L 12 AS 914/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 234/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 914/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.02.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Januar 2019.

Der 1982 geborene Kläger ist selbständiger Designer, Illustrator, Schriftsteller und Autor. Hieraus erzielt er jedoch keine Einnahmen. Er bewohnt seit dem 28.12.2018 eine Wohnung im H.weg in P., welche im Eigentum seiner Mutter steht. Zuvor bewohnte er seit dem 27.11.2017 gemeinsam mit seiner Mutter eine 128 m2 große Doppelhaushälfte in der W. in E., deren Miteigentümer er nach dem Tod seines Vaters zu 1/8 ist. Neben dem Kläger sind Miteigentümer an der Doppelhaushälfte seine Schwester ebenfalls zu 1/8, sowie seine Mutter zu 3/4. Vor dem 27.11.2017 war der Antragsteller bereits einmal in P. (Stadt) wohnhaft. Von der dort zuständigen Stadt P. – Jobcenter - bezog er seit dem 01.11.2016 bis zum Umzug im November 2017 Leistungen nach dem SGB II auf Darlehnsbasis, da der Miteigentumsanteil verwertbares Vermögen darstelle.

Mit Schreiben vom 25.07.2018 beantragte der Kläger unter Angabe der Adresse in E. bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 01.01.2019.

Mit Bescheid vom 27.12.2018 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da keine Hilfebedürftigkeit vorliege. Bei dem Miteigentumsanteil an dem Grundstück in E. handle es sich um verwertbares Vermögen des Klägers, welches die maßgeblichen Freibeträge überschreite. Nach Angaben des Klägers betrage der Verkehrswert des Grundstücks 175.000,00 EUR. Entsprechend seinem Eigentumsanteil von 1/8 sei ihm ein Vermögen von 21.875,00 EUR zuzurechnen. Dinglich gesicherte Verbindlichkeiten stünden dem Verkehrswert nicht entgegen. Die Gesamtwohnfläche von 128 m² überschreite die maßgebliche Grenze für geschütztes (selbstgenutztes) Vermögen für einen Ein-Personen-Haushalt von 90 m² erheblich. Das Hausgrundstück zähle daher nicht zu dem geschützten Vermögen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte oder für eine offensichtlich unwirtschaftliche Verwertung lägen nicht vor. Der Kläger sei bereits mehrfach dazu aufgefordert worden, Verwertungsbemühungen vorzuweisen. Solche Nachweise habe er bis heute nicht vorgelegt.

Am 28.12.2018 verlegte der Kläger seinen Hauptwohnsitz in den H., 75173 P ...

Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies der Beklagte unter Verweis auf den angefochtenen Bescheid mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2019 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 15.01.2019 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Als Wohnanschrift hat er den H. in P. angegeben. Weiterhin hat er unter Vorlage einer Meldebescheinigung ausgeführt, seit dem 28.12.2018 wieder in P. zu wohnen. Der Beklagte sei als Behörde, die zuerst mit der Sache befasst gewesen sei, jedoch weiterhin für seinen Leistungsantrag zuständig. Er müsse solange die beantragten Leistungen erbringen, bis diese von der nunmehr wirklich zuständigen Stadt P. – Jobcenter fortgesetzt würden. Er habe dort bereits einen Leistungsantrag gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Im Übrigen sei er trotz eines Miteigentums an dem ehemals selbstgenutzten Grundstück hilfebedürftig.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.02.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei seit 01.01.2019 örtlich nicht (mehr) für Leistungen an den Kläger zuständig.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 07.03.2019 beim SG erhobenen Berufung. Der Ablehnungsbescheid vom 27.12.2018 sei noch vor dem Wechsel des Hauptwohnsitzes erfolgt, den er seit 28.12.2018 nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Beklagten habe. Damit sei ein Verwaltungsverfahren begonnen worden, so dass die Zuständigkeit des Beklagten erhalten bleibe. Im Übrigen handele es sich bei dem Hausgrundstück nicht um verwertbares Vermögen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.02.2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01.01.2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angegriffenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.

Mit Urteil vom 11.12.2019 hat der 3. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg die Berufung des Klägers in mehreren Verfahren gegen die Stadt P. – Jobcenter, mit der von dort Leistungen ab 01.01.2019 begehrt wurden, zurückgewiesen (L 3 AS 2553/19).

Wegen der weiteren Einzelheiten im Sachverhalt und im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung des Klägers ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG zulassungsbedürftig. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat die Gewährung von Leistungen ab 01.01.2019 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Der Kläger begehrt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) eine Aufhebung des Bescheids vom 27.12.2018 in der Gestalt Widerspruchsbescheids vom 07.01.2019 und die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.01.2019.

Der angefochtene Bescheid vom 27.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen keine Leistungen nach dem SGB II gegen den Beklagten zu.

Der Beklagte ist im Streitzeitraum für Leistungen der Grundsicherung an den Kläger nicht (mehr) örtlich zuständig, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II) in der Stadt P. hat, die nicht zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners gehört, der sich allein auf den Enzkreis (ohne die Stadt P.) erstreckt. Dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Zuständigkeitsbereich des Beklagten hat, entnimmt der Senat zum einen den eigenen Angaben des Klägers gegenüber dem Beklagten, dem SG und dem LSG sowie der vom Kläger dem SG vorgelegten Meldebescheinigung vom 28.12.2018, wonach sich die Hauptwohnung in P. (Stadt) befindet. Darüber hinaus hat der Kläger auch einen Antrag bei der Stadt P. – Jobcenter gestellt. Entgegen den Ausführungen des Klägers hat eine Änderung des gewöhnlichen bzw. tatsächlichen Aufenthalts einen Zuständigkeitswechsel der Behörde zur Folge (vgl. Aubel, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 36, Rn. 44).

Etwas Anderes folgt auch nicht aus § 2 Abs. 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil diese Norm voraussetzt, dass von der bisher zuständigen Behörde Leistungen für den streitigen Zeitraum bereits erbracht werden. § 2 Abs. 3 SGB X findet indes keine Anwendung, wenn um die Gewährung von Leistungen für einen neuen Bewilligungsabschnitt gestritten wird (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2016, L 7 AS 41/16 ER-B, juris; Aubel, a.a.O., Rn. 46.1; Roller, v. Wulffen/Schütze, 8. Aufl. 2014, SGB X § 2 Rn. 15). Dies ist hier aber gerade der Fall, weil der Kläger die Gewährung von Leistungen ab dem 01.01.2019 begehrt, für diesen Zeitraum aber bislang keine Leistungen gewährt oder bewilligt, sondern gerade (mit Bescheid des Antragsgegners vom 27.12.2018) abgelehnt worden sind.

Nach alldem ist die Berufung, unabhängig von der Frage, ob der Beklagte die Hilfebedürftigkeit zutreffend beurteilt hat, zurückzuweisen.

Eine Beiladung der Stadt P. – Jobcenter musste nicht erfolgen. Die Beiladung eines anderen Leistungsträgers nach § 75 Abs. 2 und 5 SGG ist nicht erforderlich, wenn dessen Verurteilung bzw. Verpflichtung von vorneherein ausgeschlossen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.03.2017, L 7 AY 5085/15, juris; Urteil vom 18.07.2018, L 7 AY 2834/15, juris). Dies ist hier der Fall. Einer Verurteilung der Stadt P. – Jobcenter zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.01.2019 steht das Verfahren L 3 AS 2553/19 entgegen, in dem ebendiese Leistungen geltend gemacht werden. Folglich liegt – unabhängig von der Frage eines Antrags auf Verurteilung – anderweitige Rechtshängigkeit nach § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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