S 12 SO 3530/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 3530/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Privilegierung der Pflegepersonen pflegebedürftiger Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung gegenüber den Pflegepersonen dieser nicht angehörenden pflegebedürftigen Empfänger subsidiärer Leistungen zur Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ist in Bezug auf die Tragung von Beiträgen zur Alterssicherung der Pflegepersonen wegen der den Versicherungsschutz begründenden Beitragszahlungen der gesetzlich pflegeversicherten Personen gerechtfertigt.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe:

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für Beiträge zur Alterssicherung einer Pflegeperson zu erbringen sind.

Die 1940 geborene und seit 2009 pflegebedürftige Klägerin zu Ziff. 1 ist die Großmutter der 1983 geborenen Klägerin zu Ziff. 2. Letztere zog 1997 ins Bundesgebiet, gebar zwei eigene Kinder, ging bislang nie einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder sonstigen Erwerbstätigkeit nach, ist alleinstehend und pflegt die Klägerin zu Ziff. 1 im Umfang von zuletzt 24 Wochenstunden.

Die Klägerin zu Ziff. 1. ist nicht in der gesetzlichen Krankenkasse oder in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Sie bezieht laufend Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII von der Beklagten, insbesondere Pflegegeld für die Klägerin zu Ziff. 2.

Unter Hinweis auf die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes beantragte die Klägerin zu Ziff. 1 am 08.05.2017 die Höherstufung des Pflegegeldes. Nach Abschluss sozialmedizinischer Ermittlungen gewährte die Beklagte ab 08.05.2017 ein höheres Pflegegeld, ohne auch die Tragung von Beiträgen ihrer Pflegeperson zur gesetzlichen Rentenversicherung zu bewilligen.

Hiergegen wurde am 03.08.2017 mit der Begründung Widerspruch eingelegt, neben dem Pflegegeld seien auch diese Leistungen zugunsten der Klägerin zu 2. zu gewähren. Diese sichere wegen der Pflege der Klägerin zu Ziff. 1. ihren Lebensunterhalt nicht durch eine eigene Erwerbstätigkeit. Infolgedessen erwirtschafte sie keine anderweitigen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder sonstige Rentenanwartschaften.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin zu Ziff. 1 sei zwar zum Bezug von Leistungen der Hilfe zur Pflege berechtigt. Die Beklagte sei aber nicht auch verpflichtet, Beiträge der Klägerin zu Ziff. 2 für deren Altersversorgung zu übernehmen. Eine Beitragspflicht der Klägerin zu 2. als Pflegeperson bestehe nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht kraft Gesetzes, weil die Klägerin zu Ziff. 1 nicht gesetzlich kranken- bzw. pflegeversichert. Die Beklagte könne auch freiwillig von der Klägerin zu Ziff. 2 zahlbare Rentenversicherungsbeiträge nicht tragen. Diesbezügliche Aufwendungen erfolgten in ihrem Fall in unangemessener Weise. Prognostisch sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu Ziff. 2 wohl im Alter ohnehin zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf Sozialhilfe angewiesen sein werde. Wegen ihrer Langzeitarbeitslosigkeit habe sie bislang insbesondere unzureichend Rentenanwartschaften gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, um ab Erreichen der Altersgrenze ihre Bedarfe durch Rentenleistungen zu decken.

Hiergegen haben die Klägerinnen am 17.10.2017 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie meinen, die Klägerin zu Ziff. 2 sei aufgrund der Pflege der Klägerin zu Ziff. 1 kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und beitragspflichtig. Die entsprechende Rechtsvorschrift – § 3 Nr. 1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – sehe dies zwar nicht ausdrücklich für den hier vorliegenden Fall vor, in dem Pflegegeld für die Pflegeperson nicht nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), sondern nach dem SGB XII, gewährt werden. Diese Regelungslücke sei aber einem redaktionellen Versehen des Sozialgesetzgebers geschuldet. Die resultierende Ungleichbehandlung von Pflegepersonen erfolge in verfassungswidriger Weise. Die Klägerin zu Ziff. 2 werde das Bestehen ihrer entsprechenden Rentenversicherungspflicht durch den zuständigen Rentenversicherungsträger feststellen lassen. Ungeachtet dieser gesetzlichen Rentenversicherungspflicht müsse die Beklagte jedenfalls freiwillig von der Klägerin zu Ziff. 2 erbrachte Mitgliedsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung als angemessene Aufwendungen der Alterssicherung tragen. Es sei realistisch, dass sie ihretwegen in bedarfsdeckendendem Umfang Rentenanwartschaften bis zum Erreichen der Altersgrenze erwerben könne. Immerhin habe sie bereits Rentenversicherungszeiten wegen der Geburt zweier Kinder erworben. Sie werde mithilfe der streitbefangenen Versicherungsbeiträge für Pflegepersonen im Alter nicht sozialhilfebedürftig sein, da insofern als Beitragsbemessungsgrundlage 70 Prozent der jeweiligen Bezugsgröße herangezogen würden. Überdies werde die Klägerin zu Ziff. 2 nach dem Ableben der Klägerin zu Ziff. 1 vermutlich eine Ausbildung zur Pflegefachkraft beginnen und anschließend in diesem Beruf eine versicherungspflichtig beschäftigte Beitragszahlerin zur gesetzlichen Rentenversicherung sein.

Das Gericht hat die Klägerinnen seit 2019 erfolglos zur Vorlage der Entscheidung über die außergerichtlich begehrte Feststellung der Rentenversicherungspflicht der Klägerin zu Ziff. 2 aufgefordert. Ferner hat das Gericht die Klägerinnen erfolglos darauf hingewiesen, dass die bislang angekündigte Beantragung eines Grundurteils über das Bestehen einer Übernahme- bzw. Erstattungsforderung der Klägerin zu 1. keine Aussicht auf Erfolg habe. Es werde lediglich eine Entscheidung über das Stammrecht ohne hinreichend genauer Bezeichnung der geforderten Beitragsansprüche begehrt. Hierfür sei die Nennung des konkreten Beitragsgläubigers erforderlich. Die Klägerinnen müssten zudem darlegen, ob ab Mai 2017 bereits Beiträge zur Alterssicherung der Klägerin zu Ziff. 2 gezahlt worden seien, bzw., auf welcher Rechtsgrundlage noch nachträglich eine rückwirkende Beitragszahlung zur gesetzlichen Alterssicherung ab Mai 2017 rechtlich möglich sein sollte.

In Kenntnis dieser Hinweise beantragen die fachkundig vertretenen Klägerinnen wörtlich,

den Bescheid vom 07.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu Ziffer 1. Leistungen zur Hilfe zur Pflege in Gestalt der Erstattung der Aufwendungen der Klägerin zu 2. für deren Altersabsicherung bei der zuständigen Trägerin der gesetzlichen Deutschen Rentenversicherung vom 01.05.2017 bis zum 10.11.2020 dem Grunde nach in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ihre Behördenakte vorgelegt und ihr Vorbringen aus den angefochtenen Bescheiden wie folgt vertieft: Der Bedarf der Klägerin zu Ziff. 2 betrage im Alter 970,53 EUR; er setze sich nach Rn. 64f.06 der Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg aus dem Regelbedarf nach Stufe 1 in Höhe von 409,- EUR, einem Zuschlag von 17 % des maßgeblichen Regelbedarfs in Höhe von 69,52 EUR, Kosten der Unterkunft in Höhe des höchstmöglichen Betrags nach § 12 WoGG für einen Alleinstehenden in Höhe von 434,- EUR und Heizkosten in Höhe von 1/12 der höchstmöglichen Heizkostenhilfe für einen Alleinstehenden (58,- EUR) zusammen.

Prognostisch sei aber ein monatlicher gesetzlicher Altersrentenbezug in Höhe von 970,53 EUR von der Klägerin zu Ziff. 2. nicht zu erwarten. Aufgrund des Alters der Klägerin zu Ziff. 1. sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin zu Ziff. 2. bis zu ihrem eigenen Renteneintritt dieser Pflegetätigkeit nachgehen werde. Auch unter Berücksichtigung ihres übersandten beruflichen Werdeganges sei von einem künftigen Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt ab Erreichen der Altersgrenze auszugehen. Die Klägerin zu Ziff. 2. stehe seit ihrer Ankunft in Deutschland ununterbrochen im Bezug von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende. Sie verfüge über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Nach Ende ihrer Pflegetätigkeit sei keine Aufnahme einer Berufstätigkeit mit einer Vergütung deutlich über dem Mindestlohn zu erwarten. Unter Annahme des Mindestlohnes von ca. 9,- EUR errechne sich bei einer Vollzeittätigkeit mit 38 Wochenstunden eine Monatsrente von ca. 15,- EUR. Daraus folge, dass selbst bei einer 45-jährigen Erwerbstätigkeit nur eine Rente von (15,- EUR x 45 Beitragsjahre =) 675,- EUR erzielt werde. Aufgrund ihres Alters könne die Klägerin zu Ziff. 2. vermutlich noch ca. 30 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Dies führte zu einer monatlichen Rente von 450,- EUR (15 EUR x 30 Beitragsjahren). Auch wenn zugunsten der Klägerin zu Ziff. 2. für die Dauer ihrer Pflegetätigkeit als Einzahlung in die Rentenversicherung ein Rentenversicherungsbeitragssatz von 18,7 % aus 70 % der Bezugsgröße aus 2017 seit der Antragstellung 2017 zugrunde gelegt würde, führte dies nicht dazu, dass die zu erwartende Rente sich plötzlich mehr als verdoppelte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist abzuweisen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Verurteilung nicht gegeben sind.

Hinsichtlich der Sachurteilsvoraussetzungen kann indessen offenbleiben, ob und ggfs. wer von den beiden Klägerinnen klagebefugt bzw. rechtschutzbedürftig ist. Aufgrund der zumindest mittelbaren Drittwirkung des angefochtenen Verwaltungsaktes könnte ein rechtlich schützenswertes Interesse bzw. eine Beschwer im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht nur hinsichtlich der durch ihn adressierten Klägerin zu Ziff. 1 sondern auch bezüglich der Klägerin zu Ziff. 2. bestehen. Durch den hier angefochtenen Bescheid vom 07.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2017 lehnte die Beklagte nämlich einerseits eine die Klägerin zu Ziff. 1 begünstigende Leistung teilweise ab (vgl. BSG, 02.02.2012, B 8 SO 15/10 R). Dies ist möglicherweise aber nicht nur für die Antragstellerin rechtlich nachteilhaft. Mittelbar oder sogar im Wege eines unmittelbaren Rechtsreflexes belastet dies andererseits auch die Klägerin zu Ziff. 2. Immerhin werden auf deren Rentenversicherungskonto infolge der Antragsablehnung keine anwartschaftserhöhenden Mitgliedschaftsbeiträge eingezahlt.

Dessen ungeachtet fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen für den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Erlass eines Grundurteils ohnehin aus anderen Gründen. Der begehrte Urteilsspruch dürfte vom Sozialgericht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG jedenfalls nicht erfolgen. Danach kann zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden, wenn gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Nach dem Wortlaut ist es nicht zulässig, wenn Ansprüche auf andere als Geldleistungen gerichtlich geltend gemacht werden. Zudem ist die beanspruchte Leistung genau zu bezeichnen (BSG, 17.04.2013, B 9 V 3/12 R). Nicht ergehen darf ein Grundurteil über ein bloßes Stammrecht, aus dem sich mehrere Ansprüche ergeben können (Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, SGG § 130 Rn. 4 Rn. 4, beck-online). Sämtliche Anspruchsvoraussetzungen müssen bei Erlass eines Grundurteils vorliegen, geprüft und festgestellt sein. Es muss feststehen, dass ein Anspruch auf eine Geldleistung besteht. Allein die Höhe der Leistung kann vom Gericht offengelassen werden. Die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach und die Höhe der die Leistung bestimmenden Faktoren müssen auch beim Erlass eines Grundurteils geprüft und festgestellt werden (BSG, 27.09.2018, B 9 V 16/18 B). Welche dies im Einzelnen sind, hängt vom jeweiligen Streitgegenstand, also vom erhobenen Anspruch im Sinne von §&8201;123 SGG ab (BSG, 20.04.1999, B 1 KR 15/98 R).

Gemessen hieran ist der fachkundig formulierte Klageantrag jedenfalls abzuweisen. Das Gericht ist zwar nach § 123 SGG gerade nicht an die Fassung der Anträge gebunden. Der Klageantrag kann aber hier selbst nach § 106 Abs. 1 SGG i. V. m. § 123 SGG nicht dahingehend sachdienlich entsprechend dem Meistbegünstigungsprinzip so ausgelegt werden, dass die Voraussetzungen für den Erlass des begehrten Grundurteils vorlägen.

Der Erlass eines Grundurteils könnte erstens nicht erfolgen, wenn der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag so verstanden würde, dass neben der Aufhebung des Bescheides vom 07.07.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2017 auch eine Verurteilung des Beklagten zum Beitritt zur Beitragsschuld der Klägerin zu Ziff. 2. (aus ihrer vermeintlichen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem vom Gericht nicht feststellbaren Rentenversicherungsträger für den Zeitraum 01.05.2017 bis 10.11.2020) tituliert werden sollte. Zwar würden die Beteiligten sodann im vorliegenden Verfahren – wirtschaftlich betrachtet – im Wesentlichen um "Geld" im weitesten Sinne streiten; schließlich stünden geldwerte Beitragsleistungen im Mittelpunkt des Streitgegenstandes. Im Hinblick auf das Erfordernis der Vollstreckbarkeit eines Gerichtsurteils ist aber keine wirtschaftliche Sicht-, sondern eine dezidiert juristische Betrachtungsweise geboten. Danach bezöge sich der Vollstreckungstitel hier gerade nicht auf eine Geldleistung, sondern auf einen Schuldbeitritt. Ein solcher lässt sich aber nicht unter den Begriff der "Geldleistung" im Sinne des § 130 SGG subsumieren.

Ebenso wenig ist der formulierte Klageantrag selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes einer sachdienlichen Auslegung dergestalt zugänglich, dass die Klägerinnen entgegen der fachkundigen Wortwahl ihrer Bevollmächtigten lediglich die Verurteilung der Beklagten zu einer Geldleistung beantragen. Eine Verurteilung der Beklagten kann auch nicht erfolgen zur Erstattung derjenigen Geldsumme, welche die Klägerin zu Ziff. 2 für ihre Altersabsicherung an den für sie zuständigen Träger der gesetzlichen Deutschen Rentenversicherung vom 01.05.2017 bis zum 10.11.2020 bereits aufgewandt hat oder noch aufwenden muss.

Auch ein derart ausgelegter Klageantrag genügte den Anforderungen an Grundurteile aus § 130 SGG nicht. Erstens ist hierdurch die beanspruchte Geldleistung nicht hinreichend bestimmt, weil offenbleibt, welcher Rentenversicherungsträger gemeint ist, und, ob die Beiträge schon auf das Versicherungskonto eingezahlt wurden. Zweitens konnte das Gericht nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für das Bestehen des Erstattungsanspruchs feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich durch das angerufene Gericht für den hier streitbefangenen Zeitraum nicht feststellen, dass eine Entrichtung von Beiträgen an irgendeinen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für die Klägerin zu Ziff. 2. erfolgt wäre oder auch nur eine Rechtspflicht bzw. Rechtsmöglichkeit hierzu bestanden hätte oder noch bestünde.

Das angerufene Gericht kann seiner Amtsermittlungspflicht diesbezüglich auch nicht im Wege der Heranziehung des zuständigen für die im Ausland geborene Klägerin zu Ziff. 2 Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen, weil dieser weder bekannt noch ermittelbar ist. Die Klägerinnen haben diesen entgegen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht nicht benannt und auch die bei diesem nach ihren Angaben beantragte Verwaltungsentscheidung über das Bestehen einer Versicherungspflicht trotz mehrfacher Erinnerung hieran nicht vorgelegt. Die Klägerinnen haben entgegen der gerichtlichen Aufklärungsverfügung vom 29.10.2019 und trotz der wiederholten Nachfragen in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2020 nicht ansatzweise dargelegt, ob, inwiefern, an wen und in welcher Höhe ab Mai 2017 bereits Beiträge zur Alterssicherung der Klägerin zu 2. geschuldet oder gezahlt worden seien. Es ist auch nicht von ihnen dargelegt oder von Amts wegen ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage noch nachträglich eine rückwirkende Beitragszahlung zur gesetzlichen Alterssicherung ab Mai 2017 nach Abschluss dieses Klageverfahrens rechtlich möglich sein sollte. Auch die Beklagte vermochte auf explizite Nachfrage dem Gericht nicht einmal den zuständigen Rentenversicherungsträger mitzuteilen. Bereits aus eben diesen Gründen hat das Gericht die auf den Erlass des beantragten Grundurteils abzuweisen.

Überdies ist die Klage aber auch aus den Gründen des angefochtenen Verwaltungsaktes der Beklagten unbegründet. Denn ungeachtet der Fragen, ob und an wen und in welcher Höhe die Klägerin zu 2. ggfs. im streitbefangenen Zeitraum möglicherweise Aufwendungen zur Alterssicherung getätigt hat oder noch tätigen müsste oder freiwillig dürfte, könnte sie von der Beklagten deren Erstattung bzw. Übernahme jedenfalls in Ansehung der gesetzlichen Leistungsvoraussetzungen für Beitragserstattungen nach dem SGB XII nicht beanspruchen. Das Bestehen eines Anspruchs auf Tragung der Beiträge zur Alterssicherung der Klägerin zu Ziff. 2. ist hier zu verneinen. Die Ablehnung dieser Leistung zur Hilfe zur Pflege durch die Beklagte mit dem Bescheid vom 07.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.2017 war rechtmäßig. Sie verletzte keine subjektiven Rechte einer oder beider Klägerin/nen.

Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Beiträge einer Pflegeperson für eine Alterssicherung ist § 64f Abs. 1 SGB XII. Danach sind zusätzlich zum Pflegegeld nach § 64a Abs. 1 SGB XII Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson oder einer besonderen Pflegekraft für eine angemessene Alterssicherung zu erstatten, soweit diese nicht anderweitig sichergestellt ist.

Das Gericht kann insofern offenlassen, ob die Beteiligten zurecht übereinstimmend davon ausgehen, dass die Klägerin zu 1. zwischen 01.05.2017 bis zum 10.11.2020 dem Grunde nach zum Bezug von Leistungen zur Hilfe zur Pflege berechtigt war.

Die Klägerin zu Ziff. 2 war aufgrund der Pflege der Klägerin zu 1. jedenfalls keiner Rechtspflicht zur Leistung von Aufwendungen für eine Alterssicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgesetzt. Die Voraussetzungen der – insofern einzig einschlägigen – Rechtsgrundlage für eine Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz l Nr. la SGB VI liegen nicht vor. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm besteht eine Rentenversicherungspflicht der Pflegeperson in der gesetzlichen Rentenversicherung nur in denjenigen Fällen, in denen die pflegebedürftige Person Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung hat. Das war im Fall der Klägerin zu Ziff. 1 hier aber nicht der Fall. Sie bezieht die Leistungen zur Hilfe der Pflege vom Beklagten nach dem Siebten Kapitel des SGB XII ja gerade von einem Träger der Sozialhilfe, weil sie nicht nach dem vorrangigen Recht der sozialen Pflegeversicherung des SGB XI anspruchsberechtigt ist.

Nach der unmissverständlichen gesetzgebereichen Entscheidung ist der Träger der Sozialhilfe in Fällen, in denen Pflegebedürftige nur den subsidiären Anspruch auf Hilfe zur Pflege nach den Regelungen des SGB XII und nicht bereits nach dem SGB XI haben, nicht berechtigt, an Stelle der sozialen Pflegekasse bzw. des privaten Versicherungsunternehmens Zahlungen von Pflichtbeiträgen zur Alterssicherung zu tragen. Die Pflegepersonen sozialhilfebedürftiger Bezieher von Hilfen zur Pflege können schlechterdings keine Pflichtbeitragszeiten nach § 3 Satz 1 Nr. la SGB VI erwerben.

Die Kammer vermag sich auch nicht vom Vorliegen eines – seitens der Klägerinnen vermuteten – diesbezüglichen redaktionellen Versehens des Gesetzgebers zu überzeugen. Umgekehrt bestehen sowohl wegen der Normstruktur als auch aus teleologischen Erwägungen keine Zweifel daran, dass der eindeutige Wortlaut der Norm in § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI absichtlich den streitbefangenen Anspruch für Fälle der vorliegenden Art ausschließt. Der Ausschluss erfolgt nämlich nicht im Wege einer Gesetzeslücke, sondern anhand des eigens hierfür eingefügten Tatbestandsmerkmals: "und Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung hat". Der Gesetzgeber fügt nicht versehentlich ganze Halbsätze ein. Vielmehr verfolgt er mithilfe des Ausschlusses einen legitimen Zweck, der zu Unrecht verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerinnen begegnet. Die Privilegierung der Pflegepersonen der Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung gegenüber den Pflegepersonen von Empfängern von Leistungen der Sozialhilfe zur Hilfe zur Pflege in Bezug auf die Erstattung von Beiträgen zur Alterssicherung verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes noch gegen das in dessen Art. 20 Abs. 3 verankerten Sozialstaatsprinzip. Die ungleich bessere Behandlung der Pflegepersonen pflegebedürftiger Leistungsempfänger der sozialen Pflegeversicherung gegenüber den Pflegepersonen dieser nicht angehörenden pflegebedürftigen Empfänger subsidiärer Leistungen zur Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ist wegen der den Versicherungsschutz begründenden Beitragszahlungen der gesetzlich pflegeversicherten Personen gerechtfertigt. Beitragszahlungen eines Mitglieds rechtfertigen eine Privilegierung des beitragszahlenden Mitglieds gegenüber nicht beitragszahlenden Nichtmitgliedern. Dies gilt im Bereich gesetzlicher Sozialversicherungen nicht weniger als für private Versicherungen.

Dass für die Klägerin zu 2. im hier streitbefangenen Zeitraum auch ohne Versicherungspflicht freiwillig Aufwendung zur Alterssicherung in der gesetzlichen oder in einer privaten Rentenversicherung getätigt worden wären, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für das Gericht nicht feststellbar, siehe oben. Selbst dann, wenn irgendwelche Aufwendungen zur Alterssicherung festzustellen gewesen wären, müsste die Beklagte diese nach § 64f Abs. 1 SGB XII erstatten, denn deren Tätigung wären nicht "angemessen" im Sinne der Norm gewesen.

Nicht angemessen ist eine Alters- oder Hinterbliebenenversorgung, welche voraussichtlich die künftige Inanspruchnahme von Sozialhilfe (zum Lebensunterhalt) nicht überflüssig machen würde. Denn durch die Beitragserstattung soll nur vermieden werden, dass die Pflegeperson wegen der Pflegetätigkeit und der durch sie möglicherweise versäumten Altersvorsorge einem Alter in Abhängigkeit von Sozialhilfe entgegensehen muss (LSG NRW, 19.04.2010, L 20 SO 44/08). Anzustellen ist insofern eine Prognose, bei der es darauf ankommt, ob die Pflegeperson voraussichtlich für ihr Alter eine (angemessene) Versorgung zu erwarten haben werde, und zwar auf der Grundlage der gegenwärtig bekannten allgemeinen und individuellen Gegebenheiten, orientiert an typischen Erwartungen hinsichtlich des gewöhnlichen Verlaufs eines solchen Lebens; aus diesem Rahmen herausfallende Ereignisse – etwa eine sich noch nicht abzeichnende Ehescheidung – sind nicht in die Betrachtung einzubeziehen, auch wenn sie sich theoretisch nicht ausschließen lassen (BVerwGE 56, 87, 93 f.)

Gemessen an diesen Beurteilungsgrundsätzen wären Aufwendungen der Klägerin zu Ziff. 2 zur Altersabsicherung im streitbefangenen Zeitraum unangemessen im Sinne des § 64f. SGB XII. Prognostisch ist davon auszugehen, dass sie über keine ausreichende Hinterbliebenen- oder Alterssicherung verfügen wird. Die Klägerin zu Ziff. 2 kann nicht mit einer Versorgung durch einen Ehemann oder eine eingetragene Lebenspartnerin rechnen, da sie alleinstehend ist. Sie verfügt auch über kein zureichendes Vermögen, dessen Verwertung sie zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes einsetzen können wird, denn sie steht seit ihrem Zuzug nach Deutschland vor 23 Jahren im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II, der nach §§ 7, 9, 12 SGB II unvermögenden Personen vorbehalten ist.

Es ist auch nicht abzusehen, dass die Klägerin zu Ziff. 2 eine ausreichende Alterssicherung durch Rentenanwartschaften erwerben wird. Zu den auf ihrem Versicherungskonto mutmaßlich einzig bereits vorhandenen Kindererziehungszeiten wegen der Geburt ihrer zwei Kinder werden in Anbetracht ihres eigenen Geburtsjahres – 1983 – aus biologischen Gründen nicht mehr viele gleichartige Versicherungszeiten hinzukommen. Rentenanwartschaften werden sich in ihrem Fall auch nicht aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, durch eine anderweitige Erwerbstätigkeit oder auf andere Weise in ausreichendem Umfang erwerben lassen. Die Klägerin zu Ziff. 2 hat aufgrund ihrer Langzeitarbeitslosigkeit und ihrer geringen beruflichen Qualifikationen keinen Grund zur Annahme, sie werde ein vergleichsweise hohes Erwerbseinkommen erzielen können, sobald sie nicht mehr die Klägerin zu Ziff. 1 pflegt. Über eine Berufsausbildung verfügt die Klägerin zu Ziff. 2 nicht. Sie hat auch keinerlei Berufserfahrung, obwohl inzwischen ca. 40 Prozent ihrer Erwerbsbiografie bereits hinter ihr liegen. Ihr – nach Angaben der Klägerbevollmächtigten – mutmaßlicher Wunsch, nach dem Ableben der Klägerin zu 1. eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu durchlaufen und in diesem Beruf zu arbeiten, würde angesichts der schlechten Entlohnung in diesem wichtigen Beruf in Anbetracht der bereits in ihrem Lebenslauf vorbestehenden "Rentenlücke" keine hinreichende Alterssicherung bedeuten. Insgesamt steht damit ein Sozialhilfeanspruch der Klägerin zu Ziff. 2 im Alter zu befürchten und ein Anspruch auf Beitragserstattung besteht nicht. Zur weiteren Begründung wird nach § 136 Abs. 3 SGG ergänzend auf die im Tatbestand wiedergegebenen Berechnungen der Beklagten aus ihrer Klageerwiderung vom 09.04.2018 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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