S 21 P 166/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 21 P 166/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 P 55/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 18/20 B
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung.

Der Kläger ist 1947 geboren und bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert.

Er beantragte mit Schreiben vom 18.01.2017 Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Beklagte beauftragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Pflegebedürftigkeit gem. § 14 SGB XI. Am 05.07.2017 fand ein Hausbesuch statt. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 05.07.2017 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für Pflegegrad 1 nicht erfüllt seien. Im Bereich der Mobilität, der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, der Selbstversorgung und der Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte konnten vom MDK keine oder nur geringe Einschränkungen der Selbständigkeit festgestellt werden, so dass sich keine gewichteten Punkte ergaben. Im Bereich "Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen" wurde eine gewichtete Punktzahl von 5 erreicht. Damit erreicht der Kläger eine Punktzahl von weniger als 12,5 gewichteten Punkten, so dass gem. § 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI kein Pflegegrad in Betracht kam. Mit Bescheid vom 07.07.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der Pflegversicherung ab.

Dagegen legte der Kläger vertreten durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch ein mit Schreiben vom 31.07.2017 und übersandte eine schriftliche Vollmacht des Klägers. Die Vollmacht umfasst auch die Befugnis Zustellungen entgegenzunehmen. Nachdem der Kläger weitere medizinische Unterlagen vorgelegt hatte, veranlasste die Beklagte eine erneute Begutachtung durch den MDK, die nach Aktenlage erstellt wurde. Die Begutachtung kam jedoch nicht zu einer anderen Einschätzung hinsichtlich der Selbständigkeit des Klägers.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017 wurde die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung abgelehnt. Der Widerspruchsbescheid ist ausweislich des Eingangsstempels bei dem Bevollmächtigten des Klägers am 27.11.2017 eingegangen.

Am 28.12.2017 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg. Der Kläger beantragt sinngemäß, der Bescheid der Beklagten vom 07.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 15.02.2018 hat das Gericht auf eine mögliche Verfristung der Klage hingewiesen und um Stellungnahme gebeten. Des Weiteren hat das Gericht zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Schreiben vom 21.02.2018 hat die Beklagte sich mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Der Kläger wies mit Schreiben vom 05.03.2018 darauf hin, dass er am 25.12. und 26.12. keine Briefe abschicken konnte, da dies Feiertage gewesen seien und die Post geschlossen gewesen sei. Daher habe er den Brief erst am 27.12.2017 mit Einschreiben abgeschickt.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten sowie auf die von den Beteiligten im Verfahren gewechselten aktenkundigen Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist bereits unzulässig.

1. Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Der Sachverhalt ist geklärt. Die Beklagte hat sich damit einverstanden erklärt. Der Kläger äußerte sich innerhalb der gesetzten Frist hinsichtlich der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht.

2. Die Klage gegen den Bescheid vom 05.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 ist nicht fristgerecht erhoben worden und deshalb unzulässig. Die Klage war daher abzuweisen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beginnt, wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat, mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids (vgl. § 87 Abs. 2 SGG). Die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes erfolgt mit dessen Zugang. Unter Anwesenden ist dies die Übergabe des Verwaltungsaktes an den Adressaten. Für die Bekanntgabe unter Abwesenden kommt es in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 BGB darauf an, wann der Verwaltungsakt so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R -, Rn. 16, juris). Zugang ist hier - wie durch den Eingangsstempel belegt - am 27.11.2017 in der zu diesem Zeitpunkt von dem Kläger bevollmächtigten Kanzlei des Herrn Rechtsanwalt A. erfolgt.

Nach Maßgabe von § 64 SGG beginnt damit die einmonatige Klagefrist am 28.11.2017, einem Dienstag zu laufen. Sie endete mit Ablauf des 27.12.2017 einem Mittwoch. Die Klage wurde erst am 28.12.2017 und damit verfristet erhoben.

Die einmonatige Klagefrist war auch nicht ausnahmsweise unbeachtlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist zutreffend, so dass kein Fall des § 66 Abs. 1 SGG vorliegt.

Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist dann, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 67 Abs. 2 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen, die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden.

Es sind - unabhängig von einer nicht erfolgten Antragstellung - keine Gründe für das Versäumen der Klagefrist erkennbar, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen würden. Ohne Verschulden ist eine gesetzliche Frist nur dann versäumt, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist; das Versäumen der Frist darf bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaft und sachgerecht Prozessführenden nicht vermeidbar gewesen sein (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 67 SGG Rn. 3 mit weiteren Nachweisen). Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt war die Säumnis vermeidbar. Zwar waren tatsächlich der 24., 25. und 26.12. Feiertage bzw. ein Sonntag. Es hätte aber der gebotenen Sorgfalt entsprochen die Klage vor diesen Feiertagen zu erheben oder gegebenenfalls am 27.12., der ein Donnerstag und damit ein Werktag war, beim Sozialgericht Nürnberg unmittelbar in den Briefkasten zu werfen oder zur Niederschrift zu erklären.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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