er sei am 10. April 2017 nach Polen abgereist, weil er dringend mit einem polnischen Arzt habe sprechen müssen und einen solchen Arzt in Deutschland nicht gefunden habe. Seine Deutschkenntnisse seien schlecht und ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er eine Genehmigung der Ortsabwesenheit beantragen müsse. Er könne sich nicht daran erinnern, dass ihm so etwas während seiner persönlichen Vorsprache am 31. März 2017 bei der Beklagten in Begleitung seiner Dolmetscherin gesagt worden sei. Mit Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 2017 hob die Beklagte – gestützt auf §§ 137, 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, §§ 2,3 der Erreichbarkeitsanordnung, § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 10. April 2017 auf und gab als Grund die Ortsabwesenheit des Klägers an. Mit Erstattungsbescheid vom 22. Mai 2017 forderte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 663 EUR für den Monat April 2017 zurück. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch brachte der Kläger vor, er sei Pole und könne kein Deutsch. Er habe in Deutschland keine ärztliche Hilfe gefunden und deshalb nach Polen zurückkehren müssen. Er sei nur nach Polen gereist, um dort medizinische Hilfe zu bekommen, es sei keine Urlaubsreise gewesen. Er habe nicht gewusst, welche Konsequenzen dies habe, weil er kein Deutsch spreche. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei am 10. April 2017 nach Polen gereist und habe diese Ortsabwesenheit gegenüber der Beklagten pflichtwidrig nicht angezeigt bzw. sie im Vorfeld nicht genehmigen lassen. Er sei durch die ihm ausgehändigten Informationen (Merkblatt für Arbeitslose) über diese Notwendigkeit informiert gewesen. Sein Einwand, er habe von der Meldepflicht nichts gewusst, greife daher nicht. Auch der sinngemäße Einwand, als Pole verfüge er über keine wesentlichen Deutschkenntnisse und er habe daher um die Konsequenzen der nicht angezeigten Ortsabwesenheit nicht gewusst, greife nicht. Zum einen könne man von einem ausländischen Mitbürger, der 2 Jahre und 7 Monate in Deutschland lebe und arbeite, ein Minimum an deutschem Sprachverständnis erwarten, das ausreiche, den Inhalt des Merkblatts für Arbeitslose zumindest in Grundzügen zu verstehen und darüber hinaus hätte sich der Kläger das Merkblatt übersetzen oder bei der Beklagten erläutern lassen können. Durch die ungenehmigte Ortsabwesenheit sei die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung und damit der Anspruch auf Alg weggefallen. Die Aufhebungs-/Rückforderungsentscheidung basiere auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III. Dagegen hat der Kläger am 23. Juni 2017 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er sei aufgrund seiner psychischen Probleme gezwungen gewesen, zu einem Psychiater nach Polen zu reisen und stehe allein aufgrund seiner derzeitigen Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Er habe deshalb Anspruch auf Alg, auch wenn er aufgrund der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung stehe. Der Fall wäre genauso zu beurteilen, wenn er einen deutschen Arzt aufgesucht hätte. Die Ortsansässigkeit und Arbeitsunfähigkeit in Deutschland hätte auf seine Verfügbarkeit keine Auswirkungen gehabt. Die Ortsabwesenheit sei weder geplant noch vorhersehbar gewesen. Ihm sei es psychisch derart schlecht gegangen, dass er sich habe in Behandlung geben müssen. Nachdem er in Deutschland, auch wegen seiner sprachlichen Defizite, keine Hilfe erhalten habe, habe er einen Arzt in Polen besuchen müssen. Seitdem werde die Krankheit in Polen weiterbehandelt. Hierzu hat der Kläger die Bescheinigung des polnischen Facharztes für Psychiatrie Dr. G. vom 4. September 2017 vorgelegt, wonach der Kläger am 2. März 2017 die psychiatrische Behandlung angefangen habe und der festgestellte psychische Zustand und die angewandte Medikation zur Zeit einer ständigen medikamentösen Therapie im familiären Umfeld, d.h. in seiner vertrauten Umgebung bedürften und der Aufenthalt in Deutschland ohne Familie und eingeschränkter Möglichkeit der Verständigung mit anderen Menschen (mangelnde Deutschkenntnisse) eine Steigerung von Angst mit körperlichen Symptomen und einem deutlichen Stimmungstief verursachten, was den Behandlungsprozess relevant negativ beeinflussen könne. Er stehe dem Arbeitsmarkt daher unabhängig vom Aufenthaltsort nicht zur Verfügung. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustands sei es ihm nicht möglich gewesen, die Zustimmung rechtzeitig einzuholen. Die Beklagte wäre jedoch verpflichtet gewesen, die Zustimmung zur Ortsabwesenheit nachträglich zu erteilen. Die am ersten Tag übersandte und später bei der Beklagten eingegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei letztlich der konkludente Antrag auf Zustimmung zu seiner Ortsabwesenheit gewesen. Eine solche nachträgliche Genehmigung müsse die Beklagte auch erteilen, denn er habe die Abwesenheit weder selbst herbeigeführt, noch werde seine berufliche Eingliederung durch die Abwesenheit beeinträchtigt. Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Sie habe einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Genehmigung der Ortsabwesenheit. Gerade deshalb schreibe die Erreichbarkeitsanordnung ohne Wenn und Aber eine vorherige Anzeige und ausdrücklich eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit vor, weshalb es unmöglich sei, nachträglich einer Ortsabwesenheit zuzustimmen. Vor diesem Hintergrund komme es auf den weiteren Vortrag nicht an. Im Übrigen müsse die Beklagte wie von allen anderen arbeitslos gemeldeten Personen auch vom Kläger verlangen können, dass er sich bei einer Erkrankung an einen ortsansässigen Arzt wende. Eine zunächst festgestellte und der Beklagten angezeigte Arbeitsunfähigkeit vor der Ortsabwesenheit hätte die Sache in ein ganz anderes Licht gestellt. Bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit und der Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung hätte sich der Kläger zunächst mit der Beklagten und der Krankenkasse in Verbindung setzen müssen. Es sei auch ausgeschlossen, dass der Kläger sich in keiner Weise mit einem deutschen Arzt hätte verständigen können. Er sei seit 2014 in Deutschland und bis März 2017 bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt gewesen und habe nach seinen Angaben über Grundkenntnisse der deutschen und englischen Sprache verfügt. Bei seinen persönlichen Kontakten zur Beklagten sei zwar festzustellen gewesen, dass er die deutsche Sprache besser verstehe als spreche, aber eine Verständigung sei möglich gewesen. Im Übrigen habe der Kläger im März 2017 in Behandlung der Arztpraxis P. gestanden, wo aufgrund des Namens zu vermuten sei, dass er sich mit diesen Ärzten habe verständigen können.
Am 10. Juli 2017 hat sich der Kläger erneut arbeitslos gemeldet. Mit Bescheid vom 14. Juli 2017 hat die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 10. Juli 2017 bis 29. Juni 2018 in Höhe von täglich 31,60 EUR bewilligt. Am 8. September 2017 hat der Kläger zweimal persönlich bei der Beklagten (Sachbearbeiterin Frau B. vorgesprochen (vgl. Aktenvermerk vom selben Tag) und schließlich den ausgefüllten und unterschriebenen Antrag auf Ausstellung eines PD U1 (Bescheinigung deutscher Zeiten) abgegeben. Mit Bescheid vom 18. September 2017 hat die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 9. September 2017 aufgrund der eigenen Abmeldung des Klägers aus dem Leistungsbezug aufgehoben.
Mit Schreiben vom 14. November 2017 hat der Kläger mitgeteilt, er habe am 8. September 2017 einen Termin bei der Agentur für Arbeit Sc ... Wegen persönlicher Gründe habe er sich entschlossen, nach Polen zurückzukehren und habe die Sachbearbeiterin Frau B. gebeten, ihm das Formular PD U2 auszuhändigen, wobei ihm bestätigt worden sei, dass er ein solches Formular an seine Adresse in Polen übersandt bekomme. Aus dem Informationsblatt ergebe sich, dass er kein anderes Formular benötige und Frau B. habe darin an einen anderen Angestellten der Beklagten geschrieben, um ihm eine positive Entscheidung zu ermöglichen. Wenn er gewusst hätte, dass er den Anspruch auf Alg verliere und ihn nicht nach Polen übertragen könne, hätte er Deutschland nicht verlassen. Er habe keine Einkünfte, weil er in Polen keine Arbeit habe und müsse sein am 16. September 2017 geborenes Kind unterhalten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2018 abgewiesen. Die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 zu Recht die dem Kläger erteilte Bewilligung von Alg für den Zeitraum ab 10. April 2017 aufgehoben. Der Bescheid über die Bewilligung von Alg vom 11. April 2017 sei bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen, da der Kläger während seiner Ortsabwesenheit in Polen ab dem 10. April 2017 keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg ab dem 10. April 2017 gehabt habe. Er sei nach seiner Abreise nach Polen ab dem 10. April 2017 nicht mehr im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III für die Vermittlungsbemühungen der Beklagten verfügbar gewesen, was aber Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslosigkeit und damit auch für den Bezug von Alg sei. Eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit liege nicht vor und eine nachträgliche Zustimmung sehe die EAO nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X lägen vor. Der Kläger habe den Wegfall seines Anspruchs für den Zeitraum ab 10. April 2017 ohne Weiteres kennen müssen, so dass ihn diesbezüglich zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis treffe. In dem ihm ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose sei darauf hingewiesen worden, dass eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit/Reise erforderlich sei. Auch wenn der Kläger nicht gut Deutsch spreche, entbinde ihn dies – wie jeden anderen Arbeitslosen – nicht davon, vom Inhalt des Merkblattes Kenntnis zu nehmen. Er hätte sich bei Rückfragen an die Beklagte wenden können und verfüge zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Er sei von 2014 bis 2017 bei einem deutschen Unternehmen tätig gewesen und eine Verständigung sei bei den persönlichen Kontakten zur Beklagten in deutscher Sprache möglich gewesen. Auch die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids seien erfüllt, insbesondere liege kein Anhörungsfehler vor und das Auswechseln der Rechtsgrundlagen sei grundsätzlich zulässig, weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet seien und eine Ermessensentscheidung gemäß § 330 Abs. 2 SGB III bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen nicht zu treffen gewesen sei. Gegen den seinem Bevollmächtigten am 1. Februar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Februar 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die angefochtene Entscheidung sei formell fehlerhaft, weil ein Anhörungsmangel vorliege, der nicht geheilt sei und auch ein Begründungsmangel vorliege, weil kein Ermessen ausgeübt und begründet worden sei. Der Bescheid sei auch materiell-rechtlich rechtswidrig, weil das Ermessen gar nicht ausgeübt worden sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Rücknahme gar nicht vor. Er sei bereits seit März 2017 in Polen in psychologischer Behandlung und der deutschen Sprache nicht mächtig. Es sei zweifelhaft, dass eine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich des Merkblattes in deutscher Sprache vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Januar 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und den angefochtenen Gerichtsbescheid bezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit ab 10. April 2017 aufgehoben hat.
Der Bewilligungsbescheid vom 14. Juli 2017, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 10. Juli 2017 bis 29. Juli 2018 bewilligt hat und der Aufhebungsbescheid vom 18. September 2017, mit dem die Bewilligung ab 8. September 2017 aufgehoben wurde, sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens geworden. Zwar sind die genannten Bescheide nach Erlass des hier streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 ergangen, jedoch müssten sie den Bescheid vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 abgeändert oder ersetzt haben. Dies ist nicht der Fall, weil der erneuten Bewilligung von Alg aufgrund einer neuen Arbeitslosmeldung des Klägers zum 10. Juli 2017 und der Aufhebung ab dem 8. September 2017 wegen Wegzugs des Klägers nach Polen bzw. Abmeldung aus dem Leistungsbezug ein völlig anderer Lebenssachverhalt zugrunde liegt als der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Aufhebung der Bewilligung von Alg aufgrund einer ungenehmigten Ortsabwesenheit des Klägers ab 10. April 2017.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend dargelegt, dass die – näher dargelegten - Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids über die Bewilligung von Alg vom 11. April 2017 für die Zeit ab 10. April 2017 gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorlagen, weil dieser Bescheid bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen ist, da der Kläger während seiner Ortsabwesenheit in Polen ab dem 10. April 2017 keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg ab dem 10. April 2017 gehabt hat. Das SG hat hierbei zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger nach seiner Abreise nach Polen ab dem 10. April 2017 nicht mehr im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeits-Anordnung – EAO) für die Vermittlungsbemühungen der Beklagten verfügbar gewesen ist, was aber Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslosigkeit und damit auch für den Bezug von Alg ist, die Voraussetzungen des § 2 EAO sowie eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit gemäß § 3 EAO nicht vorlagen und die EAO eine nachträgliche Zustimmung nicht vorsieht. Das SG hat auch zutreffend dargelegt, dass der Kläger den Wegfall seines Anspruchs für den Zeitraum ab 10. April 2017 ohne Weiteres kennen musste, so dass ihn diesbezüglich zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis trifft, weil er in dem ihm ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose darauf hingewiesen wurde, dass eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit/Reise erforderlich ist und hierzu ausgeführt, dass es den Kläger, auch wenn er nicht gut Deutsch spricht, wie jeden anderen Arbeitslosen nicht davon entbindet, vom Inhalt des Merkblattes Kenntnis zu nehmen, er sich bei Rückfragen an die Beklagte hätte wenden können und zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dabei hat das SG auch berücksichtigt, dass der Kläger von 2014 bis 2017 bei einem deutschen Unternehmen tätig gewesen und eine Verständigung sei bei den persönlichen Kontakten zur Beklagten in deutscher Sprache möglich gewesen ist. Auch die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids hat das SG bejaht, insbesondere keinen Anhörungsfehler angenommen und das Auswechseln der Rechtsgrundlagen für grundsätzlich zulässig erachtet, weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet seien und eine Ermessensentscheidung gemäß § 330 Abs. 2 SGB III bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen nicht zu treffen gewesen ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine nachträgliche Genehmigung der Ortsabwesenheit auch nicht aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Umstände in Betracht kommt. Wegen des Zustimmungserfordernisses gemäß § 3 Abs. 1 EAO ist erforderlich, dass vor Antritt des Urlaubs oder der sonstigen Ortsabwesenheit die nach § 3 Abs. 1 EAO vorgeschriebenen Feststellungen (Nichtbeeinträchtigung der beruflichen Eingliederung) von der Arbeitsagentur getroffen werden; eine bloße Anzeige des beabsichtigten Urlaubs (bzw. der Ortsabwesenheit) ist nicht ausreichend (vgl. Gagel, SGB II/SGB III, 73. Ergänzungslieferung, Stand März 2019, § 138, Rn. 273). Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in der EAO keine nachträgliche Genehmigung geregelt ist. Zwar kann unter Umständen die Zustimmung nach § 3 Abs. 1 EAO im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden, wenn die Zustimmung rechtswidrig verweigert wird oder der Arbeitslose in Fällen außergewöhnlicher Härte (unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 3 Abs. 3 EAO) aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslosen unvermeidbarer Ereignisse gehindert ist, die Zustimmung der Beklagten einzuholen (vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand September 2017, § 138, Rn. 150f. m.w.N.). Allerdings kann die Verfügbarkeit bei einem auswärtigen Aufenthalt von mehr als drei Tagen – wie hier - ohne vorherige Zustimmung auch in Härtefällen mangels eines normativen Ansatzpunkts nicht weiter bejaht werden (vgl. Söhngen, a.a.O., § 138 Rn. 152). Die Voraussetzungen für die Fingierung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit liegen daher schon deshalb nicht vor, weil der Kläger mehr als drei Tage ohne Zustimmung der Beklagten ortsabwesend gewesen ist. Darüber hinaus hat auch kein Härtefall vorgelegen, der den Kläger daran gehindert hat, die Zustimmung zur Ortsabwesenheit einzuholen. Der Kläger hat vor seiner Abreise nach Polen keinen entsprechenden Antrag gestellt, sondern sich erst nachträglich (erstmals am 21. April 2017) aus Polen gemeldet. Nachdem er noch am 31. März 2017 (während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit) mit einer Bekannten als Dolmetscherin bei der Beklagten vorgesprochen hat, ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm zu diesem Zeitpunkt oder in der Zeit vom 1. April bis 9. April 2017 (als im Übrigen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vorlag) aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte, rechtzeitig vor der Abreise nach Polen die Zustimmung der Beklagten zur Ortsabwesenheit zu beantragen. Ein medizinischer Notfall, der ohne zeitliche Verzögerung ausgerechnet eine Behandlung in Polen erforderlich gemacht hätte, ist nicht ersichtlich, zumal sich der Kläger schon bis 31. März 2017 in Deutschland in medizinischer Behandlung befand und dort jedenfalls in einem dringenden Fall hätte weiterbehandelt werden können. Im Übrigen hat der Kläger in seiner E-Mail vom 2. Mai 2017 selbst eingeräumt, dass ihm gar nicht bekannt gewesen sei, dass er die Ortsabwesenheit beantragen müsse. Die vom Kläger behauptete und mit schlechten Deutschkenntnissen begründete fehlende Kenntnis vom Erfordernis einer vorherigen Genehmigung der Ortsabwesenheit stellt jedoch keinen Fall der außergewöhnlichen Härte dar.
Auch das Argument des Klägers, ein weiterer Aufenthalt in Deutschland hätte nichts an seiner fehlenden Verfügbarkeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit geändert, führt zu keiner anderen Beurteilung. Gemäß § 146 Abs. 1 SGB III verliert nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen, wer während des Bezugs von Alg infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig oder während des Bezugs von Alg auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird. Dies bedeutet zwar im Fall des Klägers, dass sein am 1. April 2017 entstandener Anspruch gemäß § 146 Abs. 1 SGB III ab der erneuten Arbeitsunfähigkeit vom 11. April 2017 an für sechs Wochen weiterbestanden hätte. § 146 SGB III konstituiert jedoch keinen eigenen Anspruch, sondern fingiert lediglich die Verfügbarkeit (vgl. Brand in Brand, Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung – SGB III -,7. Auflage 2015, § 146, Rn. 2). Trotz der – für die Dauer von sechs Wochen - fingierten Verfügbarkeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit fehlte es aber beim Kläger weiterhin an der Verfügbarkeit aufgrund der ungenehmigten Ortsabwesenheit. Nach Ablauf von sechs Wochen (also ab 23. Mai 2017) wären – vorbehaltlich eines möglichen Anspruchs nach § 145 SGB III – die Anspruchsvoraussetzungen unabhängig von der Ortsabwesenheit auch wegen der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit entfallen.
Der Kläger hatte auch unter Berücksichtigung des § 145 SGB III keinen Anspruch auf Alg. Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat Anspruch auf Alg auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Nachweis, dass der Kläger mehr als sechs Monate nicht in der Lage war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Unabhängig hiervon wären die Voraussetzungen des § 145 SGB III aber schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger – wie oben dargelegt –nicht verfügbar im Sinne von §§ 138 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 2 SGB III i.V.m. den Vorschriften der EAO und deshalb nicht arbeitslos im Sinne des § 138 Abs. 1 SGB III war. Er erfüllt deshalb von vornherein nicht die Vorgaben des § 145 SGB III, dass er allein deshalb nicht arbeitslos im Sinne des § 138 SGB III war, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt üblich sind.
Wie schon das SG zutreffend unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung dargelegt hat, ist im vorliegenden Fall unschädlich, dass die Beklagte die angefochtene Entscheidung nicht auf § 45 SGB X, sondern auf § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X gestützt hat, weil das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist und die Ausübung von Ermessen durch §§ 330 Abs. 2, 3 SGB III sowohl bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X als auch des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X ausgeschlossen wird, so dass es sich in beiden Fällen um eine gebundene Entscheidung handelt.
Auch ist die Entscheidung des Beklagten nicht wegen fehlender Anhörung aus formellen Gründen aufzuheben. Denn für die korrekterweise anzuwendende Vorschrift des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes) ist letztlich ebenfalls (wie in den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierten §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht] und Nr. 4 SGB X [Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis, dass der Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist]) entscheidungsrelevant, dass ein Verschulden des Klägers (zumindest grobe Fahrlässigkeit) vorliegt. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, sich auch zu diesen inneren Gesichtspunkten einer Rücknahme wegen grob fahrlässigen Verhaltens zu äußern, so dass jedenfalls im Verlauf des Widerspruchsverfahrens die fehlende Anhörung geheilt wurde (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X). Die Möglichkeit der Nachholung einer unterlassenen oder der Heilung einer fehlerhaften Anhörung erfordert, dass dem Beteiligten in dem angefochtenen Verwaltungsakt oder auf andere Weise im Laufe des Widerspruchsverfahrens alle entscheidungserheblichen Tatsachen zur Kenntnis gebracht wurden, so dass er sich zu ihnen sachgerecht äußern konnte (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001 –B 6 KA 4/91; Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2017 – L 1 AS 4157/17 ER-B). Die Beklagte hat zwar die Entscheidung im Bescheid vom 9. Mai 2017 relativ kurz mit der Ortsabwesenheit begründet und als Rechtsgrundlagen §§ 137, 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, §§ 2,3 der Erreichbarkeitsanordnung, § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III angegeben. Daraus war für den Kläger jedoch ausreichend erkennbar, aufgrund welchen Lebenssachverhalts die Aufhebung erfolgte und er hatte Gelegenheit, hierzu gezielt vorzutragen, was er auch in der Begründung des Widerspruchs ausführlich getan hat. Er hat sich insbesondere auch zu den Gesichtspunkten (mangelnde Deutschkenntnisse, Arbeitsunfähigkeit, Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe in Polen, Unkenntnis von den Konsequenzen) geäußert, die für die Frage eines Verschuldens relevant sind. Eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs kann damit nicht festgestellt werden.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 10. April 2017.
Der geborene polnische Kläger war vom 1. September 2014 bis 31. März 2017 bei der Bautechnik GmbH & Co KG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31. März 2017 durch fristgerechte Kündigung des Arbeitgebers vom 9. Februar 2017. Vom 13. Februar 2017 bis 31. März 2017 war der bei der AOK krankenversicherte Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben (vgl. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Fachärzte für Innere Medizin Dres. P. vom 13. Februar 2017, 17. Februar 2017 und 10. März 2017) und bezog vom 27. März bis 31. März 2017 Krankengeld (vgl. Bescheinigung der AOK vom 6. April 2017). Am 13. Februar 2017 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitssuchend und beantragte zum 31. März 2017 die Gewährung von Alg. Nach einem Vermerk in den Akten der Beklagten wurde im Zusammenhang mit der Antragstellung die Kenntnisnahme des Merkblattes für Arbeitslose bestätigt. Mit Bescheid vom 11. April 2017 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 1. April 2017 bis 30. März 2018 in Höhe von 31,60 EUR täglich. Am 21. April 2017 übersandte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des polnischen Facharztes für Psychiatrie Dr. G. für die Zeit ab 11. April 2017. Er sei am 10. April 2017 nach Polen abgereist, weil er dringend mit einem polnischen Arzt habe sprechen müssen und einen solchen Arzt in Deutschland nicht gefunden habe. Seine Deutschkenntnisse seien schlecht und ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er eine Genehmigung der Ortsabwesenheit beantragen müsse. Er könne sich nicht daran erinnern, dass ihm so etwas während seiner persönlichen Vorsprache am 31. März 2017 bei der Beklagten in Begleitung seiner Dolmetscherin gesagt worden sei. Mit Aufhebungsbescheid vom 9. Mai 2017 hob die Beklagte – gestützt auf §§ 137, 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, §§ 2,3 der Erreichbarkeitsanordnung, § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 10. April 2017 auf und gab als Grund die Ortsabwesenheit des Klägers an. Mit Erstattungsbescheid vom 22. Mai 2017 forderte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 663 EUR für den Monat April 2017 zurück. In seinem dagegen gerichteten Widerspruch brachte der Kläger vor, er sei Pole und könne kein Deutsch. Er habe in Deutschland keine ärztliche Hilfe gefunden und deshalb nach Polen zurückkehren müssen. Er sei nur nach Polen gereist, um dort medizinische Hilfe zu bekommen, es sei keine Urlaubsreise gewesen. Er habe nicht gewusst, welche Konsequenzen dies habe, weil er kein Deutsch spreche. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei am 10. April 2017 nach Polen gereist und habe diese Ortsabwesenheit gegenüber der Beklagten pflichtwidrig nicht angezeigt bzw. sie im Vorfeld nicht genehmigen lassen. Er sei durch die ihm ausgehändigten Informationen (Merkblatt für Arbeitslose) über diese Notwendigkeit informiert gewesen. Sein Einwand, er habe von der Meldepflicht nichts gewusst, greife daher nicht. Auch der sinngemäße Einwand, als Pole verfüge er über keine wesentlichen Deutschkenntnisse und er habe daher um die Konsequenzen der nicht angezeigten Ortsabwesenheit nicht gewusst, greife nicht. Zum einen könne man von einem ausländischen Mitbürger, der 2 Jahre und 7 Monate in Deutschland lebe und arbeite, ein Minimum an deutschem Sprachverständnis erwarten, das ausreiche, den Inhalt des Merkblatts für Arbeitslose zumindest in Grundzügen zu verstehen und darüber hinaus hätte sich der Kläger das Merkblatt übersetzen oder bei der Beklagten erläutern lassen können. Durch die ungenehmigte Ortsabwesenheit sei die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung und damit der Anspruch auf Alg weggefallen. Die Aufhebungs-/Rückforderungsentscheidung basiere auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III. Dagegen hat der Kläger am 23. Juni 2017 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er sei aufgrund seiner psychischen Probleme gezwungen gewesen, zu einem Psychiater nach Polen zu reisen und stehe allein aufgrund seiner derzeitigen Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Er habe deshalb Anspruch auf Alg, auch wenn er aufgrund der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung stehe. Der Fall wäre genauso zu beurteilen, wenn er einen deutschen Arzt aufgesucht hätte. Die Ortsansässigkeit und Arbeitsunfähigkeit in Deutschland hätte auf seine Verfügbarkeit keine Auswirkungen gehabt. Die Ortsabwesenheit sei weder geplant noch vorhersehbar gewesen. Ihm sei es psychisch derart schlecht gegangen, dass er sich habe in Behandlung geben müssen. Nachdem er in Deutschland, auch wegen seiner sprachlichen Defizite, keine Hilfe erhalten habe, habe er einen Arzt in Polen besuchen müssen. Seitdem werde die Krankheit in Polen weiterbehandelt. Hierzu hat der Kläger die Bescheinigung des polnischen Facharztes für Psychiatrie Dr. G. vom 4. September 2017 vorgelegt, wonach der Kläger am 2. März 2017 die psychiatrische Behandlung angefangen habe und der festgestellte psychische Zustand und die angewandte Medikation zur Zeit einer ständigen medikamentösen Therapie im familiären Umfeld, d.h. in seiner vertrauten Umgebung bedürften und der Aufenthalt in Deutschland ohne Familie und eingeschränkter Möglichkeit der Verständigung mit anderen Menschen (mangelnde Deutschkenntnisse) eine Steigerung von Angst mit körperlichen Symptomen und einem deutlichen Stimmungstief verursachten, was den Behandlungsprozess relevant negativ beeinflussen könne. Er stehe dem Arbeitsmarkt daher unabhängig vom Aufenthaltsort nicht zur Verfügung. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustands sei es ihm nicht möglich gewesen, die Zustimmung rechtzeitig einzuholen. Die Beklagte wäre jedoch verpflichtet gewesen, die Zustimmung zur Ortsabwesenheit nachträglich zu erteilen. Die am ersten Tag übersandte und später bei der Beklagten eingegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei letztlich der konkludente Antrag auf Zustimmung zu seiner Ortsabwesenheit gewesen. Eine solche nachträgliche Genehmigung müsse die Beklagte auch erteilen, denn er habe die Abwesenheit weder selbst herbeigeführt, noch werde seine berufliche Eingliederung durch die Abwesenheit beeinträchtigt. Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Sie habe einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Genehmigung der Ortsabwesenheit. Gerade deshalb schreibe die Erreichbarkeitsanordnung ohne Wenn und Aber eine vorherige Anzeige und ausdrücklich eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit vor, weshalb es unmöglich sei, nachträglich einer Ortsabwesenheit zuzustimmen. Vor diesem Hintergrund komme es auf den weiteren Vortrag nicht an. Im Übrigen müsse die Beklagte wie von allen anderen arbeitslos gemeldeten Personen auch vom Kläger verlangen können, dass er sich bei einer Erkrankung an einen ortsansässigen Arzt wende. Eine zunächst festgestellte und der Beklagten angezeigte Arbeitsunfähigkeit vor der Ortsabwesenheit hätte die Sache in ein ganz anderes Licht gestellt. Bei einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit und der Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung hätte sich der Kläger zunächst mit der Beklagten und der Krankenkasse in Verbindung setzen müssen. Es sei auch ausgeschlossen, dass der Kläger sich in keiner Weise mit einem deutschen Arzt hätte verständigen können. Er sei seit 2014 in Deutschland und bis März 2017 bei einem deutschen Unternehmen beschäftigt gewesen und habe nach seinen Angaben über Grundkenntnisse der deutschen und englischen Sprache verfügt. Bei seinen persönlichen Kontakten zur Beklagten sei zwar festzustellen gewesen, dass er die deutsche Sprache besser verstehe als spreche, aber eine Verständigung sei möglich gewesen. Im Übrigen habe der Kläger im März 2017 in Behandlung der Arztpraxis P. gestanden, wo aufgrund des Namens zu vermuten sei, dass er sich mit diesen Ärzten habe verständigen können.
Am 10. Juli 2017 hat sich der Kläger erneut arbeitslos gemeldet. Mit Bescheid vom 14. Juli 2017 hat die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 10. Juli 2017 bis 29. Juni 2018 in Höhe von täglich 31,60 EUR bewilligt. Am 8. September 2017 hat der Kläger zweimal persönlich bei der Beklagten (Sachbearbeiterin Frau B. vorgesprochen (vgl. Aktenvermerk vom selben Tag) und schließlich den ausgefüllten und unterschriebenen Antrag auf Ausstellung eines PD U1 (Bescheinigung deutscher Zeiten) abgegeben. Mit Bescheid vom 18. September 2017 hat die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 9. September 2017 aufgrund der eigenen Abmeldung des Klägers aus dem Leistungsbezug aufgehoben.
Mit Schreiben vom 14. November 2017 hat der Kläger mitgeteilt, er habe am 8. September 2017 einen Termin bei der Agentur für Arbeit Sc ... Wegen persönlicher Gründe habe er sich entschlossen, nach Polen zurückzukehren und habe die Sachbearbeiterin Frau B. gebeten, ihm das Formular PD U2 auszuhändigen, wobei ihm bestätigt worden sei, dass er ein solches Formular an seine Adresse in Polen übersandt bekomme. Aus dem Informationsblatt ergebe sich, dass er kein anderes Formular benötige und Frau B. habe darin an einen anderen Angestellten der Beklagten geschrieben, um ihm eine positive Entscheidung zu ermöglichen. Wenn er gewusst hätte, dass er den Anspruch auf Alg verliere und ihn nicht nach Polen übertragen könne, hätte er Deutschland nicht verlassen. Er habe keine Einkünfte, weil er in Polen keine Arbeit habe und müsse sein am 16. September 2017 geborenes Kind unterhalten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2018 abgewiesen. Die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 zu Recht die dem Kläger erteilte Bewilligung von Alg für den Zeitraum ab 10. April 2017 aufgehoben. Der Bescheid über die Bewilligung von Alg vom 11. April 2017 sei bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen, da der Kläger während seiner Ortsabwesenheit in Polen ab dem 10. April 2017 keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg ab dem 10. April 2017 gehabt habe. Er sei nach seiner Abreise nach Polen ab dem 10. April 2017 nicht mehr im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III für die Vermittlungsbemühungen der Beklagten verfügbar gewesen, was aber Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslosigkeit und damit auch für den Bezug von Alg sei. Eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit liege nicht vor und eine nachträgliche Zustimmung sehe die EAO nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X lägen vor. Der Kläger habe den Wegfall seines Anspruchs für den Zeitraum ab 10. April 2017 ohne Weiteres kennen müssen, so dass ihn diesbezüglich zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis treffe. In dem ihm ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose sei darauf hingewiesen worden, dass eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit/Reise erforderlich sei. Auch wenn der Kläger nicht gut Deutsch spreche, entbinde ihn dies – wie jeden anderen Arbeitslosen – nicht davon, vom Inhalt des Merkblattes Kenntnis zu nehmen. Er hätte sich bei Rückfragen an die Beklagte wenden können und verfüge zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Er sei von 2014 bis 2017 bei einem deutschen Unternehmen tätig gewesen und eine Verständigung sei bei den persönlichen Kontakten zur Beklagten in deutscher Sprache möglich gewesen. Auch die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids seien erfüllt, insbesondere liege kein Anhörungsfehler vor und das Auswechseln der Rechtsgrundlagen sei grundsätzlich zulässig, weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet seien und eine Ermessensentscheidung gemäß § 330 Abs. 2 SGB III bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen nicht zu treffen gewesen sei. Gegen den seinem Bevollmächtigten am 1. Februar 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Februar 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Die angefochtene Entscheidung sei formell fehlerhaft, weil ein Anhörungsmangel vorliege, der nicht geheilt sei und auch ein Begründungsmangel vorliege, weil kein Ermessen ausgeübt und begründet worden sei. Der Bescheid sei auch materiell-rechtlich rechtswidrig, weil das Ermessen gar nicht ausgeübt worden sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Rücknahme gar nicht vor. Er sei bereits seit März 2017 in Polen in psychologischer Behandlung und der deutschen Sprache nicht mächtig. Es sei zweifelhaft, dass eine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich des Merkblattes in deutscher Sprache vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Januar 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und den angefochtenen Gerichtsbescheid bezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Alg für die Zeit ab 10. April 2017 aufgehoben hat.
Der Bewilligungsbescheid vom 14. Juli 2017, mit dem die Beklagte dem Kläger Alg für die Zeit vom 10. Juli 2017 bis 29. Juli 2018 bewilligt hat und der Aufhebungsbescheid vom 18. September 2017, mit dem die Bewilligung ab 8. September 2017 aufgehoben wurde, sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens geworden. Zwar sind die genannten Bescheide nach Erlass des hier streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 ergangen, jedoch müssten sie den Bescheid vom 9. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2017 abgeändert oder ersetzt haben. Dies ist nicht der Fall, weil der erneuten Bewilligung von Alg aufgrund einer neuen Arbeitslosmeldung des Klägers zum 10. Juli 2017 und der Aufhebung ab dem 8. September 2017 wegen Wegzugs des Klägers nach Polen bzw. Abmeldung aus dem Leistungsbezug ein völlig anderer Lebenssachverhalt zugrunde liegt als der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Aufhebung der Bewilligung von Alg aufgrund einer ungenehmigten Ortsabwesenheit des Klägers ab 10. April 2017.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend dargelegt, dass die – näher dargelegten - Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids über die Bewilligung von Alg vom 11. April 2017 für die Zeit ab 10. April 2017 gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorlagen, weil dieser Bescheid bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen ist, da der Kläger während seiner Ortsabwesenheit in Polen ab dem 10. April 2017 keinen Anspruch auf die Gewährung von Alg ab dem 10. April 2017 gehabt hat. Das SG hat hierbei zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger nach seiner Abreise nach Polen ab dem 10. April 2017 nicht mehr im Sinne von § 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III i.V.m. § 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeits-Anordnung – EAO) für die Vermittlungsbemühungen der Beklagten verfügbar gewesen ist, was aber Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslosigkeit und damit auch für den Bezug von Alg ist, die Voraussetzungen des § 2 EAO sowie eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit gemäß § 3 EAO nicht vorlagen und die EAO eine nachträgliche Zustimmung nicht vorsieht. Das SG hat auch zutreffend dargelegt, dass der Kläger den Wegfall seines Anspruchs für den Zeitraum ab 10. April 2017 ohne Weiteres kennen musste, so dass ihn diesbezüglich zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis trifft, weil er in dem ihm ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose darauf hingewiesen wurde, dass eine vorherige Zustimmung zur Ortsabwesenheit/Reise erforderlich ist und hierzu ausgeführt, dass es den Kläger, auch wenn er nicht gut Deutsch spricht, wie jeden anderen Arbeitslosen nicht davon entbindet, vom Inhalt des Merkblattes Kenntnis zu nehmen, er sich bei Rückfragen an die Beklagte hätte wenden können und zumindest über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Dabei hat das SG auch berücksichtigt, dass der Kläger von 2014 bis 2017 bei einem deutschen Unternehmen tätig gewesen und eine Verständigung sei bei den persönlichen Kontakten zur Beklagten in deutscher Sprache möglich gewesen ist. Auch die formellen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheids hat das SG bejaht, insbesondere keinen Anhörungsfehler angenommen und das Auswechseln der Rechtsgrundlagen für grundsätzlich zulässig erachtet, weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet seien und eine Ermessensentscheidung gemäß § 330 Abs. 2 SGB III bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen nicht zu treffen gewesen ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine nachträgliche Genehmigung der Ortsabwesenheit auch nicht aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Umstände in Betracht kommt. Wegen des Zustimmungserfordernisses gemäß § 3 Abs. 1 EAO ist erforderlich, dass vor Antritt des Urlaubs oder der sonstigen Ortsabwesenheit die nach § 3 Abs. 1 EAO vorgeschriebenen Feststellungen (Nichtbeeinträchtigung der beruflichen Eingliederung) von der Arbeitsagentur getroffen werden; eine bloße Anzeige des beabsichtigten Urlaubs (bzw. der Ortsabwesenheit) ist nicht ausreichend (vgl. Gagel, SGB II/SGB III, 73. Ergänzungslieferung, Stand März 2019, § 138, Rn. 273). Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in der EAO keine nachträgliche Genehmigung geregelt ist. Zwar kann unter Umständen die Zustimmung nach § 3 Abs. 1 EAO im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden, wenn die Zustimmung rechtswidrig verweigert wird oder der Arbeitslose in Fällen außergewöhnlicher Härte (unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 3 Abs. 3 EAO) aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslosen unvermeidbarer Ereignisse gehindert ist, die Zustimmung der Beklagten einzuholen (vgl. Söhngen in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand September 2017, § 138, Rn. 150f. m.w.N.). Allerdings kann die Verfügbarkeit bei einem auswärtigen Aufenthalt von mehr als drei Tagen – wie hier - ohne vorherige Zustimmung auch in Härtefällen mangels eines normativen Ansatzpunkts nicht weiter bejaht werden (vgl. Söhngen, a.a.O., § 138 Rn. 152). Die Voraussetzungen für die Fingierung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit liegen daher schon deshalb nicht vor, weil der Kläger mehr als drei Tage ohne Zustimmung der Beklagten ortsabwesend gewesen ist. Darüber hinaus hat auch kein Härtefall vorgelegen, der den Kläger daran gehindert hat, die Zustimmung zur Ortsabwesenheit einzuholen. Der Kläger hat vor seiner Abreise nach Polen keinen entsprechenden Antrag gestellt, sondern sich erst nachträglich (erstmals am 21. April 2017) aus Polen gemeldet. Nachdem er noch am 31. März 2017 (während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit) mit einer Bekannten als Dolmetscherin bei der Beklagten vorgesprochen hat, ist nicht ersichtlich, weshalb es ihm zu diesem Zeitpunkt oder in der Zeit vom 1. April bis 9. April 2017 (als im Übrigen keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vorlag) aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht möglich gewesen sein sollte, rechtzeitig vor der Abreise nach Polen die Zustimmung der Beklagten zur Ortsabwesenheit zu beantragen. Ein medizinischer Notfall, der ohne zeitliche Verzögerung ausgerechnet eine Behandlung in Polen erforderlich gemacht hätte, ist nicht ersichtlich, zumal sich der Kläger schon bis 31. März 2017 in Deutschland in medizinischer Behandlung befand und dort jedenfalls in einem dringenden Fall hätte weiterbehandelt werden können. Im Übrigen hat der Kläger in seiner E-Mail vom 2. Mai 2017 selbst eingeräumt, dass ihm gar nicht bekannt gewesen sei, dass er die Ortsabwesenheit beantragen müsse. Die vom Kläger behauptete und mit schlechten Deutschkenntnissen begründete fehlende Kenntnis vom Erfordernis einer vorherigen Genehmigung der Ortsabwesenheit stellt jedoch keinen Fall der außergewöhnlichen Härte dar.
Auch das Argument des Klägers, ein weiterer Aufenthalt in Deutschland hätte nichts an seiner fehlenden Verfügbarkeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit geändert, führt zu keiner anderen Beurteilung. Gemäß § 146 Abs. 1 SGB III verliert nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder stationären Behandlung mit einer Dauer von bis zu sechs Wochen, wer während des Bezugs von Alg infolge Krankheit unverschuldet arbeitsunfähig oder während des Bezugs von Alg auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt wird. Dies bedeutet zwar im Fall des Klägers, dass sein am 1. April 2017 entstandener Anspruch gemäß § 146 Abs. 1 SGB III ab der erneuten Arbeitsunfähigkeit vom 11. April 2017 an für sechs Wochen weiterbestanden hätte. § 146 SGB III konstituiert jedoch keinen eigenen Anspruch, sondern fingiert lediglich die Verfügbarkeit (vgl. Brand in Brand, Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung – SGB III -,7. Auflage 2015, § 146, Rn. 2). Trotz der – für die Dauer von sechs Wochen - fingierten Verfügbarkeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit fehlte es aber beim Kläger weiterhin an der Verfügbarkeit aufgrund der ungenehmigten Ortsabwesenheit. Nach Ablauf von sechs Wochen (also ab 23. Mai 2017) wären – vorbehaltlich eines möglichen Anspruchs nach § 145 SGB III – die Anspruchsvoraussetzungen unabhängig von der Ortsabwesenheit auch wegen der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit entfallen.
Der Kläger hatte auch unter Berücksichtigung des § 145 SGB III keinen Anspruch auf Alg. Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat Anspruch auf Alg auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Nachweis, dass der Kläger mehr als sechs Monate nicht in der Lage war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Unabhängig hiervon wären die Voraussetzungen des § 145 SGB III aber schon deshalb nicht erfüllt, weil der Kläger – wie oben dargelegt –nicht verfügbar im Sinne von §§ 138 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 2 SGB III i.V.m. den Vorschriften der EAO und deshalb nicht arbeitslos im Sinne des § 138 Abs. 1 SGB III war. Er erfüllt deshalb von vornherein nicht die Vorgaben des § 145 SGB III, dass er allein deshalb nicht arbeitslos im Sinne des § 138 SGB III war, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt üblich sind.
Wie schon das SG zutreffend unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung dargelegt hat, ist im vorliegenden Fall unschädlich, dass die Beklagte die angefochtene Entscheidung nicht auf § 45 SGB X, sondern auf § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X gestützt hat, weil das Auswechseln der genannten Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig ist und die Ausübung von Ermessen durch §§ 330 Abs. 2, 3 SGB III sowohl bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X als auch des § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X ausgeschlossen wird, so dass es sich in beiden Fällen um eine gebundene Entscheidung handelt.
Auch ist die Entscheidung des Beklagten nicht wegen fehlender Anhörung aus formellen Gründen aufzuheben. Denn für die korrekterweise anzuwendende Vorschrift des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X (Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes) ist letztlich ebenfalls (wie in den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierten §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Mitteilungspflicht] und Nr. 4 SGB X [Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis, dass der Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist]) entscheidungsrelevant, dass ein Verschulden des Klägers (zumindest grobe Fahrlässigkeit) vorliegt. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, sich auch zu diesen inneren Gesichtspunkten einer Rücknahme wegen grob fahrlässigen Verhaltens zu äußern, so dass jedenfalls im Verlauf des Widerspruchsverfahrens die fehlende Anhörung geheilt wurde (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X). Die Möglichkeit der Nachholung einer unterlassenen oder der Heilung einer fehlerhaften Anhörung erfordert, dass dem Beteiligten in dem angefochtenen Verwaltungsakt oder auf andere Weise im Laufe des Widerspruchsverfahrens alle entscheidungserheblichen Tatsachen zur Kenntnis gebracht wurden, so dass er sich zu ihnen sachgerecht äußern konnte (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001 –B 6 KA 4/91; Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2017 – L 1 AS 4157/17 ER-B). Die Beklagte hat zwar die Entscheidung im Bescheid vom 9. Mai 2017 relativ kurz mit der Ortsabwesenheit begründet und als Rechtsgrundlagen §§ 137, 138 Abs. 5 Nr. 2 SGB III, §§ 2,3 der Erreichbarkeitsanordnung, § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III angegeben. Daraus war für den Kläger jedoch ausreichend erkennbar, aufgrund welchen Lebenssachverhalts die Aufhebung erfolgte und er hatte Gelegenheit, hierzu gezielt vorzutragen, was er auch in der Begründung des Widerspruchs ausführlich getan hat. Er hat sich insbesondere auch zu den Gesichtspunkten (mangelnde Deutschkenntnisse, Arbeitsunfähigkeit, Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe in Polen, Unkenntnis von den Konsequenzen) geäußert, die für die Frage eines Verschuldens relevant sind. Eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs kann damit nicht festgestellt werden.
Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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