Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 2901/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 459/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.01.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Einstellung der Zahlung von Verletztengeld; der Kläger begehrt die auf Gewährung von Verletztengeld über den 31.05.2015 hinaus.
Der am 1979 in K. in der Türkei geborene Kläger hat nach eigenem Vorbringen im Herkunftsland ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert. In der Bundesrepublik Deutschland hat er eine entsprechende Tätigkeit jedoch nicht ausgeübt, sondern war zuletzt als angelernter Industriereiniger beschäftigt.
Am 02.08.2013 erlitt der Kläger einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall; beim Platzen eines Hochdruckschlauchs erlitt er multiple Verletzungen und zog sich unter anderem mehrere Rippenbrüche zu. In seinem Gutachten vom 14.03.2014 führte Dr. G. aus, der Kläger leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit fortbestehendem Behandlungsbedarf. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig und könne die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als angelernter Industriereiniger nicht mehr ausüben. Die Beklagte leistete in der Folge Verletztengeld bis 31.05.2015, wobei die 78. Woche bereits am 29.01.2015 geendet hatte. Im unmittelbaren Anschluss an die Verletztengeldzahlung gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 10.12.2015 ab 01.06.2015 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 11.12.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, unter Berücksichtigung der Unfallfolgen sei ihm die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Arbeiten mit Hochdruckgeräten ausgenommen) weiterhin möglich. Sie sei bereit, die berufliche Wiedereingliederung durch geeignete Hilfen (z. B. Leistungen an zukünftige Arbeitgeber, arbeitsplatzbezogene Qualifizierung) zu unterstützen.
Zuvor hatte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 07.05.2015 zur beabsichtigten Einstellung der Verletztengeldzahlung mit Ablauf des 31.05.2015 angehört. Sie hatte darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der 78. Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei. Qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht zu erbringen. Man gehe davon aus, dass das in der Türkei absolvierte Studium in Deutschland nicht anerkannt worden sei. Der Kläger verfüge damit über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei der beruflichen Wiedereingliederung seien deshalb Anlerntätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in den Blick zu nehmen. Die Beklagte sei bereit, den Kläger dabei zu unterstützten.
Der Kläger wendete mit Schreiben vom 27.05.2015 ein, sein in der Türkei absolviertes vierjähriges Studium der Betriebswirtschaftslehre sei sehr wohl anerkannt worden. Zum Beleg hierfür legte er eine Bescheinigung des Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland – Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom 15.11.2013 vor, ausweislich derer das vom Kläger am 17.07.2008 in der Türkei erfolgreich abgeschlossene Studium einem deutschen Hochschulstudium auf Bachelor-Ebene entspreche.
Mit Bescheid vom 23.06.2015 verfügte die Beklagte, die Zahlung von Verletztengeld werde mit Ablauf des 31.05.2015 eingestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Verletztengeld ende mit Ablauf der 78. Woche, da dem Kläger qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu gewähren seien. Der Kläger habe zwar nachgewiesen, dass sein in der Türkei absolviertes Studium der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland anerkannt worden sei, ausgeübt habe er eine entsprechende Tätigkeit in Deutschland aber nicht. Deshalb sei die Wiedereingliederung an Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu orientieren. Mit Ausnahme von Tätigkeiten an Hochdruckgeräten könne der Kläger eine solche Beschäftigung schon länger wieder verrichten. Den seitens des Klägers gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2015 zurück.
Mit der am 25.09.2015 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Durch geeignete Maßnahmen sei es der Beklagten sehr wohl möglich, ihm eine Beschäftigung als Betriebswirt in Deutschland zu ermöglichen. Deshalb habe die Beklagte qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, weshalb sein Anspruch auf Verletztengeld fortbestehe. Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund dem Kläger zunächst medizinische Leistungen zur Rehabilitation im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) M. (18.01.2016 bis 12.02.2016) und mit Bescheid vom 06.07.2013 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bewilligt. Mit weiterem Bescheid vom 04.08.2013 hat die DRV Bund dem Kläger eine Weiterbildung für den Beruf "SAP Spezialist FiCO" als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur weiteren Begründung ergänzend ausgeführt, die seitens der DRV Bund bewilligten Reha-Maßnahmen seien überwiegend wegen unfallunabhängiger Wirbelsäulenbeschwerden nach Bandscheibenvorfall L4/5 uns L5/S1 durchgeführt worden. Mit Urteil vom 11.01.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten über die Einstellung der Zahlung von Verletztengeld sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztengeld über den 31.05.2015 hinaus. Rechtsgrundlage für die Einstellung des Verletztengeldes sei § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die Voraussetzungen dieser Norm lägen vor. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und der damit einhergehenden Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei zumindest für die nächsten 78 Wochen nicht zu rechnen (gewesen). Zudem habe zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten kein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die wiederum einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen würden, bestanden. Die Beklagte habe mit dem streitgegenständlichen Bescheid Wiedereingliederungsmaßnahmen angeboten und damit inzident die Gewährung qualifizierter Leistungen abgelehnt. Diese Entscheidung sei frei von Ermessensfehlern getroffen worden.
Gegen dieses ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 31.01.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.02.2018 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Ihm seien zwischenzeitlich (auch) von der Bundesagentur für Arbeit qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt worden. Er übe nun den Beruf des Buchhalters aus. Er habe damit unter Beweis gestellt, dass er durchaus in der Lage war, einen solchen Beruf zu erlernen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.01.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2015 zu verurteilen, ihm über den 31.05.2015 hinaus Verletztengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form– und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs– und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG; vgl. LSG Baden–Württemberg, Urteil vom 20.03.2014 – L 10 U 2744/12 –, juris) ist der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Verletztengeld über den 31.01.2015 hinaus.
Verletztengeld wird insbesondere erbracht, wenn ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitseinkommen hatte (§ 45 Abs. 1 SGB VII) und kein Beendigungstatbestand im Sinne des § 46 Abs. 3 SGB VII vorliegt. Außerdem besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf sog. Übergangs–Verletztengeld, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind (§ 45 Abs. 2 SGB VII; vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 31/06 R –, SozR 4–2700 § 46 Nr. 3).
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG, a.a.O. m.w.N.).
Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufes liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufes eingeschränkt ist (BSG a.a.O.). Dies zugrundegelegt, lag beim Kläger Arbeitsunfähigkeit vor, denn er war zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nicht in der Lage die zuletzt bis zum Arbeitsunfall am 02.08.2013 verrichtete Tätigkeit auszuüben. Diese steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII endet das Verletztengeld (1.) mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme oder (2.) mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht. Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII (1.) mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs– oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können, (2.) mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen und (3.) im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII für ein Ende des Verletztengeldanspruchs lagen nicht vor. Denn der Kläger war – wie bereits dargelegt – seit dem 31.01.2011 aufgrund der Unfallfolgen arbeitsunfähig, ohne im Hinblick auf die zuletzt verrichtete Tätigkeiten wieder Arbeitsfähigkeit erlangt zu haben. Da er Verletztengeld nicht wegen des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die ihn an einer ganztätigen Erwerbstätigkeit gehindert hätte, erhielt (so die anspruchsbegründende Regelung des § 46 Abs. 1 SGB VII), kommt die zweite Alternative des § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII als Beendigungstatbestand ebenfalls nicht in Betracht.
Das Ende des Verletztengeldanspruches nach § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII greift erst dann ("im Übrigen"), wenn die Beendigungstatbestände der Nrn. 1 und 2 nicht vorliegen (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2016 – L 1 U 4104/14 –, juris m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Eine konkrete Berufs– oder Erwerbstätigkeit (Nr. 1) stand dem Kläger zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung. Die Beklagte hat dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Tätigkeit angeboten (vgl. hierzu Köllner in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Januar 2015, § 46 Rn. 56,). Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger im hier streitigen Zeitraum Leistungen nach § 50 SGB V erhalten hat oder beanspruchen kann. Entsprechendes wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
Damit kommt als Rechtsgrundlage für die Einstellung (genau: Feststellung des Endes) des Verletztengeldes nur § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen hier vor.
Alle Tatbestände für ein Ende des Verletztengeldanspruchs nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII haben zwei Grundvoraussetzungen, nämlich, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und damit der Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zumindest für die nächsten 78 Wochen nicht zu rechnen ist und dass zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben besteht, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen. Das Ende des Verletztengeldanspruchs ist durch Verwaltungsakt festzustellen, weil es eine Prüfung i.S. einer Prognoseentscheidung über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit erfordert, die nicht durch die Gerichte ersetzt werden kann. Die Frage, ob berufsfördernde Leistungen zu erbringen sind, richtet sich dabei nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, die der Unfallversicherungsträger bei seiner Prüfung berücksichtigen muss. Maßgebend sind insoweit (für diese Prognoseentscheidung) die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers, also jene im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. LSG Baden-Württemberg a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG).
Im Fall des Klägers haben die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII und damit der Nr. 3 der Regelung vorgelegen. Denn zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten war nicht damit zu rechnen, dass beim Kläger in absehbarer Zeit wieder Arbeitsfähigkeit eintreten würde; auch waren (qualifizierte) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen. Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einstellung des Verletztengeldes nach Ablauf von 78 Wochen (bereits mit Ablauf des 29.01.2015) erfüllt.
Mit dem angegriffenen Bescheid hat die Beklagte eine Prognoseentscheidung dahingehend getroffen, dass sie mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht rechnete. Diese Prognose der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine von der Verwaltung vorzunehmende Prognose ist vom Gericht dahingehend zu prüfen, ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt. Eine Prognose ist fehlerfrei und verbindlich, wenn sie aufgrund der vorhandenen Umstände nachvollziehbar ist, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Fehlerhaft ist die Prognose, wenn sie von vornherein von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist oder verfahrensfehlerhaft, z.B. unter Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip, für die Beurteilung wesentliche Tatsachen nicht ermittelt bzw. berücksichtigt hat. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist somit vom Gericht zu prüfen, ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt. Ob dem Unfallversicherungsträger bei seiner Prognoseentscheidung ein Beurteilungsspielraum zusteht oder nicht (vgl. zum Streitstand LSG Baden-Württemberg a.a.O. m.w.N.), kann der Senat hier offen lassen. Denn nach Überzeugung des Senats hat die Beklagte weder falsche Tatsachen berücksichtigt noch fehlerhaft weitere, einer solchen Prognose widersprechende Tatsachen nicht berücksichtigt. Abweichendes wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung waren auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen. Unter Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in diesem Sinne sind nur qualifizierte Teilhabeleistungen zu verstehen, also solche, die einen Übergangsgeldanspruch auslösen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang und aus dem Sinn und Zweck der Entgeltersatzleistungen. Beide Leistungen (Verletztengeld und Übergangsgeld) haben den Zweck, dem Versicherten eine Kompensation dafür zu bieten, dass er an der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit aufgrund eines Versicherungsfalls gehindert ist. Beide Leistungen kann der Versicherte aber nach der Gesetzessystematik nicht parallel beziehen, was sich aus § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII ergibt (Ende des Verletztengelds mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht). Die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die keinen Übergangsgeldanspruch auslösen (z. B. Vermittlungs– und Beratungsdienste, Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber oder Kraftfahrzeughilfe), stehen einem Bezug von Verletztengeld nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII jedoch nicht entgegen. Aus der Zusammenschau von § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII ergibt sich mithin, dass unter "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII (und damit auch nach dessen Nr. 3) nur solche (qualifizierten) Teilhabeleistungen gemeint sind, die auch zu einem Übergangsgeldanspruch führen (LSG Baden–Württemberg a.a.O. m.w.N.).
Ein Anspruch auf solche (qualifizierten) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat dem Kläger nicht zugestanden. Als Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch kommt nur § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. §§ 35 Abs. 1, 49 SGB VII in Betracht. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen "Anspruch" auf (u.a.) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII). Diese Regelungen geben einen Anspruch dem Grunde nach; die Anspruchsgrundlagen für die einzelnen Leistungen sind im Dritten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII (§ 35 SGB VII i.V.m. §§ 33 bis 38 SGB IX) festgelegt. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 33 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Diese Leistungen umfassen insbesondere berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX), Überbrückungsgeld (§ 33 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX) sowie die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft, Verpflegung und für sonst damit unmittelbar zusammenhängenden Aufwand (§ 33 Abs. 7 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX; § 26 Abs. 5 SGB VII). Das bedeutet, dass das "ob" der Teilhabeleistung bei einer Vollförderung nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers steht, sondern nur ein Auswahlermessen ("wie") eingeräumt und damit auszuüben ist (LSG Baden–Württemberg a.a.O. m.w.N.).
Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass der Kläger von der Beklagten grundsätzlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beanspruchen kann bzw. beanspruchen konnte. Dies hat die Beklagte im angegriffenen Bescheid auch ausdrücklich eingeräumt und dem Kläger Teilhabeleistungen mit Schreiben vom 11.12.2015 nachmals ausdrücklich angeboten. Dass die Beklagte dabei – entgegen dem Begehren des Klägers – keine qualifizierten Leistungen angeboten hat, begegnet auch zur vollen Überzeugung des Senats keinen rechtlichen Bedenken.
Die Frage, welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen sind, richtet sich nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, wie sie vom Unfallversicherungsträger zu berücksichtigen sind. Kommen bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verschiedene Maßnahmen in Betracht, die gleichermaßen geeignet sind, die Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben zu sichern, hat der Rehabilitationsträger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren will. Dabei ist das Ermessen insbesondere am Gesetzeszweck der dauerhaften beruflichen Eingliederung auszurichten (LSG Baden–Württemberg a.a.O. m.w.N.).
Der Kläger hat im Hinblick auf das Auswahlermessen der Beklagten nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]). Ein Fall der sog. Ermessensreduzierung auf Null, der ausnahmsweise einen Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Leistung begründen würde, liegt nicht vor. Das ihr eingeräumte Ermessen hat die Beklagte auch frei von Rechtsfehlern ausgeübt. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, dem Kläger keine qualifizierten Leistungen anzubieten, im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Arbeitsunfall lediglich als angelernter Arbeiter beschäftigt gewesen ist. Hiervon ausgehend hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass bei der notwendigen Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt dieser berufliche Werdegang zu berücksichtigen sei und sich die Vermittlungsbemühungen deshalb vor allem auf Anlerntätigkeiten beziehen müssten. Diese Überlegungen hält auch der erkennende Senat weder für willkürlich noch für sonst offensichtlich sachwidrig. Ein Ermessensfehler ist deshalb auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte das in der Türkei zurückgelegte Studium der Betriebswirtschaftslehre insoweit nicht für maßgebend gehalten hat, denn der Kläger hat eine entsprechende Tätigkeit bis zur angegriffenen Entscheidung des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausgeübt. Dass von anderen Versicherungsträgern (später) qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden sind, steht dem nicht entgegen; denn der Gewährung dieser Leistungen lagen andere, nicht mit dem Arbeitsunfall in Zusammenhang stehende Gesundheitsstörungen zugrunde.
Damit endete der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Hierbei ist es unschädlich, dass die Beklagte erst nach Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit (mit Ablauf des 31.05.2015) das Verletztengeld eingestellt hat.
Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung des SG Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Einstellung der Zahlung von Verletztengeld; der Kläger begehrt die auf Gewährung von Verletztengeld über den 31.05.2015 hinaus.
Der am 1979 in K. in der Türkei geborene Kläger hat nach eigenem Vorbringen im Herkunftsland ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert. In der Bundesrepublik Deutschland hat er eine entsprechende Tätigkeit jedoch nicht ausgeübt, sondern war zuletzt als angelernter Industriereiniger beschäftigt.
Am 02.08.2013 erlitt der Kläger einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall; beim Platzen eines Hochdruckschlauchs erlitt er multiple Verletzungen und zog sich unter anderem mehrere Rippenbrüche zu. In seinem Gutachten vom 14.03.2014 führte Dr. G. aus, der Kläger leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung mit fortbestehendem Behandlungsbedarf. Der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig und könne die zuletzt ausgeübte Beschäftigung als angelernter Industriereiniger nicht mehr ausüben. Die Beklagte leistete in der Folge Verletztengeld bis 31.05.2015, wobei die 78. Woche bereits am 29.01.2015 geendet hatte. Im unmittelbaren Anschluss an die Verletztengeldzahlung gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls mit Bescheid vom 10.12.2015 ab 01.06.2015 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. Mit an den Kläger gerichtetem Schreiben vom 11.12.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, unter Berücksichtigung der Unfallfolgen sei ihm die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Arbeiten mit Hochdruckgeräten ausgenommen) weiterhin möglich. Sie sei bereit, die berufliche Wiedereingliederung durch geeignete Hilfen (z. B. Leistungen an zukünftige Arbeitgeber, arbeitsplatzbezogene Qualifizierung) zu unterstützen.
Zuvor hatte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 07.05.2015 zur beabsichtigten Einstellung der Verletztengeldzahlung mit Ablauf des 31.05.2015 angehört. Sie hatte darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der 78. Woche nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu rechnen sei. Qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht zu erbringen. Man gehe davon aus, dass das in der Türkei absolvierte Studium in Deutschland nicht anerkannt worden sei. Der Kläger verfüge damit über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei der beruflichen Wiedereingliederung seien deshalb Anlerntätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in den Blick zu nehmen. Die Beklagte sei bereit, den Kläger dabei zu unterstützten.
Der Kläger wendete mit Schreiben vom 27.05.2015 ein, sein in der Türkei absolviertes vierjähriges Studium der Betriebswirtschaftslehre sei sehr wohl anerkannt worden. Zum Beleg hierfür legte er eine Bescheinigung des Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland – Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen vom 15.11.2013 vor, ausweislich derer das vom Kläger am 17.07.2008 in der Türkei erfolgreich abgeschlossene Studium einem deutschen Hochschulstudium auf Bachelor-Ebene entspreche.
Mit Bescheid vom 23.06.2015 verfügte die Beklagte, die Zahlung von Verletztengeld werde mit Ablauf des 31.05.2015 eingestellt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Verletztengeld ende mit Ablauf der 78. Woche, da dem Kläger qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu gewähren seien. Der Kläger habe zwar nachgewiesen, dass sein in der Türkei absolviertes Studium der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland anerkannt worden sei, ausgeübt habe er eine entsprechende Tätigkeit in Deutschland aber nicht. Deshalb sei die Wiedereingliederung an Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu orientieren. Mit Ausnahme von Tätigkeiten an Hochdruckgeräten könne der Kläger eine solche Beschäftigung schon länger wieder verrichten. Den seitens des Klägers gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2015 zurück.
Mit der am 25.09.2015 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Durch geeignete Maßnahmen sei es der Beklagten sehr wohl möglich, ihm eine Beschäftigung als Betriebswirt in Deutschland zu ermöglichen. Deshalb habe die Beklagte qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen, weshalb sein Anspruch auf Verletztengeld fortbestehe. Im Verlauf des Klageverfahrens hat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund dem Kläger zunächst medizinische Leistungen zur Rehabilitation im Zentrum für ambulante Rehabilitation (ZAR) M. (18.01.2016 bis 12.02.2016) und mit Bescheid vom 06.07.2013 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bewilligt. Mit weiterem Bescheid vom 04.08.2013 hat die DRV Bund dem Kläger eine Weiterbildung für den Beruf "SAP Spezialist FiCO" als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur weiteren Begründung ergänzend ausgeführt, die seitens der DRV Bund bewilligten Reha-Maßnahmen seien überwiegend wegen unfallunabhängiger Wirbelsäulenbeschwerden nach Bandscheibenvorfall L4/5 uns L5/S1 durchgeführt worden. Mit Urteil vom 11.01.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten über die Einstellung der Zahlung von Verletztengeld sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztengeld über den 31.05.2015 hinaus. Rechtsgrundlage für die Einstellung des Verletztengeldes sei § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die Voraussetzungen dieser Norm lägen vor. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und der damit einhergehenden Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sei zumindest für die nächsten 78 Wochen nicht zu rechnen (gewesen). Zudem habe zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten kein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die wiederum einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen würden, bestanden. Die Beklagte habe mit dem streitgegenständlichen Bescheid Wiedereingliederungsmaßnahmen angeboten und damit inzident die Gewährung qualifizierter Leistungen abgelehnt. Diese Entscheidung sei frei von Ermessensfehlern getroffen worden.
Gegen dieses ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 31.01.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.02.2018 unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Ihm seien zwischenzeitlich (auch) von der Bundesagentur für Arbeit qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt worden. Er übe nun den Beruf des Buchhalters aus. Er habe damit unter Beweis gestellt, dass er durchaus in der Lage war, einen solchen Beruf zu erlernen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.01.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2015 zu verurteilen, ihm über den 31.05.2015 hinaus Verletztengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form– und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) beachtet. Die Berufung ist jedoch unbegründet, das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs– und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG; vgl. LSG Baden–Württemberg, Urteil vom 20.03.2014 – L 10 U 2744/12 –, juris) ist der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.09.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Verletztengeld über den 31.01.2015 hinaus.
Verletztengeld wird insbesondere erbracht, wenn ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist, unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitseinkommen hatte (§ 45 Abs. 1 SGB VII) und kein Beendigungstatbestand im Sinne des § 46 Abs. 3 SGB VII vorliegt. Außerdem besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf sog. Übergangs–Verletztengeld, wenn Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind (§ 45 Abs. 2 SGB VII; vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30.10.2007 – B 2 U 31/06 R –, SozR 4–2700 § 46 Nr. 3).
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (BSG, a.a.O. m.w.N.).
Arbeitsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Dass er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben kann, ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufes liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur dass hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufes eingeschränkt ist (BSG a.a.O.). Dies zugrundegelegt, lag beim Kläger Arbeitsunfähigkeit vor, denn er war zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nicht in der Lage die zuletzt bis zum Arbeitsunfall am 02.08.2013 verrichtete Tätigkeit auszuüben. Diese steht zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.
Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII endet das Verletztengeld (1.) mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme oder (2.) mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht. Wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen sind, endet das Verletztengeld nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII (1.) mit dem Tag, an dem die Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass die Versicherten eine zumutbare, zur Verfügung stehende Berufs– oder Erwerbstätigkeit aufnehmen können, (2.) mit Beginn der in § 50 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches (SGB V) genannten Leistungen, es sei denn, dass diese Leistungen mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehen und (3.) im Übrigen mit Ablauf der 78. Woche, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, jedoch nicht vor dem Ende der stationären Behandlung.
Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII für ein Ende des Verletztengeldanspruchs lagen nicht vor. Denn der Kläger war – wie bereits dargelegt – seit dem 31.01.2011 aufgrund der Unfallfolgen arbeitsunfähig, ohne im Hinblick auf die zuletzt verrichtete Tätigkeiten wieder Arbeitsfähigkeit erlangt zu haben. Da er Verletztengeld nicht wegen des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die ihn an einer ganztätigen Erwerbstätigkeit gehindert hätte, erhielt (so die anspruchsbegründende Regelung des § 46 Abs. 1 SGB VII), kommt die zweite Alternative des § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB VII als Beendigungstatbestand ebenfalls nicht in Betracht.
Das Ende des Verletztengeldanspruches nach § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII greift erst dann ("im Übrigen"), wenn die Beendigungstatbestände der Nrn. 1 und 2 nicht vorliegen (vgl. zum Ganzen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2016 – L 1 U 4104/14 –, juris m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Eine konkrete Berufs– oder Erwerbstätigkeit (Nr. 1) stand dem Kläger zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung. Die Beklagte hat dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Tätigkeit angeboten (vgl. hierzu Köllner in Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Januar 2015, § 46 Rn. 56,). Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger im hier streitigen Zeitraum Leistungen nach § 50 SGB V erhalten hat oder beanspruchen kann. Entsprechendes wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
Damit kommt als Rechtsgrundlage für die Einstellung (genau: Feststellung des Endes) des Verletztengeldes nur § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB VII in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen hier vor.
Alle Tatbestände für ein Ende des Verletztengeldanspruchs nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII haben zwei Grundvoraussetzungen, nämlich, dass mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und damit der Beendigung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zumindest für die nächsten 78 Wochen nicht zu rechnen ist und dass zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Anspruch auf berufsfördernde Leistungen bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben besteht, die einen Anspruch auf Übergangsgeld auslösen. Das Ende des Verletztengeldanspruchs ist durch Verwaltungsakt festzustellen, weil es eine Prüfung i.S. einer Prognoseentscheidung über den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit erfordert, die nicht durch die Gerichte ersetzt werden kann. Die Frage, ob berufsfördernde Leistungen zu erbringen sind, richtet sich dabei nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, die der Unfallversicherungsträger bei seiner Prüfung berücksichtigen muss. Maßgebend sind insoweit (für diese Prognoseentscheidung) die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers, also jene im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (vgl. LSG Baden-Württemberg a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG).
Im Fall des Klägers haben die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII und damit der Nr. 3 der Regelung vorgelegen. Denn zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung der Beklagten war nicht damit zu rechnen, dass beim Kläger in absehbarer Zeit wieder Arbeitsfähigkeit eintreten würde; auch waren (qualifizierte) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen. Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einstellung des Verletztengeldes nach Ablauf von 78 Wochen (bereits mit Ablauf des 29.01.2015) erfüllt.
Mit dem angegriffenen Bescheid hat die Beklagte eine Prognoseentscheidung dahingehend getroffen, dass sie mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht rechnete. Diese Prognose der Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine von der Verwaltung vorzunehmende Prognose ist vom Gericht dahingehend zu prüfen, ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt. Eine Prognose ist fehlerfrei und verbindlich, wenn sie aufgrund der vorhandenen Umstände nachvollziehbar ist, insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Fehlerhaft ist die Prognose, wenn sie von vornherein von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen ist oder verfahrensfehlerhaft, z.B. unter Verstoß gegen das Amtsermittlungsprinzip, für die Beurteilung wesentliche Tatsachen nicht ermittelt bzw. berücksichtigt hat. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist somit vom Gericht zu prüfen, ob der festgestellte Sachverhalt den Schluss auf die hypothetische Tatsache erlaubt. Ob dem Unfallversicherungsträger bei seiner Prognoseentscheidung ein Beurteilungsspielraum zusteht oder nicht (vgl. zum Streitstand LSG Baden-Württemberg a.a.O. m.w.N.), kann der Senat hier offen lassen. Denn nach Überzeugung des Senats hat die Beklagte weder falsche Tatsachen berücksichtigt noch fehlerhaft weitere, einer solchen Prognose widersprechende Tatsachen nicht berücksichtigt. Abweichendes wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung waren auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen. Unter Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in diesem Sinne sind nur qualifizierte Teilhabeleistungen zu verstehen, also solche, die einen Übergangsgeldanspruch auslösen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang und aus dem Sinn und Zweck der Entgeltersatzleistungen. Beide Leistungen (Verletztengeld und Übergangsgeld) haben den Zweck, dem Versicherten eine Kompensation dafür zu bieten, dass er an der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit aufgrund eines Versicherungsfalls gehindert ist. Beide Leistungen kann der Versicherte aber nach der Gesetzessystematik nicht parallel beziehen, was sich aus § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII ergibt (Ende des Verletztengelds mit dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf Übergangsgeld entsteht). Die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die keinen Übergangsgeldanspruch auslösen (z. B. Vermittlungs– und Beratungsdienste, Eingliederungszuschüsse an Arbeitgeber oder Kraftfahrzeughilfe), stehen einem Bezug von Verletztengeld nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII jedoch nicht entgegen. Aus der Zusammenschau von § 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VII ergibt sich mithin, dass unter "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" nach § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII (und damit auch nach dessen Nr. 3) nur solche (qualifizierten) Teilhabeleistungen gemeint sind, die auch zu einem Übergangsgeldanspruch führen (LSG Baden–Württemberg a.a.O. m.w.N.).
Ein Anspruch auf solche (qualifizierten) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat dem Kläger nicht zugestanden. Als Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch kommt nur § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. §§ 35 Abs. 1, 49 SGB VII in Betracht. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen "Anspruch" auf (u.a.) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern (§ 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII). Diese Regelungen geben einen Anspruch dem Grunde nach; die Anspruchsgrundlagen für die einzelnen Leistungen sind im Dritten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII (§ 35 SGB VII i.V.m. §§ 33 bis 38 SGB IX) festgelegt. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 33 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Diese Leistungen umfassen insbesondere berufliche Anpassung und Weiterbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX), berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX), Überbrückungsgeld (§ 33 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX) sowie die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft, Verpflegung und für sonst damit unmittelbar zusammenhängenden Aufwand (§ 33 Abs. 7 SGB IX). Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen zu berücksichtigen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 SGB IX; § 26 Abs. 5 SGB VII). Das bedeutet, dass das "ob" der Teilhabeleistung bei einer Vollförderung nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers steht, sondern nur ein Auswahlermessen ("wie") eingeräumt und damit auszuüben ist (LSG Baden–Württemberg a.a.O. m.w.N.).
Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass der Kläger von der Beklagten grundsätzlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beanspruchen kann bzw. beanspruchen konnte. Dies hat die Beklagte im angegriffenen Bescheid auch ausdrücklich eingeräumt und dem Kläger Teilhabeleistungen mit Schreiben vom 11.12.2015 nachmals ausdrücklich angeboten. Dass die Beklagte dabei – entgegen dem Begehren des Klägers – keine qualifizierten Leistungen angeboten hat, begegnet auch zur vollen Überzeugung des Senats keinen rechtlichen Bedenken.
Die Frage, welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen sind, richtet sich nach den Erfolgsaussichten, dem Alter des Versicherten und weiteren Umständen, wie sie vom Unfallversicherungsträger zu berücksichtigen sind. Kommen bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach verschiedene Maßnahmen in Betracht, die gleichermaßen geeignet sind, die Teilhabe des Versicherten am Arbeitsleben zu sichern, hat der Rehabilitationsträger ein Auswahlermessen, welche Maßnahme er gewähren will. Dabei ist das Ermessen insbesondere am Gesetzeszweck der dauerhaften beruflichen Eingliederung auszurichten (LSG Baden–Württemberg a.a.O. m.w.N.).
Der Kläger hat im Hinblick auf das Auswahlermessen der Beklagten nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]). Ein Fall der sog. Ermessensreduzierung auf Null, der ausnahmsweise einen Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Leistung begründen würde, liegt nicht vor. Das ihr eingeräumte Ermessen hat die Beklagte auch frei von Rechtsfehlern ausgeübt. Die Beklagte hat ihre Entscheidung, dem Kläger keine qualifizierten Leistungen anzubieten, im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Arbeitsunfall lediglich als angelernter Arbeiter beschäftigt gewesen ist. Hiervon ausgehend hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass bei der notwendigen Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt dieser berufliche Werdegang zu berücksichtigen sei und sich die Vermittlungsbemühungen deshalb vor allem auf Anlerntätigkeiten beziehen müssten. Diese Überlegungen hält auch der erkennende Senat weder für willkürlich noch für sonst offensichtlich sachwidrig. Ein Ermessensfehler ist deshalb auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte das in der Türkei zurückgelegte Studium der Betriebswirtschaftslehre insoweit nicht für maßgebend gehalten hat, denn der Kläger hat eine entsprechende Tätigkeit bis zur angegriffenen Entscheidung des Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausgeübt. Dass von anderen Versicherungsträgern (später) qualifizierte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt worden sind, steht dem nicht entgegen; denn der Gewährung dieser Leistungen lagen andere, nicht mit dem Arbeitsunfall in Zusammenhang stehende Gesundheitsstörungen zugrunde.
Damit endete der Anspruch des Klägers auf Verletztengeld mit Ablauf der 78. Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Hierbei ist es unschädlich, dass die Beklagte erst nach Ablauf der 78. Woche der Arbeitsunfähigkeit (mit Ablauf des 31.05.2015) das Verletztengeld eingestellt hat.
Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung des SG Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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