L 13 R 405/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1152/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 405/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Dezember 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1959 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Sanitärinstallateur und Blechner absolviert (ohne Abschluss) und war anschließend als Kraftfahrer und Baufach- bzw. Straßenbauarbeiter tätig. Seit 1992 arbeitete er als Gemeindearbeiter bei der Gemeinde H.-B., wo er zunächst als Bauhof-Arbeiter tätig war und ab 2004 aus gesundheitlichen Gründen im Wesentlichen mit Hausmeistertätigkeiten und Postzustellungen betraut wurde. Seit 31. Januar 2013 war der Kläger arbeitsunfähig krank und bezog vom 15. März 2013 bis zur Aussteuerung am 1. August 2014 Krankengeld sowie anschließend Arbeitslosengeld. Ab 27. März 2003 ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 anerkannt (vgl. Bescheid des Versorgungsamtes H. vom 12. Mai 2003). Vom 17. April 2013 bis 22. Mai 2013 nahm der Kläger an einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der K.-Klinik in St. Bl. teil (Diagnosen laut Entlassungsbericht: depressive Episode, mittelgradig, bei erheblichen Arbeitsplatzkonflikten; Somatisierungsstörung; Alkoholabusus; LWS-Syndrom bei Bandscheibenleiden L4/5; Arthritis urica D 1, Bezüglich der letzten beruflichen Tätigkeit als Gemeindearbeiter bestehe weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen, ebenso für leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung verschiedener qualitativer Einschränkungen). Am 27. August 2013 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nachdem der Antrag von der Beklagten mit Bescheid vom 19. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2014 (nach Einholung des Gutachtens des Arztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie St. vom 9. Dezember 2013 [Diagnosen belastungsabhängige Lumboischialgie ohne altersvorausschreitende Funktionseinschränkungen oder neurologische Symptomatik; Arthritis urica, medikamentös nicht ausreichend therapiert; belastungsabhängige HWS-Beschwerden ohne Funktionseinschränkungen, ohne neurologische Symptomatik, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen, in bedarfsgerechtem Wechsel, ohne Nachtschicht, ohne häufige Wirbelsäulenzwangshaltung, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne häufige Überkopfarbeiten und ohne häufiges Begehen von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gemeindearbeiter sechs Stunden und mehr täglich ausführen] abgelehnt worden war, erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage (S 6 R 776/14). Nach Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers und des Gutachtens der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. vom 21. November 2014 (leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten mit der Möglichkeit zur Wechselhaltung unter Beachtung bestimmter – näher dargelegter – qualitativer Einschränkungen seien noch vollschichtig leistbar, die Möglichkeit zum Aufsuchen einer Toilette bei erhöhter Stuhlfrequenz sollte bestehen, Beschränkungen des Arbeitsweges bezüglich Zeit, Dauer oder Art des Verkehrsmittels bestünden nicht) wies das SG die Klage mit Urteil vom 23. Januar 2015 ab und stützte sich im Wesentlichen auf das Verwaltungsgutachten des Dr. St., die sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Orthopäden Dr. V. und das von Amts wegen eingeholte Gutachten der Sachverständigen O.-P. Am 18. August 2015 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und legte Befundberichte seiner behandelnden Ärzte vor. Die Beklagte wertete das für die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit H. – erstellte Gutachten des Dr. G. vom 13. Juli 2015, welches unter Berücksichtigung der integrationsrelevanten Funktionseinschränkungen (schwere Funktionsstörung der Hals- und Lendenwirbelsäule, Beinverkürzung links, Funktionsstörung beider Ellenbogengelenke, Funktionsstörung des rechten Kniegelenkes, Funktionsstörung beider Füße, psychische Minderbelastbarkeit mit vermehrtem Empfinden körperlicher Beschwerden) für den allgemeinen Arbeitsmarkt ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten und eine hinreichende Wegefähigkeit, auch unter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, bescheinigte sowie weitere Berichte über ärztliche Behandlungen des Klägers und die medizinischen Unterlagen aus dem vorangegangenen Rentenverfahren aus und lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2016 ab. Dagegen hat der Kläger am 18. April 2016 Klage beim SG erhoben. Es habe sich eine Schmerzchronifizierung herausgestellt, die er nur durch die Einnahme von morphinhaltigen Medikamenten im Griff habe. Begleitend dazu befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung. Dr. W. habe in seinem (beigefügten) ärztlichen Bericht vom 9. Februar 2015 einen Hinweis auf ein depressives Syndrom festgestellt.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen.

Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. D. hat mitgeteilt, dass nur ein einmaliger Behandlungstermin am 11. März 2016 stattgefunden habe und deshalb eine valide Beantwortung der Beweisfragen nicht möglich sei.

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie (Leiter der Gutachtenambulanz und Schmerztherapie im Universitätsklinikum H.) Prof. Dr. Sch. hat als Diagnosen chronisch weitverbreitete Schmerzen, beginnende Coxarthrose beidseits, Polyneuropathie, Colon irritable, arterielle Hypertonie, chronische Bronchitis und Gicht bei Urikämie angegeben und die erhobenen Befunde mitgeteilt. Der Kläger könne eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden täglich verrichten.

Der Facharzt für Chirurgie, Enddarmchirurgie, Proktologie Dr. Do. hat mitgeteilt, dass von Seiten des proktologischen Bereiches eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gefährdung der Gesundheit mit einer Dauer von sechs Stunden täglich durchführbar sei. Der Kläger habe im gesamten Verlauf der Behandlung auf ihn den Eindruck einer psychisch depressiven Beeinträchtigung gemacht.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. hat als neurologische Diagnosen eine sensible Polyneuropathie unklarer Genese, eine Morton-Neuralgie beidseits, ein Wurzelreizsyndrom L 5 links, Störungen des Ganges und der Mobilität und psychiatrisch eine Dysthymia, ein chronisches Schmerzsyndrom und eine somatoforme Schmerzstörung mitgeteilt. Von nervenärztlicher Seite könne noch eine leichte körperliche Tätigkeit unter vier Stunden täglich verrichtet werden.

Der Arzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. V. hat eine wiederkehrende Lumboischialgie bei Skoliose der Wirbelsäule und Degeneration der Lendenwirbelsäule, Kniegelenksarthrose rechts und Gichtarthropathie bei bekannten erhöhten Harnsäurewerten und regelmäßige medikamentöser Behandlung einer Gicht angegeben. Im Dezember 2015 sei eine Behandlung wegen einer Periostitis am Schienbein links (Knochenhautentzündung) erfolgt, im März 2016 seien Weichschaumeinlagen wegen Senkfuß bds. verordnet worden und im Mai 2016 sei eine Punktion des rechten Kniegelenkes bei bekannter Kniegelenksarthrose und Gichtarthritis erfolgt. Neurologische Ausfallserscheinungen seien nicht festgestellt worden. Eine leichte körperliche Tätigkeit vorwiegend im Sitzen bis maximal sechs Stunden täglich könne noch ausgeführt werden, wobei kürzere Wegstrecken und kürzere Stehzeiten noch zumutbar seien. Die Psychotherapeutin Dr. phil. Dipl.-Psych. U. hat rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig schwer, eine chronische depressive Verstimmung und eine anhaltende Schmerzstörung diagnostiziert. Es sei eine Verschlechterung eingetreten, seit die Schmerzzustände so schlimm geworden seien, dass der Kläger auf Morphine zur Schmerzlinderung angewiesen sei. Seitdem sei ihm noch klarer geworden, dass es eine wesentliche Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr geben dürfte.

Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren Dr. M. hat unter Verweis auf die beigefügten Befundberichte mitgeteilt, es sei von einer wesentlichen Zunahme der psychischen Belastung des Klägers sowohl durch die chronischen Schmerzen als auch durch die sozialen Folgen der sich verschlechternden Depression mit all ihren sozialen Folgen auszugehen. Insofern sei nicht mehr davon auszugehen, dass der Kläger in der Lage sei, eine Arbeit von wirtschaftlichem Wert auszuüben.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Se. hat über eine einmalige Vorstellung des Klägers im Juni 2016 berichtet. Es sei die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome gestellt worden. Die Fragen zur Leistungsfähigkeit des Klägers könne er aufgrund der einmaligen Vorstellung nicht beantworten.

Sodann hat das SG von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Schn. vom 4. November 2016 eingeholt. Dieser hat als Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet chronische depressive Verstimmungen reaktiver Genese im Sinne von Anpassungsstörungen bei belastender sozialer Situation, Polyneuropathie unklarer Ursache ohne manifeste sensomotorische Ausfälle und schädlichen Nikotinkonsum sowie als sonstige Diagnosen polyarthrotische Beschwerden, Wirbelsäulenbeschwerden ohne aktuelle radikuläre Reiz- oder Ausfallssymptomatik, Bluthochdruckleiden, medikamentös behandelt, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, gering ausgeprägt, Stoffwechselstörung der Harnsäure, medikamentös behandelt, Gichtleiden und Reizmagen- und Reizdarmbeschwerden angegeben. Der Kläger könne leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne vermehrt geistige-psychische Belastungen in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht arbeitstäglich acht Stunden verrichten. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich und der Kläger könne täglich viermal einen Fußweg von mehr als 500 Metern in jeweils unter 20 Minuten als Arbeitsweg zurücklegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Auf Antrag und auf Kosten des Klägers gemäß §109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat ferner die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Bl. das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten vom 28. August 2017 erstellt. Die Sachverständige hat als psychiatrische Diagnosen eine chronifizierte somatoforme Schmerzstörung, Agoraphobie mit Panikstörung, Dysthymia, kombinierte Persönlichkeitsstörung mit in erster Linie abhängigen und selbstunsicher-vermeidenden Anteilen, Nikotinabusus und als somatische Diagnosen arterielle Hypertonie, degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates, leichtgradige chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, Hyperurikämie und idiopathische Polyneuropathie angegeben. Sowohl die somatoforme Schmerzstörung als auch die Angststörung wirkten sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit aus. Der Kläger könne aufgrund der Chronifizierung beider Erkrankungen und aufgrund der Fixierung seiner regressiven Haltung die Arbeitssituation als solche emotional nicht mehr bewältigen. Er könne nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig sein. Das heutige Funktionsbild bestehe zumindest seit dem Tod der Mutter im Januar 2013.

Hierzu hat sich die Beklagte kritisch geäußert und die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. De. vom 4. Oktober 2017 vorgelegt.

Mit Urteil vom 8. Dezember 2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Dezember 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2016 verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines Leistungsfalls von August 2017 für die Dauer von drei Jahren ab März 2018 zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierbei hat sich das SG im Wesentlichen auf die Feststellungen des Gutachtens der Dr. Bl. gestützt und einen Leistungsfall ab dem Begutachtungszeitpunkt (August 2017) angenommen. Da eine Besserung der gesundheitlichen Situation nach adäquater Behandlung der psychischen Beschwerden – vornehmlich der Angststörungen – nicht auszuschließen sei, hat das SG die Rente befristet.

Gegen das ihr am 5. Januar 2018 zugestellt Urteil hat die Beklagte am 30. Januar 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Kläger sei nicht daran gehindert, leichte Arbeiten noch sechs Stunden und länger pro Tag unter den betriebsüblichen Bedingungen auszuführen. Es liege keine gravierende Einschränkung seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vor und seine sozialen Interaktionsfähigkeiten und sein Interessenspektrum seien ausreichend erhalten, so dass aktuell psychische Einbußen nicht in dem klinisch-relevanten Ausmaß vorliegen, die eine Rentengewährung begründen könnten. Noch zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. Bl. hätten sich gravierende Einschnitte im Ablauf des täglichen Lebens sowie der Selbstversorgung, wie sie bei schweren depressiven Erkrankungen bzw. schweren somatoformen Schmerzerkrankungen vorhanden seien, nicht gezeigt. Nachdem sich Dr. Bl. bei der Gutachtenerstellung hauptsächlich auf die subjektiven Angaben des Klägers gestützt habe und diese weder einer Plausibilitäts- noch einer Konsistenzprüfung unterzogen habe, enthalte es methodische Fehler und sei für die Entscheidungsfindung nicht ausreichend schlüssig. Der Kläger sei bei der ihm zumutbaren Willensanstrengung noch in der Lage, seinen Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren. Es bestünden keine Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen. Auch liege keine weitgehende objektivierbare bzw. keine ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens, beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit vor.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hat auf das angefochtene Urteil verwiesen. Das SG lege überzeugend dar, dass er unter einer chronisch depressiven Verstimmung reaktiver Genese im Sinne einer Anpassungsstörung leide und setze sich mit dem Gutachten des Dr. Schn., der Dr. Bl. und der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. auseinander. Weiter führe das SG aus, dass er unter einer Agoraphobie mit Panikstörungen leide. Diese wirkten sich bei ihm körperbezogen aus, was Dr. Bl. auch eingehend dargelegt habe. Die Angststörung führe zu einem erheblichen Vermeidungsverhalten, wovon sich das SG, welches ihn im Termin eingehend zu seiner persönlichen Situation befragt habe, selbst habe überzeugen können. Der Senat hat von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Ma. vom 13. August 2018 eingeholt. Dieser hat folgende Diagnosen mitgeteilt: chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, schmächtige Unterschenkelmuskulatur links bei Z.n. unklarer Fußoperation im Kindesalter, Carpaltunnelsyndrom rechts, Verdacht auf blande sensible Polyneuropathie, Angabe einer Gonalgie beidseits sowie lumbale und cervicale Wirbelsäulenbeschwerden ohne neurologische Anhaltspunkte für eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation sowie fachfremd arterieller Hypertonus ohne bekannte Folgekrankheiten, Hyperurikämie, degenerative Kniegelenksveränderungen. Er hat auf Elemente einer Aggravation hingewiesen, jedoch angenommen, dass die psychische Störung zu einer subjektiven Beeinträchtigung des Klägers führe, die Tätigkeiten unter sehr hohem Zeitdruck, unter sehr hohen emotionalen Belastungen und mit sehr hoher Verantwortung, wie beispielsweise als Vorgesetzter für mehr als fünf Mitarbeiter ausschließe. Körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger unter Beachtung – näher dargelegter – qualitativer Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich ohne Gefährdung der Gesundheit ausführen. Betriebsunübliche Pausen oder besonders gestaltetes Arbeitsgerät seien nicht notwendig und der Kläger sei in der Lage, viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 m in auch weniger als 15 Minuten zu bewältigen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Seit 2013 sei keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers festzustellen.

Hierzu hat sich der Kläger kritisch geäußert. Er hat zunächst beanstandet, dass der Sachverständige Ma. bereits 2002 ein Gutachten über ihn erstellt habe. Es sei unverständlich, dass er ihn nicht darauf hingewiesen habe. Damals habe der Sachverständige keine Aggravations- bzw. Simulationsneigungen erkennen können. Der Sachverständige sei daher völlig ungeeignet, seine gesundheitliche Situation einzuschätzen. Auch der Inhalt des Gutachtens sei – wie näher dargelegt unter Angabe der jeweiligen Seitenzahl im Gutachten - teilweise nicht korrekt. Der Sachverständige habe auch die Diagnosen des Versorgungsamtes nicht in sein Gutachten eingearbeitet und aktuelle ärztliche Berichte und Diagnosen seiner Begutachtung nicht zu Grunde gelegt. Die von ihm unterstellte Simulation und Aggravation werde von allen ihn behandelnden Ärzten nicht so gesehen.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. Oktober 2018 hat sich der Sachverständige Ma. zu den vom Kläger zu seinem Gutachten vorgebrachten Kritikpunkten detailliert geäußert. Er hat dargelegt, dass er sich an die Begutachtung des Klägers vor 16 Jahren nicht erinnere und ist bei seiner Leistungseinschätzung geblieben.

Der Kläger hat weitere ärztliche Atteste bzw. Befundberichte vorgelegt, u.a. das ärztliche Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Mar. vom 6. Dezember 2018, wonach nach dem Laborbefund eine chronische Borreliose im Spätstadium vorliege und eine weitere Abklärung durch Dr. H. geplant sei, und auf die Behandlung des Klägers bei der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Ba. hingewiesen. Der Senat hat daraufhin bei der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Ba. deren Berichte vom 18. Juni 2018, vom 7. September 2018 und vom 20. November 2018, den Bericht des Radiologischen Zentrums S. – E. – E. – W. – H. (DRZ) vom 30. Mai 2018 über die MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule, die fachärztliche Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Se. vom 11. August 2008 und das Laborblatt der Dr. Mar. vom 30. November 2018 beigezogen.

Am 18. Dezember 2018 hat die Berichterstatterin den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Hierzu wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Anschließend hat der Kläger noch u.a. den ärztlichen Bericht des Facharztes für Innere und Allgemeinmedizin PD Dr. H. vom 8. Januar 2019 (Diagnose chronische Borreliose) und das Attest der Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie Ba. vom 14. Januar 2019 (aufgrund der genannten Diagnosen könnten schweres Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie Tätigkeiten in Zwangshaltung, Überkopfarbeiten, ständiges oder häufiges Gehen, Stehen und Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern etc. und Tätigkeiten mit erhöhtem Aufmerksamkeitsbedarf nicht durchgeführt werden) vorgelegt. Nach Angaben des PD Dr. H. finde sich in der Borrelienserologie das Vollbild einer chronifizierten Borreliose, so dass man davon ausgehen müsse, dass bereits seit längerer Zeit eine chronifizierte Borreliose bestehe. Bei einer chronifizierten Borrelieninfektion könne letztlich nur eine intravenöse Therapie zur Heilung führen. Der Kläger hat hierzu vorgebracht, dass dadurch die vom Sachverständigen Ma. in seinem Gutachten angeführten Unklarheiten aufgeklärt worden seien, weil sich nun die festgestellten Symptome durch die Feststellung der Borreliose erklärten.

Zum o.g. Befundbericht des PD Dr. H. und den weiteren vom Kläger überlassenen ärztlichen Berichten hat sich der Sachverständige Ma. in seiner Stellungnahme vom 16. Februar 2019 ergänzend geäußert. Er hat sich auf die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie bezogen, wonach u.a. zur Diagnose einer Neuroborreliose zwingend eine Lumbalpunktion erforderlich sei. Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Neuroborreliose ergebe sich aus den gesamten Unterlagen, der hier erhobenen Anamnese und dem erhobenen Befund nicht. Antikörper im Blutserum gegen Borrelien könnten allein keine krankheitsaktive Borreliose belegen, sondern nur einen Kontakt des Immunsystems mit Borreliea burgdorferi zu einem unbekannten Zeitpunkt. Eine Lyme-Borreliose setze neben dem Nachweis einer Borrelien-Infektion einen zum Krankheitsbild der Borreliose passenden klinischen Befund voraus. Der einzige nachweisbar oder plausibel dazu passende Befund wäre beim Kläger das Erythema migrans im Oktober 2018 gewesen, was nach antibiotischer Behandlung als abgeheilt zu betrachten sei. Eine Beeinträchtigung über mehr als sechs Monate resultiere daraus nicht. Unabhängig davon, ob der Kläger eine Borreliose gehabt habe oder nicht, wären der klinische Befund und die nachvollziehbar feststellbare Einschränkung der Belastbarkeit für die Beurteilung des Leistungsvermögens entscheidend.

Hierzu hat der Kläger den Arztbrief des PD Dr. H. vom 11. März 2019 vorgelegt, in dem er sich auch auf die Stellungnahme des Sachverständigen Ma. bezieht. Die von dem Sachverständigen Ma. angeführte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zum Thema Neuroborreliose sei nicht geeignet, um die Behandlungsbedürftigkeit chronischer Borreliosen zu beurteilen und im Fall des Klägers liege ein Laborergebnis vor, das den Nachweis erbringe, dass er an einer chronischen Borreliose leide, die nur intravenös zu behandeln sein werde.

Zuletzt hat der Kläger angeregt, PD Dr. H. als sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen bzw. ihn von Amts wegen auf orthopädischem Fachgebiet begutachten zu lassen. Er hat in der mündlichen Verhandlung weitere Angaben gemacht und ergänzend den Bericht des DRZ vom 12. Juni 2019 über eine MRT-Untersuchung des linken Kniegelenks vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2016.

Rechtsgrundlagen für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung sind §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Das Vorliegen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung und auch der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung muss im Vollbeweis objektiv nachgewiesen sein. Dies erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteile vom 15. Januar 2009 – L 14 R 111/07 und vom 8. Juli 2010 – L 14 R 112/09). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsache – hier der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung begründenden Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens – als erbracht angesehen werden kann. Eine bloße gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Kann das Gericht das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen trotz Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht feststellen, geht dieser Umstand zu Lasten desjenigen, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten will, hier also zu Lasten des Klägers.

Gemessen hieran ist der Kläger nicht erwerbsgemindert. Der Senat stützt sich bei dieser Einschätzung im Wesentlichen auf das nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Ma. und dessen ergänzende gutachterlichen Stellungnahmen. Der Sachverständige Ma. hat sich ausführlich mit den vorliegenden Vorbefunden und den vom Kläger angegebenen Beschwerden beschäftigt und umfangreiche Untersuchungsbefunde erhoben. Darüber hinaus hat er die Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf, den Freizeitaktivitäten und dem sozialen Umfeld (er habe eine sehr gute Beziehung zum Sohn seiner Partnerin und von ihm gebe es zwei Enkelkinder, letztes Jahr sei er vom Sohn für zwei Wochen zum L.-Urlaub eingeladen gewesen, er sei mit seiner Frau abwechselnd mit dem PKW hochgefahren, man gehe ab und zu mit einem Paar aus dem Tanzclub essen, tanzen und Fahrradfahren gehe wegen der Schmerzen nicht mehr, Kontakte bestünden überwiegend zur Verwandtschaft der Partnerin, zu der man eine sehr gute Beziehung unterhalte, er sei Hausmann und koche, bediene die Waschmaschine, hänge die Wäsche auf, sauge die Wohnung durch, mache Einkäufe, er sitze viel im Garten und grüble, mal mache er mit seiner Partnerin einen Spaziergang, sie habe aber auch keine große Lust, abends sehe man gemeinsam fern, Dorffeste meide er im Gegensatz zu früher, weil er nicht gefragt werden wolle "was hast du denn, du siehst ja so gut aus") in die Beurteilung einbezogen. Der psychische Befund war unauffällig, insbesondere waren Auffassungsvermögen, Merkfähigkeit und Konzentration unbeeinträchtigt, der Antrieb nicht vermindert und die Schwingungs- und Resonanzfähigkeit nicht beeinträchtigt mit normalem emotionalen Schwingungsvermögen, ohne pathologisch affektiven Schwankungen im Gespräch und pathologische Tagesverlaufsschwankungen; positive Emotionen waren auslösbar. Agoraphobe Ängste hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen nur insoweit angegeben, als er Busfahrten wegen seiner Durchfallneigung vermeide, früher habe er schon Busreisen unternommen. Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, dass er Einkäufe erledige und alleine Auto fahre sowie Dorffeste meide, weil er nicht auf das Rentenverfahren bzw. die lange Krankschreibung angesprochen werden und hören wolle, dass er doch gut aussehe, das Vorliegen einer eigentlichen Agoraphobie, zumindest einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ausgeschlossen. Darüber hinaus hat er darauf verwiesen, dass keine expliziten Symptome von Panikattacken vorlägen. Insbesondere konnte der Sachverständige trotz einer vom Kläger angegebenen Schweißneigung bei Hitze während der Untersuchung bei einer Zimmertemperatur von 29° keine erkennbare Schweißneigung feststellen. Auch die Besuche beim Sohn und dessen Familie in der Schweiz und die Urlaubsreise im letzten Jahr sprechen nach zutreffender Einschätzung des Sachverständigen gegen eine im Erwerbsleben schwerer behindernde Agoraphobie. Darüber hinaus hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass eine Agoraphobie auch in der Vergangenheit nie behandelt wurde und die Stellungnahmen der behandelnden Psychologen nicht auf eine relevante Angstsymptomatik hingedeutet haben. Am ehesten hat der Sachverständige eine Einschränkung durch eine angegebene Höhenangst gesehen, die allerdings sonst nirgends in den Akten beschrieben worden sei. Der Sachverständige hat ferner berücksichtigt, dass im Blutserum das Medikament Escitalopram, das gegen eine Angststörung wirken würde, nicht nachweisbar war und das schmerzdistanzierende und angstlösende Medikament Pregabalin sowie das Medikament Hydromorphon nur weit unterhalb des therapeutischen Bereichs nachweisbar waren und diese Medikamente daher mit sehr großer Wahrscheinlichkeit – im Gegensatz zu den Angaben des Klägers – nicht regelmäßig eingenommen würden, was der Sachverständige als Aggravation gewertet hat. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige hierzu auf die Leitlinie zur Begutachtung von Schmerzen hingewiesen, wonach aus dem fehlenden Nachweis bzw. dem Nachweis unterhalb des therapeutischen Bereichs der Medikamente, die als regelmäßig eingenommen angegeben werden, abgeleitet werden könne, dass entweder die Therapie nicht optimal ist bzw. noch weitere Behandlungsoptionen bestehen oder möglicherweise nur ein geringer Leidensdruck vorliege und auf eine Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der vorgebrachten Beschwerden und der tatsächlichen Beeinträchtigung geschlossen werden könne. Auch bei den durchgeführten Tests hat der Sachverständige im strukturierten Fragebogen simulierter Symptome aufgrund des vom Kläger erreichten Gesamtscores von 28 Punkten, der sehr deutlich oberhalb des Cut-Off-Wertes von 16 Punkten lag, Hinweise auf eine negative Antwortverzerrung gesehen und zu dem in der Selbstbeurteilungsskala zur Diagnose der Depression nach W.W.K. Zung erreichten Wert von 57 (entsprechend einer schweren bis sehr schweren Depression) darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis nicht mit dem klinischen Eindruck übereinstimme. Ebenso hat der Sachverständige das vom Kläger angegebene "Stimmenhören" im Zusammenhang mit der im strukturierten Fragebogen simulierter Symptome festgestellten Neigung, auch ungewöhnliche Beschwerden zu bejahen, gesehen und darauf hingewiesen, dass das "Stimmenhören" sonst nirgends in der Aktenlage auftauche. Im Hinblick auf die festgestellten Aggravationstendenzen hat der Sachverständige beanstandet, dass im Gutachten der Dr. Bl. keine Beschwerdevalidierung durchgeführt worden sei. Die von Dr. Bl. angenommene Persönlichkeitsstörung, die dem Kläger nur die Möglichkeit lassen würde, an einem Nischenarbeitsplatz tätig zu werden, hat der Sachverständige ausgeschlossen. Er hat sich insbesondere nicht der von Dr. Bl. geäußerten Ansicht angeschlossen, dass der Kläger aufgrund seiner Persönlichkeit bereits bei Eintritt ins Erwerbsleben wenig belastbar gewesen sei und nur unter behüteten Idealbedingungen habe funktionieren können. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass eine solche Persönlichkeitsstörung aus der Erwerbsbiographie nicht abzuleiten sei, weil der Kläger bei verschiedenen Arbeitgebern tätig war, von denen er wegen seiner handwerklichen Geschicklichkeit geschätzt wurde.

Auf neurologischem Fachgebiet hat der Sachverständige zwar ein Carpaltunnelsyndrom rechts festgestellt, jedoch eine wesentliche Behinderung im Erwerbsleben ausgeschlossen und auf die sehr guten Behandlungsmöglichkeiten hingewiesen. Klinische Hinweise auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenirritation waren nicht festzustellen. Bezüglich einer vorbekannten leichten sensiblen Neuropathie fand sich ein gerade noch normales Vibrationsempfinden. Die Beschwerdeangaben bezüglich der Polyneuropathie hat der Sachverständige als ungewöhnlich bezeichnet und darauf hingewiesen, dass die sensible Störung der Oberflächensensibilität am linken Bein mit der Polyneuropathie nicht erklärbar sei, weil die Muskeleigenreflexe normal waren und sich bei kooperationsbedingt eingeschränkten Untersuchungsbedingungen keine Parese fand. Der Sachverständige Ma. hat zusammenfassend schlüssig und widerspruchsfrei und im Wesentlichen übereinstimmend mit der Beurteilung des Dr. Schn. in seinem für das SG erstellten Gutachtens dargelegt, dass der Kläger aufgrund der Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet zwar verschiedene - näher dargelegte – qualitative Einschränkungen beachten muss, jedoch in der Lage ist, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Dem schließt sich der Senat in vollem Umfang an. Insbesondere folgt der Senat auch der Einschätzung des Sachverständigen Ma., dass eine erhebliche Beeinträchtigung durch die Agoraphobie sowie eine Persönlichkeitsstörung nicht vorliegt und dementsprechend auch daraus keine zeitliche Leistungseinschränkung resultiert. Denn der Sachverständige hat schlüssig herausgearbeitet, dass eine solche schwere Beeinträchtigung unter Berücksichtigung des unauffälligen psychischen Befunds, der vom Kläger geschilderten Alltags- und Freizeitaktivitäten (inklusive Urlaubsreisen und Besuchen beim Sohn in der Schweiz), der Aggravationstendenzen und der Erwerbsbiographie des Klägers nicht vorliegt. Dagegen vermag die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung der Dr. Bl., die – vor allem gestützt auf die subjektiven Angaben des Klägers und ohne Durchführung einer Beschwerdevalidierung bzw. Plausibilitätsprüfung sowie ohne ausreichende Auseinandersetzung mit den noch vorhandenen Interessen und den Alltags- und Freizeitaktivitäten - von einer stärkeren Ausprägung der Beschwerden mit Auswirkung auf die zeitliche Leistungsfähigkeit des Klägers ausgeht, nicht zu überzeugen.

Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergibt sich auch nicht aufgrund einer chronischen Borrelioseerkrankung des Klägers. Denn – wie bereits oben dargelegt – lassen sich dem Gutachten des Sachverständigen Ma. keine Funktionsbeeinträchtigungen ableiten, die sich auf das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers auswirken; insbesondere waren keine Paresen oder ausgeprägtere Sensibilitätsstörungen vorhanden. Auch die durch die Schmerzsymptomatik bewirkten Einschränkungen sind – unabhängig von der Ursache der Schmerzen - von dem Sachverständigen umfassend gewürdigt und im Rahmen der qualitativen Leistungseinschränkungen berücksichtigt worden. Es kann daher im Ergebnis dahinstehen, ob die von PD Dr. H. und der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Mar. diagnostizierte chronische Borreliose vorliegt oder nicht. Denn für die Beurteilung des rentenrechtlich relevanten Leistungsvermögens des Klägers sind nur die tatsächlich vorliegenden bzw. nachgewiesenen Funktionsbeeinträchtigungen mit Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgebend, weshalb es auf die genaue Ursache dieser Funktionsbeeinträchtigungen nicht entscheidend ankommt. Die relevanten Funktionsbeeinträchtigungen ergeben sich – wie bereits oben ausführlich dargelegt - nachvollziehbar aus dem Gutachten des Sachverständigen Ma. und dessen ergänzenden Stellungnahmen. Anhaltspunkte dafür, dass aus der von PD Dr. H. diagnostizierten, chronifizierten Borreliose, die nach seiner Einschätzung bereits seit längerer Zeit besteht, weitere Funktionseinschränkungen resultieren, die nicht schon im Gutachten des Sachverständigen Ma. berücksichtigt wurden, liegen nicht vor. Das nach Angaben von PD Dr. H. im Oktober 2018 aufgetretene Erythema migrans wurde mit oraler antibiotischer Therapie behandelt, so dass hier von keiner dauerhaften Funktionseinschränkung auszugehen ist; unabhängig davon wäre diese Hauterscheinung auch nicht geeignet, eine zeitliche Leistungseinschränkung zu bewirken.

Weitere Beweiserhebung von Amts wegen war demnach im Zusammenhang mit der Borreliose nicht erforderlich. Insbesondere war auch eine Vernehmung des behandelnden Arztes PD Dr. H. als sachverständiger Zeuge in der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich. Denn die Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen Ma. und die vorliegenden weiteren medizinischen Unterlagen sind für die gerichtliche Entscheidungsfindung im Hinblick auf die streitgegenständliche Frage eines Anspruchs auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ausreichend. Auch zu der von PD Dr. H. gestellten Diagnose selbst bzw. deren Grundlagen und der Einschätzung des PD Dr. H. bezüglich der Borrelioseerkrankung sind keine weiteren Erläuterungen erforderlich, weil sich alle relevanten Informationen hierzu aus den bereits vorliegenden Befundberichten vom 9. Januar 2019 und vom 11. März 2019 ergeben.

Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens aufgrund der orthopädischen Erkrankungen. Sowohl der Arzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. V. als auch der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. Sch., die vom SG als sachverständige Zeugen vernommen wurden, haben den Kläger unter Berücksichtigung der von ihnen mitgeteilten Diagnosen und Befunde auf orthopädischem Fachgebiet noch für in der Lage gehalten, unter Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine seitdem eingetretene dauerhafte wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist nicht belegt, insbesondere ergeben sich hierfür auch keine Anhaltspunkte aus den im Berufungsverfahren beigezogenen Berichten der behandelnden Orthopädin Ba., in denen u.a. über Ischialgien und das (bereits seit Jahren bekannte und im Gutachten des Sachverständigen Ma. ausführlich berücksichtigte) chronische Schmerzsyndrom berichtet und im Bereich der HWS und der rechten Schulter lediglich endgradige Bewegungseinschränkungen angegeben werden. Die von der Orthopädin Ba. im Attest vom 14. Januar 2019 angegebenen Einschränkungen, die aus den von ihr genannten Diagnosen resultieren (kein schweres Heben und Tragen von Lasten über 5 kg sowie keine Tätigkeiten in Zwangshaltung, Überkopfarbeiten, kein ständiges oder häufiges Gehen, Stehen und Treppensteigen sowie keine Arbeiten auf Leitern etc. und keine Tätigkeiten mit erhöhtem Aufmerksamkeitsbedarf) betreffen nur das qualitative Leistungsvermögen des Klägers, wirken sich aber bei Ausübung leichter körperlicher Tätigkeiten nicht in zeitlicher Hinsicht aus. Soweit der Kläger auf aktuelle Kniebeschwerden hingewiesen und hierzu den Bericht über die MRT-Untersuchung vom 12. Juni 2019 vorgelegt hat, ist derzeit nicht absehbar, wie lange die Beschwerden unter entsprechender Therapie anhalten werden, so dass eine dauerhafte Funktionseinschränkung nicht belegt ist. Demnach war auch auf orthopädischem Fachgebiet keine weitere Beweiserhebung von Amts wegen erforderlich. Anhaltspunkte dafür, dass sonstige Gesundheitsstörungen vorliegen, die sich rentenrechtlich relevant auf das Leistungsvermögen des Klägers auswirken könnten, liegen nicht vor. Insbesondere hat auch der Facharzt für Chirurgie, Enddarmchirurgie, Proktologie Dr. Do. mitgeteilt, dass von Seiten des proktologischen Bereiches eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gefährdung der Gesundheit mit einer Dauer von sechs Stunden täglich durchführbar ist. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine erhöhte Stuhlfrequenz angesprochen hat, was allerdings im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben während der Begutachtung durch den Sachverständigen Ma. steht (zweimalige Stuhlentleerungen pro Tag), wäre allenfalls eine weitere qualitative Einschränkung, nämlich die Möglichkeit zum Aufsuchen einer Toilette, zu beachten, wie schon von der Sachverständigen O.-P. im vorangegangenen Klageverfahren (S 6 R 776/14) unter Berücksichtigung der damaligen Situation dargelegt wurde.

Der Kläger ist demnach bei Beachtung der angegebenen qualitativen Einschränkungen noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein und hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI.

Eine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit besteht nicht. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris) liegen bei dem Kläger nicht vor. Die von dem Sachverständigen Ma. genannten qualitativen Einschränkungen sind in ihrer Art oder Summe nicht geeignet, die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der - wie der Kläger - nach dem verbliebenen Restleistungsvermögen noch zumindest körperlich leichte Tätigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189).

Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine Tätigkeit nicht unter den in Betrieben üblichen Bedingungen ausüben kann, weil der Sachverständige Ma. keine betriebsunüblichen Bedingungen erwähnt hat.

Schließlich liegt auch keine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit vor. Der Sachverständige Ma. hat den Kläger für in der Lage gehalten, viermal täglich Wegstrecken von mehr als 500 Metern in auch weniger als 15 Minuten zu bewältigen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Er erfüllt damit die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Kriterien (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90, juris). Außerdem kann der Kläger nach den Feststellungen des Sachverständigen Ma. auch einen PKW führen.

Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht nicht. Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob Berufsunfähigkeit vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des BSG der bisherige Beruf oder Hauptberuf, den der Versicherte ausgeübt hat. Bisheriger Beruf ist die pflichtversicherte Tätigkeit, die der Versicherte auf Dauer zur Schaffung und Erhaltung seiner Lebensgrundlage mit dem Ziel ausübt, diese bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze oder bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit fortzuführen. In der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn sie die qualitativ höchste ist (vgl. Nazarek in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 240, Rn. 35 m.w.N.). Im Fall des Klägers ist demnach auf die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Gemeindearbeiter abzustellen, wobei der Kläger allenfalls kurzfristig angelernte Tätigkeiten ausgeübt hat. Der Kläger ist daher auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die ihm mit den oben dargelegten qualitativen Einschränkungen gesundheitlich zumutbar sind, verweisbar.

Da das SG somit zu Unrecht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 3. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 2016 verurteilt hat, dem Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab März 2018 zu gewähren, war das Urteil vom 8. Dezember 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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