L 5 AS 1798/18

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 24 AS 28342/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 AS 1798/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014. Die Klägerin begehrt außerdem die Feststellung, dass sie dauerhaft die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines entsprechenden Anspruchs bei zukünftigen Bewilligungen von Leistungen nach dem SGB II erfüllt. Die Klägerin steht bei dem Beklagten fortlaufend im Leistungsbezug. Durch Bescheid vom 23. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. April 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014 ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfes. Am 8. Februar 2014 stellte die Klägerin bei dem Beklagten unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Allgemeinmediziners B vom 4. Februar 2014 einen Antrag auf Gewährung von Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung wegen Laktoseintoleranz. Nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme, die das Vorliegen eines Mehrbedarfes verneinte, lehnte der Beklagte die Gewährung des Mehrbedarfes durch Bescheid vom 12. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2014 ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfes seien im Falle der Klägerin nach der amtsärztlichen Stellungnahme und den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostenzulagen in der Sozialhilfe nicht erfüllt. Daraufhin hat die Klägerin am 3. Dezember 2014 vor dem Sozialgericht Berlin (SG) Klage "gegen den Bescheid vom 12. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2014" erhoben. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Gewährung eines Mehrbedarfes für kostenaufwändige Ernährung i.H.v. monatlich 25,00 EUR im streitgegenständlichen Zeitraum zu verurteilen sowie festzustellen, dass dieser Mehrbedarf bei weiterer ärztlich bescheinigter Laktoseintoleranz bei weiter bestehendem Alg II-Bezug in jedem Bewilligungsabschnitt zu gewähren ist. Das SG hat einen Befundbericht des Allgemeinmediziners B vom 22. September 2015 angefordert. Zur Begründung ihres Feststellungsantrages hat die Klägerin vorgetragen, es sei ihr nicht zumutbar, jeden Bewilligungsabschnitt einzeln zu prüfen. Zur Entlastung der Gerichte sei eine einheitliche Grundentscheidung notwendig. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. August 2018 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Änderung der Leistungsbescheide und Aufhebung des Ablehnungsbescheides zur Gewährung eines Mehrbedarfes iHv 25,00 EUR für die Zeit vom 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014 zu verurteilen sowie "festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfes auch in Zukunft bei der Bemessung des Grundsicherungsbedarfes zu berücksichtigen sind, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen". Durch Urteil vom 8. August 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf den begehrten Mehrbedarf. Für den Feststellungsantrag fehle bereits das Feststellungsinteresse. Zwar könne ausnahmsweise ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses Gegenstand einer Feststellungsklage gem. § 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sein, der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II sei jedoch nach Grund und Höhe von veränderlichen Rahmenbedingungen abhängig, weshalb durch die punktuelle Feststellung eines Bedarfs keine Gewähr für eine dauerhafte Streitbeilegung folge. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Gegen das ihr am 30. August 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. September 2018 Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie stehe dauerhaft bei dem Beklagten im Leistungsbezug, weshalb eine grundsätzliche Entscheidung über den Mehrbedarf notwendig sei, dessen Verwaltung ggf. bei Veränderung der Marktlage neu durch ein Gutachten ermittelt werden könne. Festgestellt werden solle die Pflicht des Beklagten zur sachgerechten Ermittlung des Mehrbedarfes. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Mehrbedarfes wegen Laktoseintoleranz lägen vor. Die konkrete Höhe müsse in angemessenen Abständen neu ermittelt werden. Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. August 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. April 2014 in der Fassung des Bescheides vom 12. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr, der Klägerin, im Zeitraum 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gem. § 21 Abs. 5 SGB II i.H.v. monatlich 25,00 EUR zu gewähren und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfes auch in Zukunft bei der Bemessung des Grundsicherungsbedarfes zu berücksichtigen sind, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er meint, die Berufung sei bereits unzulässig, weil der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 SGG nicht erreicht werde. Die Klägerin erfülle zudem nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschlages gem. § 21 Abs. 5 SGB II, denn sie leide aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens nicht an einer Erkrankung mit erheblichen körperlichen Auswirkungen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung geworden sind.

II. Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gem. § 158 Satz 1, Satz 2 SGG durch Beschluss verwerfen, weil sie bereits unstatthaft ist. Der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG für die Statthaftigkeit einer Berufung maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstandes wird nicht erreicht. Der von der Klägerin begehrte Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gem. § 21 Abs. 5 SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Juli 2014 in Höhe von insgesamt (6 x 25,00 EUR) 150,00 EUR übersteigt weder den Betrag von 750,00 Euro noch handelt es sich um eine nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG wiederkehrende oder laufende Leistung für mehr als ein Jahr. Der von der Klägerin im Verfahren vor dem SG zusätzlich erhobene Feststellungsantrag bleibt bei der Feststellung des Beschwerdewertes unberücksichtigt. Zu Recht hat das SG dieses abstrakte, von einem konkreten Bewilligungsbescheid losgelöste Feststellungsbegehren der Klägerin als unzulässig erachtet. Voraussetzung für die Zulässigkeit eine Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGG ist, dass der Streit das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, d.h. eine aus der Anwendung einer Norm auf einen Lebenssachverhalt entstandene Rechtsbeziehung betrifft (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. September 1968, 6RKa 31/66; juris). Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind rechtliche Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen für das Verhältnis der Beteiligten ergeben, wobei Gegenstand einer Feststellungsklage ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein muss (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. März 2009, 8 C 1/09; juris). Dabei kann sich das Feststellungsbegehren auch auf zukünftige Rechtsverhältnisse beziehen (Scholz in Roos/Wahrendorf, SGG, § 55, Rn. 31). Ein solches Feststellungsinteresse ist hier jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar. Denn abzugrenzen von der Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG sind auf die Feststellung einzelner Tatbestands- und Leistungsvoraussetzungen gerichtete Feststellungsbegehren, so wie vorliegend bezogen auf ein Tatbestandsmerkmal für die Gewährung des begehrten Mehrbedarfes. Solche Klagebegehren können nicht zulässig mit der Feststellungsklage verfolgt werden (vgl. BSG v. 15.06.2016 – B 4 AS 45/15 R – juris). Ein Feststellungsinteresse folgt auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, wonach eine endgültige Klärung über den Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines Mehrbedarfes gem. § 21 Abs. 5 SGB II herbeigeführt werden soll. Soweit die Vorgehensweise des Beklagten bei der Ermittlung zukünftiger Leistungsansprüche gegen Rechtsvorschriften verstoßen sollte, ist dies im Rahmen der Rechtsbehelfe gegen die jeweiligen Leistungsbescheide geltend zu machen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin geltend macht, dass anerkannt sei, dass Elemente eines Rechtsverhältnisses dann einer Feststellung im Klageweg zugänglich seien, wenn dadurch der Streit in Gänze bereinigt werde. Da der Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfes gem. § 21 Abs. 5 SGB II von einer entsprechenden, sich ändernden Bedarfsfeststellung sowohl in gesundheitlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht in jedem Bewilligungsabschnitt abhängig ist, ist es unmöglich, eine allgemeingültige Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II losgelöst von einem konkreten Bewilligungsabschnitt zu treffen. Es lässt sich daher gerade nicht von vornherein annehmen, dass ein Streit zwischen den Beteiligten zukünftig insgesamt und dauerhaft seine Erledigung fände (vgl. BSG Urteil vom 15. Juni 2016, B 4 AS 45/15 R; juris). Hiervon geht auch die Klägerin aus indem sie vorträgt, bei Streitigkeiten müsse künftig Art und Umfang der Leistung durch Gutachten ermittelt werden. Die Klägerin kann damit bereits nach ihrem eigenen Vortrag ihr Rechtsschutzziel nicht erreichen. Der Feststellungsantrag ist damit als aufs Geratewohl getätigt anzusehen und insofern rechtsmissbräuchlich mit dem Ziel des Erreichens der Zulässigkeit der Berufung. Ein auf diese Weise geltend gemachter Anspruch bleibt daher bei der Berechnung des Beschwerdewerts nach § 144 Satz 1 Nr. 1 SGG außer Betracht (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 8. Januar 2014, L 11 AS 526/12; juris Rn. 50 m.w.N.; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 19). Vom Vorliegen eines willkürlichen bzw. rechtsmissbräuchlichen Antrags zur Erreichung der Berufungssumme ist nach der Rechtsprechung dann auszugehen, wenn eine eindeutig funktionswidrige Inanspruchnahme einer an sich gegebenen Rechtsschutzmöglichkeit vorliegt, indem etwa ein Anspruch nur ins Spiel gebracht wird, um eine Sachurteilsvoraussetzung "gezielt" herbeizuführen (BSG, Urteil vom 5. März 1980, 9 RV 44/78; SozR 1500 § 148 Nr. 5 S. 7) oder - entgegen einer eindeutigen gesetzlichen Regelung - Prozessanträge nur deshalb und ohne gesetzliche Grundlage gestellt werden, um die Berufungsfähigkeit zu erreichen (BSG Urteil vom 22. August 1990, 10 RKg 29/88; BSGE 67, 194, 195 = SozR 3-5870 § 27 Nr 1. S. 2). Die gezielte Umgehung von Prozessvorschriften muss als "willkürlich" in dem Sinne erscheinen, dass für das Verhalten des Rechtsmittelklägers ein vernünftiger Grund nicht erkennbar ist (BSG, Urteil vom 28. Februar 1978, 4 RJ 73/77; SozR 1500 § 146 Nr. 7). So liegt der Fall hier. Ein vernünftiger Grund für die Stellung des Feststellungsantrages ist nicht erkennbar. Die Klägerin kann zudem bereits nach ihrem eigenen Vortrag ihr Rechtsschutzziel nicht erreichen. Sie macht mit der Berufung einen prozessualen Anspruch geltend, den das Gesetz nicht vorsieht, weil die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 S. 1 SGG offensichtlich nicht vorliegen und dessen Erhebung zwangsläufig zur Folge hätte, dass die in § 144 Abs. 1 SGG vorgesehene Beschränkung der Berufung nicht eintritt (vgl. BSG, SozR 1500 § 146 Nr. 7 m.w.N. und für den Fall der künstlichen Herstellung des Beschwerdewertes für das Berufungsverfahren Bundesgerichtshof (BGH) NJW 1973, 370 m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn entgegen einer eindeutigen gesetzlichen Regelung Prozessanträge nur deshalb und ohne gesetzliche Grundlage gestellt werden, um die Berufungsfähigkeit zu erreichen (BSG, Urteil vom 22. August 1990, 10 RKg 29/88; BSGE 67, 194, 195 = SozR 3-5870 § 27 Nr. 1 S. 2). Würde die Erhebung einer Elementenfeststellungsklage wie vorliegend zur Zulässigkeit der Berufung führen, könnten die gesetzlich normierten Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGG in jedem Rechtsstreit umgangen werden. Damit wäre die Statthaftigkeit der Berufung dem Belieben und der Willkür des Rechtsmittelklägers ausgesetzt, was ersichtlich nicht den prozessualen Grundsätzen des SGG entspricht. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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