Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 158/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2411/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.06.2019 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang versicherungsrechtliche Beitragszeiten im Rahmen der bewilligten Altersrente zu berücksichtigen sind.
Die am 1952 geborene Klägerin ist t. Staatsangehörige und hat zwei Kinder (geb. am 1975 und 1979). Sie lebte ab 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Für sie wurden (u.a.) von 1978 bis 1981 Pflichtbeiträge für versicherungspflichtige Beschäftigungen zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet.
Auf Antrag der damals in der T. wohnhaften Klägerin erstattete die Beklagte im Dezember 2000 mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.12.2000 (Bl. 25/26 LSG-Akte) die von der Klägerin vom 21.08.1978 bis 31.12.1978, vom 01.04.1979 bis 22.05.1980 und vom 08.10.1981 bis 30.11.1981 getragenen Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung (sog. Arbeitnehmeranteil) in Höhe von insgesamt 3.610,04 DM. Da eine Sach- und Geldleistung aus der Rentenversicherung in Anspruch genommen worden sei, würden nur die später gezahlten Beiträge ab 01.05.1978 erstattet werden. Für die Zeiten vom 01.06.1981 bis 07.10.1981, 29.12.1981 bis 26.06.1982, 14.09.1982 bis 27.10.1982 und 10.12.1982 bis 09.02.1983, in denen die Klägerin Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder eine vergleichbare Geldleistung eines Sozialleistungsträgers bezogen habe, würden keine Beiträge erstattet, da die Beiträge nicht von der Klägerin getragen worden seien. Der Bescheid enthielt auf Seite 02 den Hinweis, dass mit der Erstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst wird, Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestehen und die Erstattung nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden.
Mit Bescheid vom 16.07.2018 (Bl. 27 VA) bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 01.04.2018 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 364,41 EUR (brutto). Dabei berücksichtigte sie im Versicherungsverlauf in der Türkei (fünf Monate Pflichtbeitragszeit im Jahr 1970 und einen Monat Pflichtbeitragszeit im Jahr 1992) und in Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten (Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung, Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungen ab Oktober 2001 und Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Sozialleistungen). Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten und der Berechnung der Rente wird auf den Bescheid Bezug genommen. In ihrem Widerspruch hiergegen machte die anwaltlich vertretene Klägerin geltend, die im Rahmen des früheren Erstattungsverfahrens von der Beklagten nicht erstatteten, vom Arbeitgeber getragenen Anteile zur gesetzlichen Rentenversicherung seien nicht berücksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Beitragserstattung sei das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst (§ 210 Abs. 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -) und dadurch die Rechtsbeziehung zwischen der Versicherten und dem Rentenversicherungsträger beseitigt worden. Die im Zeitpunkt der Erstattung versicherungsrechtlich erheblichen Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten und Berücksichtigungszeiten seien von dieser Verfallswirkung erfasst. Ansprüche aus den bis zur Beitragserstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr.
Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin am 14.01.2019 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und beantragt, ihr höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Arbeitgeberanteile des Beitragserstattungszeitraums (Bl. 2 SG-Akte) zu gewähren. Mit Gerichtsbescheid vom 25.06.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 23.07.2010, B 13 R 149/10 B, in Beck RS 2010, 75737) ausgeführt, es entspreche der geltenden Rechtslage, dass im Falle einer Beitragserstattung das Versicherungsverhältnis vollständig aufgelöst werde. Das Erlöschen sämtlicher versicherungsrechtlicher Beziehungen gelte auch dann, wenn nur ein Teil der gezahlten und erstattungsfähigen Beiträge erstattet worden sei und überdies auch für die Arbeitgeberanteile. Es sei demnach nicht eine (halbe) Rente auf Grund der nicht erstatteten Arbeitgeberanteile zu bezahlen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestünden nicht.
Hiergegen hat die weiterhin rechtskundig vertretene Klägerin am 23.07.2019 Berufung eingelegt und beantragt, die nicht erstatteten Arbeitgeberanteile aus dem Beitragserstattungszeitraum bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen (Bl. 2a, 21 LSG-Akte). Zur Begründung trägt sie vor, die Beitragserstattung habe nicht zu einer vollständigen Auflösung des Versicherungsverhältnisses geführt. Anderenfalls könnten auch Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt werden. Es liege ein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften und ihre Grundrechte vor.
Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.04.2020 den reproduzierten Bescheid vom 14.12.2000 übersandt hat, hat die Klägerin vorgetragen, es seien nicht sämtliche, von ihr bis zum Dezember 2000 einbezahlten Beiträge erstattet worden. Dies betreffe den Zeitraum ab Versicherungsbeginn 09.10.1972 bis 20.08.1978. Sie begehre die Berücksichtigung auch dieser Zeiten bei der Rentenberechnung.
Die Klägerin beantragt zuletzt mit Schriftsatz vom 26.05.2020, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.06.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 zu verurteilen, ihr Altersrente unter Berücksichtigung ihrer vor dem 14.12.2000 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten unter Berücksichtigung der tatsächlich erstatteten Arbeitnehmerbeiträge zu bewilligen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018, allerdings nur in Bezug auf die dort geregelte Höhe der zuerkannten Rente (genauer: der Ablehnung eines darüber hinausgehenden Anspruchs, s. BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen (zur Ausnahme s.o.) - nach juris) und auch nur im Hinblick auf die von der anwaltlich vertretenen Klägerin mit Widerspruch, Klage und Berufung geltend gemachte Berücksichtigung der nicht erstatteten Arbeitgeberanteile im Erstattungszeitraum, der sich laut Bescheid vom 14.12.2000 auf den Zeitraum vom 21.08.1978 bis 31.12.1978, vom 01.04.1979 bis 22.05.1980 und vom 08.10.1981 bis 30.11.1981 erstreckt. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von der Klägerin auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R; Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R). Dem entsprechend hat die Klägerin den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit seit dem Widerspruchsverfahren sowohl mit ihrer Klage (Bl. 2 SG-Akte) als auch in der Berufung (Bl. 2a, 21 LSG-Akte) - zulässigerweise - auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R, zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R, zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume). Dem entsprechend beschränkt sich die gerichtliche Prüfung hierauf (BSG, a.a.O.). Im Übrigen ist der Rentenbescheid bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).
Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin über die Berücksichtigung der nicht erstatteten Arbeitgeberanteile im Erstattungszeitraum hinaus zuletzt auch die Berechnung der Altersrente unter Berücksichtigung sämtlicher, vor dem 14.12.2000 zurückgelegter rentenrechtlicher Zeiten - und damit zumindest auch jener, für die Zeit vom 09.10.1972 bis 20.08.1978 behaupteter entrichteter Beiträge vor dem Erstattungszeitraum - begehrt, handelt es sich um eine Klageerweiterung (§ 99 SGG), die nicht sachdienlich, weil die geänderte Klage angesichts des insoweit bestandkräftig gewordenen Beschlusses unzulässig ist. Hierüber entscheidet der Senat auf Klage. Ungeachtet dessen, wäre die Berufung auch insoweit unbegründet (dazu unten).
Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.12.2000 erfolgten Beitragserstattung (zur Verschiedenheit der Streitgegenstände von Leistungsansprüchen und Beitragserstattungsansprüchen in ähnlichen Sachverhalten wie dem vorliegenden: BSG, Urteile vom 18.02.1981, 1 RJ 134/79, und vom 04.10.1979, 1 RA 83/78; BVerfG, Beschluss vom 16.06.1981, 1 BvR 445/81). Ebenfalls nicht Streitgegenstand ist die Frage, ob die Beitragserstattung zu Unrecht erfolgt ist, da der Beitragserstattungsbescheid vom 14.12.2000 bestandskräftig (§ 77 SGG) und daher wirksam ist und bleibt (§ 39 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -).
Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht als unbegründet abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der nicht erstatteten, vom Arbeitgeber getragenen Anteile zur gesetzlichen Rentenversicherung. Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fließen Entgeltpunkte für Beitragszeiten, wozu auch Pflichtbeitragszeiten gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Pflichtbeitragszeiten auf die Höhe der Rente aus.
Die Beklagte hat bei der Berechnung der Rentenhöhe zutreffend die Arbeitgeberanteile der im Dezember 2000 in Höhe der Arbeitnehmeranteile erstatteten Beiträge wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung nicht bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt. Dieser Berücksichtigung steht der mit der Beitragserstattung verbundene Verfall der bis dahin zurückgelegten Zeiten (sog. Beitragsverfall) nach § 210 Abs. 6 Satz 2 und 3 SGB VI entgegen. Dies hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend dargelegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das BSG im vom Sozialgericht zitierten Beschluss vom 23.07.2010 (a.a.O., Rdnrn. 7 bis 9, m.w.N.) in der gebotenen Klarheit ausgeführt hat (nachfolgend wörtlich zitiert):
Zwar ist richtig, dass dem Kläger nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen nur die Hälfte der für ihn entrichteten Rentenversicherungsbeiträge erstattet wurden; dies entspricht auch noch dem heute geltenden Recht, wonach Beiträge nur in der Höhe erstattet werden, in der die Versicherten sie getragen haben, also nicht die Arbeitgeberbeiträge (§ 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass, wie der Kläger fordert, die andere Hälfte der Beiträge "stehen bleibt" und somit weiterhin eine (halbe) Rente zu zahlen bleibt.
Denn ein ( ) Versicherter ( ) hat die Wahl, sich entweder für eine Beitragserstattung im aufgezeigten Umfang zu entscheiden oder aber für eine spätere (volle) Rentenberechtigung. Das ist auch weder unbillig noch gar verfassungswidrig.
Bereits zuvor hat das BSG in ähnlichen Sachverhalten vergleichbar entschieden (BSG, Urteile vom 18.02.1981 und vom 04.10.1979, a.a.O.).
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Rechtsgrundlage für den Verbleib des vom Arbeitgeber getragenen Beitragsanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung beim Versicherungsträger ist gerade § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Ein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht vor. Der Vortrag ist diesbezüglich schon unsubstantiiert. Darüber hinaus greift er nicht durch.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorträgt, die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung verstoße gegen das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen bzw. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom 12.09.1963, weist der Senat darauf hin, dass das Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei keine weitergehenden Rechte vorsieht als die in § 210 - insbes. Abs. 3 - SGB VI für alle Versicherten (unabhängig von Wohnsitz oder Staatangehörigkeit) vorgesehenen.
Selbst wenn, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, Art. 38 des Zusatzprotokolls aus dem Jahr 1973 die Zusammenführung von Beitragszeiten sowie die Übertragung der Sozialversicherungsbeiträge auf das türkische Sozialversicherungskonto vorsieht, verkennt er, dass die Zusammenführung und/oder Übertragung von Versicherungszeiten voraussetzt, dass letztere überhaupt noch bestehen. Hieran aber fehlt es gerade auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Auflösung des Versicherungsverhältnisses.
Der Vortrag, § 210 Abs. 6 SGB VI ermögliche keine Übertragung von Beiträgen, ist ebenfalls nicht zielführend. Denn die Klägerin macht vorliegend gerade keine Rechte aus einer türkischen Sozialversicherung, sondern aus der deutschen Rentenversicherung in Form der Gewährung einer höheren Rente geltend.
Die Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin verkennt insgesamt, dass zwischen einer Beitragserstattung, die zur vollständigen Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses führt (§ 210 Abs. 6 Satz 2 SGB VI), und einem Leistungsanspruch auf Gewährung einer Rente auf Grund selbst erworbener Anwartschaften aus einem noch bestehenden Versicherungsverhältnis streng zu differenzieren ist. Die Klägerin hatte die Wahl, welche der beiden - oben aufgezeigten - Möglichkeiten sie in Anspruch nehmen möchte, die wiederum beide unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer Wohnsitznahme bestanden. In Bezug auf dieses Wahlrecht werden deutsche und ausländische Versicherte gleichbehandelt. Daher liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 6 bzw. 9 des Assoziierungsabkommens vor. Denn eine Schlechterstellung der Klägerin infolge ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer Wohnsitznahme erfolgt nicht. Aus dem gleichem Grund liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK vor. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot damit begründet, dass in "anderen Fällen" eine "volle Beitragserstattung" (Bl. 10 LSG-Akte) erfolge, legt er schon nicht dar, welche Fälle das sein sollen. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI darf jedenfalls stets nur eine Erstattung der vom Versicherten getragenen Beiträge erfolgen.
Ein Verstoß gegen Art. 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union liegt ebenfalls nicht vor. Denn der dort in Abs. 2 normierte Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und die sozialen Vergünstigungen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten, der jedem Menschen, der in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt rechtmäßig wechselt, zusteht, setzt voraus, dass die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen der unionsrechtlichen und einzelstaatlichen Leistungsansprüche erfüllt sind. Letzteres ist vorliegend in Bezug auf die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung für die Zeit vor dem Jahr 2000 für eine höhere Rente gerade auf Grund des gesetzlich normierten Verfalls dieser Beitragszeiten bei Beitragserstattung nicht der Fall.
Der Einwand, dass die Beklagte bei der Berechnung der Altersrente im angefochtenen Rentenbescheid Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung als Versicherungszeiten vor der erfolgten Erstattung (im Zeitraum von Mai 1976 bis Februar 1981) trotz der Auflösung des gesamten Versicherungsverhältnisses für die Zeit bis zur Erstattung im Dezember 2000 berücksichtigte, ist ebenfalls mit Blick auf die begehrte höhere Rente nicht zielführend, da die Berücksichtigung zu Gunsten der Klägerin erfolgte und sie überdies nicht die für die begehrte höhere Rente geltend gemachten Anteile des Arbeitgebers der für sie in den 1970er und 1980er Jahren entrichteten Beiträge betrifft.
Lediglich am Rande merkt der Senat an, dass auch kein Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der - wie oben dargelegt in unzulässiger Weise - geltend gemachten sämtlichen rentenrechtlichen Zeiten vor dem Erstattungszeitraum besteht, da auch diese von nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 210 Abs. 6 Satz 2 und 3 SGB VI - wonach mit der Erstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst wird und Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestehen - von der Verfallswirkung erfasst sind.
Der von der Klägerin behauptete fehlende Hinweis auf die Verfallswirkung trifft nicht zu, wie der Hinweis auf Seite 02 des Beitragserstattungsbescheides zeigt. Soweit sie rügt, ihr sei der Hinweis nicht mitgeteilt worden, ist dies nicht nachvollziehbar, da sie Kenntnis vom Bescheid hatte. Soweit sie vorträgt, sie verfüge nicht über ausreichend Deutschkenntnisse und sie rügt, der Hinweis sei nicht ordnungsgemäß übersetzt worden, ändert auch dies in der Sache nichts. Denn Amtssprache ist deutsch (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Im Übrigen geht der gesamte Vertrag insoweit ins Leere, weil die Verfallswirkung von Gesetzes wegen eintritt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welchem Umfang versicherungsrechtliche Beitragszeiten im Rahmen der bewilligten Altersrente zu berücksichtigen sind.
Die am 1952 geborene Klägerin ist t. Staatsangehörige und hat zwei Kinder (geb. am 1975 und 1979). Sie lebte ab 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Für sie wurden (u.a.) von 1978 bis 1981 Pflichtbeiträge für versicherungspflichtige Beschäftigungen zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet.
Auf Antrag der damals in der T. wohnhaften Klägerin erstattete die Beklagte im Dezember 2000 mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.12.2000 (Bl. 25/26 LSG-Akte) die von der Klägerin vom 21.08.1978 bis 31.12.1978, vom 01.04.1979 bis 22.05.1980 und vom 08.10.1981 bis 30.11.1981 getragenen Beitragsanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung (sog. Arbeitnehmeranteil) in Höhe von insgesamt 3.610,04 DM. Da eine Sach- und Geldleistung aus der Rentenversicherung in Anspruch genommen worden sei, würden nur die später gezahlten Beiträge ab 01.05.1978 erstattet werden. Für die Zeiten vom 01.06.1981 bis 07.10.1981, 29.12.1981 bis 26.06.1982, 14.09.1982 bis 27.10.1982 und 10.12.1982 bis 09.02.1983, in denen die Klägerin Krankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder eine vergleichbare Geldleistung eines Sozialleistungsträgers bezogen habe, würden keine Beiträge erstattet, da die Beiträge nicht von der Klägerin getragen worden seien. Der Bescheid enthielt auf Seite 02 den Hinweis, dass mit der Erstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst wird, Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestehen und die Erstattung nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden.
Mit Bescheid vom 16.07.2018 (Bl. 27 VA) bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 01.04.2018 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 364,41 EUR (brutto). Dabei berücksichtigte sie im Versicherungsverlauf in der Türkei (fünf Monate Pflichtbeitragszeit im Jahr 1970 und einen Monat Pflichtbeitragszeit im Jahr 1992) und in Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten (Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung, Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigungen ab Oktober 2001 und Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Sozialleistungen). Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten und der Berechnung der Rente wird auf den Bescheid Bezug genommen. In ihrem Widerspruch hiergegen machte die anwaltlich vertretene Klägerin geltend, die im Rahmen des früheren Erstattungsverfahrens von der Beklagten nicht erstatteten, vom Arbeitgeber getragenen Anteile zur gesetzlichen Rentenversicherung seien nicht berücksichtigt worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Beitragserstattung sei das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst (§ 210 Abs. 6 Satz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -) und dadurch die Rechtsbeziehung zwischen der Versicherten und dem Rentenversicherungsträger beseitigt worden. Die im Zeitpunkt der Erstattung versicherungsrechtlich erheblichen Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten und Berücksichtigungszeiten seien von dieser Verfallswirkung erfasst. Ansprüche aus den bis zur Beitragserstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr.
Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin am 14.01.2019 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und beantragt, ihr höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Arbeitgeberanteile des Beitragserstattungszeitraums (Bl. 2 SG-Akte) zu gewähren. Mit Gerichtsbescheid vom 25.06.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 23.07.2010, B 13 R 149/10 B, in Beck RS 2010, 75737) ausgeführt, es entspreche der geltenden Rechtslage, dass im Falle einer Beitragserstattung das Versicherungsverhältnis vollständig aufgelöst werde. Das Erlöschen sämtlicher versicherungsrechtlicher Beziehungen gelte auch dann, wenn nur ein Teil der gezahlten und erstattungsfähigen Beiträge erstattet worden sei und überdies auch für die Arbeitgeberanteile. Es sei demnach nicht eine (halbe) Rente auf Grund der nicht erstatteten Arbeitgeberanteile zu bezahlen. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung bestünden nicht.
Hiergegen hat die weiterhin rechtskundig vertretene Klägerin am 23.07.2019 Berufung eingelegt und beantragt, die nicht erstatteten Arbeitgeberanteile aus dem Beitragserstattungszeitraum bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen (Bl. 2a, 21 LSG-Akte). Zur Begründung trägt sie vor, die Beitragserstattung habe nicht zu einer vollständigen Auflösung des Versicherungsverhältnisses geführt. Anderenfalls könnten auch Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt werden. Es liege ein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften und ihre Grundrechte vor.
Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.04.2020 den reproduzierten Bescheid vom 14.12.2000 übersandt hat, hat die Klägerin vorgetragen, es seien nicht sämtliche, von ihr bis zum Dezember 2000 einbezahlten Beiträge erstattet worden. Dies betreffe den Zeitraum ab Versicherungsbeginn 09.10.1972 bis 20.08.1978. Sie begehre die Berücksichtigung auch dieser Zeiten bei der Rentenberechnung.
Die Klägerin beantragt zuletzt mit Schriftsatz vom 26.05.2020, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.06.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 zu verurteilen, ihr Altersrente unter Berücksichtigung ihrer vor dem 14.12.2000 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten unter Berücksichtigung der tatsächlich erstatteten Arbeitnehmerbeiträge zu bewilligen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018, allerdings nur in Bezug auf die dort geregelte Höhe der zuerkannten Rente (genauer: der Ablehnung eines darüber hinausgehenden Anspruchs, s. BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen (zur Ausnahme s.o.) - nach juris) und auch nur im Hinblick auf die von der anwaltlich vertretenen Klägerin mit Widerspruch, Klage und Berufung geltend gemachte Berücksichtigung der nicht erstatteten Arbeitgeberanteile im Erstattungszeitraum, der sich laut Bescheid vom 14.12.2000 auf den Zeitraum vom 21.08.1978 bis 31.12.1978, vom 01.04.1979 bis 22.05.1980 und vom 08.10.1981 bis 30.11.1981 erstreckt. Denn der Streitgegenstand wird durch den prozessualen Anspruch bestimmt, durch das von der Klägerin auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BSG, Urteil vom 31.07.2002, B 4 RA 113/00 R; Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R). Dem entsprechend hat die Klägerin den Streitgegenstand im vorliegenden Rechtsstreit seit dem Widerspruchsverfahren sowohl mit ihrer Klage (Bl. 2 SG-Akte) als auch in der Berufung (Bl. 2a, 21 LSG-Akte) - zulässigerweise - auf dieses Element der Rentenberechnung eingeschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.2004, B 5 RJ 62/02 R, zum Zugangsfaktor; Urteil vom 12.12.2006, B 13 RJ 22/05 R, zur Ermittlung von Entgeltpunkten für bestimmte Zeiträume). Dem entsprechend beschränkt sich die gerichtliche Prüfung hierauf (BSG, a.a.O.). Im Übrigen ist der Rentenbescheid bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).
Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin über die Berücksichtigung der nicht erstatteten Arbeitgeberanteile im Erstattungszeitraum hinaus zuletzt auch die Berechnung der Altersrente unter Berücksichtigung sämtlicher, vor dem 14.12.2000 zurückgelegter rentenrechtlicher Zeiten - und damit zumindest auch jener, für die Zeit vom 09.10.1972 bis 20.08.1978 behaupteter entrichteter Beiträge vor dem Erstattungszeitraum - begehrt, handelt es sich um eine Klageerweiterung (§ 99 SGG), die nicht sachdienlich, weil die geänderte Klage angesichts des insoweit bestandkräftig gewordenen Beschlusses unzulässig ist. Hierüber entscheidet der Senat auf Klage. Ungeachtet dessen, wäre die Berufung auch insoweit unbegründet (dazu unten).
Nicht Streitgegenstand ist die Höhe der mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.12.2000 erfolgten Beitragserstattung (zur Verschiedenheit der Streitgegenstände von Leistungsansprüchen und Beitragserstattungsansprüchen in ähnlichen Sachverhalten wie dem vorliegenden: BSG, Urteile vom 18.02.1981, 1 RJ 134/79, und vom 04.10.1979, 1 RA 83/78; BVerfG, Beschluss vom 16.06.1981, 1 BvR 445/81). Ebenfalls nicht Streitgegenstand ist die Frage, ob die Beitragserstattung zu Unrecht erfolgt ist, da der Beitragserstattungsbescheid vom 14.12.2000 bestandskräftig (§ 77 SGG) und daher wirksam ist und bleibt (§ 39 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -).
Das Sozialgericht hat die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu Recht als unbegründet abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der nicht erstatteten, vom Arbeitgeber getragenen Anteile zur gesetzlichen Rentenversicherung. Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in Entgeltpunkte umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Denn gemäß § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des - vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn abhängigen (vgl. § 77 SGB VI) - Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI fließen Entgeltpunkte für Beitragszeiten, wozu auch Pflichtbeitragszeiten gehören (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 SGB VI), in die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte ein. Damit wirken sich Pflichtbeitragszeiten auf die Höhe der Rente aus.
Die Beklagte hat bei der Berechnung der Rentenhöhe zutreffend die Arbeitgeberanteile der im Dezember 2000 in Höhe der Arbeitnehmeranteile erstatteten Beiträge wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung nicht bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt. Dieser Berücksichtigung steht der mit der Beitragserstattung verbundene Verfall der bis dahin zurückgelegten Zeiten (sog. Beitragsverfall) nach § 210 Abs. 6 Satz 2 und 3 SGB VI entgegen. Dies hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend dargelegt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das BSG im vom Sozialgericht zitierten Beschluss vom 23.07.2010 (a.a.O., Rdnrn. 7 bis 9, m.w.N.) in der gebotenen Klarheit ausgeführt hat (nachfolgend wörtlich zitiert):
Zwar ist richtig, dass dem Kläger nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen nur die Hälfte der für ihn entrichteten Rentenversicherungsbeiträge erstattet wurden; dies entspricht auch noch dem heute geltenden Recht, wonach Beiträge nur in der Höhe erstattet werden, in der die Versicherten sie getragen haben, also nicht die Arbeitgeberbeiträge (§ 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass, wie der Kläger fordert, die andere Hälfte der Beiträge "stehen bleibt" und somit weiterhin eine (halbe) Rente zu zahlen bleibt.
Denn ein ( ) Versicherter ( ) hat die Wahl, sich entweder für eine Beitragserstattung im aufgezeigten Umfang zu entscheiden oder aber für eine spätere (volle) Rentenberechtigung. Das ist auch weder unbillig noch gar verfassungswidrig.
Bereits zuvor hat das BSG in ähnlichen Sachverhalten vergleichbar entschieden (BSG, Urteile vom 18.02.1981 und vom 04.10.1979, a.a.O.).
Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Rechtsgrundlage für den Verbleib des vom Arbeitgeber getragenen Beitragsanteils zur gesetzlichen Rentenversicherung beim Versicherungsträger ist gerade § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Ein Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht vor. Der Vortrag ist diesbezüglich schon unsubstantiiert. Darüber hinaus greift er nicht durch.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorträgt, die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung verstoße gegen das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen bzw. Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom 12.09.1963, weist der Senat darauf hin, dass das Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei keine weitergehenden Rechte vorsieht als die in § 210 - insbes. Abs. 3 - SGB VI für alle Versicherten (unabhängig von Wohnsitz oder Staatangehörigkeit) vorgesehenen.
Selbst wenn, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, Art. 38 des Zusatzprotokolls aus dem Jahr 1973 die Zusammenführung von Beitragszeiten sowie die Übertragung der Sozialversicherungsbeiträge auf das türkische Sozialversicherungskonto vorsieht, verkennt er, dass die Zusammenführung und/oder Übertragung von Versicherungszeiten voraussetzt, dass letztere überhaupt noch bestehen. Hieran aber fehlt es gerade auf Grund der gesetzlich vorgesehenen Auflösung des Versicherungsverhältnisses.
Der Vortrag, § 210 Abs. 6 SGB VI ermögliche keine Übertragung von Beiträgen, ist ebenfalls nicht zielführend. Denn die Klägerin macht vorliegend gerade keine Rechte aus einer türkischen Sozialversicherung, sondern aus der deutschen Rentenversicherung in Form der Gewährung einer höheren Rente geltend.
Die Argumentation des Prozessbevollmächtigten der Klägerin verkennt insgesamt, dass zwischen einer Beitragserstattung, die zur vollständigen Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses führt (§ 210 Abs. 6 Satz 2 SGB VI), und einem Leistungsanspruch auf Gewährung einer Rente auf Grund selbst erworbener Anwartschaften aus einem noch bestehenden Versicherungsverhältnis streng zu differenzieren ist. Die Klägerin hatte die Wahl, welche der beiden - oben aufgezeigten - Möglichkeiten sie in Anspruch nehmen möchte, die wiederum beide unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer Wohnsitznahme bestanden. In Bezug auf dieses Wahlrecht werden deutsche und ausländische Versicherte gleichbehandelt. Daher liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 6 bzw. 9 des Assoziierungsabkommens vor. Denn eine Schlechterstellung der Klägerin infolge ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer Wohnsitznahme erfolgt nicht. Aus dem gleichem Grund liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK vor. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot damit begründet, dass in "anderen Fällen" eine "volle Beitragserstattung" (Bl. 10 LSG-Akte) erfolge, legt er schon nicht dar, welche Fälle das sein sollen. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 210 Abs. 3 Satz 1 SGB VI darf jedenfalls stets nur eine Erstattung der vom Versicherten getragenen Beiträge erfolgen.
Ein Verstoß gegen Art. 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union liegt ebenfalls nicht vor. Denn der dort in Abs. 2 normierte Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und die sozialen Vergünstigungen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten, der jedem Menschen, der in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt rechtmäßig wechselt, zusteht, setzt voraus, dass die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen der unionsrechtlichen und einzelstaatlichen Leistungsansprüche erfüllt sind. Letzteres ist vorliegend in Bezug auf die Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung für die Zeit vor dem Jahr 2000 für eine höhere Rente gerade auf Grund des gesetzlich normierten Verfalls dieser Beitragszeiten bei Beitragserstattung nicht der Fall.
Der Einwand, dass die Beklagte bei der Berechnung der Altersrente im angefochtenen Rentenbescheid Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung als Versicherungszeiten vor der erfolgten Erstattung (im Zeitraum von Mai 1976 bis Februar 1981) trotz der Auflösung des gesamten Versicherungsverhältnisses für die Zeit bis zur Erstattung im Dezember 2000 berücksichtigte, ist ebenfalls mit Blick auf die begehrte höhere Rente nicht zielführend, da die Berücksichtigung zu Gunsten der Klägerin erfolgte und sie überdies nicht die für die begehrte höhere Rente geltend gemachten Anteile des Arbeitgebers der für sie in den 1970er und 1980er Jahren entrichteten Beiträge betrifft.
Lediglich am Rande merkt der Senat an, dass auch kein Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der - wie oben dargelegt in unzulässiger Weise - geltend gemachten sämtlichen rentenrechtlichen Zeiten vor dem Erstattungszeitraum besteht, da auch diese von nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 210 Abs. 6 Satz 2 und 3 SGB VI - wonach mit der Erstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst wird und Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestehen - von der Verfallswirkung erfasst sind.
Der von der Klägerin behauptete fehlende Hinweis auf die Verfallswirkung trifft nicht zu, wie der Hinweis auf Seite 02 des Beitragserstattungsbescheides zeigt. Soweit sie rügt, ihr sei der Hinweis nicht mitgeteilt worden, ist dies nicht nachvollziehbar, da sie Kenntnis vom Bescheid hatte. Soweit sie vorträgt, sie verfüge nicht über ausreichend Deutschkenntnisse und sie rügt, der Hinweis sei nicht ordnungsgemäß übersetzt worden, ändert auch dies in der Sache nichts. Denn Amtssprache ist deutsch (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Im Übrigen geht der gesamte Vertrag insoweit ins Leere, weil die Verfallswirkung von Gesetzes wegen eintritt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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