L 10 KO 1946/20 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KO 389/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 KO 1946/20 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 21.04.2020 abgeändert. Die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 09.01.2020 wird auf 1.001,03 EUR festgesetzt. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

In dem beim Sozialgericht Konstanz anhängig gewesenen Klageverfahren S 8 P 88/18, in dem es um den Pflegegrad des dortigen Klägers nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) ging, wurde der Antragsteller zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Im Januar 2020 erstattete er sein Gutachten, wofür er eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.118,92 EUR verlangt hat. Abgerechnet hat der Antragsteller 0,49 Stunden Aktendurchsicht und - auf der Grundlage nach Gutachtenseiten errechnetem Zeitaufwand - für die Erstellung des Gutachtens sechs Stunden, Untersuchungszeit (1,5 Stunden) und Fahrzeit (drei Stunden), insgesamt elf Stunden nach der Honorargruppe M2, Fahrtkosten, Schreibgebühren, das verauslagte Porto und die gesetzliche Umsatzsteuer.

Die Kostenbeamtin hat Fahr- und Untersuchungszeit antragsgemäß und nach der Plausibilitätsprüfung errechnete sechs Stunden für die Abfassung des Gutachtens, insgesamt 10,5 Stunden, allerdings nach der Honorargruppe M 1, jeweils antragsgemäß Fahrtkosten, Schreibgebühren und das verauslagte Porto sowie die gesetzliche Umsatzsteuer, insgesamt einen Betrag von 938,20 EUR vergütet. Mit seinem Antrag auf richterliche Festsetzung hat der Antragsteller an seiner Forderung festgehalten.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 21.04.2020 das Honorar in Übereinstimmung mit der Kostenbeamtin auf 938,20 EUR festgesetzt und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es hat u.a. ausgeführt, es sei im Rahmen der Plausibilitätsprüfung zunächst der Seitenfaktor der Standardseite zu bestimmen. Bezogen auf die Standardseite mit 2700 Anschlägen ergebe sich ein Faktor von 0,91, der auf 1,0 aufgerundet werde. Für die Aktendurchsicht sei eine Stunde anzusetzen. Inhaltlich und dem Sinn nach sei zu prüfen, ob entsprechende Gutachtensteile kostenerstattungsrechtlich in die eine (Darstellung von Anamnese und Befund) oder andere Kategorie (Beantwortung der Beweisfragen) fielen, unabhängig davon, welche Überschrift der Gutachter in diesem Bereich seines Gutachtens gewählt habe oder wie er sein Gutachten sonst aufbaue. Die Darstellung in den Modulen sei den Darstellungen der Befunde in orthopädischen Gutachten gleichzusetzen. Im Weiteren hat es die von der Kostenbeamtin ermittelte Stundenzahl angesetzt, auch wenn es selbst einen geringeren Zeitaufwand errechnet hat. In Abweichung von der früheren Einschätzung seien Pflegegutachten mit der Honorargruppe M 2 unangemessen hoch vergütet worden. Die meisten Gutachten im Bereich der Unfallversicherung würden nach der Honorargruppe M 2 vergütetet werden, würden aber in vielen Fällen zu Kausalitätsproblemen Stellung nehmen, die medizinisch zu den schwierigen Gutachtensaufgaben zählten, und enthielten oft eine medizinische Verlaufsprognose oder die Einschätzung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit, sowohl rückblickend als auch in die Zukunft. Diese Kriterien würden auf ein Gutachten der Pflegeversicherung im Regelfall nicht zutreffen. Im Wesentlichen bestehe die Gutachtensleistung aus der, allerdings fachlich qualifizierten, Beschreibung eines Zustandes. Vor diesem Hintergrund und dem Vergleich des Pflegegutachtens mit allen anderen Gutachten die vom Sozialgericht eingeholt würden, scheine dem Gericht im Normalfall die Vergütung eines Pflegegutachtens nach der Honorargruppe M 1angemessen. Im Übrigen wird auf die Gründe Teil II verwiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Antragsteller zunächst weiterhin eine antragsgemäße Vergütung verlangt und zuletzt zwei zusätzliche Stunden geltend gemacht. Er legt dar, dass im Pflegegutachten eine Trennung in zwei Teile erfolge, nämlich in die pflegerelevante Vorgeschichte (Anamnese) und die vom Gutachter erhobenen Befunde (Allgemeinbefund, Stütz- und Bewegungsapparat, innere Organe, Sinnesorgane, Nervensystem und Psyche) und daran anschließend die Beurteilung des Grades der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten, wozu die Module 1 bis 6 des Begutachtungsinstruments verwendet würden. Die Beantwortung der Beweisfrage drücke sich exakt in der Bewertung der einzelnen Module aus. Er weist weiter u.a. darauf hin, dass niemals nur ein Organ oder Körperteil betrachtet werde und für die korrekte Ermittlung des Pflegegrades immer vielschichtige Überlegungen notwendig seien. Es würden somatische, kognitive, kommunikative, psychische und soziale Aspekte beleuchtet und bewertet. Auf die Beschwerdebegründung im Einzelnen wird verwiesen.

Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsteller bestätigt, die abgerechneten Stunden für die Abfassung des Gutachtens nicht nach dem tatsächlichen Aufwand erfasst, sondern nach den ihm bekannten Sätzen errechnet zu haben. Den tatsächlichen Zeitaufwand hat er nicht mehr mitteilen können.

II.

Über die nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) statthafte und damit zulässige Beschwerde entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch den Einzelrichter. Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor. Die vom Sozialgericht angenommene grundsätzliche Bedeutung liegt nicht vor. Vielmehr hat das Sozialgericht die bestehende Rechtsprechung des Kostensenats nicht vollständig beachtet.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen bemessen ist. Dementsprechend wird es gem. § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrages.

Zur Prüfung der "erforderlichen" Stunden hat der Kostensenat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg anhand der Prüfung einer Vielzahl von Gutachten und eigener Erfahrung Erfahrungssätze entwickelt. Danach gilt (ständige Rechtsprechung des Kostensenats, vgl. Beschluss vom 22.09.2004, L 12 RJ 3868/04 KO-A, u.a. in juris und MedR 2006, 118 und Beschluss vom 14.01.2014, L 12 KO 4491/12 B, u.a. in juris und GesR 2014, 555), dass in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die Angaben des Sachverständigen zu seinem tatsächlichen Zeitaufwand, wie sie von ihm in den mit dem Gutachtensauftrag übersandten Hinweisen unter Versicherung deren Richtigkeit verlangt werden, zutreffen und dass die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Vor diesem Hintergrund findet lediglich eine Plausibilitätsprüfung nach den vom Kostensenat in den genannten Entscheidungen aufgestellten Kriterien statt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Sachverständige eine Abrechnung vorlegt, anhand derer eine solche Prüfung vorgenommen werden kann.

Gerade dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr hat der Antragsteller - wie sonst auch, wie er versichert - anhand der ihm vermeintlich bekannten Werte der Plausibilitätsprüfung den so errechneten Zeitaufwand abgerechnet und das Sozialgericht hat dem lediglich seine eigenen Berechnungen entgegengesetzt, anstatt den tatsächlichen Zeitaufwand zu erfragen und ohne die vom Kostensenat aufgestellten Regeln der Plausibilitätsprüfung vollständig zu beachten. Dies wird den vom Kostensenat aufgestellten Grundsätzen der kostenrechtlichen Prüfung ebenso wenig gerecht, wie die dann erfolgte Durchführung der Plausibilitätsprüfung.

Der Kostensenat hat schon im Beschluss vom 22.09.2004 (L 12 RJ 3686/04 KO-A, auch zum Nachfolgenden) dargelegt, dass sich der erforderliche Zeitaufwand durch Pauschalen nicht erfassen lässt. Dementsprechend dient die vom Kostensenat entwickelte kostenrechtliche Prüfung vor allem dazu, den erforderlichen Zeitaufwand individuell, also nach den tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere entsprechend der Schwierigkeit des einzelnen Gutachtens zu ermitteln. Hierzu ist der tatsächliche Zeitaufwand des Sachverständigen grundsätzlich ein wesentliches Indiz. Vermag der Sachverständige seinen tatsächlichen Zeitaufwand nicht anzugeben, ist der erforderliche Zeitaufwand auf Grund der bestehenden Erfahrungen abzuschätzen. Auch hierzu sind die Kriterien der Plausibilitätsprüfung heranzuziehen und deren Ergebnisse gegebenenfalls im Hinblick auf den Inhalt des Gutachtens zu variieren.

Richtig ist daher, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Senats auf das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung abzustellen ist, wenn der Sachverständige seinen tatsächlichen Zeitaufwand nicht mitteilt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Sozialgerichte grundsätzlich der Aufgabe enthoben wären, diesen Zeitaufwand zu erfragen (entsprechend den Hinweisen an den Sachverständigen). Hier hat die Nachfrage des Senats ergeben, dass der - vom Antragsteller ohnehin nicht mehr konkret erinnerliche - tatsächliche Zeitaufwand für die Abfassung des Gutachtens auch dadurch entscheidend geprägt war, dass der Antragsteller das Gutachten selbst schrieb. Der Zeitaufwand für das eigentliche Schreiben aber wird nicht nach Stundensatz, sondern pauschal über die Schreibgebühren nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG ersetzt, die der Antragsteller ja auch abgerechnet hat und vergütet bekommt. Dem entsprechend hätte auch die Angabe des tatsächlichen Zeitaufwandes durch den Antragsteller der Honorarberechnung nicht zu Grunde gelegt werden können.

Kann der tatsächliche Zeitaufwand - wie hier - nicht geklärt oder aus sonstigen Gründen nicht zu Grunde gelegt werden, bleibt es in der Regel beim Ergebnis der Plausibilitätsprüfung. Dabei ist aber immer zu beachten, dass das rechnerische Ergebnis der Plausibilitätsprüfung nicht den erforderlichen und damit zu vergütenden Zeitaufwand ausweist. Das wäre eine Abrechnung nach Pauschalen, der der Kostensenat eine Absage erteilt hat (Beschluss vom 05.04.2005, L 12 SB 795/05 KO-A). Dem entsprechend ist zu prüfen, ob Besonderheiten erkennbar sind, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung erfordern. Solche Besonderheiten liegen selbstverständlich dann vor (weil die Plausibilitätsprüfung nicht den erforderlichen Zeitaufwand ausweist) und der Sachverständige ist insoweit antragsgemäß zu vergüten, wenn er weniger Stunden zur Abrechnung stellt, als nach der Plausibilitätsprüfung errechnet. In diesem Fall ist aber auch zu prüfen, ob und inwieweit ggf. geringerer Zeitaufwand für einen Teil des Gutachtens durch einen höheren Zeitaufwand in einem anderen Teil des Gutachtens ausgeglichen wird und daher die rechnerischen Ergebnisse der Plausibilitätsprüfung anzupassen sind.

Zusammengefasst gestaltet sich dieser Teil der kostenrechtlichen Prüfung so, dass in einem ersten Schritt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung das Gutachten und seine einzelnen Teile auf sogenannte Standardseiten mit 2.700 Anschlägen je Seite umgerechnet wird. Dabei besteht kein Anlass für ein Aufrunden bei der Umrechnung des Gutachtens in Standardseiten und das Sozialgericht hat hierfür auch keinen Grund angegeben. Vielmehr ist die Plausibilitätsprüfung mathematisch korrekt durchzuführen, was eine vom Sozialgericht vorgenommene Aufrundung von 0,91 auf 1,0 ausschließt.

Anhand von Erfahrungswerten (Blätter je Stunde im Falle der Aktendurchsicht bzw. Seiten je Stunde) ist dann für die jeweilige Tätigkeit (Aktendurchsicht, Diktat von Anamnese und Befunden, Beurteilung einschließlich Beantwortung der Beweisfragen, Korrektur) ein Zeitaufwand zu ermitteln, der im Falle eines Routinegutachtens zu erwarten ist. Nach der Rechtsprechung des Kostensenats sind folgende Werte anzusetzen: • Für die Durchsicht der Akten einschließlich Diktat des für das Gutachten erforderlichen Akteninhalts bei Gutachten auf Grund ambulanter Untersuchung für bis zu 150 Aktenseiten mit bis zu 50% gutachtensrelevantem Anteil eine Stunde, • für das außerhalb der Untersuchung erfolgte Diktat der Anamnese und der Befunde eine Stunde für acht Standardseiten (s.o.) im Falle der Darstellung standardisiert erhobener Anamnese und Befunde (häufig in orthopädischen Gutachten) bzw. eine Stunde für sechs Seiten bei ausführlicher und komplizierterer Darstellung (beispielsweise in psychiatrischen Gutachten), • für die Beurteilung und die Beantwortung der Beweisfragen (ohne deren Wiedergabe) eine Stunde für eineinhalb Standardseiten und • für die Korrektur einschließlich abschließender Durchsicht eine Stunde für zwölf Standardseiten.

Entsprechend der Berechnung der Standardseiten sind auch die einzelnen Teile der Plausibilitätsprüfung mathematisch korrekt, zumindest auf eine Dezimalstelle genau durchzuführen und erst danach ist in einem weiteren Schritt über Abweichungen zu befinden. Insbesondere die Rundungsregel des § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG findet erst am Ende der Prüfung auf die Gesamtstundenzahl Anwendung (Meyer/Höver/Bach/Overlack/Jahnke, JVEG, 27. Auflage, § 8 Rdnr. 17 m.w.N.; Schneider, JVEG, 3. Auflage, § 8 Rdnr. 68).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies:

Für die Aktendurchsicht ist entgegen der Handhabung des Sozialgerichts nicht eine Stunde anzusetzen, da der Antragsteller in seiner Kostenrechnung nur 0,49 Stunden beantragt hat. Da nicht erkennbar ist, dass an anderer Stelle deshalb ein zeitlicher Mehraufwand eintrat, sind für die Aktendurchsicht hier die beantragten 0,49 Stunden anzusetzen.

Für die Fahrzeit und die Untersuchung setzt der Senat antragsgemäß drei bzw. 1,5 Stunden an, allerdings unter Zurückstellung von Bedenken, weil diese "glatten" Stundenangaben darauf hindeuten, dass der Antragsteller seinen - wie er versichert hat - tatsächlichen Zeitaufwand auf halbe bzw. volle Stunden aufgerundet hat, was unzulässig wäre (s.o.).

Für die vier Gutachtensseiten "Verschriftlichung von Anamnese und Befunden" (so die Bezeichnung des Antragstellers) sind nach der Plausibilitätsprüfung 0,5 Stunden anzusetzen.

Die Auffassung des Sozialgerichts zur Beurteilung der Ausführungen des Antragstellers im Zusammenhang mit den einzelnen Modulen nach § 15 SGB XI trifft nicht zu. Das Sozialgericht differenziert danach, welche Seiten dem Bereich "Anamnese/Befund" bzw. "Beantwortung der Beweisfragen" zuzuordnen sind. Es vernachlässigt damit den Teil nahezu jedes Gutachtens, in dem die eigentliche Beurteilung stattfindet, an die sich dann üblicherweise die Beantwortung der Beweisfragen anschließt. Beide Teile werden im Rahmen der Plausibilitätsprüfung gleich bewertet.

Die Ausführungen des Antragstellers zur Bewertung des Grades der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten anhand der Module mit der Einstufung anhand der vom Gesetzgeber in den §§ 14 und 15 sowie der Anlage 1 zu § 15 SGB XI vorgegebenen Maßstäbe in Punkten erfolgte durch den Antragsteller - wie er zutreffend darlegt - auf der Grundlage der von ihm erhobenen und zuvor dargelegten Anamnese und Befunde. Mit der bloßen Darstellung von Befunden hat die Darstellung dieses Bewertungs- und Beurteilungsprozesses nichts gemein. Auch in den vom Sozialgericht in diesem Zusammenhang angeführten orthopädischen Gutachten ist die Beschreibung der aus den Befunden abgeleiteten qualitativen Einschränkungen der "Beurteilung" zugeordnet.

Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass die gesamte Darstellung der einzelnen Module und der Beurteilung der Fähigkeiten anhand dieser Module in die Plausibilitätsprüfung einfließt. Insbesondere bei Verwendung von Textvorlagen oder Bausteinen zur Konkretisierung der in den Modulen verwendeten Kriterien ist der sonst für die Beurteilung angenommene Zeitaufwand nicht angefallen. Dementsprechend sind solche Textpassagen, wenn sie einen erheblichen Umfang haben, aus der Ermittlung des Zeitaufwandes auszunehmen, wobei grundsätzlich nicht kleinlich vorgegangen werden soll. Der Senat schätzt diesen, keine besondere gedankliche Arbeit erfordernden Anteil an der Diskussion der Module hier aber immerhin auf die Hälfte, sodass von den hierauf entfallenden neun Seiten 4,5 Gutachtenseiten anzusetzen sind, was nach der Plausibilitätsprüfung den Ansatz von 2,8 Stunden rechtfertigt. Der Zeitaufwand für die abschließende Beurteilung (eineinhalb Gutachtensseiten, da auf Seite 14 noch ein Teil des Moduls 6 diskutiert wird und Seite 15 die Unterschrift einen Teil der Seite erfordert) - eine ausdrückliche Beantwortung der Beweisfragen erfolgte nicht - ist entsprechend den dargelegten Maßstäben mit 0,9 Stunden in die Berechnung einzustellen. Insgesamt ergeben sich damit für die Beurteilung und (sinngemäße) Beantwortung der Beweisfragen 3,7 Stunden. Besonderheiten sind hier nicht erkennbar.

Für die Korrektur errechnet sich ein Zeitaufwand von 1,1 Stunden.

Soweit der Antragsteller zuletzt seine Forderung erhöht hat und nunmehr 14 Stunden zur Vergütung begehrt, ist dies angesichts des Ergebnisses der Plausibilitätsprüfung unbeachtlich und im Übrigen deshalb nicht möglich, weil zwischenzeitlich die dreimonatige Ausschlussfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG abgelaufen und damit der vom Antragsteller behauptete höhere Anspruch jedenfalls erloschen ist (vgl. nur Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2007, L 6 B 77/07 SF; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29.04.2013, 9 W 34/13; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2015, L 15 SF 323/14; alle in juris).

Damit ergibt sich folgender vergütungsfähiger Zeitaufwand:

Aktendurchsicht einschl. Darstellung der Aktenlage 0,49 Stunden (antragsgemäß) Fahrzeit 3 Stunden (antragsgemäß) Untersuchung 1,5 Stunden (antragsgemäß) Diktat von Anamnese und Befunden 0,5 Stunden Beurteilung einschl. Beantwortung der Beweisfragen 3,7 Stunden Korrektur 1,1 Stunden Gesamtzeitaufwand 10,29 Stunden

Somit sind - gerundet (§ 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG) - 10,5 Stunden zu vergüten.

Die Ausführungen des Sozialgerichts zur Honorargruppe entsprechen ebenfalls nicht der bereits bestehenden Rechtsprechung des Kostensenats.

Sachverständige erhalten nach § 9 Abs. 1 JVEG für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 65, 75 oder 100 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (1 bis 13) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 JVEG zuzuordnen ist. Für medizinische und psychologische Gutachten gelten die Honorargruppen M 1 bis M 3.

In Anlage 1 des JVEG werden die medizinischen und psychologische Gutachten ihrem Schwierigkeitsgrad entsprechend in die bereits genannten drei Honorargruppen M 1, M 2 und M 3 eingeteilt, wobei sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert hat und die Vergütung damit aufwandsbezogen gestaltet haben will (BTDrs. 15/1971 Seite 186). Im Einzelnen lautet die Regelung (soweit der typische Bereich der Sozialgerichtsbarkeit betroffen ist):

Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten Honorar M1 Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere

• zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung 65 EUR M2 Beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten

• in Verfahren nach dem SGB IX, • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, • zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebungen (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen), 75 EUR M3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten

• zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, • in Verfahren nach dem OEG, • zur Geschäfts- oder Prozessfähigkeit, • zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten. 100 EUR

Nach der ständigen Rechtsprechung des Kostensenats (vgl. Beschluss vom 22.09.2004, L 12 RJ 3868/04 KO-A, u.a. in juris und MedR 2006, 118) gelten folgende Kriterien:

Einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (65 EUR) sind medizinische Gutachten, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie Gutachten unabhängig vom Sachgebiet (also auch die unten genannten "Zustandsgutachten") ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung - z.B. bei einer Monoverletzung - im Wesentlichen auf Zustand oder Funktion eines Organs (Organpaares) bzw. Körperteiles gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.

Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (75 EUR) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit sind solche, bei denen die diagnostischen oder die ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts/SGB IX und die Leidensbesserungen oder -verschlimmerungen bei Neufeststellungen in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind sowieGutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) orientiert.

Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 (100 EUR) liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinandersetzen sowie Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung.

Der Kostensenat hat bereits entschieden (Beschluss vom 29.04.2005, L 12 P 1314/05 KO-B), dass auch auf durch Pflegefachkräfte erstellte Gutachten zum Pflegegrad - obwohl weder medizinische noch psychologische Gutachten - gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG die Honorargruppen M 1 bis M 3 entsprechend anzuwenden sind. In derselben Entscheidung hat der Kostensenat die Honorargruppe M 2 als angemessen angesehen. Dies entspricht der Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte, auch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des JVEG, (s. die Nachweise von Reyels, juris-PR-SozR 6/2018 Anm. 6) und der in der Literatur vertretenen Auffassung (Schneider, a.a.O., § 9 Rdnr. 59, Reyels, a.a.O., m.w.N.) sowie der kostenrechtlichen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Baden-Württemberg. Es gibt daher keinen Anlass, von der Rechtsprechung des Kostensenats abzuweichen.

Soweit das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 10.04.2017 (L 1 P 19/19) hiervon abweichend eine Vergütung nur nach Honorargruppe 1 (in der Höhe M 1 entsprechend) vornimmt, begründet es dies zum einen damit, dass sich die Beweisfragen an den gesetzlichen Vorgaben orientieren würden. Dies gilt indessen bei der Sachverhaltsaufklärung durch Sachverständigengutachten grundsätzlich, sodass dieser Aspekt die Angemessenheit der Honorargruppe nicht beeinflusst. Zum anderen führt das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt an, dass eine Prognose der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustandes nicht gefordert sei. Indessen ist dieser Aspekt nur ein Gesichtspunkt zur Einstufung eines medizinischen Gutachtens, dessen Fehlen eine Einstufung entsprechend Honorargruppe M 2 nicht hindert, wie beispielsweise die vom Gesetzgeber dieser Honorargruppe zugeordneten Gutachten in Verfahren nach SGB IX, in Betreuungssachen und zu toxikologischen oder spurenkundlichen Fragestellungen zeigt. Auf den Aspekt, dass die angewandte Honorargruppe 1 nur für das Sachgebiet "Vermessungstechnik" vorgesehen ist, geht das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt ebenso wenig ein, wie auf die oben erwähnten gegenteiligen Auffassungen. Zutreffend weist Reyels (a.a.O.) daher darauf hin, dass die in Pflegegutachten üblicherweise zur Klärung geforderten (und von ihm im Einzelnen aufgeführten) Aspekte mit einer Zuordnung zu Honorargruppe 1 nicht angemessen bewertet würden.

Soweit das Sozialgericht die Auffassung vertritt, die meisten Gutachten im Bereich der Unfallversicherung würden, auch wenn sie zu Kausalitätsproblemen Stellung nähmen, nach der Honorargruppe M 2 vergütetet, entspricht auch dies nicht der Rechtsprechung des Kostensenats. "Kausalitätsgutachten" sind dann der Honorargruppe M 2 zuzuordnen, "wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere, wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) orientiert" (so die Rechtsprechung des Kostensenats, Beschluss vom 22.09.2004, a.a.O.). Dies trifft indessen für die Mehrzahl der dem Senat bekannt gewordenen Gutachten auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu, weil dort die Kausalfragen unter Auswertung und Bewertung vielfältiger Befunde (z.B. bei Klärung der Unfallfolgen nach Arbeitsunfall Primärbefund nach der Verletzung, erstes Beschwerdevorbringen und Beschwerdeverlauf, bildgebende Verfahren, auch im Verlauf, Operationsbericht, histologischer Befundbericht, beschriebene Vorerkrankungen, Unfallhergang) erfolgt. Dem entsprechend werden derartige Gutachten auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung in der kostenrechtlichen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Baden-Württemberg regelmäßig nach der Honorargruppe M 3 vergütet.

Der Vergütungsanspruch des Antragstellers setzt sich somit wie folgt zusammen:

Honorar 10,5 Stunden zu 75 EUR 787,50 EUR Schreibauslagen (antragsgemäß) 34,20 EUR Kopierauslagen (antragsgemäß) 15,00 EUR Porto (antragsgemäß) 4,50 EUR insgesamt 841,20 EUR 19% Umsatzsteuer 159,83 EUR Gesamtvergütung 1.001,03 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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