Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3676/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1256/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. März 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 einen Nachzahlungsanspruch bezüglich einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) am 3. Februar 1992 (Eingang bei der Beklagten) die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (Bl. 1 der Verwaltungsakte, Band 1). Mit Bescheid vom 16. Juli 1992 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. Februar 1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und errechnete für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. August 1992 eine Nachzahlung i.H.v. 6.912,08 DM.
Am 28. Oktober 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rentenzahlungen bereits ab dem 1. September 1988, weil der Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 1999 insoweit einen "Rentenbezug mit Zurechnungszeit" ausweise. Den als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewerteten Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2000 ab. Eine Rente bereits ab dem 1. September 1988 stünde der Klägerin nicht zu. Im Versicherungsverlauf werde aus technischen Gründen nicht unterschieden zwischen Zurechnungszeiten ohne Rentenbezug (1. September 1988 bis 31. Januar 1992) und Zeiten mit tatsächlichem Rentenbezug. Die hiergegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) eingereichte Klage wegen Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 24. April 2002; Az.: S 5 RA 440/00), ebenso wie die hiergegen gerichtete Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 23. Oktober 2003; Az.: L 10 RA 2009/02). Der Versicherungsverlauf sei kein Bewilligungsbescheid und trage den geltend gemachten Rentenzahlungsanspruch nicht. Die beim Bundessozialgericht (BSG) eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 27. November 2003 als unzulässig verworfen (Az.: B 4 RA 6/03 BH).
Am 11. November 2019 hat die Klägerin Klage beim SG auf "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" der "bestandskräftig" in ihrem Versicherungsverlauf eingetragenen Rente "wegen teilweiser Erwerbsminderung, Rentenbezug mit Zurechnungszeit" für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 eingereicht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, im Sozialversicherungsverlauf seien "bestandskräftige" Einträge und die Rente sei zeitgerecht und ordnungsgemäß bei der "Deutschen Finanzbehörde" versteuert, so dass ein Bescheid nicht zu erlassen sei. Gründe für die Unterlassung der Auszahlung lägen nicht vor und seien von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Ihre Schreiben an die Beklagte seien durchgehend unbeantwortet geblieben. Vor diesem Hintergrund sei ihre Klage berechtigt, da es keine andere Möglichkeit gebe, an ihr versteuertes Eigentum zu gelangen. Zur weiteren Begründung hat sie den Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 1999 vorgelegt, der im streitigen Zeitraum die Eintragung "Rentenbezug mit Zurechnungszeit" enthält.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit Bescheid vom 16. Juli 1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1. Februar 1992 bewilligt worden sei. Die Klägerin begehre nunmehr die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992. Sie habe Klage erhoben, obwohl kein Vorverfahren durchgeführt worden sei. Nach Abschluss des Klageverfahrens werde sie ein Überprüfungsverfahren hinsichtlich des Bescheids vom 16. Juli 1992 aufgrund des Antrags der Klägerin vom 11. November 2019 (Eingang der Klage beim SG) durchführen. Darüber hinaus hat die Beklagte Kopien der Abrechnung der Rentennachzahlung einschließlich des Zahlungsauftragsbelegs vom 10. August 1992 vorgelegt. Danach wurde der Klägerin am 10. August 1992 im Rahmen der Abrechnung der Rentennachzahlung ein Betrag i.H.v. 6.912,08 DM für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. August 1992 überwiesen (Bl. 26 der SG-Akte).
Mit Schreiben vom 5. Februar 2020 hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Klage mangels Vorverfahrens unzulässig und daher abzuweisen sei. Sollte die Klage nicht zurückgenommen werden, sei beabsichtigt, den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, ihre Klage sei keinesfalls unzulässig, da im Versicherungsverlauf ein "Rentenbezug" eingetragen sei. Voraussetzung für die Eintragung sei jedoch ein Verwaltungsverfahren und ein Verwaltungsakt. Werde der Verwaltungsakt nicht aufgehoben, so werde er bindend und der Eintrag im Versicherungsverlauf bestandskräftig.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da das notwendige Vorverfahren bezüglich der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 nicht durchgeführt worden sei. Damit sei die nach § 78 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGG notwendige Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Verpflichtungsklage nicht erfüllt. Soweit die Klage als reine Leistungsklage auszulegen sei, könne diese ebenfalls keinen Erfolg haben, da die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung einer Rente in dem geltend gemachten Zeitraum habe. Die Beklagte habe für diesen Zeitraum keine Rente bewilligt. Auch eine bestandskräftige Eintragung des Rentenbezugs für diese Zeit im Versicherungsverlauf der Klägerin sei nicht erfolgt. Insoweit handle es sich lediglich um Beitragszeiten zur Rentenversicherung in Form von Pflichtbeiträgen als Angestellte. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 10. März 2020 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 14. April 2020 beim SG zum LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen ihren Vortrag im Klageverfahren wiederholt und geltend macht, die Beklagte habe den rechtskräftig bewilligten und bestandskräftig im Versicherungsverlauf eingetragenen Rentenbezug aus-, nachzuzahlen und zu verzinsen. Ihr Eigentum sei bereits versteuert worden. Im Verfahren vor dem Finanzgericht K. (Az.: 10 K 66/00) sei der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung im streitigen Zeitraum bereits rechtskräftig festgestellt worden. Dass die Beklagte ihr versteuertes Eigentum bereits über Jahrzehnte hinweg ohne gesetzlichen Grund vorenthalte, sei offensichtlich rechts- und verfassungswidrig. Rentenbezüge seien auch nicht, wie vom SG angenommen, Pflichtbeiträge für Angestellte. Beim Vergleich zwischen den Versicherungsverläufen von 1999 und 2019 seien allerdings Auffälligkeiten vorhanden. Im Versicherungsverlauf von 2019 sei die Zeit vom 1. September bis 2. November 1988 als Pflichtbeitragszeit deklariert. Vom 3. November 1988 bis 30. Juli 1990 fänden sich im Versicherungsverlauf von 2019 außer "Rentenbezug" keine Einträge mehr. Es seien bestandskräftige Einträge aus dem Versicherungsverlauf von 1999 rechtswidrig gelöscht worden, nämlich die Zeit vom "31.07. bis 31.07.1990 Pflichtbeitragszeit, 01.08.1990 bis 31.12.90 Pflichtbeitragszeit, 01.01.1991 - 31.12.1991 ALG-Bezug, 01.01.92 bis 12.01.1992 1999: Pflichtbeitragszeit, 2019: Sozialleistungen". Die Beklagte habe den Zustand ihres früheren Sozialversicherungsverlaufs wiederherzustellen, da sie das gesamte Einkommen und die Leistungen bereits ordnungsgemäß versteuert habe.
Die Klägerin beantragt wörtlich,
"1. Das Urteil ist aufzuheben. Die Beklagte hat — wie "zu Recht" eingeklagt- den rechtskräftig bewilligten und "bestandskräftig" im Versicherungsverlauf eingetragenen "Rentenbezug" aus-, nachzuzahlen und zu verzinsen. Alle Anträge der 1.Instanz werden vollinhaltlich übernommen. 2. Bei der dokumentierten Beweislage ist vom Gericht die "vollstreckbare Ausfertigung" für den Auszahlungsbetrag zu erlassen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Klägerin, weil sie diese verursacht hat."
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe die Klage mit zutreffender Begründung als unzulässig abgewiesen. Mangels Vorverfahrens sei die Klage unzulässig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (10 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG formgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin eine Rentennachzahlung für einen Zeitraum von mehr als ein Jahr begehrt.
Die am 14. April 2020 beim SG eingelegte Berufung ist auch fristgemäß. Die Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG beim LSG Baden-Württemberg innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist endet gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags (§ 64 Abs. 3 SGG).
Vorliegend wurde der Klägerin der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. März 2020 - ausweislich der in der SG-Akte befindlichen Zustellungsurkunde - am 10. März 2020 zugestellt, so dass die einmonatige Berufungsfrist am 10. März 2020 zu laufen begann und am 14. April 2020, einem Dienstag, endete. Denn sowohl der 10. April 2020 als auch der 13. April 2020 waren gesetzliche Feiertage (Karfreitag und Ostermontag). Die am 14. April 2020 beim SG eingelegte Berufung ist daher fristgemäß erfolgt.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach dem von der Klägerin ausdrücklich bezeichneten Begehren (§ 123 SGG) die Nachzahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992.
3. Die Berufung ist unbegründet. Denn die Klage ist - wie das SG zutreffend entschieden hat - unzulässig.
Ob sich dies sich für den streitigen Zeitraum gemäß § 141 SGG Abs.1 Nr. 1 SGG bereits aus der Rechtskraft des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2003 (Az.: L 10 RA 2009/02) ergibt, kann dahinstehen. Nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017 § 141 Rn. 6a m.w.N.). Zwar waren die Klägerin und die Beklagte "Beteiligte" des Rechtsstreits im Verfahren L 10 RA 2009/02. Der 10. Senat des LSG Baden-Württemberg legte das damalige Begehren der Klägerin auf "Rentennachzahlung" für den - auch hier streitigen - Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 als Antrag aus, ihr eine Rente "wegen Erwerbsunfähigkeit" zu gewähren. Ausgangspunkt des hiesigen Verfahrens ist jedoch der von der Klägerin beim SG eingereichte Antrag auf "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" einer Rente wegen "teilweiser Erwerbsminderung".
Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den streitigen Zeitraum weder bei der Beklagten beantragt noch durch Bescheid abgelehnt oder bewilligt worden ist. Für die Zulässigkeit einer etwaigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 SGG) ist jedoch Voraussetzung die Behauptung, durch einen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. An dieser Klagebefugnis fehlt es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 2/14 R – juris, Rn. 11 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Eine Entscheidung der Beklagten über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 liegt ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten nicht vor. Etwas anderes wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Sie stützt ihr Begehren allein auf den Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 1999. Nach § 149 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterrichtet der Träger der Rentenversicherung die Versicherten regelmäßig über die in ihrem Versicherungskonto gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (Versicherungsverlauf). Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Der Versicherungsverlauf ist mangels Regelungscharakter jedoch kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), er enthält lediglich eine Wissenserklärung (BSG, Urteil vom 12. November 1980 – 1 RA 65/79 – juris, Rn. 29; Paulus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand Juli 2013, § 149 SGB VI Rn. 67). Mangels Verwaltungsakt erging vorliegend auch kein Widerspruchsbescheid, so dass auch das für eine kombinierte Anfechtung- und Leistungsklage notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) nicht durchgeführt worden ist. Mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes war das Verfahren auch nicht nach § 114 Abs. 2 SGG analog zur Durchführung des Vorverfahrens auszusetzen (vgl. allg. BSG, Beschluss vom 19. November 2019 – B 1 KR 72/18 B – juris, Rn. 4).
Zwar kann nach § 54 Abs. 5 SGG mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Innerhalb des Klagesystems des SGG, das im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlich-rechtlichem Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem SGB X und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgeht (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG), ist die isolierte oder echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Ausnahme. Sie kommt in Betracht, wenn kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht oder ein konkretes Verhalten, z.B. eine Auskunft oder eine Beratung des Leistungsträgers, begehrt wird. Sie scheidet schon vom Wortlaut her aus, wenn ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil eine Regelung mit Außenwirkung zu treffen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 2017 – L 10 R 705/16 – juris, Rn. 26 f.). Ist eine Leistung bereits durch Verwaltungsakt festgesetzt, aber nicht erbracht oder eingestellt worden, ohne dass eine Korrektur der Bewilligungsbescheide erfolgte, kann hingegen eine echte Leistungsklage durch den Versicherten erhoben werden (BSG, Urteil vom 29. Januar 2014 – B 5 R 36/12 R – juris, Rn. 16; Urteil vom 27. März 1980 – 10 RV 23/79 – juris, Rn. 13; Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: Juli 2019, § 54 SGG Rn. 71).
Die Voraussetzungen für eine echte Leistungsklage sind vorliegend nicht erfüllt. Die von der Klägerin begehrte "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erfordert zunächst eine Entscheidung und damit Regelung der Beklagten, ob die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Diese Entscheidung und Regelung der Beklagten kann mit Außenwirkung nur durch einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X erfolgen, der dann mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angreifbar wäre.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 einen Nachzahlungsanspruch bezüglich einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Die 1957 geborene Klägerin beantragte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) am 3. Februar 1992 (Eingang bei der Beklagten) die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (Bl. 1 der Verwaltungsakte, Band 1). Mit Bescheid vom 16. Juli 1992 gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. Februar 1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit und errechnete für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. August 1992 eine Nachzahlung i.H.v. 6.912,08 DM.
Am 28. Oktober 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rentenzahlungen bereits ab dem 1. September 1988, weil der Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 1999 insoweit einen "Rentenbezug mit Zurechnungszeit" ausweise. Den als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewerteten Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2000 ab. Eine Rente bereits ab dem 1. September 1988 stünde der Klägerin nicht zu. Im Versicherungsverlauf werde aus technischen Gründen nicht unterschieden zwischen Zurechnungszeiten ohne Rentenbezug (1. September 1988 bis 31. Januar 1992) und Zeiten mit tatsächlichem Rentenbezug. Die hiergegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) eingereichte Klage wegen Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 24. April 2002; Az.: S 5 RA 440/00), ebenso wie die hiergegen gerichtete Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (Urteil vom 23. Oktober 2003; Az.: L 10 RA 2009/02). Der Versicherungsverlauf sei kein Bewilligungsbescheid und trage den geltend gemachten Rentenzahlungsanspruch nicht. Die beim Bundessozialgericht (BSG) eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit Beschluss vom 27. November 2003 als unzulässig verworfen (Az.: B 4 RA 6/03 BH).
Am 11. November 2019 hat die Klägerin Klage beim SG auf "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" der "bestandskräftig" in ihrem Versicherungsverlauf eingetragenen Rente "wegen teilweiser Erwerbsminderung, Rentenbezug mit Zurechnungszeit" für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 eingereicht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, im Sozialversicherungsverlauf seien "bestandskräftige" Einträge und die Rente sei zeitgerecht und ordnungsgemäß bei der "Deutschen Finanzbehörde" versteuert, so dass ein Bescheid nicht zu erlassen sei. Gründe für die Unterlassung der Auszahlung lägen nicht vor und seien von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Ihre Schreiben an die Beklagte seien durchgehend unbeantwortet geblieben. Vor diesem Hintergrund sei ihre Klage berechtigt, da es keine andere Möglichkeit gebe, an ihr versteuertes Eigentum zu gelangen. Zur weiteren Begründung hat sie den Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 1999 vorgelegt, der im streitigen Zeitraum die Eintragung "Rentenbezug mit Zurechnungszeit" enthält.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin mit Bescheid vom 16. Juli 1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 1. Februar 1992 bewilligt worden sei. Die Klägerin begehre nunmehr die Zahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992. Sie habe Klage erhoben, obwohl kein Vorverfahren durchgeführt worden sei. Nach Abschluss des Klageverfahrens werde sie ein Überprüfungsverfahren hinsichtlich des Bescheids vom 16. Juli 1992 aufgrund des Antrags der Klägerin vom 11. November 2019 (Eingang der Klage beim SG) durchführen. Darüber hinaus hat die Beklagte Kopien der Abrechnung der Rentennachzahlung einschließlich des Zahlungsauftragsbelegs vom 10. August 1992 vorgelegt. Danach wurde der Klägerin am 10. August 1992 im Rahmen der Abrechnung der Rentennachzahlung ein Betrag i.H.v. 6.912,08 DM für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. August 1992 überwiesen (Bl. 26 der SG-Akte).
Mit Schreiben vom 5. Februar 2020 hat das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Klage mangels Vorverfahrens unzulässig und daher abzuweisen sei. Sollte die Klage nicht zurückgenommen werden, sei beabsichtigt, den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Klägerin hat hierzu ausgeführt, ihre Klage sei keinesfalls unzulässig, da im Versicherungsverlauf ein "Rentenbezug" eingetragen sei. Voraussetzung für die Eintragung sei jedoch ein Verwaltungsverfahren und ein Verwaltungsakt. Werde der Verwaltungsakt nicht aufgehoben, so werde er bindend und der Eintrag im Versicherungsverlauf bestandskräftig.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. März 2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unzulässig, da das notwendige Vorverfahren bezüglich der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 nicht durchgeführt worden sei. Damit sei die nach § 78 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGG notwendige Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Verpflichtungsklage nicht erfüllt. Soweit die Klage als reine Leistungsklage auszulegen sei, könne diese ebenfalls keinen Erfolg haben, da die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung einer Rente in dem geltend gemachten Zeitraum habe. Die Beklagte habe für diesen Zeitraum keine Rente bewilligt. Auch eine bestandskräftige Eintragung des Rentenbezugs für diese Zeit im Versicherungsverlauf der Klägerin sei nicht erfolgt. Insoweit handle es sich lediglich um Beitragszeiten zur Rentenversicherung in Form von Pflichtbeiträgen als Angestellte. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 10. März 2020 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 14. April 2020 beim SG zum LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen ihren Vortrag im Klageverfahren wiederholt und geltend macht, die Beklagte habe den rechtskräftig bewilligten und bestandskräftig im Versicherungsverlauf eingetragenen Rentenbezug aus-, nachzuzahlen und zu verzinsen. Ihr Eigentum sei bereits versteuert worden. Im Verfahren vor dem Finanzgericht K. (Az.: 10 K 66/00) sei der Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung im streitigen Zeitraum bereits rechtskräftig festgestellt worden. Dass die Beklagte ihr versteuertes Eigentum bereits über Jahrzehnte hinweg ohne gesetzlichen Grund vorenthalte, sei offensichtlich rechts- und verfassungswidrig. Rentenbezüge seien auch nicht, wie vom SG angenommen, Pflichtbeiträge für Angestellte. Beim Vergleich zwischen den Versicherungsverläufen von 1999 und 2019 seien allerdings Auffälligkeiten vorhanden. Im Versicherungsverlauf von 2019 sei die Zeit vom 1. September bis 2. November 1988 als Pflichtbeitragszeit deklariert. Vom 3. November 1988 bis 30. Juli 1990 fänden sich im Versicherungsverlauf von 2019 außer "Rentenbezug" keine Einträge mehr. Es seien bestandskräftige Einträge aus dem Versicherungsverlauf von 1999 rechtswidrig gelöscht worden, nämlich die Zeit vom "31.07. bis 31.07.1990 Pflichtbeitragszeit, 01.08.1990 bis 31.12.90 Pflichtbeitragszeit, 01.01.1991 - 31.12.1991 ALG-Bezug, 01.01.92 bis 12.01.1992 1999: Pflichtbeitragszeit, 2019: Sozialleistungen". Die Beklagte habe den Zustand ihres früheren Sozialversicherungsverlaufs wiederherzustellen, da sie das gesamte Einkommen und die Leistungen bereits ordnungsgemäß versteuert habe.
Die Klägerin beantragt wörtlich,
"1. Das Urteil ist aufzuheben. Die Beklagte hat — wie "zu Recht" eingeklagt- den rechtskräftig bewilligten und "bestandskräftig" im Versicherungsverlauf eingetragenen "Rentenbezug" aus-, nachzuzahlen und zu verzinsen. Alle Anträge der 1.Instanz werden vollinhaltlich übernommen. 2. Bei der dokumentierten Beweislage ist vom Gericht die "vollstreckbare Ausfertigung" für den Auszahlungsbetrag zu erlassen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Klägerin, weil sie diese verursacht hat."
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe die Klage mit zutreffender Begründung als unzulässig abgewiesen. Mangels Vorverfahrens sei die Klage unzulässig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (10 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG formgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin eine Rentennachzahlung für einen Zeitraum von mehr als ein Jahr begehrt.
Die am 14. April 2020 beim SG eingelegte Berufung ist auch fristgemäß. Die Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG beim LSG Baden-Württemberg innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist endet gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags (§ 64 Abs. 3 SGG).
Vorliegend wurde der Klägerin der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. März 2020 - ausweislich der in der SG-Akte befindlichen Zustellungsurkunde - am 10. März 2020 zugestellt, so dass die einmonatige Berufungsfrist am 10. März 2020 zu laufen begann und am 14. April 2020, einem Dienstag, endete. Denn sowohl der 10. April 2020 als auch der 13. April 2020 waren gesetzliche Feiertage (Karfreitag und Ostermontag). Die am 14. April 2020 beim SG eingelegte Berufung ist daher fristgemäß erfolgt.
2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach dem von der Klägerin ausdrücklich bezeichneten Begehren (§ 123 SGG) die Nachzahlung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992.
3. Die Berufung ist unbegründet. Denn die Klage ist - wie das SG zutreffend entschieden hat - unzulässig.
Ob sich dies sich für den streitigen Zeitraum gemäß § 141 SGG Abs.1 Nr. 1 SGG bereits aus der Rechtskraft des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 23. Oktober 2003 (Az.: L 10 RA 2009/02) ergibt, kann dahinstehen. Nach § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand ist nicht zulässig (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017 § 141 Rn. 6a m.w.N.). Zwar waren die Klägerin und die Beklagte "Beteiligte" des Rechtsstreits im Verfahren L 10 RA 2009/02. Der 10. Senat des LSG Baden-Württemberg legte das damalige Begehren der Klägerin auf "Rentennachzahlung" für den - auch hier streitigen - Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 als Antrag aus, ihr eine Rente "wegen Erwerbsunfähigkeit" zu gewähren. Ausgangspunkt des hiesigen Verfahrens ist jedoch der von der Klägerin beim SG eingereichte Antrag auf "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" einer Rente wegen "teilweiser Erwerbsminderung".
Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den streitigen Zeitraum weder bei der Beklagten beantragt noch durch Bescheid abgelehnt oder bewilligt worden ist. Für die Zulässigkeit einer etwaigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 SGG) ist jedoch Voraussetzung die Behauptung, durch einen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. An dieser Klagebefugnis fehlt es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 2/14 R – juris, Rn. 11 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Eine Entscheidung der Beklagten über die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 1. September 1988 bis 31. Januar 1992 liegt ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten nicht vor. Etwas anderes wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Sie stützt ihr Begehren allein auf den Versicherungsverlauf vom 26. Oktober 1999. Nach § 149 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterrichtet der Träger der Rentenversicherung die Versicherten regelmäßig über die in ihrem Versicherungskonto gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (Versicherungsverlauf). Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Der Versicherungsverlauf ist mangels Regelungscharakter jedoch kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), er enthält lediglich eine Wissenserklärung (BSG, Urteil vom 12. November 1980 – 1 RA 65/79 – juris, Rn. 29; Paulus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand Juli 2013, § 149 SGB VI Rn. 67). Mangels Verwaltungsakt erging vorliegend auch kein Widerspruchsbescheid, so dass auch das für eine kombinierte Anfechtung- und Leistungsklage notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) nicht durchgeführt worden ist. Mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes war das Verfahren auch nicht nach § 114 Abs. 2 SGG analog zur Durchführung des Vorverfahrens auszusetzen (vgl. allg. BSG, Beschluss vom 19. November 2019 – B 1 KR 72/18 B – juris, Rn. 4).
Zwar kann nach § 54 Abs. 5 SGG mit der Klage eine Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Innerhalb des Klagesystems des SGG, das im Verhältnis zwischen Bürger und öffentlich-rechtlichem Leistungsträger vom Verwaltungsakt als typischem Regelungsinstrument nach dem SGB X und der darauf aufbauenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ausgeht (§ 54 Abs. 1 und 2 SGG), ist die isolierte oder echte Leistungsklage des Bürgers gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger die Ausnahme. Sie kommt in Betracht, wenn kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht oder ein konkretes Verhalten, z.B. eine Auskunft oder eine Beratung des Leistungsträgers, begehrt wird. Sie scheidet schon vom Wortlaut her aus, wenn ein Verwaltungsakt zu ergehen hat, weil eine Regelung mit Außenwirkung zu treffen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 2017 – L 10 R 705/16 – juris, Rn. 26 f.). Ist eine Leistung bereits durch Verwaltungsakt festgesetzt, aber nicht erbracht oder eingestellt worden, ohne dass eine Korrektur der Bewilligungsbescheide erfolgte, kann hingegen eine echte Leistungsklage durch den Versicherten erhoben werden (BSG, Urteil vom 29. Januar 2014 – B 5 R 36/12 R – juris, Rn. 16; Urteil vom 27. März 1980 – 10 RV 23/79 – juris, Rn. 13; Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand: Juli 2019, § 54 SGG Rn. 71).
Die Voraussetzungen für eine echte Leistungsklage sind vorliegend nicht erfüllt. Die von der Klägerin begehrte "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erfordert zunächst eine Entscheidung und damit Regelung der Beklagten, ob die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Diese Entscheidung und Regelung der Beklagten kann mit Außenwirkung nur durch einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X erfolgen, der dann mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angreifbar wäre.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved