L 10 U 2226/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2939/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2226/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.05.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente und Verletztengeld.

Der am 1953 geborene Kläger erlitt am 03.11.2015 einen Arbeitsunfall, als er gegen 12.00 Uhr während seiner Tätigkeit als versicherungspflichtig beschäftigter Kraftfahrer der V. und D. Recycling-GmbH & Co. KG P. von einer Ladefläche eines Lkw sprang, ausrutschte und auf die linke Schulter fiel. Nach dem Unfallereignis beendete er seine Arbeitsschicht regulär um 16.30 Uhr (Bl. 1, 26-2 Verwaltungsakte - VA -). In einem Fragebogen zum Unfallhergang gab der Kläger an, er sei von der Ladefläche des Lkw vorwärts hinuntergesprungen (Sprunghöhe ca. 1,60 m), sei dann auf der auf dem Boden liegenden Pappe ausgerutscht und habe versucht, sich mit der linken Hand abzufangen und sei dabei mit der linken Schulterseite auf den Betonboden aufgeschlagen (Bl. 26 VA). Dabei habe er einen stechenden Schmerz bemerkt. Am Abend des Unfalltages gegen 18.00 Uhr habe er erstmalig eine Bewegungseinschränkung im Schultergelenk bemerkt. Außerdem gab er an, zweimal pro Woche Sport zu treiben (Jogging, Gymnastik, Krafttraining; Bl. 26-2 VA).

Am Folgetag untersuchten ihn die Durchgangsärzte Dres. K. , die äußerlich keine frischen Verletzungszeichen (Weichteilschwellung oder Hämatomverfärbung) sahen und denen gegenüber der Kläger einen starken lokalen Druckschmerz über dem Sehnengleitlager angab (Bl. 1 VA). Die Ärzte befundeten eine "sehr schmerzhaft eingeschränkte" Bewegung und ein Impingementsyndrom der linken Schulter, schlossen durch röntgenologische Untersuchung eine Fraktur aus und diagnostizierten eine Schulterprellung links.

Am 06.11.2015 wurde mittels Kernspin-/Magnetresonanztomographie (MRT) der linken Schulter eine frische ventrale und zentrale Ruptur der Supraspinatussehne mit erheblicher ödematöser Aufreibung der Sehnenstümpfe festgestellt, wobei sich nur noch im dorsalen Sehnenrandbereich schmale durchgängige Sehnenzüge bis an den Ansatz verfolgbar und außerdem Signalanhebungen und eine Verbreiterung der Infraspinatus- und Supscapularissehne im Ansatzbereich - vereinbar, so die Radiologen, mit einer stattgehabten, zumindest erheblichen Distorsion -, ein Gelenkerguss, ein Erguss der Bursa subacromialis subdeltoidea, eine Degeneration des Labrum glenoidale und eine aktivierte AC-Gelenkarthrose (Acromio-Clavicular-Gelenk = Schultereckgelenk) ohne Nachweis einer frischen osteochondralen Verletzung zeigten (Bl. 13 VA). Am 13.11.2015 erfolgte die operative Versorgung der Ruptur im H. Klinikum P. (Bl. 23 VA). Bei der Operation zeigte sich eine "komplette Teilruptur" der Supraspinatussehne links bei unauffälligem Glenoid und intaktem Labrum sowie fehlenden Knorpelschäden am Humeruskopf, eine leicht gereizte, aber feste Bizepssehne mit festem Verlauf im Sulcus und eine unauffällige Subscapularissehne (Operationsbericht, Bl. 30 VA). Der operative Eingriff verlief problemlos, die Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte am 16.11.2015 mit reizlosen Wundverhältnissen. Die Ärzte im H. Klinikum P. diagnostizierten eine frische Spinatussehnenruptur links mit leichtem Impingementsyndrom, Synovialitis und Bursitis subacromialis (Bl. 39 VA).

Das bei der Arthroskopie entnommene Material zeigte im histologischen Befund vom 18.11.2015 eine Rotatorenmanschette mit mukoider Degeneration, herdförmiger Verkalkung und Zeichen einer ausgedehnten, nicht ganz frischen Ruptur und keine Malignität (Bl. 29 VA). PD Dr. M. , D-Arzt und Chefarzt der Unfallchirurgie des H. Klinikums P. , führte in Kenntnis dessen aus, dass von einem "BG-lichen Fall" nicht auszugehen sei, da die Histologie eine degenerative Veränderung der Supraspinatussehne zeige (Bl. 23 VA).

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2015 (Bl. 33 VA) einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls ab. Außerdem führte sie aus, der Kläger habe nach dem 06.11.2015 keinen Anspruch auf Heilbehandlung oder sonstige Leistungen der Beklagten. In einem hiervon räumlich abgesetzten Absatz führte sie unter "Begründung" aus, dass ein Rentenanspruch nicht bestehe, da die Erwerbfähigkeit des Klägers nicht über die 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls hinaus bzw. nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs nicht um wenigstens 20 vom Hundert (v. H.) gemindert sei. Der Arbeitsunfall habe zu folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, die bei der Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) berücksichtigt worden seien: "Verheilte Prellung der linken Schulter mit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis einschließlich 06.11.2015." Die darüber hinausgehenden Beschwerden seien nicht durch den Unfall entstanden, sondern würden auf bereits vorbestehenden unfallunabhängigen Veränderungen der linken Schulter beruhen. Unabhängig vom Arbeitsunfall liege auch ein Riss der linken Supraspinatussehne vor.

Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die im MRT befundete Supraspinatussehnenruptur der linken Schulter Unfallfolge sei und ihm daher Verletztengeld und im Anschluss daran Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren sei.

Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen, Unfallchirurgen und Orthopäden Dr. K. ein, wonach - dies sei bestätigt durch den histologischen Befund - die Veränderungen an der Supraspinatussehne mit Ablösung auf Grund der Einengung des subacromialen Raumes und der AC-Gelenksarthrose degenerativ bedingt sei (Bl. 61-1, 61-2 VA).

Hierauf gestützt wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2016 (Bl. 64 VA) als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 30.08.2016 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage mit dem Begehren erhoben, ihm über den 06.11.2015 hinaus Verletztengeld sowie eine Verletztenrente zu gewähren. Das Sozialgericht hat auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten und die ergänzende Stellungahme des Facharztes für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. O. (Bl. 34/44, Bl. 64/65 SG-Akte) eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers am 03.03.2017 ausgeführt hat, dass ein "Zustand nach diagnostischer Arthroskopie, Synovialresektion, PE-Entnahme der Sehne zur histologischen Bestimmung und Debridement und arthroskopischer Acromionplastik sowie Mini-Open mit Supraspinatussehnenrekonstruktion mit Fadenanker und Pushlockanker der linken Schulter mit derzeit noch bestehender Bewegungseinschränkung der linken Schulter in nahezu allen Ebenen und diskreter Schmerzhaftigkeit" vorliege. Die Beschwerden seien nicht nur auf das Unfallereignis vom 03.11.2015 zurückzuführen. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der linken Schulter (deutliche Veränderung im Bereich des AC-Gelenkes mit Osteophytenbildung und Verschmächtigung des Schultereckgelenkes mit Sklerosierungszone) seien mit Wahrscheinlichkeit führend und nicht gleichwertig zu dem Sturzereignis vom 03.11.2015. Es sei davon auszugehen, dass es auf Grund des Unfallmechanismus zu einer Distorsion und schweren Prellung der linken Schulter gekommen sei. Eine durch den Unfall bedingte MdE liege nicht vor.

Mit Urteil vom 16.05.2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht hinreichend wahrscheinlich sei, dass der erlittene Sturz über eine Prellung hinaus auch rechtlich wesentlich zu "der Rotatorenmanschettenruptur" der linken Schulter geführt habe. In der Summe sprächen mehr Umstände dagegen als dafür, dass der Schaden der Supraspinatussehne auf das Ereignis vom 03.11.2015 zurückzuführen sei. Seine Einschätzung hat es maßgeblich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. O. gestützt und ausgeführt, dass es dessen Abwägung nachvollziehen könne, insbesondere auch, dass er dem histologischen Befund eine besondere Bedeutung zugemessen und darauf hingewiesen habe, dass die vorliegende mukoide Degeneration mit herdförmigen Verkalkungen für ein degeneratives Geschehen und damit gegen einen Unfallzusammenhang spreche. Auf diesen zentralen Umstand habe auch der Operateur Dr. M. hingewiesen. Zwar hätten sich im Rahmen der MRT-Untersuchung Zeichen einer frischen Rissbildung gezeigt; selbst, wenn die bereits degenerativ vorgeschädigte Supraspinatussehne erst durch das Unfallereignis eingerissen wäre, sei Letzteres jedoch dennoch nicht die wesentliche Ursache für die Schädigung gewesen, sondern es komme den degenerativen Vorschädigungen eine überragende Bedeutung für den Gesundheitsschaden zu.

Der Kläger hat am 22.06.2018 gegen das ihm am 29.05.2018 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass seine Schulterverletzung links unfallbedingt sei.

Der Senat hat das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von der A. beigezogen (Bl. 95 f. LSG-Akte), wonach vom 04.11.2015 bis 01.05.2016 Arbeitsunfähigkeit wegen der Beschwerden der linken Schulter bestand.

Der Senat hat von Amts wegen das Sachverständigengutachten (Bl. 31 bis 75 der LSG-Akte) und die ergänzende Stellungnahme (Bl. 134 bis 141 LSG-Akte) des leitenden Arztes des Orthopädischen Forschungsinstituts S. Dr. W. eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers am 14.11.2018 Belastungsarthralgien des linken Schultergelenkes mit Funktions- und Belastungseinschränkungen des Schultergelenkes (insbesondere oberhalb der Horizontalen bei Komplexbewegungen), bei Zustand nach arthroskopischer und offener Operation (11/2015), operativer Rekonstruktion mit Naht der Supraspinatussehne und Fixation mittels Anker, Bursektomie und Acromioplastik sowie einen Zustand nach erlittener Schultergelenksprellung links mit zeitgerechter Abheilung diagnostiziert hat. Allein Letzteres sei durch den Arbeitsunfall vom 03.11.2015 verursacht. Unter Berücksichtigung und Abwägung aller fassbaren Umstände (Unfallhergang, zum Unfallzeitpunkt nah erhobene Befunde, vorliegende und berichtete Bildgebung, klinischer posttraumatischer Verlauf, Aktenlage, Operationsbericht, Anamnese und Literatur) könne nicht angenommen werden, dass der Schaden an der Rotatorenmanschette durch den Arbeitsunfall verursacht worden sei. Vielmehr sei die Degeneration rechtlich wesentlich für die Ruptur. Dr. W. hat die insgesamt durch die Gesundheitsstörungen der linken Schulter bedingte MdE ab dem 02.05.2016 - Tag nach dem Ende der wegen Schulterbeschwerden links bestehenden Arbeitsunfähigkeit - unabhängig vom Kausalzusammenhang mit 10 v. H. eingeschätzt. Bereits im Gutachten von Dr. O. seien vergleichbare Bewegungsmaße des Schultergelenkes wie von ihm (s. Bl. 41 LSG-Akte) befundet worden; die Ausbildung der Muskulatur in der Schulter und die Einsetzbarkeit des Armes unterhalb der Horizontalen sei als gut zu bezeichnen, ebenso die Abspreizbewegungen an den Unterarmen; eine Muskelverschmächtigung der Armmuskulatur liege nicht vor.

Der Senat hat die den Kläger vorbehandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der Allgemeinmediziner Dr. K. hat mitgeteilt, der Kläger sei am 23.04.2010 wegen Schultergelenksschmerzen am linken Schultergelenk vorstellig gewesen, er habe den Kläger mit dem Verdacht auf eine Schultergelenksentzündung an den Facharzt für Chirurgie Dr. K. überwiesen (Bl. 97 LSG-Akte) und für acht Tage Arbeitsunfähigkeit bescheinigt (Bl. 99 LSG-Akte). Nach dem der Auskunft beigefügten Befundbericht von Dr. K. vom 19.05.2010 wurde eine Tendinitis der linken Schulter diagnostiziert und ein Druckschmerz über dem Sehnengleitlager bei schmerzhaft eingeschränkter Bewegung und Impingementsyndrom ohne pathologische Veränderungen in der röntgenologischen Untersuchung beschrieben (Bl. 100 LSG-Akte). Dr. K. hat schriftlich mitgeteilt, der Kläger sei am 18.05.2010 wegen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen der linken Schulter vorstellig gewesen, nach der Anamnese hätten die Beschwerden schon seit längerer Zeit bestanden (Bl. 123 LSG-Akte). Prof. Dr. F. vom Institut für Pathologie und Molekularpathologie in P. hat ausgeführt (Bl. 108/110 LSG-Akte), dass auf Grund der in der - im Zuge der stattgehabten Operation Mitte November 2015 entnommenen - Gewebeprobe nachweisbaren Fibroplasten- und Gefäßprolieferate von einer nicht ganz frischen Ruptur auszugehen sei, die sich sehr wahrscheinlich ein bis vier Wochen vor der Operation ereignet habe. Insofern sei anzunehmen, dass das Ereignis vom 03.11.2015 zur Ruptur der Rotatorenmanschette geführt habe. Um die Frage zu beantworten, ob eine pathologische Ruptur mit Vorschädigung der Rotatorenmanschette vorliege, benötige er Gewebe von Reruptur-fernen Zonen. Im vorliegenden Fall habe er aber ausschließlich Gewebsmaterialien von den unmittelbaren Risszonen erhalten. Die Frage, ob eine degenerative Vorschädigung der Rotatorenmanschette in einem ursächlichen Zusammenhang mit der beschriebenen Ruptur stehe, könne er daher nicht beantworten.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß, vgl. Bl. 17 LSG-Akte),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.05.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2016 zu verurteilen, ihm Verletztengeld über den 06.11.2015 hinaus und nach dem Ende des Verletztengeldanspruchs oder nach Ablauf der 26. Woche nach Eintritt des Arbeitsunfalls (04.05.2016) eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 15.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2016, mit dem die Beklagte ausschließlich die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) bezüglich der begehrten Verletztenrente ist zulässig.

Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Verletztengeld begehrt, ist die Klage - entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts - bereits unzulässig, worauf der Kläger hingewiesen worden ist (Bl. 78 LSG-Akte). Die Anfechtungsklage ist unzulässig, weil die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden über die vom Kläger begehrte Leistung Verletztengeld nicht entschied; dies zieht die Unzulässigkeit der Leistungsklage nach sich (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris). Zulässig ist eine Anfechtungsklage nur, wenn der Kläger behaupten kann, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Beschwert ist der Kläger nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage ist somit, dass der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 54 Rdnrn. 7, 9 - sogenannte Klagebefugnis -). An dieser Klagebefugnis fehlt es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 17.12.2015, B 2 U 2/14 R).

Eine reine Leistungsklage i.S. § 54 Abs. 5 SGG des Versicherten gegen den Unfallversicherungsträger, also ohne vorherige Ablehnung des Begehrens durch den Leistungsträger, ist unzulässig (Keller a.a.O., § 54 Rdnrn. 20, 37; zur Verpflichtungsklage und Leistungsklage s. BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, und - speziell für Verletztengeld und Verletztenrente - Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R; zur Feststellungsklage BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R). Voraussetzung für die somit allein in Betracht kommende unechte Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, so die gesetzliche Regelung nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG) ist, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren entschied (BSG, Urteil vom 17.12.2015, a.a.O.; Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.; Urteil vom 16.11.2005, a.a.O.). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller, a.a.O., Rdnrn. 21, 39 f.).

Die Beklagte entschied mit den streitigen Bescheiden nicht über einen Anspruch auf Verletztengeld. Soweit der Bescheid (auch) die Aussage enthält, dass nach dem 06.11.2015 "sonstige Leistungen" nicht zu erbringen seien, ist diese Regelung zu unbestimmt. Jedenfalls musste der Kläger sie nicht als Ablehnung von Verletztengeld verstehen. Bei der Auslegung von Verwaltungsakten ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie der Empfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste, wobei der der Bestandskraft (Bindungswirkung) zugängliche Verfügungssatz zu Grunde zu legen und zur Klärung seines Umfangs die Begründung des Bescheides zu berücksichtigen ist (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Das in Rede stehende Verletztengeld ist im Verwaltungsverfahren vom Kläger weder beantragt noch von der Beklagten konkret und für den Empfänger der Bescheide erkennbar geprüft worden. Die Leistungsart Verletztengeld wird an keiner Stelle des Bescheides und Widerspruchsbescheides erwähnt, dies weder in dem oberhalb vom Begründungsteil des Bescheides räumlich abgesetzten Verfügungsteil des Bescheides noch im Begründungsteil selbst. Ein einziger Anknüpfungspunkt in Bezug auf einen derartigen Anspruch findet sich in dem mit "Begründung" überschriebenen Textteil, wenn dort ausgeführt wird, dass der Arbeitsunfall zu "( ) unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bis 06.11.2015" geführt habe. Eine Regelung im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und damit Entscheidung über einen Anspruch auf Verletztengeld beinhaltet dies - auch in Zusammenschau mit der Ablehnung "sonstiger Leistungen" - indes nicht, da unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit lediglich ein Element bzw. eine von mehreren Voraussetzungen des Anspruchs auf Verletztengeld (vgl. §§ 45 f., 55a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII -) darstellt. Bei dieser Sachlage konnte für einen verständigen Empfänger des Bescheides kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte allein über Verletztenrente und nicht auch über Verletztengeld entscheiden wollte.

Die auf die Gewährung von Verletztenrente gerichtete Klage ist unbegründet. Denn die Funktionseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Schulter rechtfertigen nicht die Bemessung mit einer rentenberechtigenden MdE um 20 v. H.

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die Funktionsbeeinträchtigungen der linken Schulter rechtlich wesentlich auf den - unstreitig vorliegenden - Arbeitsunfall zurückzuführen sind. Denn auch unter - zu Gunsten des Klägers - Zugrundelegung einer wesentlichen (Mit-)Ursache des Arbeitsunfalls für die nach dem Unfallereignis diagnostizierte Ruptur der Supraspinatussehne links (die im Übrigen nur einen Teil des Sehnenapparates der Rotatorenmanschette darstellt) und der nach ihrer operativen Versorgung verbliebenen funktionellen Einschränkung im Bereich der linken Schulter, lässt sich eine MdE um 20 v. H. nicht begründen, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente hat. Die Ausführungen des Sozialgerichts zur Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Supraspinatussehnenruptur sind damit nicht entscheidungserheblich.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert - was beim Kläger nicht der Fall ist - und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), wobei Folgen eines Versicherungsfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Ausgehend hiervon rechtfertigen die von den Sachverständigen Dr. O. und Dr. W. dokumentierten funktionellen Einschränkungen der linken Schulter, gegen die der Kläger keine Einwendungen erhoben hat und an denen auch der Senat keine Zweifel hat, unabhängig von ihrer Ursache und unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung und den vom versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze keine MdE in rentenberechtigendem Grade um 20 v. H.

Nach dem vom Senat bei der Bemessung der MdE regelmäßig zu Grunde gelegten Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 560 wird eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes vorwärts/seitwärts bis 120 Grad (Rotation frei) mit einer MdE um 10 v. H. und eine Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 90 Grad (Rotation frei) mit einer MdE um 20 v. H. bewertet, wobei die Arm(Schulter-)vorhebung als Hauptkriterium für die Bemessung der MdE zu werten ist. Unter Anwendung dieser Maßstäbe kann für die Einschränkung der Armvorhebung, die Dr. O. mit 110 Grad (Bl. 44 SG-Akte) und Dr. W. mit 120 Grad (Bl. 41 LSG-Akte, wobei das von ihm als "Beugung" benannte Bewegungsmaß der Schulter ausweislich der Fotoaufnahme - Bl. 75 LSG-Akte unten - der Armvorhebung entspricht) dokumentiert hat, lediglich eine MdE um 10 v. H. in Ansatz gebracht werden. Zwar haben sowohl Dr. O. als auch Dr. W. bei der Seitwärtshebung, die nicht das Hauptkriterium ist (s.o.), ein Bewegungsmaß von nur 90 Grad (Bl. 44 SG-Akte) bzw. 80 Grad (Bl. 41 LSG-Akte) dokumentiert. In Anbetracht der aber deutlich besseren - mehr als 90 Grad (s.o.) - Armvorhebung lässt sich damit die vom Kläger geltend gemachte MdE um 20 v. H. nicht herleiten. Denn die Messwerte für die eingeschränkte Armvorwärts-/seitwärtshebung (bis 90 Grad) nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) müssen für beide Bewegungsrichtungen kumulativ erfüllt sein, um eine MdE um 20 v. H. rechtfertigen zu können. Auch in Zusammenschau mit der von Dr. O. dokumentierten Außenrotation des Armes/der Schulter links bis 25 Grad (rechts bis 35 Grad) lässt sich keine MdE um 20 v. H. herleiten, da die Außenrotation - im Seitenvergleich zwischen der linken, vom Unfall betroffenen und der rechten, vom Unfall nicht betroffenen Schulter - lediglich um 10 Grad und damit nur endgradig eingeschränkt war. Soweit Dr. W. bei der gut eineinhalb Jahre späteren Untersuchung zwar eine um 5 Grad verbesserte Außenrotation links (30 Grad, Bl. 41 LSG-Akte), aber eine im Seitenvergleich mit rechts (60 Grad, Bl. 41 LSG-Akte) um 30 Grad verschlechterte Außenrotation dokumentiert hat, ist Letztere jedenfalls mit dem Unfallereignis nicht erklärlich, da sie sich lediglich aus einer im Vergleich zur Voruntersuchung bei Dr. O. verbesserten Außenrotation der rechten, nicht vom Unfall betroffenen Schulter ergibt. In der Gesamtschau kann unter Berücksichtigung der dargelegten Erfahrungswerte für die dokumentierte Einschränkung der Seitwärtshebung und der Außenrotation eine moderate Erhöhung der MdE für die Armvorhebung allenfalls auf 15 v. H. vorgenommen werden. Vor diesem Hintergrund ist der Sachverständige Dr. W. für den Senat nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass die funktionellen Einschränkungen der linken Schulter keine MdE um 20 v. H. rechtfertigen.

Auf die Frage des Ursachenzusammenhangs kommt es nach alledem nicht an, so dass auch auf das diesbezügliche Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, auf den genauen Unfallhergang und die Ausführungen der Sachverständigen zur vermeintlichen Ungeeignetheit des Unfallhergangs nicht einzugehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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