L 10 R 4859/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 248/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4859/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17.11.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Streit.

Der am 1969 geborene Kläger absolvierte von 1989 bis 1993 eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher und war mit Unterbrechungen bis Ende Februar 2013 - das damalige Arbeitsverhältnis endete seinen eigenen Angaben nach in "gegenseitigem Einverständnis" - (s. Angaben in der Anlage LTA-Antrag und Befundbericht Dr. R. , LTA-VA) in diesem Beruf tätig. Anschließend war er zunächst wegen Cervico-Cephalgien arbeitsunfähig (Bl. 34 SG-Akte) bzw. arbeitslos. Seit dem Jahr 2016 übt er von April bis Oktober eine Saisonarbeit als Schifffahrkartenverkäufer aus. Zwischendurch erhält er Arbeitslosengeld I (Bl. 64 LSG-Akte).

Vom 10.10.2012 bis 21.11.2012 befand sich der Kläger in stationärer medizinischer Rehabilitation zu Lasten der Beklagten in der Z. -Klinik, Klinik für konservative Orthopädie und Verhaltensmedizin, in St. B ... Laut dem Entlassungsbericht litt er damals an einer leichten depressiven Episode, einem Lumbalsyndrom, einem Schulter-/Arm-Syndrom rechts stärker als links, einem Zervikalsyndrom bei beginnender Osteochondrosis intervertebralis C5/C6 und Migräne (Bl. 46 SG-Akte). Der Kläger wurde mit einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen sowohl für seine letzte Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher als auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie arbeitsfähig entlassen (Bl. 47 und 60 SG-Akte).

Vom 24.01.2014 bis 22.02.2014 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Zentrum für Psychiatrie S. (ZfP). In dem Entlassungsbericht (Bl. 35 ff. SG-Akte) wurde eine Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren, chronische Zephalgien und eine Zervikobrachialgie links mit pseudoradikulärer Ausstrahlung, ein Neurofibrom C5/6 links, eine schwere depressive Episode, soziale Belastungsfaktoren und eine Migräne diagnostiziert (Bl. 35 SG-Akte).

Danach befand sich der Kläger vom 11.03.2014 bis 13.05.2014 in stationärer Behandlung in der S. -Klinik in A. in der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (s. Bl. 29 VA). Im Entlassungsbericht wurde eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine mittelgradige depressive Episode sowie eine Akzentuierung an-ankastischer Persönlichkeitszüge beschrieben. Ein Wiedereinstieg in den Beruf des Orthopädieschuhmachers wurde als problematisch angesehen, da der Kläger eine Überempfindlichkeit (z.B. Kopfschmerzen) gegenüber den verwendeten Klebstoffen beschrieben habe.

Am 02.06.2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und regte u.a. an, ihm eine Umschulung zu gewähren (s. LTA-VA). Er führte aus, seine bisherige Tätigkeit nicht mehr verrichten zu können, da er an einer durch Klebstoffe, Dämpfe, Schleifstaub und Lärm entstandenen Migräne mit starken Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten leide. Wegen Migräne und Übelkeit habe er Schwierigkeiten gehabt, den langen Fahrweg zu bewältigen (s. LTA-VA).

Mit Bescheid vom 16.06.2014 lehnte die Beklagten den Antrag mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher sei weder wesentlich gefährdet, noch gemindert (s. LTA-VA). In dem hiergegen erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, insbesondere durch die Dämpfe von Klebern und Verdünnung, die bei ihm dauerhafte Kopfschmerzen ausgelöst hätten, nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, als Orthopädieschuhmacher tätig zu sein. Zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit benötige er eine Umschulung bzw. Fortbildung, wobei er sich auf Grund seines handwerklichen Geschicks eine Fortbildung im Bereich Anschauungsmodellbau vorstellen könne (s. LTA-VA). Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2015 zurück (s. LTA-VA), weil die beim Kläger bestehende depressive Episode die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher nicht erheblich gefährde oder mindere.

Am 04.02.2015 hat der Kläger dagegen Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und u.a. ausgeführt, dass die Beklagte in ihren Bescheiden lediglich von einer depressiven Episode ausgegangen sei und seine Ursprungserkrankung nicht berücksichtigt habe. Zwischenzeitlich stehe er bei dem Umweltmediziner Dr. M. in Behandlung, der festgestellt habe, dass sein gesamter Körper durch Allergien gegen Lösungsmittel, die als Hauptbestandteil im Schuhkleber enthalten seien, vergiftet sei. Eine Entgiftung sei möglich, dauere jedoch voraussichtlich zwei Jahre.

Das SG hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Facharzt u.a. für Orthopädie Dr. B. hat mitgeteilt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet nicht wesentlich gemindert sei (Bl. 34 SG-Akte). Der Facharzt u.a. für Allgemeinmedizin Dr. R. hat die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher als erheblich gefährdet angesehen, da er allergische Reaktionen und Überempfindlichkeiten (z.B. Kopfschmerzen) gegenüber den verwendeten Klebstoffen beschreibe (Bl. 38 f. SG-Akte). Der Facharzt u.a. für Umweltmedizin Dr. M. hat mitgeteilt (Bl. 62 ff. SG-Akte), dass der Kläger an einer Intoleranz gegenüber Aromaten und Formaldehyd, einer Dysfunktion der neuroendokrinen Stressachse mit Polymorphismus der Catechol-O-Methyltransferase (COMT), V.a. Morbus Meulengracht sowie Nahrungsmittelallergien leide. Er hat Laborberichte u.a. über die Durchführung von Lymphozytentransformationstests (LTT) über Nahrungsmittel (Bl. 67 ff. SG-Akte) und Umweltschadstoffe (Bl. 71 SG-Akte) vorgelegt. Letzterer hat eine zelluläre Sensibilisierung im Sinne einer Typ IV-Immunreaktion gegenüber dem Lösungsmittelgemisch BTX (Benzol/Toluol/Xylol) sowie grenzwertig Formaldehyd ergeben. Mit beiden Substanzen habe der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher unausweichlich Kontakt. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit als Orthopädieschuhmacher sei bereits eingetreten.

Die Beklagte hat daraufhin eine sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. B. vorgelegt (Bl. 77 f. SG-Akte), in der dieser darauf hingewiesen hat, dass Dr. B. eine Erwerbsminderung auf orthopädischem Fachgebiet ausgeschlossen habe und sich sowohl Dr. R. als auch die S. -Klinik in ihrem Entlassungsbericht hinsichtlich der Einschätzung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dessen subjektive Angaben gestützt hätten. Der Auffassung des Dr. M. könne nicht gefolgt werden, weil dieser nur einen spärlich vagen klinischen Untersuchungsbefund mitteile, sich hingegen in erster Linie auf Laborwerte stütze, insbesondere auf den LTT, der noch dazu nicht allgemein anerkannt sei. Ein Zusammenhang zwischen angeblich nachgewiesenen Unverträglichkeiten und Migräneanfällen sei in keiner Weise belegt. Dr. M. versuche, aus Laborwerten postulierte Unverträglichkeiten abzuleiten, was nicht zulässig sei. In seiner vom SG eingeholten Auskunft hat der Diplom-Psychologe E. als Diagnose eine Anpassungsstörung mitgeteilt, die sich allein nicht wesentlich nachteilig auf die allgemeine Erwerbsfähigkeit des Klägers auswirke (Bl. 112 SG-Akte). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei auf die körperliche Erkrankung des Klägers zurückzuführen. Es sei zu vermuten, dass sich der Kläger durch seine Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher "nachhaltig vergiftet" habe, weshalb ein weiterer Kontakt mit kritischen Umweltgiften zu vermeiden sei (Bl. 113 SG-Akte).

Das SG hat ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin Dr. M. eingeholt (Bl. 87 ff. SG-Akte; Untersuchungstag 04.03.2015). Der Sachverständige hat ein chronisch rezidivierendes Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren sowie depressiven mittelgradigen Episoden und Durchschlafstörungen, chronisch rezidivierende Zervikozephalgien und Lumboischialgien bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und rezidivierenden multiokulären Blockierungen der Lendenwirbelsäule, eine einfache Migräne ohne Aura und multiple Nahrungsmittelallergien diagnostiziert (Bl. 99 SG-Akte). Er hat die Auffassung vertreten, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher durch die genannten Erkrankungen nicht derart eingeschränkt sei, dass er nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf normal auszuüben. Es sei auch nicht in absehbarer Zeit - längstens drei Jahre - mit einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu rechnen.

Nachdem der Kläger Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. M. vorgebracht (Bl. 115 ff. SG-Akte) und die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme des Dr. B. vorgelegt (Bl. 145 f. SG-Akte) hat, hat der Kläger eine (weitere) Stellungnahme des Dr. M. vorgelegt, in der er sich gegen das Gutachten des Dr. M. gewendet hat (Bl. 151 ff. SG-Akte). In seiner daraufhin eingeholten ergänzenden Stellungnahme hat Dr. M. an seinem Gutachtensergebnis festgehalten (Bl. 156 ff. SG-Akte).

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das SG ein Gutachten bei dem Facharzt u.a. für Innere Medizin und Umweltmedizin Prof. Dr. H. eingeholt (Bl. 186 ff. SG-Akte, Untersuchungstag 16.11.2016). Prof. Dr. H. hat in seinem Gutachten von September 2017 ein multiples Chemikaliensyndrom (MCS), eine hormonelle Dysbalance, ein Cervikalsyndrom, eine Osteochondrose, Entzündungen der Darmschleimhaut, Nahrungsmittelallergien und eine Histaminüberempfindlichkeit (Bl. 219 und 225 SG-Akte) diagnostiziert, wobei er bis auf unklare paravertebrale Verspannungen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und einen Druckschmerz C5/C6 einen unauffälligen körperlichen Untersuchungsbefund beschrieben hat (Bl. 215 f. SG-Akte). Einen psychischen Untersuchungsbefund hat er nicht erhoben. Zusammenfassend ist Prof. Dr. H. von einer reduzierten Belastungsfähigkeit, Kraftlosigkeit, Antriebslosigkeit, Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien, die sich während der Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher entwickelt habe, ausgegangen (Bl. 224 SG-Akte). Die Erwerbsfähigkeit des Klägers in seiner bisherigen Tätigkeit sei erheblich gefährdet (Bl. 225 SG-Akte). Durch eine hormonelle Substitution, eine Behandlung der Darmentzündung und einer Vermeidung der Schadstoffbelastung könne die Minderung der Erwerbsfähigkeit jedoch abgewendet werden (Bl. 225 f. SG-Akte). Er empfehle daher eine Umschulung, wobei eine Exposition gegenüber Chemikalien und Lösungsmitteln zu vermeiden sei (Bl. 226 SG-Akte).

Mit Gerichtsbescheid vom 17.11.2017 - dem Kläger am 29.11.2017 zugestellt - hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dem Sachverständigen Dr. M. angeschlossen. Den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. sei nicht zu folgen. Eine Minderung bzw. Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher auf Grund des Beschwerdebildes MCS sei nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht zu verifizieren. Auch der Hausarzt Dr. R. und die behandelnden Ärzte in der S. -Klinik hätten etwaige Beschwerden des Klägers auf Grund der Exposition insbesondere mit Klebstoffen diagnostisch nicht nachweisen können und daher die Angaben des Klägers zu Grunde gelegt. Außerdem habe auch der Diplom-Psychologe E. keine nachteiligen Auswirkungen der psychischen Gesundheitsstörungen auf die Erwerbsfähigkeit des Klägers beschrieben.

Hiergegen hat der Kläger am 22.12.2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass bis auf den Facharzt für Orthopädie Dr. B. die sachverständigen Zeugen zu dem Ergebnis gekommen seien, dass bei ihm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege, was sich auch aus dem Entlassungsbericht der S. -Klinik ergebe. Anders als der Sachverständige Dr. M. sei der Sachverständige Prof. Dr. H. auf Grund eigener Untersuchungen, die speziell auf die damalige Tätigkeit des Klägers und die Einflüsse von Chemikalien und Lösungsmitteln ausgerichtet gewesen seien, zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren als erwerbsgemindert anzusehen sei, sofern er in dem Beruf als Orthopädieschuhmacher weiterarbeiten müsste.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17.11.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im Gerichtsbescheid.

Vom 11.01.2019 bis zum 28.01.2019 ist der Kläger wegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren im ZfP behandelt worden (Bl. 41 LSG-Akte), woraufhin ihm die Beklagte zur Anschlussheilbehandlung eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation in der S. -Klinik bewilligt hat (Bl. 28 LSG-Akte). Im Entlassungsbericht der Reha-Klinik sind die Diagnosen chronische Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Lumboischialgie, zervikozephales Syndrom sowie Migräne ohne Aura (gewöhnliche Migräne) aufgeführt (Bl. 54 LSG-Akte). Der Kläger ist sowohl für eine Tätigkeit als Schifffahrkartenverkäufer als auch für eine mittelschwere Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen und ohne qualitative Einschränkungen entlassen worden.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 16.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2015, mit dem die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ablehnte.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der vorliegend zum Antragszeitpunkt im Juni 2014 maßgeblichen, bis zum 13.12.2016 geltenden Fassung (künftig nur: a.F.) der Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.02.2002 (BGBl. I S. 754) - zur Fortgeltung des jeweils im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts bei Leistungen zur Teilhabe s. § 300 Abs. 5 i.V.m. § 301 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (Anwendung auch bei Leistungsablehnung: Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29.03.2006, B 13 RJ 37/05 R, in juris, Rdnr. 10; vgl. im Übrigen auch BSG, Urteil vom 21.06.2000, B 4 RA 52/99 R, in juris, Rdnrn. 30 ff.) - erbringt die Rentenversicherung u.a. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, um (Nr. 1) den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und (Nr. 2) dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI a.F.). Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (alter wie neuer Fassung) bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Gemäß § 16 SGB VI (in der maßgeblichen, bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.02.2002) i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) - in der maßgeblichen bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046) - werden bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt angemessen berücksichtigt.

Wie dargelegt "können" gemäß § 9 Abs. 2 SGB VI a.F. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Daraus ergibt sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die Entscheidung über die Voraussetzungen, das "Ob" der Leistung, der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, während das "Wie" der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen (§ 39 Abs. 1 Satz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I -) des Rentenversicherungsträgers steht. Diesem verbleibt deshalb - vom Ausnahmefall einer Ermessensreduzierung auf null abgesehen - ein von den Gerichten zu beachtender, eigener Entscheidungsspielraum (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG; BSG, Urteil vom 12.03.2019, B 13 R 27/17 R, in juris, Rdnr. 12 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 24.01.2014, L 10 R 4402/13, in juris, Rdnr. 18).

Zwar beansprucht der Kläger vorliegend keine konkrete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern er hat lediglich "Wünsche" bzw. Vorschläge von seiner Auffassung nach in Betracht kommender Maßnahmen - so gab er z.B. im Antrag eine Umschulung zum Anschauungsmodellbauer (s. Antrag LTA-VA) an, hingegen im Rahmen seiner persönlichen Anhörung beim LSG eine solche zum Hörgeräteakustiker (Bl. 64 LSG-Akte) - geäußert und die Beklagte traf auch keine Entscheidung über eine konkrete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern verneinte bereits die Eingangsvoraussetzungen (also das "Ob" der Leistung), die der Kläger für erfüllt erachtet. Indes steht auf Grundlage dessen gerade nicht abschließend fest, dass überhaupt eine Leistung zu erbringen ist, die ihrerseits - wie oben dargelegt - gerade vom Ermessen der Beklagten abhängt. Die Beklagte ist von Gesetzes wegen gerade nicht verpflichtet, "irgendeine" Leistung zu erbringen, sondern nur eine solche, die den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI entspricht. In einer solchen Situation ist der erhobene Anspruch daher (unverändert) auf die pflichtgemäße (bei Verneinung bereits der Eingangsvoraussetzungen erstmalige) Ausübung dieses Ermessens begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011, B 5 R 54/10 R, in juris, Rdnrn. 17 f.). Das Rechtsschutzziel des Klägers ist daher richtigerweise darauf gerichtet, die Beklagte zur pflichtgemäßen Ermessensbetätigung zu verpflichten. Dem derart verstandenen Begehren trägt der Antrag auf Neubescheidung Rechnung (vgl. bereits Senatsurteil vom 19.12.2013, L 10 R 623/12; wie hier auch BSG, Urteil vom 12.03.2019, B 13 R 27/17 R, a.a.O., Rdnr. 10; Urteil vom 17.10.2006, B 5 RJ 15/05 R, in juris, Rdnrn. 10 f.; Urteil vom 14.12.1994, 4 RA 42/94, in juris, Rdnrn. 14 f.; anders wohl noch BSG, Urteil vom 23.02.2000, B 5 RJ 8/99 R, in juris, Rdnrn. 7, 13; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.11.1993, 4 RA 22/93, in juris, Rdnrn. 15, 18 f.); statthaft ist mithin die kombinierte Anfechtungs- und auf Bescheidung gerichtete Verpflichtungsklage (§ 153 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, § 56, § 131 Abs. 3 SGG).

Unter Zugrundelegung dessen hat das SG die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.06.2014 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 26.01.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er erfüllt schon nicht die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sodass (auf Rechtsfolgenseite) kein Raum für eine Ermessensentscheidung der Beklagten ist und daher auch eine Neubescheidung des klägerischen Antrags nicht in Betracht kommt.

Nach § 10 Abs. 1 SGB VI (in der hier maßgeblichen, bis zum 13.12.2016 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 19.02.2002) haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, (Nr. 1) deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (Nr. 2) bei denen voraussichtlich (lit. a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (lit. b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, (lit. c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84). Ist ein solcher Nachweis nicht möglich, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90). So liegt es hier. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers für eine Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher erheblich gefährdet oder bereits gemindert ist. Dies geht zu Lasten des Klägers.

Der Kläger erlernte den Beruf des Orthopädieschuhmachers und übte diesen auch nach Abschluss seiner Ausbildung im Jahr 1993 mit Unterbrechungen bis Februar 2013 aus, weshalb dieser Beruf auch den Bezugsberuf darstellt.

Für den Senat ist weder ersichtlich, noch wird es vom Kläger behauptet, dass er zum Zeitpunkt der Tätigkeitsaufgabe Ende Februar 2013 oder zu einem späteren Zeitpunkt an psychischen Erkrankungen litt, die seine Erwerbsfähigkeit als Orthopädieschuhmacher beeinträchtigten. Bereits dem Reha-Entlassungsbericht der Z. klinik, in der sich der Kläger vom 10.10.2012 bis 21.11.2012 - also bis ca. drei Monate vor Tätigkeitsaufgabe - zur stationären medizinischen Rehabilitation befand, lässt sich kein psychischer Befund entnehmen, der einer Tätigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher entgegenstehen könnte. Hier klagte er über seit Jahren bestehende vertebragene Beschwerden und Kopfschmerzen, teilweise mit migränetypischen vegetativen Symptomen. Er berichtete von seit Ende 2009 bestehenden Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit, Kraftlosigkeit und Zukunftsängsten, die er auf psychosoziale Belastungen, insbesondere im beruflichen Umfeld zurückführte (Bl. 50 SG-Akte). Außerdem klagte er über Kopfdruck und Insomnien (Bl. 55 SG-Akte). Der psychische Aufnahmebefund des Klägers war bis auf einen leicht gehemmten Antrieb, eine leicht gehemmte Psychomotorik und einen leicht herabgestimmten und ängstlich gefärbten Affekt unauffällig (Bl. 53 SG-Akte). Im verhaltensanalytischen Befund wurde als Auslöser für die bestehende Symptomatik eine seit eineinhalb Jahren formal (Arbeits- und Anfahrtszeiten) und inhaltlich (vom Chef verschiedene Arbeitsmoral) nicht zufriedenstellende Arbeitsplatzsituation beschrieben sowie negative Zukunftserwartungen (Bl. 55 SG-Akte). Während der Rehamaßnahme arbeitete der Kläger motiviert mit und befand sich am Ende der Maßnahme in einem psychisch ausreichend belastbaren und leistungsfähigen Zustand (Bl. 60 SG-Akte). Sowohl die ihn in der Z. -Klinik behandelnden Ärzte (Bl. 60 SG-Akte) als auch er selbst (Bl. 52 SG-Akte) waren der Auffassung, dass keine Leistungseinschränkungen bestünden und er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher weiterhin ausüben könne. Er wurde vollschichtig leistungs- und arbeitsfähig aus der Rehaklinik entlassen (Bl. 60 SG-Akte). Es ist nicht ersichtlich, dass sich sein psychischer Zustand bis Ende Februar 2013 (Aufgabe der Tätigkeit) verschlechterte und ihn zu einer Tätigkeitsaufgabe zwang. Dass der Kläger schließlich im Januar/Februar 2014 und somit ein knappes Jahr nach Aufgabe seiner Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher stationär im ZfP behandelt wurde, spricht zwar für eine Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustands, zumal er im Entlassungsbericht als deutlich niedergestimmt, nicht schwingungsfähig und verzweifelt wirkend beschrieben wurde (Bl. 36 SG-Akte). Allerdings besserte sich der psychische Gesundheitszustand des Klägers anschließend wieder, was sich dem Entlassungsbericht der S. -Klinik A. entnehmen lässt. Die den Kläger dort behandelnden Ärzten beschrieben im Entlassungsbericht einen bis auf eine depressiv herabgestimmte Stimmung und anankastische Züge weitgehend unauffälligen psychischen Befund (Bl. 29/RS SG-Akte). Hier wurde die Rückkehr des Klägers in den Beruf als Orthopädieschuhmacher zwar kritisch gesehen, dies jedoch auf die von ihm beschriebenen allergischen Reaktionen und Überempfindlichkeiten gegenüber den verwendeten Klebstoffen zurückgeführt (Bl. 31/RS SG-Akte). Dass psychische Gründe gegen die Wiederaufnahme der erlernten Tätigkeit sprechen, ergibt sich aus diesem Bericht gerade nicht. Auch der den Kläger behandelnde Psychotherapeut E. hat eine Gefährdung oder gar Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht auf psychische sondern auf körperliche Beschwerden zurückgeführt (Bl. 112 f. SG-Akte). Zuletzt hat die S. klinik im April 2019 trotz der diagnostizierten Schmerzstörung und der depressiven Störung ein vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten und ohne qualitative Einschränkungen bejaht.

Auch die beim Kläger bestehenden orthopädischen Beeinträchtigungen führen nicht zu einer erheblichen Gefährdung oder bereits eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Im Entlassungsbericht der Z. klinik wurde als Aufnahmebefund eine vermehrte Lendenwirbelsäulenhohlschwingung, ein suboccipitaler Druckschmerz links über dem Nervus occipitalis major und ein paraspinaler Druckschmerz in Höhe C5/C6 links bei freier HWS-Motilität beschrieben (Bl. 54 SG-Akte). Ansonsten zeigte sich kein auffälliger orthopädischer Befund. In der S. -Klinik wurden im Frühjahr 2014 lediglich muskuläre Verspannungen paravertebral der LWS ohne Klopfschmerz und ohne Bewegungseinschränkungen bei ansonsten unauffälligem körperlichem Untersuchungsbefund beschrieben (Bl. 30 SG-Akte). Die beim Kläger am 28.02.2013 plötzlich aufgetretenen ziehenden Schmerzen im Nacken und linken Schulterbereich, die im Anschluss auch zu einer Krankschreibung wegen Cervico-Cephaglien durch den Facharzt für Orthopädie Dr. B. führten (Folgebescheinigung, s. Bl. 34 SG-Akte), klangen somit wieder ab. Auf orthopädischem Fachgebiet ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers für eine Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher daher weder gefährdet noch gemindert, wie Dr. B. gegenüber dem SG bestätigt hat und wie dies sich auch aus der Leistungsbeurteilung der S. -Klinik ergibt (vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten ohne qualitative Einschränkungen).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Erwerbsfähigkeit in diesem Beruf nicht durch eine Vergiftung auf Grund von Allergien gefährdet oder gemindert. Der Kläger stellt insoweit auf die Erkenntnisse von Dr. M. ab, wie er sie insbesondere in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber den SG dargelegt hat und in der er "eine T-Zell vermittelte Sensibilisierung gegenüber Aromaten (Benzol, Toluol, Xylol) sowie schwächer gegen Formaldehyd" angibt. Diese Beurteilung stützt Dr. M. ausschließlich auf den entsprechenden LTT (vgl. Bl. 71 SG-Akte).

Der LTT allein ist aber zum Nachweis einer Allergie nicht geeignet. Dies hat Dr. M. in seiner ergänzenden Stellungnahme überzeugend dargelegt, wenn er ausführt (Bl. 159 SG-Akte), der positive Ausfall eines LTT sei der Hinweis auf eine Sensibilisierung der T-Lymphozyten (Gedächtniszellen), aber nicht der Beweis für das Vorliegen einer Allergie. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige auf eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts verwiesen. Aus dieser Empfehlung ("Qualitätssicherung beim Lymphozytentransformationstest" - Addendum zum LTT-Papier der RKI-Kommission "Methoden und Qualitätssicherung in der Umweltmedizin" in Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 2008, S. 1072 f.) ergibt sich, dass ein positiver Test für eine bestehende Sensibilisierung spricht, dass damit aber noch nicht gesagt ist, dass das Antigen für eine klinisch relevante Allergie verantwortlich ist und deshalb der LTT nur in Verbindung mit der Klinik sinnvoll interpretiert werden kann. Klinische Auffälligkeiten i.S. allergischer Reaktionen haben aber weder Prof. Dr. H. noch Dr. M. dokumentiert. Weiter ist in der Empfehlung ausgeführt, dass die Gleichsetzung einer Sensibilisierung mit einer Allergie nicht statthaft ist. Gerade diesen Schluss ziehen aber Prof. Dr. H. und Dr. M ... Und in Bezug auf Umweltstoffe (gerade diesbezüglich wurde der Test von Dr. M. veranlasst, vgl. Bl. 71 SG-Akte) ist - worauf auch Dr. M. hingewiesen hat - ausgeführt, dass mangels ausreichendem Untersuchungsmaterial keine Empfehlung ausgesprochen werden könne.

Außerdem weist der Senat darauf hin, dass der Kläger allergische Reaktionen im zeitlichen Zusammenhang mit durch an den früheren Arbeitsplätzen möglicherweise verwendeten Arbeitsmittel mit den Lösungsmitteln Benzol, Toluol, Xylol sowie Formaldehyd zu keinem Zeitpunkt behauptet hat, geschweige denn, dass solche allergischen Reaktionen ärztlich dokumentiert wären. In der Z. -Klinik hat er damals angeben, Allergien seien keine bekannt. Aus der von ihm selbst vorgelegten "Schadstoffinformation" ergibt sich darüber hinaus, dass die in Rede stehenden aromatischen Kohlenwasserstoffe über die Lunge und die Haut aufgenommen werden können und bestimmte toxische Symptome erzeugen. Hinsichtlich aller Einzelheiten wird auf Bl. 130 f. SG-Akte verwiesen. Auch derartige Symptome beschrieb der Kläger zu keinem Zeitpunkt. Auch solche Symptome sind ärztlich nicht dokumentiert.

Entgegen der Annahme des Klägers gibt es keine belastbaren Hinweise, dass seine Migräne bzw. die Kopfschmerzen durch schädliche Expositionen während der beruflichen Tätigkeit ausgelöst wurden.

Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass Stress und eine genetische Belastung (die Mutter litt ebenfalls an Migräne) für die Migräne ursächlich waren (Bl. 120 SG-Akte; s. hierzu Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 267. Auflage, Migräne/Ätiologie: V.A. endogene genetische Disposition, psychische Belastungen). Die Stressbelastung beschrieb er zeitnah, in der Rehabilitation im Oktober/November 2012, mit Arbeitsplatzproblemen, einer belastenden Fahrzeit von täglich zwei bis drei Stunden mit dem Auto und völligem Ausgebranntsein am Wochenende und sie ist als jahrelange Belastung von der S. -Klinik ausführlich beschrieben. Hierauf (Bl. 30 SG-Akte) nimmt der Senat Bezug. Diese Umstände erklären aus Sicht des Senats bereits hinreichend eine Zunahme der Migräneanfälle, auch nach deren Schwere. Im Übrigen hat der Kläger gegenüber Dr. M. angegeben, dass die Migräne (nach Anfällen in der Kindheit) im Jahr 2000 erneut aufgetreten und sich bis 2009 verschlimmert habe. Dabei war der Kläger nach seinen Angaben gegenüber Dr. M. von April 1997 bis September 2001 gar nicht als Orthopädieschuhmacher tätig, sondern als Medizinprodukteberater und Reha-Techniker. Damit stand auch das (erneute) Auftreten der Migräne nach langjähriger Anfallsfreiheit nicht in Zusammenhang mit den angeschuldigten beruflichen Expositionen als Orthopädieschuhmacher. Ähnliches gilt nach Aufgabe der Tätigkeit. Während des Aufenthalts im ZfP, also fast ein Jahr nach Tätigkeitsaufgabe, kam es zu Migräneattacken (Bl. 36 SG-Akte). Soweit Dr. M. (Bl. 152 SG-Akte) wegen in der Klinik eingesetzter Hygienemaßnahmen diese Schmerzattacken in einen Zusammenhang mit den von ihm identifizierten schädlichen Stoffe bei der beruflichen Exposition stellt, weil diese gleiche Beschwerden auslösen könnten, ist dies reine Spekulation - weder die Art der Hygienemaßnahmen noch die eingesetzten Mittel und deren Inhaltsstoffe mit Blick auf die behauptete Allergie gegen bestimmte Berufsstoffe werden beschrieben - und wird durch die ärztliche Dokumentation im Entlassungsbericht in keiner Weise gestützt.

Die (von der Migräne vom Kläger unterschiedenen) Kopfschmerzen traten nach den eigenen Angaben des Klägers im ZfP und in der S. -Klinik Ende Februar 2013, also im letzten Monat seiner Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher auf, allerdings im Zusammenhang mit Schmerzen im Bereich des linken Schulter-Nackenbereichs mit Ausstrahlung bis in den Hinterkopf. Legt man diese Beschwerdeschilderung zu Grunde, ist Ausgangspunkt dieser Kopfschmerzen der Schulter-Arm-Bereich. Dem entsprechend ging der Orthopäde Dr. B. von einer Cervico-Cephalgie aus (vgl. seine Ausführungen im Zusammenhang mit der Krankschreibung, Bl. 34 SG-Akte). Allerdings fanden weder das ZfP noch die S. -Klinik eine körperliche Ursache. Beide Einrichtungen gingen von einer psychischen Überlagerung aus, was wiederum gegen eine toxische Belastung durch Berufsstoffe spricht, ebenso, dass die Ende Februar 2013 aufgetretenen Beschwerden (genau: am 28.02.2013, Bl. 29 Rs SG-Akte) - trotz der Beendigung der Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher und damit dem Ende etwaiger schädlicher Expositionen - nach den Angaben des Klägers jedenfalls noch bis zu diesen stationären Behandlungen im Zeitraum Januar bis Mai 2014 andauerten.

Der Senat vermag auch nicht - wie der Kläger angibt (wegen der Migräne bzw. Kopfschmerzen) - davon auszugehen, dass die Aufgabe der Tätigkeit im Februar 2013 gesundheitsbedingt erfolgte. Die zeitnah im Rahmen der medizinischen Rehabilitation in der Z. klinik im Zeitraum vom 10.10.2012 bis 21.11.2012 und somit ca. drei Monate vor Aufgabe der Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher erhobenen Befunde (s.o.) belegen weder dies noch eine entsprechende erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger wurde aus dieser Rehabilitationsmaßnahme für sechs Stunden und mehr leistungsfähig sowohl für eine Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher als auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und arbeitsfähig entlassen (Bl. 60 SG-Akte). Er sah sich selbst trotz seiner Beschwerden (vgl. Bl. 50, 55 SG-Akte) in der Lage, die Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher weiter auszuüben (Bl. 52 SG-Akte).

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich zwischen der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme Ende November 2012 und dem Entschluss, die Tätigkeit aufzugeben, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes einstellte, die Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war. Die in den Berichten des ZfP und der S. -Klinik beschriebene Verschlechterung am 28.02.2013 trat völlig unerwartet am letzten Tag des letzten Arbeitsmonats auf (Bl. 29/RS SG-Akte: "plötzlich") und kann daher nicht Grund für die Aufgabe der Tätigkeit Ende Februar 2013 gewesen sein. Genaueres kann dahingestellt bleiben, denn diese Beschwerden waren jedenfalls nicht durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst und sie stehen einer Tätigkeit im erlernten Beruf auch nicht entgegen (s.o.).

Auf das gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. H. eingeholte Gutachten kann sich der Kläger für seine Behauptung, er sei wegen Allergien gegen Berufsstoffe vergiftet und könne daher seine erlernte Tätigkeit nicht mehr ausüben, weil er dabei solchen Berufsstoffen ausgesetzt sei, nicht stützen. Zwar geht der Sachverständige davon aus, dass eine Lösungsmittelexposition und eine Chemikalienexposition zu vermeiden seien, was im erlernten Beruf nicht möglich sei. Eine entsprechende Allergie gegen im Beruf des Orthopädieschuhmachers verwendete Stoffe hat er jedoch nicht nachgewiesen.

Soweit Prof. Dr. H. insoweit die Diagnose eines Multiplen Chemikaliensyndroms (MCS) anführt und eine Empfindlichkeit gegen alle möglichen Stoffe (vgl. Bl. 222 SG-Akte), namentlich gegen Farbverdünner, Desinfektionsmittel, Nagellackentferner, annimmt, hat er diese Empfindlichkeit durch keine Untersuchungen begründet, sondern insoweit nur die Beschwerdeangaben des Klägers (Bl. 213 SG-Akte) übernommen. Der Sachverständige führt konkret nur den "Nachweis einer Sensibilisierung gegenüber den Lösungsmitteln Benzol, Toluol, Xylol sowie geringgradig gegenüber Formaldehyd" sowie - im Hinblick auf berufliche Expositionen im in Rede stehenden Beruf unerhebliche - Sensibilisierungen gegen Nahrungsmittel an. Dabei hat der Sachverständige die Testung auf angeführte Sensibilisierungen gegen Lösungsmittel und Formaldehyd selbst nicht durchgeführt, sondern er übernimmt insoweit die Ausführungen von Dr. M. in seiner sachverständigen Zeugenaussage mit dem von ihm durchgeführten LTT (Bl. 62, 71 SG-Akte), den der Sachverständige in seinem Gutachten referiert (Bl. 203 SG-Akte). Dass hieraus keine Allergie abgeleitet werden kann, ist bereits oben ausgeführt.

Soweit der Sachverständige im Zusammenhang mit der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit auch die angenommene "hormonelle Dysbalance und das Entzündungsgeschehen" anführt, erschließt sich nicht, warum dies einer Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher entgegenstehen soll. Immerhin hält der Sachverständige eine Tätigkeit des Klägers "im handwerklich-technischen" Bereich und eine entsprechende Umschulung für möglich (Bl. 226 SG-Akte), woraus der Senat schließt, dass die vom Sachverständigen angeführten Auswirkungen (Erschöpfung, Müdigkeit, Abgeschlagenheit) der hormonellen Störung (Bl. 221, 222 SG-Akte) und eine erhöhte Infektanfälligkeit durch die Entzündung der Darmschleimhaut (Bl. 221 SG-Akte) nach Einschätzung des Sachverständigen einer solchen Tätigkeit und Umschulung nicht entgegenstehen. Dann aber ist nicht ersichtlich, warum eine Tätigkeit als Orthopädieschuhmacher nicht auch ausgeübt werden kann.

Schließlich ist noch ergänzend anzumerken, dass auch Dr. M. keine Gesundheitsstörungen diagnostiziert hat, die einer Tätigkeit des Klägers als Orthopädieschuhmacher entgegenstehen. Auch sein Gutachten stützt das Begehren des Klägers somit nicht. Auf die überwiegend auf Teile der Anamnese bezogenen Einwände des Klägers, die jedenfalls die gestellten Diagnosen und die zu Grunde liegende Befunderhebung nicht betreffen, kommt es deshalb nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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