L 10 R 3710/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 2766/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3710/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.09.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.

Der am 1965 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1983 bis zum 13.06.1986 eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker (Bl. 16 VA) und war zuletzt vom 07.05.2007 bis 30.11.2015 als Produktionsmitarbeiter bei der Firma I. AG versicherungspflichtig beschäftigt (Bl. 19 VA). Ab dem 29.07.2015 war er zunächst jedenfalls bis zum 30.11.2016 arbeitsunfähig (s. AU-Bescheinigung, VA ärztlicher Teil, unblattiert) und anschließend - seinen eigenen Angaben nach - arbeitslos (s. Gutachten Dr. N. , Bl. 26 SG-Akte).

Im August 2015 wurde beim Kläger eine schwere Bursitis trochanterica mit deutlichem Erguss und kräftiger Tendinose des Ansatzes von Musculus gluteus medius und minimus diagnostiziert (Bl. 39 SG), weshalb er sich vom 15.12.2015 bis 12.01.2016 in stationärer medizinischer Rehabilitation in der K. Bad S. befand (Bl. 49 ff. SG-Akte, s.a. VA ärztlicher Teil, unblattiert). Dort wurde eine Minderbelastbarkeit der linken Hüfte bei Bursitis trochanterica und Ansatztendinose des Musculus gluteus medius, belastungsakzentuierte chronifizierte lumbale Rückenschmerzen mit degenerativen Veränderungen und muskulären Defiziten, eine Adipositas durch übermäßige Kalorienzufuhr und eine kontrollbedürftige GGT-Erhöhung diagnostiziert (Bl. 49 SG-Akte). Der Kläger wurde vollschichtig leistungsfähig für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung ohne gehäuft schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten bis 15 kg, ohne gehäufte permanente Belastungen für die linke Hüfte sowie anhaltende Zwangshaltungen, längeres Knien und Hocken entlassen (Bl. 50 SG-Akte). Die Durchführung einer intensivierten Rehabilitationsnachsorge (sog. IRENA-Programm) wurde verordnet (Bl. 57 SG-Akte) und vom 02.02.2016 bis 21.04.2016 in der Theresienklinik II in Bad Krozingen durchgeführt (s. VA ärztlicher Teil, unblattiert, s. auch Bl. 25 SG-Akte). Aus dieser Maßnahme wurde der Kläger trotz weitgehend unveränderter Hüft- und Rückenbeschwerden bei jedoch beidseits freier Hüftgelenksbeweglichkeit arbeitsfähig entlassen (s. VA ärztlicher Teil, unblattiert).

Am 18.11.2016 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (Bl. 2 ff. VA) und gab an, sich seit dem 29.07.2015 wegen einer chronischen Entzündung am linken Hüftgelenk für erwerbsgemindert zu halten (Bl. 5 VA). Die Beklagte ließ ihn daraufhin durch den Facharzt u.a. für Orthopädie Dr. N. begutachten (Bl. 21 ff. SG-Akte, VA ärztlicher Teil, unblattiert). Dieser beschrieb auf Grund seiner Untersuchung am 04.01.2017 einen bis auf eine verS. te BWS-Kyphose und einen deutlichen Druckschmerz am linken Trochanter major mit einer SchmerzverS. ung bei Abduktion gegen Widerstand und beim Liegen auf der linken Seite unauffälligen Befund (Bl. 27 f. SG-Akte), diagnostizierte eine anhaltende Bursitis trochanterica links, ein rezidivierendes LWS-Syndrom und nebenbefundlich eine Adipositas (Bl. 28 SG-Akte) und hielt den Kläger für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Knien und Hocken sowie Liegen auf der linken Seite für vollschichtig leistungsfähig (Bl. 29 SG-Akte).

Mit Bescheid vom 25.01.2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung u.a. mangels Vorliegens der medizinischen Voraussetzungen ab (Bl. 48 ff. VA) und wies den erhobenen Widerspruch (Bl. 50 VA) mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2017 zurück (Bl. 64 ff. VA).

Hiergegen hat der Kläger am 21.07.2017 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat sachverständige Zeugenauskünfte bei den den Kläger behandelnden Ärzten und eine Auskunft der Dipl.-Psych. K. eingeholt hat. Der Facharzt für Orthopädie Dr. R. hat im Vordergrund stehende Beschwerden der LWS und im Bereich der linken Hüfte mitgeteilt, die jedoch einem über sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen nicht entgegenstünden (Bl. 38 SG-Akte). Der Facharzt für Allgemeinmedizin H. hat ein chronisches Schmerzsyndrom im Rahmen eines chronischen Lumbalsyndroms und eine Bursitis trochanterica berichtet (Bl. 44 SG-Akte) und im Übrigen dem - seitens des SG beigefügten - Fachgutachten des Dr. N. zugestimmt (Bl. 45 SG-Akte). Die Dipl.-Psych. K. hat dem SG im Februar 2018 mitgeteilt, dass der Kläger im Dezember 2017 eine psychotherapeutische Sprechstunde wahrgenommen habe, in welcher festgestellt worden sei, dass die von ihr angebotenen Therapiemaßnahmen beim Kläger nicht indiziert seien und sie eine stationäre Behandlung empfohlen habe (Bl. 66 SG-Akte). Ausweislich der vom Kläger vorgelegten "Individuellen Patienteninformation zur ambulanten Psychotherapeutischen Sprechstunde" hat sie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert (Bl. 63 SG-Akte). Auf Nachfrage des SG im März 2018, ob der Kläger eine stationäre Therapie mache (Bl. 66 SG-Akte), hat der Kläger nicht geantwortet.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.09.2018 hat das SG die Klage - gestützt auf den Reha-Entlassungsbericht der K. Bad S. , das Gutachten von Dr. N. und die Auskünfte der behandelnden Ärzte - abgewiesen, da eine Erwerbsminderung nicht vorliege. Eine behandlungsbedürftige gravierende psychische Erkrankung sei äußerst zweifelhaft, zumal sich der langjährig behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin H. hierzu nicht geäußert habe und die Leistungseinschätzung des Dr. N. nicht kritisiert habe. Es sei nicht vorgetragen worden, welcher Art die Erkrankung sei und weder im Verwaltungs- noch im Klageverfahren sei eine ärztliche Diagnose auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet dokumentiert oder ein Behandler benannt worden. Es lägen somit keine Anhaltspunkte für eine mögliche überdauernde Leistungseinschränkung auf psychischem Fachgebiet vor.

Gegen diesen Gerichtsbescheid - dem Kläger am 17.09.2018 zugestellt - hat der Kläger am 17.10.2018 Berufung eingelegt und ausgeführt, dass seine psychosomatischen Beschwerden überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Immerhin habe die Dipl.-Psych. K. bei der einmaligen Vorstellung am 13.12.2017 eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14.09.2018 und den Bescheid vom 25.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids berufen.

Zur weiteren Aufklärung des psychischen Gesundheitszustands des Klägers hat der Senat nochmals den Facharzt für Allgemeinmedizin H. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mitgeteilt (Bl. 17 LSG-Akte), dass der Kläger seit Anfang 2018 an einer rezidivierenden mittel- bis schwergradigen depressiven Episode mit ausgeprägtem Alkoholabusus leide, weshalb eine fachärztliche Vorstellung mit anschließender Entgiftungsmaßnahme erfolgt sei. Die schweren Depressionen seien mittels Medikamenten eingestellt worden, worunter der Kläger auf niedrigem Niveau stabil sei. Er sei jedoch nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten bis zu sechs Stunden täglich zu verrichten, wobei neben den orthopädischen auch zunehmend die psychischen Probleme eine gewichtige Rolle spielten und seiner Ansicht nach die Konzentrationsfähigkeit des Klägers zu sehr eingeschränkt sei. Der Facharzt H. hat einen Entlassungsbericht des A. Klinikums K. über eine körperliche Entgiftung mit anschließendem qualifiziertem Entzug bei bestehender Alkoholkrankheit vom 16.01.2018 bis 01.02.2018 (Bl. 18 ff. LSG-Akte) und ein Schreiben des Facharztes u.a. für Neurologie und Psychiatrie W. vom 11.01.2018, in dem dieser das A. Klinikum K. um stationäre Entziehungsbehandlung für den Kläger bittet und als Diagnosen eine Dysthymie, ein Schmerzsyndrom und Alkoholabusus benennt (Bl. 24 LSG-Akte), zu den Akten gereicht.

Der Senat hat sodann bei dem Facharzt u.a. für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. ein nervenärztliches Sachverständigengutachten eingeholt (Bl. 29 ff. LSG-Akte, Untersuchungstag: 18.04.2019). Dieser hat in neurologischer Hinsicht lediglich eine sockenförmige Hyperpathie beidseits nach distal zunehmend, symmetrisch bei normalem Vibrationsempfinden (Bl. 38 LSG-Akte) und bis auf einen erkennbaren sozialen Rückzug und eine deutlich reduzierte Alltagsstruktur einen unauffälligen psychischen Befund erhoben (Bl. 39 LSG-Akte). Die technische Zusatzuntersuchung in Form einer Hirnstromkurve (EEG) hat keinen pathologischen Befund ergeben (Bl. 40 LSG-Akte). Der Sachverständige hat eine Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch (aktive Abhängigkeit) und eine Polyneuropathie bei Alkoholabhängigkeit diagnostiziert (Bl. 40, 46 LSG-Akte), wobei die Alkoholabhängigkeit in einem überschaubaren Zeitraum von sechs Monaten durch die zur Verfügung stehenden Behandlungsmaßnahmen deutlich gebessert und stabilisiert werden könne (Bl. 44 LSG-Akte). Eine Depression oder Angststörung hat er nicht festgestellt (Bl. 42 LSG-Akte). Die quantitative Leistungsfähigkeit des Klägers hat er sowohl in neurologischer als auch in psychiatrischer Hinsicht nicht als eingeschränkt angesehen (Bl. 45, 47 LSG-Akte). Wegen der Alkoholabhängigkeit und der Neuropathie sollten jedoch Tätigkeiten mit besonderer Griffnähe zur Substanz wie in der Bier- und Spirituosenproduktion oder im Gastronomiegewerbe und eine Tätigkeit mit Klettern auf Leitern und Gerüsten sowie mit Gehen auf unebenem Boden, besonders in Dunkelheit und Dämmerung, unterbleiben (Bl. 44, 47 LSG-Akte).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 52, 54 LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 25.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die rechtlichen Grundlagen für den hier vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) dargelegt und - gestützt auf den Reha-Entlassungsbericht der K. Bad S. , das von der Beklagten eingeholte orthopädische Gutachten des Dr. N. sowie die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte des Facharztes für Orthopädie Dr. R. und des Facharztes für Allgemeinmedizin H. - zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für diese Leistung nicht erfüllt, weil er nicht erwerbsgemindert ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Eine andere Einschätzung des Sachverhalts ergibt sich auch nicht durch die vom Senat durchgeführte weitere Aufklärung des psychischen Gesundheitszustands des Klägers. Diese hat zwar ergeben, dass der Kläger schon seit vielen Jahren an einer Alkoholabhängigkeit leidet und er Anfang 2018 eine stationäre Entgiftung mit anschließendem qualifizierten Entzug im A. Klinikum K. durchgeführt hat - hiervon hat der Kläger dem SG trotz ausdrücklicher Nachfrage nichts berichtet -, eine quantitative Leistungsminderung hat sich jedoch auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht herausgestellt. Insbesondere besteht keine depressive Störung. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Facharztes u.a. für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Dieser hat in neurologischer Hinsicht lediglich eine sockenförmige Hyperpathie beidseits in Form von Gefühlsstörungen an Unterschenkeln und Füßen (Bl. 38, 41 LSG-Akte) und in psychiatrischer Hinsicht einen bis auf einen geschilderten sozialen Rückzug und eine deutliche reduzierte Alltagsstruktur unauffälligen psychiatrischen Befund erhoben (Bl. 39 LSG-Akte). Der Kläger ist nämlich bewusstseinsklar, orientiert und nicht deprimiert gewesen und es hat sich auch keine Antriebsminderung oder Antriebsarmut erfassen lassen. Das affektive Schwingungsvermögen ist lediglich nach oben eingeschränkt, nicht jedoch aufgehoben, der Gedankengang zusammenhängend, ohne auffällige Denkinhalte wie Wahn, Wahrnehmungs- oder Ich-Störungen gewesen. Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit sind während der Begutachtung ungestört erhalten gewesen. Aggressive oder Verwahrlosungstendenzen haben sich nicht gezeigt. Auch die technische Zusatzuntersuchung (EEG) hat keinen pathologischen Befund erbracht (Bl. 40 LSG-Akte). Auf Grund dieser Befunde und den anamnestischen Angaben des Klägers hat der Sachverständige nachvollziehbar lediglich eine Alkoholabhängigkeit und eine alkoholbedingte Polyneuropathie und keine Depression diagnostiziert (Bl. 42 LSG-Akte). Hierzu hat der Sachverständige auch nachvollziehbar ausgeführt, dass eine eigenständige Depression nur dann zu diagnostizieren sei, wenn sie nicht durch den Einfluss psychotroper Substanzen wie Alkohol verursacht worden sei, da es bei aktiv trinkenden Menschen zu vorübergehenden Störungen der Stimmung kommen könne, die wie bei einer schweren Depression imponierten, jedoch ebenso schnell, wie sie aufgetreten seien, auch wieder verschwunden sein könnten. Sowohl beim Anfluten des Alkohols wie insbesondere auch beim Abklingen könnten jammerig-depressive Bilder auftreten (Bl. 42 LSG-Akte). Derartige alkoholbedingte Stimmungsschwankungen gehörten zu einer Alkoholabhängigkeit dazu (Bl. 43 LSG-Akte), sodass die vom A. Klinikum gestellte Diagnose einer schweren depressiven Episode nicht zu Grunde gelegt werden kann, weil das Klinikum diesen Aspekt nicht berücksichtigt, worauf Dr. S. auch hingewiesen hat. Außerdem sei die Voraussetzung für die Diagnose einer depressiven Episode, dass diese mindestens zwei Wochen bestehe (Bl. 43 LSG-Akte). Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständige zu Recht die sowohl von der Dipl.-Psych. K. im Dezember 2017 nach einmaliger (vgl. Bl. 63 SG-Akte) als auch von dem Facharzt u.a. für Neurologie und Psychiatrie W. im Januar 2018 nach ebenfalls einmaliger (Angabe des Klägers Bl. 37 LSG-Akte) Konsultation durch den Kläger gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung (Bl. 63 SG-Akte) bzw. Dysthymie (Bl. 24 LSG-Akte) angezweifelt (Bl. 43 LSG-Akte).

Die vom Sachverständigen beschriebenen Gesundheitsstörungen führen indes nicht zu einer rentenrelevanten Leistungsminderung. Die Polyneuropathie zeigt sich (bislang) nur in Form von Gefühlsstörungen an Unterschenkeln und Füßen, ohne Beeinträchtigung des Stand- und Gehvermögens oder der Kraftentfaltung, so dass der Kläger zwar keine Tätigkeiten mehr ausführen soll, die ein Klettern auf Leitern und Gerüsten oder ein Gehen auf unebenem Boden insbesondere in Dunkelheit und Dämmerung erfordern, zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führen sie jedoch nicht (Bl. 44, 47 LSG-Akte). Auch die Alkoholabhängigkeit führt nicht zu einer rentenrelevanten Leistungsminderung, sondern lediglich zu einer qualitativen Leistungseinschränkung dahingehend, dass Tätigkeiten mit besonderer Griffnähe zur Substanz wie in der Bier- und Spirituosenproduktion oder im Gastronomiegewerbe vermieden werden sollten (Bl. 47 LSG-Akte). Der Sachverständige Dr. S. hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Alkoholabhängigkeit um eine grundsätzlich in einem überschaubaren Zeitraum behandelbare Erkrankung handelt. Er hat deutlich gemacht, dass innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mit einer Besserung gerechnet werden kann (Bl. 44 LSG-Akte). Seelisch bedingte Störungen - hierzu gehört auch eine Alkoholabhängigkeit (s. hierzu auch Senatsurteil vom 11.05.2017, L 10 R 702/15, nicht veröffentlicht) - scheiden aber für die Begründung einer Erwerbsminderung aus, wenn sie der Betroffene bei der ihm zumutbaren Willensanstrengung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe (BSG, Urteil vom 21.10.1969, 11 RA 219/66, zitiert - wie sämtliche höchstrichterliche Rechtsprechung - nach juris, Rdnr. 13) sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwinden kann (BSG, Urteil vom 01.07.1964, 11/1 RA 158/61, Rdnr. 11), wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist.

Ausgehend hiervon sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass das Leistungsvermögen des Klägers in einem quantitativen und damit rentenrelevanten Ausmaß eingeschränkt sein könnte. Die vom behandelnden Facharzt für Allgemeinmedizin H. erwähnte Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, auf die dieser eine Erwerbsminderung zurückgeführt hat (Bl. 17 LSG-Akte), hat sich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. gerade nicht bestätigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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