L 11 KR 179/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 944/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 179/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.01.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme von Fahrtkosten zu ärztlichen Behandlungen des Klägers.

Bei dem am 23.04.1968 geborenen und bei der Beklagten krankenversicherten Kläger wurde im August 2018 eine Krebserkrankung diagnostiziert. Im Zeitraum zwischen dem 21.09.2018 und 04.01.2019 fanden diverse ärztliche ambulante Untersuchungen und ambulante Bestrahlungen statt, und der Kläger wurde zudem vom 09.10.2018 bis 17.10.2018, 20.11.2018 bis 24.11.2018 sowie vom 17.12.2018 bis 21.12.2018 stationär behandelt. Sämtliche Behandlungen fanden in S. H. statt, das vom Wohnort des Klägers etwa 40 km entfernt liegt.

Mit Schreiben vom 07.11.2018 beantragte der Kläger die Erstattung von Fahrkosten für insgesamt 7 Fahrten mit einer Entfernung von 80 km im Zeitraum vom 21.09.2018 bis 06.11.2018 in Höhe von 168 EUR (7 Fahrten x 80 km x 0,30 EUR). Zugleich legte der Kläger eine ärztliche Verordnung zur Krankenbeförderung per Taxi/Mietwagen gemäß Anlage 2 der Krankentransport-Richtlinien vom 06.11.2018 vor mit dem Vermerk, dies erfolge rein vorsorglich, falls er sich als Patient nicht in der Lage sehen sollte, selbst zu fahren bzw gefahren zu werden. Die Beklagte bewilligte dem Kläger diese begehrte Summe mit Bescheid vom 04.12.2018. Gleichzeitig sagte sie mit Bescheid vom 06.12.2018 - dessen Zugang der Kläger bestreitet - die Übernahme von Taxikosten entsprechend der ärztlichen Verordnung zu unter Erläuterung des Procedere. Mit Schreiben vom 06.12.2018 beantragte der Kläger Fahrkostenerstattung für Fahrten zwischen dem 13.11.2018 und 06.12.2018 in Höhe von 336 EUR (14 Fahrten x 80 km x 0,30 EUR). Diese Fahrten würden ausschließlich mit dem privaten Pkw absolviert. In Kenntnis der weiteren Behandlungstermine bewilligte die Beklagte ihm daraufhin unter Ausdehnung des Zeitraums bis zum 15.12.2018 mit Bescheid vom 18.12.2018 für insgesamt 20 Fahrten 480 EUR (20 Fahrten x 80 km x 0,30 EUR). Für den sich anschließenden Zeitraum vom 17.12.2018 bis 04.01.2019 beantragte der Kläger Fahrkostenersatz in Höhe von 168 EUR mit dem Zusatz, diese Fahrten seien ausschließlich mit dem privaten Pkw erfolgt. Auch diesen Betrag zahlte die Beklagte dem Kläger (7 Fahrten x 80 km x 0,30 EUR).

Mit Schreiben vom 04.01.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erstattung von Kosten, die durch die Inanspruchnahme einer Begleitperson, Frau M. T., im Zeitraum vom 21.09.2018 bis 04.01.2019 in Höhe von insgesamt 2.173 EUR angefallen seien. Die Fahrten hätten durch eine dritte Person erfolgen müssen, da der Kläger aufgrund seiner Erkrankung und der Medikation gesundheitlich nicht in der Lage gewesen sei, selbst zu fahren. Frau T. habe den Kläger gefahren und pro Fahrt inklusive Wartezeit etwa 3 Stunden aufwenden müssen. Die Kosten seien an sie überwiesen worden und würden auch als Schadenersatz und Aufwandsentschädigung angesehen, zumal die Beklagte sich vehement geweigert habe, dem Kläger ein Taxiunternehmen zu benennen.

Mit Bescheid vom 10.01.2019 teilte die Beklagte mit, eine Übernahme der angeführten Kosten sei nicht möglich. Nach § 60 SGB Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) beschränke sich die Kostenübernahme auf die reinen, im Zusammenhang mit der Leistung notwendigerweise entstehenden Fahrkosten. Nicht erstattet würden Zeitvergütung, Lohnersatz oder Verdienstausfall für Versicherte, einen Angehörigen oder eine Begleitperson.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 12.01.2019 Widerspruch mit der Begründung, der Krankentransport durch Dritte sei gleichzusetzen mit dem Taxifahrer bei einem Taxiunternehmen und voll erstattungsfähig. Er sei nicht in der Lage gewesen, die Fahrten selbst zu absolvieren. Mit Datum vom 23.01.2019 hat der Kläger zudem Klage zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG, L 11 KR 301/19) erhoben, die nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 14.02.2019 wegen instanzieller Unzuständigkeit an das Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen worden ist.

Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 10.04.2019 wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 10.01.2019 zurückgewiesen. Es seien zunächst Serienfahrten vom 21.09.2018 bis 10.01.2019 und dann nochmals vom 06.11.2018 bis 28.02.2019 genehmigt worden. Es sei dem Kläger also möglich gewesen, jeweils ein Taxi in Anspruch zu nehmen, um die ambulanten Bestrahlungstermine wahrzunehmen. Sodann sei dem Kläger für den Zeitraum vom 21.09.2018 bis 06.11.2018 ein Kilometergeld in Höhe von insgesamt 168 EUR für die Fahrten zur ambulanten Strahlentherapie gewährt worden. Dieses beinhalte auch die Fahrten zu den Voruntersuchungen. Für den Zeitraum vom 13.11.2018 bis 15.12.2018 habe er 480 EUR und dann nochmals für die Zeit vom 17.12.2018 bis 31.12.2018 weitere 132 EUR erhalten. Für die übrigen Zeiträume könne keine Erstattung vorgenommen werden, da er sich in stationärer Behandlung befunden habe und es sich um reine Besuchsfahrten gehandelt habe. Auch sei eine Erstattung des geltend gemachten Verdienstausfalls der Begleitperson vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Über die genehmigten Serienfahrten und das bewilligte Kilometergeld hinaus sei keine Erstattung möglich.

Der Kläger hat seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und hinzugefügt, die Kosten für die Begleitperson seien nach § 73 Abs 1 bis 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zu erstatten. Es werde dem Vortrag widersprochen, dass ihm Serienfahrten genehmigt worden seien; diesbezüglich lägen ihm keine Unterlagen vor. Die Beklagte sei zweimal schriftlich am 19.09.2018 und 13.10.2018 sowie telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass Fahrten zu Behandlungen erforderlich würden, die er nicht selbst durchführen könne. Die Beklagte habe hierauf nicht geantwortet. Durch Säumniszuschläge und Verzugszinsen habe sich die Forderung auf 2.525,20 EUR erhöht.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2020 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, ein Anspruch auf Übernahme der für seine Begleitperson zur Wahrnehmung der Bestrahlungstermine angefallenen Kosten bzw des Verdienstausfalls der Begleitperson bestehe nicht. § 60 SGB V sehe die Erstattung der Fahrkosten des Versicherten je nach medizinischer Notwendigkeit der jeweiligen Fahrt vor. Gemäß Satz 2 der Vorschrift richte sich die Frage, welches Fahrzeug benutzt werden könne, nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Ausweislich der ärztlichen Verordnung vom 06.11.2018 seien dies Fahrten des Klägers mit einem Taxi / Mietwagen. Eine Betreuung des Klägers während der Fahrt habe die Verordnung des behandelnden Arztes nicht enthalten. Bereits aus diesem Grund komme eine Erstattung von Fahrkosten einer selbst gewählten Begleitperson nicht in Betracht. Hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfalls der Begleitperson sei zudem darauf hinzuweisen, dass die Erstattung dieser Kosten lediglich ausnahmsweise im Rahmen von § 60 Abs 5 SGB V im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Betracht komme. Eine solche habe jedoch hier nicht vorgelegen.

Hiergegen hat der Kläger am 14.01.2020 Berufung beim LSG eingelegt mit der Begründung, er begehre weder einen Verdienstausfall noch Kosten für Besuchsfahrten, sondern alle Krankentransporte seien für stationäre und ambulante Behandlungen (Operationen, Radio- und Chemotherapien) sowie stationäre Aufnahmen und Entlassungen notwendig gewesen. Zu keinem Zeitpunkt sei eine Begleitperson anwesend gewesen. Er sei an einem Plattenepithel Analkarzinom mit Metastasen Absiedelungen an Leber und Lunge erkrankt. Aufgrund der Operationen im Analbereich habe er nicht sitzen können. Auch hätten die Medikamente zu Fahruntauglichkeit geführt. Für die Behandlungen sei eine ärztliche Anordnung am 06.11.2018 ausgestellt und der Beklagten zugesandt worden, ohne dass diese reagiert hätte. Auch sei dem Kläger kein Taxi- oder ein anderweitiges Unternehmen für die Fahrten mitgeteilt worden. Er sei daher verpflichtet gewesen, sich selbst um ein Transportmittel/eine Krankenbeförderung zu bemühen. Krankenbeförderungen gern § 60 SGB V, § 8 Krankentransportrichtlinie seien Kosten, die die Beklagte zu erstatten habe, wenn sie auf ärztliche Anordnung wie im vorliegenden Fall erfolgt seien und unter § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 12 SGB V fielen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.01.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Fahrten mit Frau T. zu ärztlichen Behandlungen im Zeitraum vom 21.09.2018 bis 04.01.2019 in Höhe von 2.173 EUR zzgl Säumniszuschlägen sowie Verzugszinsen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheid sowie auf die eigenen Ausführungen im bisherigen Verfahren verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Fahrten mit Frau T. über die gewährten 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer hinaus besteht nicht.

Die frist- und formgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), jedoch nicht begründet. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ist der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2019 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der von ihm begehrte Erstattungsanspruch nicht besteht. Die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) bleibt daher ohne Erfolg.

Ein Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten kann bei Fahrten, die einer Krankenkasse bei wirklichkeitsnaher Betrachtung wie hier von vornherein nicht als "eigene" bzw eigenorganisierte Naturalleistung zugerechnet werden können, unmittelbar auf § 60 SGB V gestützt werden, ohne dass ein Rückgriff auf die Regelungen über die naturalleistungsersetzende Kostenerstattung (§ 13 Abs 3 SGB V) erfolgt (s hierzu BSG 18.11.2014, B 1 KR 8/13 R, SozR 4-2500 § 60 Nr 7, Rn 9). Hier liegen die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 60 SGB V indes nicht vor.

Gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 12 festgelegt hat. Welche Fahrkosten im Einzelnen in welcher Höhe anerkannt werden, regelt Absatz 3 der Vorschrift. Hiernach werden folgende Fahrkosten anerkannt: 1. bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Fahrpreis unter Ausschöpfen von Fahrpreisermäßigungen, 2. bei Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag, 3. bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Taxi oder ein Mietwagen nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag, 4. bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstrecken-entschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.

Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger, der nach seinem eigenen Vortrag für sämtliche hier streitige Fahrten ein privates Kraftfahrzeug benutzt hat, über die nach § 60 Abs 3 Nr 4 SGB V iVm § 5 Abs 1 Bundesreisekostengesetz (BRKG) vorgesehene Entschädigung von 0,20 EUR pro gefahrenem Kilometer (vgl Waßer in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl, § 60 Rn 134; Dettling-Kuchler in Krauskopf, 105. EL 2019, SGB V § 60 Rn 36) hinaus bereits 0,30 EUR pro Kilometer erstattet, obgleich die Verweisung in § 60 Abs 3 Nr 4 SGB V für den Ausnahmefall in § 5 Abs 2 BRKG (erhöhte Wegstreckenentschädigung bei erheblichem dienstlichem Interesse an der Benutzung eines Kraftwagens) keinen Anwendungsraum bietet (BSG 21.05.2010, B 1 KR 6/10 BH; LSG Nordrhein-Westfalen 27.11.2018, L 1 KR 110/17). Die Erstattung höherer Kosten kommt nicht in Betracht. Insbesondere kann der Kläger nicht die Kosten eines Taxis oder Mietwagens verlangen, da er keine solchen Fahrzeuge genutzt hat. Kosten für seine Begleitperson sind ebenfalls nicht erstattungsfähig unabhängig davon, ob es sich hierbei nun um eine Vergütung der Begleitperson für die von dieser aufgebrachte Zeit oder um eine Entschädigung für Lohn- und Einkommensausfall handelt (s hierzu ausführlich LSG Baden-Württemberg 24.04.2020, L 4 KR 3890/17 mwN). Die Vergütung von Kosten für eine Begleitperson sind von § 60 SGB V - anders als von der bis zum 31.12.1988 geltenden Vorläufervorschrift in § 194 Reichsversicherungsordnung (RVO) - nicht umfasst (LSG Baden-Württemberg 24.04.2020 aaO unter Verweis auf Waßer, aaO § 60 Rn 38; Dettling-Kuchler, aaO § 60 Rn 7, 11; vgl auch LSG Berlin-Brandenburg 19.09.2019, L 9 KR 269/18, juris Rn 27). Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) die Erstattungspflicht der Krankenkassen bewusst auf die bloßen Fahrkosten, bei Fahrten zur ambulanten Behandlung zudem auf Ausnahmefälle beschränkt, so dass eine Kostenübernahme bzw -erstattung von anderweitigen Kosten durch die Krankenkasse insoweit ausscheidet (LSG Baden-Württemberg 24.04.2020 aaO). Lediglich im Fall einer erforderlichen stationären Mitaufnahme einer Begleitperson (vgl § 11 Abs 3 SGB V) kommt nach Maßgabe des § 60 Abs 1 und 2 SGB V auch die Übernahme von Fahrkosten (nicht aber von Personalkosten) für die Begleitperson in Betracht (Dettling-Kuchler, aaO § 60 Rn 11; Waßer, aaO § 60 Rn 55, 83). Eine solche Mitaufnahme einer Begleitperson ist vorliegend indes nicht streitig.

Die Erstattung von Zeitvergütungen kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. "Stellvertreterleistung" in Betracht. An dieser früheren Rechtsprechung, nach der die Krankenkasse gegebenenfalls eine im Gesetz nicht vorgesehene Leistung zu erbringen hatte, wenn diese an die Stelle einer anderen, dem Versicherten zustehenden Leistung trat und die Stellvertreterleistung geeigneter oder billiger als die originär geschuldete Leistung war (BSGE 31, 279, 282 - Kinderheim statt Krankenhaus; BSGE 37, 130, 134 = SozR 2200 § 184 Nr 1 S 3 f - Ultraschallvernebler als Heimgerät; BSGE 53, 273, 276 = SozR 2200 § 182 Nr 82 S 183 f - Begleitperson zur ambulanten Therapie anstelle von stationärer Behandlung), hat das BSG unter Geltung des SGB V nicht mehr festgehalten (BSG, 25.06.2002, B 1 KR 22/01 R, SozR 3-2500 § 38 Nr 4; BSG 11.09.2018, B 1 KR 7/18 R, BSGE 126, 277-285, SozR 4-7610 § 812 Nr 8; LSG Baden-Württemberg 24.04.2020 aaO; aA wohl Gerlach in Hauck/Noftz, SGB, 03/20, § 60 SGB V Rn 17). Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Inanspruchnahme eines Taxis ggf teurer gewesen wäre als die geltend gemachten Kosten des Klägers.

Auch aus § 73 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), den der Kläger als Anspruchsgrundlage heranzieht, folgt kein Anspruch. Hierin ist die Übernahme von Reisekosten geregelt, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Vorliegend sind aber Fahrten zu ambulanten Behandlungen bzw vereinzelte Fahrten zu stationären Behandlungen streitig.

Aus der Argumentation des Klägers, die Beklagte habe ihm trotz Nachfrage kein Taxiunternehmen genannt, so dass er sich selbst habe helfen müssen, ergibt sich nichts anderes. Für die Zeit vor dem 19.11.2018 konnte sich der Senat bereits nicht von einer Nachfrage nach Taxiunternehmen überzeugen, da der Kläger zwar mehrere Schreiben vorgelegt hat, die er an die Beklagte übersandt hat, sich daraus aber ein Beratungsbedarf nicht entnehmen lässt. Im Schreiben vom 19.09.2018 geht es vornehmlich um eine begehrte Zuzahlungsbefreiung, nicht hingegen um die Notwendigkeit der Beanspruchung eines Taxis. Im Gegenteil hat der Kläger in diesem Schreiben zwar bevorstehende Fahrkosten erwähnt, diese aber ausdrücklich mit 0,30 EUR pro km berechnet und damit zum Ausdruck gebracht, mit einen privaten Pkw fahren zu wollen. Im Schreiben vom 13.10.2018 bezieht sich der Kläger auf sein Schreiben vom 19.09.2018 und beklagt die fehlende Rückmeldung und Bestätigung der Kostenübernahme. Von einem Taxi ist aber auch hier keine Rede. Dies verwundert nicht, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Verordnung des behandelnden Arztes zur Notwendigkeit eines Taxis/Mietwagens vorlag und diese Notwendigkeit offensichtlich auch vom Kläger noch nicht gesehen wurde, trug er doch anlässlich der Vorlage der ärztlichen Verordnung zur Krankenbeförderung im Schreiben vom 07.11.2018 ausdrücklich vor, dies erfolge rein vorsorglich, falls er sich als Patient nicht in der Lage sehen sollte, selbst zu fahren bzw gefahren zu werden. Erst aus dem Telefonvermerk vom 19.11.2018, der von der Beklagtenvertreterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu den Akten gegeben wurde, ergeben sich Anhaltspunkte für ein Gespräch über die weiteren Fahrtkosten nach Ausstellung der Verordnung vom 06.11.2018. Hier forderte der Kläger wohl eine schriftliche Reaktion der Beklagten, die dann auch mit Bescheid vom 06.12.2018 erfolgte. In diesem Bescheid sagte die Beklagte die Übernahme von Taxitransportkosten im Zeitraum vom 06.11.2018 bis 28.02.2019 zu und erläuterte das weitere Procedere. Dass dem Kläger dieser Bescheid nach seinem Vortrag nicht zugegangen ist, führt nicht zu einem Anspruch auf Erstattung der begehrten Fahrkosten im Zusammenhang mit den Fahrten mit Frau T., da es hierfür wie dargelegt an einer Anspruchsgrundlage fehlt und eine fehlende Information durch eine Krankenkasse keine eigenen sozialrechtlichen Ansprüche schafft. Es liegt auch keine mündliche Zusage hierzu in Form eines Verwaltungsaktes vor – im Gegenteil ergibt sich aus der Telefonnotiz, dass der Kläger "alles schriftlich wolle". Dass eine mündliche Zusage einer entsprechenden Kostenerstattung gegeben wurde, hat der Kläger im Übrigen auch nicht vorgetragen.

Insofern ist auch mangels schuldhaften Verhaltens der Beklagten kein Raum für einen Schadenersatzanspruch des Klägers, der als Amtshaftungsanspruch (Art 34 Satz 3 Grundgesetz [GG], § 839 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) ohnehin gemäß § 17 a Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vor den ordentlichen Gerichten durchzusetzen wäre. Eine (Teil-) Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht scheidet nach der Rspr des BSG aus (vgl hierzu nur BSG 31.10.2012, B 13 R 437/11 B, juris Rn 10 unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 11 Rn 23).

Ein Anspruch auf die begehrten Fahrkosten besteht daher nicht. Insofern kommt auch die Verurteilung zu Nebenleistungen nicht in Betracht. Ein Anspruch auf Säumniszuschläge scheidet ohnehin aus, da Säumniszuschläge nur von Behörden erhoben werden, um den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved