Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2081/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4759/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen des Ereignisses vom 23.01.2012.
Die am 1964 geborene Klägerin war und ist als Pharmareferentin im Vertrieb und im Außendienst beschäftigt. Sie erlitt nach eigenen Angaben in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Autofahrten in Ausübung dieser Tätigkeit insgesamt sechs Arbeitsunfälle, 1997, 1998, 2009, den streitgegenständlichen Arbeitsunfall vom 23.01.2012, am 09.12.2014 und im Juli 2018. Beschwerden in Form einer Migräne und Wirbelsäulenbeschwerden u.a. auf dem Boden degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) waren bereits vor dem Jahr 2012 vorhanden (vgl. die Auflistung der Vorerkrankungen Bl. 42 ff. SG-Akte, insbesondere ab Bl. 52; MRT vom 28.02.2011, Bl. 35 SG-Akte: Fehlhaltung der HWS, u.a. älterer Bandscheibenvorfall HWK 6/7 und Protrusion HWK 5/6).
Am 23.01.2012 fuhr die Klägerin morgens auf dem Weg zu einer von der Arbeitgeberin veranlassten Fortbildungsveranstaltung (vgl. im Einzelnen VA Band I Bl. 4 ff.) auf der Autobahn auf ein vor ihr befindliches Fahrzeug auf. Unmittelbar darauf fuhr ein weiterer Pkw in ihren Wagen. Die Airbags lösten nicht aus, Bewusstlosigkeit trat nicht ein. Die Tür ihres Wagens ließ sich nach eigenen Angaben der Klägerin nicht öffnen, was zu Angstzuständen bei der Klägerin führte. Die Klägerin fuhr im Abschleppwagen mit zur Autowerkstatt, wo sie dann abgeholt wurde.
Die Klägerin begab sich gegen Mittag in das Klinikum am Plattenwald in Bad F ... Bei der D-ärztlichen Untersuchung war die HWS schmerzbedingt eingeschränkt beweglich, sensomotorische Defizite bestanden nicht, die Extremitäten waren frei beweglich. Röntgenologisch fanden sich degenerative Veränderungen ohne Anhalt für frische Läsionen. Diagnostiziert wurde eine HWS-Distorsion bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen (D-Arztbericht des Arztes H. , VA Band I Bl. 10). Nachdem die Klägerin am 01.02.2012 bei der Nachuntersuchung weiterhin u.a. vegetative Beschwerden mit Schwindel und Übelkeit angegeben hatte, veranlasste der Arzt H. eine K. spintomographie, die jedoch keinen Anhalt für frische knöcherne Verletzungen, keinen Hinweis auf discoligamentäre Verletzungen, wohl aber die bereits vorbestehenden degenerativen Veränderungen nachwies. Zur Feststellung des radiologischen Befundes im Einzelnen wird auf den MRT-Befundbericht VA Band I Bl. 23 verwiesen. Im Rahmen einer neurologischen Konsiliaruntersuchung veranlasste der Neurologe und Psychiater Dr. G. , der die Klägerin am 02.02.2012 untersuchte und einen bis auf eine erhöhte Affektlabilität und eine gewisse Angstbereitschaft unauffälligen psychischen Befund erhob und dem die Klägerin berichtete, heute zum ersten Mal wieder Auto gefahren zu sein, im Hinblick auf die angegebenen Schwindel, Dysästhesien und Sehstörungen eine MR-Angiographie, die keinen auffälligen Befund erbrachte (keine Gefäßdissektion, keine Hirnkontusion, Hirnrinde und Marklager unauffällig, vgl. den Befundbericht VA Band I Bl. 42). Auf Grund seiner konsiliarischen Untersuchung dokumentierte der HNO-Arzt Dr. K. im Februar 2012 Angaben der Klägerin über Gleichgewichtsstörungen und einen Pfeifton, er stellte eine kalorische Untererregbarkeit des rechten Vestibularisorganes fest und er diagnostizierte eine HWS-Distorsion, einen Verdacht auf vertebragen bedingten Schwindel und einen Verdacht auf Comotio labyrinthi rechts und er hielt die Klägerin für fahruntüchtig. Bei weiteren Vorsprachen gab die Klägerin eine rückläufige Symptomatik an, sodass Dr. K. im Rahmen der Kontrolluntersuchung von April 2012 die Klägerin ab 20.04.2012 für arbeitsfähig hielt. Am Montag, dem 23.04.2012 nahm die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit als Pharmareferentin in Vollzeit im Vertrieb und Außendienst wieder auf (Bescheinigung der Arbeitgeberin VA Band I Bl. 90). Die Beklagte zahlte Verletztengeld bis 20.04.2012 (VA Band II Akten-Id 40).
Nachdem auch der D-Arzt H. die unfallchirurgische Behandlung bereits zuvor abgeschlossen hatte und von Arbeitsfähigkeit ausgegangen war, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2012 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Arbeitsunfall habe zu einer HWS-Distorsion ohne substantielle Schädigung bei deutlichen Vorschäden geführt, welche in der Arbeitsunfähigkeit bis 20.04.2012 folgenlos ausgeheilt seien.
Während des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte zunächst das unfallchirurgische Fachgutachten von Prof. Dr. S. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. (BG-Klinik), ein. Auch er fand keinen Nachweis für stattgehabte knöcherne Verletzungen bei allerdings deutlichem Nachweis von degenerativen Veränderungen und er ging davon aus, dass es im Rahmen der HWS-Distorsion zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, nämlich den degenerativen Veränderungen vor allem der Segmente C 5/6 und 6/7 gekommen sei. Angesichts des MRT-Befundes vom Januar 2012 ohne Nachweis einer knöchernen oder diskoligamentären Verletzung müsse von einer Ausheilung auf unfallchirurgischem Gebiet ausgegangen werden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege nicht vor.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. , der auf Veranlassung der Beklagten die Klägerin im Mai 2013 begutachtete, fand auf seinem Fachgebiet ebenfalls keine Unfallfolgen. Die von der Klägerin geschilderten Beschwerden, insbesondere Schwindel, Träume von den Autounfällen und Tinnitus, sah er überwiegend auf das vegetative System bezogen und eher persönlichkeitsbedingt. Prof. Dr. Z. von der Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, der ebenfalls für die Beklagte ein Gutachten erstattete (Untersuchung ebenfalls im Mai 2013), diagnostizierte einen kompensierten Tinnitus beidseits und intermittierende Schwindelbeschwerden bei Zustand nach Commotio labyrinthi und HWS-Distorsion, nahm eine MdE von 10 v.H. für beide Störungen und eine Gesamt-MdE von 15 v.H. an.
Bereits im September/Oktober 2012 befand sich die Klägerin auf Veranlassung des Rentenversicherungsträgers zur stationären medizinischen Rehabilitation im Reha-Zentrum Bad Frankenhausen. Sie wurde dort bei seit August 2012 wegen Magen-Darm-Infekt bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgenommen und als für ihre Tätigkeit als Pharmareferentin arbeitsfähig und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung weniger qualitativer Einschränkungen für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich leistungsfähig entlassen (VA Band II Akten-Id 122, S. 58 ff.).
Während einer von der Beklagten veranlassten komplexen stationären Rehabilitation in der BG-Klinik erstattete Prof. Dr. S. im Februar 2014 einen neurologisch-psychiatrischen Befundbericht, insbesondere zum Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Der von ihm erhobene objektivierbare klinisch-neurologische Untersuchungsbefund sowie der aktuelle psychiatrische Befund war vollständig regelrecht. Eine PTBS schloss er aus. Im Rahmen der testpsychologischen Zusatzuntersuchung durch die Diplom-Psychologin Dr. V.-T. wurden im Rahmen des Beschwerdenvalidierungsverfahrens erhebliche negative Anwortverzerrungen festgestellt und von Prof. Dr. S. als Beschwerdeübertreibung bewertet. Aus der komplexen stationären Rehabilitation, die vom 25.02. bis 18.03.2014 dauerte, wurde die Klägerin wegen seit dem Autounfall vom 09.12.2013 bestehender Arbeitsunfähigkeit als weiterhin arbeitsunfähig entlassen. Die Ärzte der Klinik gingen im Anschluss an die von der Verhaltenstherapeutin Dr. Z. gestellten Diagnose u.a. von einer PTBS aus.
Mit Bescheid vom 14.10.2014 (VA Band III Akten-Id 205) lehnte die Beklagte auch Verletztenrente wegen des Unfalls vom 09.12.2013 ab. In der Begründung führte sie aus, die (auch) bei diesem Unfall erlittene HWS-Distorsion sei im Rahmen der nachfolgenden Arbeitsunfähigkeit folgenlos ausgeheilt.
Vom 29.10. bis 10.12.2014 befand sich die Klägerin in der Reha-Klinik G. zur Behandlung. Dort wurde u.a. die Diagnose PTBS gestellt. Die zum jetzigen Aufenthalt führende Symptomatik habe sich im Januar 2012 im Anschluss an den Verkehrsunfall entwickelt. Im Dezember 2013 sei es dann zu einem erneuten Unfall, der zur Reaktivierung des Traumas geführt habe, gekommen. Als weitere Belastungsfaktoren wurde eine Überforderung als Kind, Probleme in der Ehe mit Trennung und Scheidung sowie Probleme am Arbeitsplatz beschrieben. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme widersprach der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. der Diagnose einer PTBS. Weder der Verkehrsunfall vom 23.01.2012 noch jener vom 09.12.2013 erfüllten die Kriterien für eine solche Diagnose. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.05.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2015 zurück.
Am 26.06.2015 hat die Klägerin gegen die Ablehnung von Verletztenrente anlässlich des Unfalles vom 23.01.2012 Klage erhoben, ebenso gegen die Ablehnung von Verletztenrente anlässlich des Arbeitsunfalles vom 09.12.2013 (S 4 U 2082/15). Sie hat u.a. angegeben, ihre Arbeitszeit auf 80 % reduziert zu haben (vier Arbeitstage in der Woche).
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Gutachten bei Dr. T. und ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten bei Dr. S. eingeholt. Bei beiden Sachverständigen hat die Klägerin - wie schon bei Prof. Dr. S. - keine Beschwerden im Zusammenhang mit dem Tinnitus und bei Dr. T. einen Schwindel nur im Zusammenhang mit einer Reklination der HWS angegeben.
Dr. T. hat auf seinem Fachgebiet eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der HWS im Rahmen des Unfallereignisses vom 23.01.2012 diagnostiziert. Spätestens mit dem MRT von Januar 2012 sei nachgewiesen, dass eine strukturelle Verletzung im Rahmen des Unfallereignisses vom 23.01.2012 nicht stattgefunden habe. Bereits vor diesem Unfallereignis seien im MRT vom Februar 2011 degenerative Veränderungen in den unteren Segmenten der Bandscheiben der HWS nachgewiesen worden. Es bestehe somit unfallunabhängig eine inzwischen mittelgradig ausgeprägte degenerative Verschleißerkrankung der HWS, welche auch vor dem Unfallereignis bereits zu Symptomen geführt habe. Wäre es tatsächlich im Rahmen des Unfallereignisses vom 23.01.2012 zu einer strukturellen Verletzung gekommen, wäre eine stärkere klinische Symptomatik mit neurologischen Ausfallserscheinungen bis hin zur Querschnittssymptomatik zu erwarten gewesen. Tatsächlich habe die Klägerin bei der polizeilichen Unfallaufnahme mitgewirkt und sei in der Lage gewesen, mit dem Abschleppdienst ins Autohaus zu fahren. Eine MdE bestehe nicht.
Gegenüber Dr. S. hat die Klägerin angegeben, sie arbeite in einem Bezirk von Frankfurt bis Nürnberg als Pharmareferentin in Teilzeit, mit einer Vier-Tage-Woche und einer täglichen Fahrleistung von 350 bis 400 km. Bis zur Umstrukturierung im Jahre 2014 habe es Schwierigkeiten am Arbeitsplatz gegeben. Dr. S. hat Berichte der Klägerin über konkrete Ängste beim Autofahren dokumentiert (hinsichtlich seines ausführlichen psychischen Befundes wird auf Bl. 130 SG-Akte verwiesen), aber eine PTBS ausgeschlossen, weil schon das Traumakriterium nicht erfüllt sei, ebenso wenig wie die anderen Kriterien für die Annahme einer solchen Diagnose, die er im Einzelnen angeführt und abgearbeitet hat. Er hat depressive Verstimmungen, eine Somatisierungsstörung und ein Migräneleiden/Spannungskopfschmerzen diagnostiziert und einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 23.01.2012 verneint. Im Hinblick auf die Somatisierungsstörung bestehe kein einheitliches Modell der Ätiopathogenese. Sowohl individuelle Faktoren wie genetische Veranlagung, biographische Belastungsfaktoren, Persönlichkeitsmerkmale, somatische Vor- und Grunderkrankungen oder eine erhöhte Körperaufmerksamkeit sowie auch soziokulturelle Gegebenheiten spielten eine Rolle (Bl. 139 SG-Akte). Die Migränesymptomatik sei genetisch bedingt, ohnehin sei eine Hirnverletzung bildgebend ausgeschlossen und die depressiven Verstimmungen seien multifaktorieller Genese.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das Sozialgericht ein Gutachten bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. eingeholt. Ihr gegenüber hat die Klägerin einen Tinnitus beidseits, Kopfschmerzen, HWS-Beschwerden und Nackenschmerzen als körperliche Beschwerden angegeben, die Ein- und besonders Durchschlafstörungen seien unter antidepressiver Medikation gebessert und seit dem Unfall von 2013 wieder verstärkt. Die Sachverständige hat ebenfalls eine PTBS ausgeschlossen (Bl. 294 SG-Akte), eine leicht ausgeprägte rezidivierende depressive Störung als durch andere Ursachen (Belastungen in der Kindheit und Jugend, belastete Beziehung zur Mutter, mehrere frühere Verkehrsunfälle, Trennung 2009, Doppelbelastung durch Beruf und Alleinerziehung der Tochter, Arbeitsplatzprobleme) hervorgerufen bzw. verschlimmert und eine durch den Unfall vom 23.01.2012 verursachte phobische Störung beim Autofahren diagnostiziert. Diese sei durch den Unfall vom 23.01.2012 verursacht und die dann gebesserte Symptomatik sei durch den Unfall vom 09.12.2013 reaktiviert und verschlimmert worden. Arbeitsunfähigkeit auf Grund des Unfalls vom Januar 2012 habe bis zur Reha-Maßnahme im September 2012 bestanden, dann sei die Klägerin wieder in ihrem alten Beruf (angegebene Fahrleistung täglich 300 bis 400 km) tätig gewesen. Durch den Unfall von 2013 sei eine Verschlimmerung ausgelöst worden mit Arbeitsunfähigkeit bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit ab 11.08.2014. Die MdE wegen des Unfalls vom 23.01.2012 hat sie mit 30 v.H. bis Oktober 2012 und danach bis zum Unfall vom 09.12.2013 mit 20 v.H. veranschlagt. Nach dem Unfall vom 09.12.2013 bis zur Wiedereingliederung ab 11.08.2014 habe die MdE 30 v.H., davon mindestens 20 v.H. durch die Verschlimmerung, betragen, danach betrage sie bis heute 20 v.H.
Dr. S. hat im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass ein Vollbild einer phobischen Störung angesichts der Tatsache, dass die Klägerin bereits ab 02.02.2012 wieder Auto gefahren sei, dass Prof. Dr. S. dokumentiert habe, die Klägerin sei wegen Schwindel nicht Auto gefahren und angesichts der jetzigen Fahrleistung von täglich 300 bis 400 km, nicht vorliege. Dem gegenüber hat die Fachärztin E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass aus diesen Umständen nicht abgeleitet werden könne, dass keine Einschränkungen mehr vorlägen, wenn doch eine Reduktion der Arbeitszeit habe erfolgen müssen. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme ist Dr. B. von einer isolierten Phobie ausgegangen, die jedoch keine rentenrelevante MdE verursache. Er hat darauf hingewiesen, dass nicht die aktuell ausgeübte Tätigkeit maßgebend sei, sondern der allgemeine Arbeitsmarkt. Die MdE betrage weniger als 10 v.H.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte im Hinblick auf den Unfall vom 23.01.2012 ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben, wonach "ein Tinnitus, ein Schwindel und eine spezifische Phobie mit Vermeidungsverhalten" als Unfallfolgen vorliegen.
Mit Urteil vom 15.11.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die erlittene Distorsion der HWS sei folgenlos ausgeheilt. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ließen sich keine über die bereits anerkannten Gesundheitsstörungen hinausgehenden Gesundheitsschäden nachweisen, die rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 23.01.2012 zurückzuführen seien. Eine PTBS liege nicht vor, wie Dr. S. zutreffend dargelegt habe. Hiervon gehe auch die Psychiaterin E. aus. Die anerkannten Unfallfolgen rechtfertigten nicht die Bewertung mit einer MdE von wenigstens 20 v.H. Eine isolierte Phobie sei mit einer MdE von bis zu 10 v.H. zu bewerten (Bezug auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 170). Es hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch wieder am Straßenverkehr teilnehme. Der anerkannte Tinnitus und die Schwindelbeschwerden führten ebenfalls nicht zu einer unfallbedingten MdE in rentenberechtigendem Ausmaß.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.12.2017 Berufung eingelegt, mit der sie sich dagegen wendet, dass das Sozialgericht die anerkannten Unfallfolgen nicht mit einer MdE um 20 v.H. bewertet habe (Bl. 16 LSG-Akte). Sie beruft sich insoweit auf Prof. Dr. Z. , der den Tinnitus und den Schwindel mit einer MdE um 15 v.H. bewertet habe, sowie auf die Einschätzung der MdE durch die Sachverständige E ... Zusätzlich macht sie eine besondere berufliche Betroffenheit geltend.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes hat die Klägerin die ebenfalls eingelegte Berufung in Bezug auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles vom 09.12.2013 zurückgenommen.
Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen, insbesondere eine Stellungnahme der Sachverständigen E. vorgelegt, in der die Sachverständige eingeräumt hat, dass ihre bisherige Einschätzung der MdE sich auf die spezielle Phobie in der Ausführung des derzeitigen Berufes bezogen habe. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die MdE geringer. Diese betrage ab dem Arbeitsunfall bis zur Rehabilitation im September 2012 10 v.H., dann 5 v.H. bis zum Unfall vom 09.12.2013, von diesem Arbeitsunfall bis zum Eintritt von Arbeitsfähigkeit 10 v.H. und dann wieder nur 5 v.H.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 08.01.2018, Bl. 15 LSG-Akte, teilweise sachdienlich gefasst)
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015 zu verurteilen, anlässlich des Arbeitsunfalls vom 23.01.2012 nach Ablauf der 26. Woche nach dem Versicherungsfall eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Beurteilung von Prof. Dr. Z. , auf die sich die Klägerin beruft, für unzutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015 und zwar mit dem prozessualen Begehren, die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach Ablauf der 26. Woche nach dem Versicherungsfall vom 23.01.2012 zu gewähren und zwar in Höhe von mindestens 20 v.H. (Schriftsatz vom 08.01.2018). Dieser Anspruch steht der Klägerin nicht zu.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die Klägerin erlitt am 23.01.2012 einen solchen Arbeitsunfall, als sie im Rahmen ihrer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit mit ihrem Pkw in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde und sich eine HWS-Distorsion zuzog.
Indessen ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.01.2012 nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, zitiert - wie alle nachfolgend genannten höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt, dass Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet nicht bestehen und die erlittene HWS-Distorsion folgenlos ausgeheilt ist. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beurteilung des Sozialgerichts sowohl durch Prof. Dr. S. als auch Dr. T. mit seiner entsprechenden Begründung gestützt wird. Da die Klägerin im Grunde auch keine Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet geltend macht, erübrigen sich weitere Ausführungen.
Soweit die Klägerin meint (Bl. 17 LSG-Akte), die Beklagte habe im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen E. eine PTBS als Unfallfolge kurz vor dem Gerichtstermin beim Sozialgericht anerkannt, trifft weder das eine noch das andere zu. Vor dem Termin hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.11.2017 lediglich bereit erklärt, bezüglich der Unfallfolgen einen Vergleich einzugehen. Im Termin am 15.11.2017 hat die Beklagte dann lediglich ein Anerkenntnis in Bezug auf den Tinnitus, den Schwindel und die spezifische Phobie mit Vermeidungsverhalten abgegeben. Die Sachverständige E. hat entgegen der Einschätzung der Klägerin eine PTBS nicht diagnostiziert. In ihrem Gutachten hat sie vielmehr eine solche Erkrankung - wie schon Prof. Dr. S. und der gerichtliche Sachverständige Dr. S. - ausgeschlossen. Dabei hat insbesondere Dr. S. ausführlich dargestellt, dass und aus welchen Gründen eine derartige Diagnose nicht gestellt werden kann. Er hat im Einzelnen die Kriterien für eine solche Diagnose aufgeführt und im Einzelnen dargelegt, warum keines dieser Kriterien erfüllt ist. Auf diese Ausführungen (Bl. 140 ff. SG-Akte) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Abgesehen von den anerkannten Unfallfolgen liegen auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine weiteren Unfallfolgen vor, wie insbesondere Dr. S. , aber auch die Sachverständige E. zutreffend dargelegt haben. Auf deren Ausführungen nimmt der Senat Bezug. Auch die Klägerin macht insoweit keine weiteren Unfallfolgen geltend.
Damit ist für die Bemessung der MdE lediglich von den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen auszugehen und auch nur hierauf beruft sich die Klägerin.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die MdE für die auf hno-ärztlichem Gebiet anerkannten Unfallfolgen (Tinnitus und Schwindel) - wie von Prof. Dr. Z. vorgeschlagen - nicht mit 15 v.H. anzusetzen.
Soweit Prof. Dr. Z. (Untersuchung im Mai 2013) für den Tinnitus eine Einzel-MdE um 10 v.H. annahm, folgt ihm der Senat nicht. Schon bei der Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Februar 2014 gab die Klägerin Beschwerden wegen des Tinnitus nicht mehr an. Auch bei der Erhebung der Beschwerden durch Dr. S. fand der Tinnitus keine Erwähnung, ebenso wenig wie bei der Untersuchung durch Dr. T ... Zwar geht der Senat davon aus, dass dieser Tinnitus weiterhin vorhanden war und ist - wie von der Sachverständigen E. dokumentiert (Bl. 246 SG-Akte) -, doch belegt das Vorliegen von Ohrgeräuschen als solchen noch keine hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen. Solche tinnitusbedingten Einschränkungen hat keiner der gerichtlichen Sachverständigen dokumentiert, auch die Sachverständige E. nicht (Bl. 246 SG-Akte). Auch für den Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. Z. kann nicht von MdE-relevanten Einschränkungen ausgegangen werden. Die Klägerin gab insoweit zwar an, der Tinnitus störe noch vor allem in Ruhe und bereite Konzentrationsstörungen. Eine nähere Erhebung der daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen nach Art und Ausmaß nahm Prof. Dr. Z. aber nicht vor. Er legte vielmehr diese allgemeinen Angaben der Klägerin und ihre Angaben im Fragebogen von Goebel und Hiller seiner Beurteilung zu Grunde, ohne auch nur im Ansatz diese Angaben zu verifizieren. Dabei stellte Prof. Dr. S. auf der Grundlage des Berichts der Diplom-Psychologin Dr. V.-T. eine Beschwerdeübertreibung bei der Klägerin fest, sodass deren subjektive Beschwerdeangaben allein keine Grundlage der Beurteilung sein können. Ohnehin ist nach dem vom Sozialgericht in Bezug genommenen und vom Senat regelmäßig der MdE-Beurteilung zu Grunde gelegten unfallmedizinischen Standardwerk von Schönberger u.a. (a.a.O., S. 367) ein Tinnitus nur dann MdE-relevant, wenn er permanent vorhanden ist und als sehr belästigend empfunden wird. Hiervon kann auch für den Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. Z. angesichts des spärlich mitgeteilten und nicht verifizierten Befundes nicht ausgegangen werden. Aus den Erhebungen von Dr. K. im selben Monat, wie die Untersuchung bei Prof. Dr. Z. , in seinem Gutachten für die Beklagte ergibt sich nicht anderes. Die Klägerin gab lediglich an, sie habe Ohrgeräusche, nachts schlimmer. Konzentrationsstörungen führte die Klägerin nicht an. Die beklagten Schlafstörungen mit nächtlichem Aufwachen führte sie in erster Linie auf Träume von den Autounfällen "oder dem eingeschlafenen Arm bzw. lauten Ohrgeräuschen" zurück. Diese Schlafstörungen erwähnte sie auch im Rahmen der Anamnese im Reha-Zentrum Bad Frankenhausen im August 2012, führte diese aber nicht auf den angegebenen Tinnitus, sondern auf Schmerzen und Grübeln zurück, und gab an, ein besonders nachts bemerkter Tinnitus belaste sie, Näheres ist nicht dokumentiert. Funktionelle Einschränkungen leiteten die behandelnden Ärzte hieraus nicht ab. Sie nahmen lediglich orthopädisch bedingte Einschränkungen an (Zwangshaltungen, undynamisches Sitzen, mittelschwere Lasten, Überkopfarbeiten). Damit ergibt sich insgesamt keine ausgeprägte Belästigung durch den Tinnitus. Die MdE für den Tinnitus bewertet der Senat daher mit unter 10 v.H.
Der anerkannte Schwindel führt ebenfalls nicht zu einer MdE um 10 v.H. Dieser Schwindel trat ausweislich der - wiederum nur auf Angaben der Klägerin beruhenden (s. hierzu oben) - Dokumentation von Prof. Dr. Z. beim Wiederaufrichten und bei schnellen Körperbewegungen auf, mit Gangunsicherheit und -abweichung. Wie beim Tinnitus erwähnte die Klägerin derartige Beschwerden bei Prof. Dr. S. mit keinem Wort, ebenso wenig wie bei Dr. S. und auch nicht bei der Sachverständigen E. , obwohl sie ausführlich nach ihren Beschwerden befragt worden ist. Bei Dr. T. gab die Klägerin zwar eine Schwindelsymptomatik an, allerdings beim Reklinieren der HWS, also nicht im Zusammenhang mit der von Prof. Dr. Z. angenommenen Vestibularisstörung. Dabei verifizierte Prof. Dr. Z. auch diese Angaben der Klägerin nicht, insbesondere fehlt jeglicher Versuch einer Provokation solcher Schwindelerscheinungen und jede Erhebung von Häufigkeit und Ausmaß der behaupteten Beschwerden. Gegenüber dem nahezu zeitgleich untersuchenden Dr. K. gab die Klägerin an, der Schwindel trete kaum noch auf und ausweislich des Entlassungsberichts über die stationäre Rehabilitation in Reha-Zentrum Bad Frankenhausen gab die Klägerin Schwindelanfälle nicht an. Damit kann der Senat dem Vorschlag von Prof. Dr. Z. , für die Schwindelbeschwerden eine MdE von 10 v.H. anzusetzen, nicht folgen. Auch die MdE für diese Beschwerden ist nach Auffassung des Senats mit weniger als 10 v.H. zu bewerten.
Die Gesamt-MdE für die Störungen auf hno-ärztlichem Gebiet erreicht damit - mangels relevanter funktioneller Einschränkungen - ebenfalls nicht 10 v.H.
Entgegen der Auffassung der Sachverständigen E. und ihr folgend der Klägerin ist auch die isolierte Phobie mit keiner MdE von wenigstens 10 v.H. zu bewerten.
Die MdE-Bewertung der Sachverständigen in ihrem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten kann schon deshalb nicht zu Grunde gelegt werden, weil sie - wie sie in ihrer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme eingeräumt hat - als Maßstab die konkret von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Pharmareferentin mit dem Erfordernis, täglich weite Strecken mit dem Auto zurückzulegen (300/350 bis 400 km) zu Grunde gelegt hat. Tatsächlich aber - und hierauf hat Dr. B. zutreffend hingewiesen - richtet sich die MdE nach der Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, also gerade nicht des konkreten Arbeitsplatzes.
In ihrer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme, die sich die Klägerin wiederum zu eigen macht, hat die Sachverständige die MdE nun bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.01.2012 lediglich bis September 2012 mit 10 v.H. bewertet. Dies beruht darauf, dass die Sachverständige - wie sich aus den Ausführungen in ihrem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten ergibt - davon ausgeht, dass Arbeitsfähigkeit bei der Klägerin erst mit der Rehabilitationsmaßnahme im September 2012 eingetreten ist. Dies trifft indessen nicht zu. Denn Arbeitsfähigkeit trat bei der Klägerin ausweislich der Bescheinigung der Arbeitgeberin (VA Band I Bl. 90) bereits am 23.04.2012 ein. Mit Eintritt der Arbeitsfähigkeit geht die Sachverständige - dies ergibt sich aus ihren Ausführungen in der von der Klägerin vorgelegten ergänzenden Stellungnahme - dann von einer MdE um 5 v.H. aus. Dem entsprechend stützt diese Beurteilung das Begehren der Klägerin (Verletztenrente ab der 26. Woche nach einer MdE um mindestens 20 v.H.) nicht.
Die Annahme der Sachverständigen, die Reaktivierung der isolierten Phobie durch den Arbeitsunfall vom 09.12.2013 führe bis zum 11.08.2014 wiederum zu einer MdE um 10 v.H. betrifft nicht den hier streitigen Arbeitsunfall. Denn diese MdE um 10 v.H. ordnet die Sachverständige dem Arbeitsunfall vom 09.12.2013 zu. Dies ergibt sich wiederum aus ihren Ausführungen in dem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten, wonach die gebesserte Symptomatik durch den Unfall vom 09.12.2013 reaktiviert und verschlimmert worden sei. Nach dem Unfall vom 09.12.2013 bis zur Wiedereingliederung ab 11.08.2014 habe die MdE 30 v.H., davon mindestens 20 v.H. durch die Verschlimmerung, betragen, danach betrage sie bis heute 20 v.H. Nach diesen Ausführungen soll der Hauptanteil der MdE (zwei Drittel) somit auf den durch den Unfall vom 09.12.2013 hervorgerufenen Verschlimmerungsanteil entfallen. Dies gilt dann auch für die in der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme für diesen Zeitraum korrigierte MdE von 10 v.H. Damit ist die durch den hier streitigen Arbeitsunfall hervorgerufene MdE auch nach Auffassung der Sachverständigen E. auf weit unter 10 v.H. zu veranschlagen.
Im Übrigen bestehen Bedenken, ob eine auch nur zeitweise Bewertung der anerkannten Phobie mit einer MdE von 10 v.H. zutrifft. Nach Schönberger u.a. (a.a.O.) ist eine spezifische isolierte Phobie mit einer MdE von bis zu 10 v.H. zu bewerten (a.a.O., S. 171). Dies bedeutet, dass eine solche Phobie nicht automatisch mit 10 v.H. zu bewerten ist, sondern die MdE auch niedriger liegen kann. Bei einer täglichen Fahrleistung von 300/350 bis 400 km ist diese Phobie keinesfalls derart ausgeprägt, dass relevante Arbeitsmöglichkeiten verschlossen sind (s. schon Dr. S. in seiner Stellungnahme zum Gutachten der Sachverständigen E. ). Dies gilt auch dann, wenn man Autofahren als zentral in der allgemeinen Arbeitswelt ansieht (MdE dann bis 30 v.H., Schönberger u.a., a.a.O., S. 171). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht wegen einer Phobie bis 23.04.2012 arbeitsunfähig war, sondern wegen der von Dr. K. damals behandelten Schwindelerscheinungen, die zu einer vorübergehenden Fahruntüchtigkeit führten. Tatsächlich fuhr die Klägerin bereits am 02.02.2012 wieder Auto (Bericht des Dr. G.: " ...wobei jedoch positiv ist, dass sie heute das erste Mal wieder mit dem Auto fuhr"). Hierauf hat Dr. S. zutreffend hingewiesen. Damit ist der Grundannahme der Sachverständigen E. , die Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall vom Januar 2012 sei durch die isolierte Phobie bedingt gewesen, die Grundlage entzogen. Der Senat bewertet die Phobie daher in Übereinstimmung mit Dr. B. mit einer MdE unter 10 v.H.
Soweit die Klägerin die Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 80 % und ihrer Fahrleistung hervorhebt und im Einzelnen darstellt, ist dies nicht von entscheidungsrelevanter Bedeutung. Maßgebend sind - wie bereits ausgeführt - nicht die Auswirkungen einer unfallbedingten Gesundheitsstörung im konkreten Beruf, sondern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Hinblick auf die MdE-Beurteilung der anerkannten isolierten Phobie kommt es ebenfalls nicht darauf an, in wie weit die Klägerin im konkreten Beruf eingeschränkt ist. Maßgebend ist, dass die Klägerin tatsächlich Fahrleistungen von täglich 300/350 bis 400 km erbringt, was die Annahme einer MdE von wenigstens 10 v.H. nicht zulässt.
Die MdE ist auch nicht nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII höher zu bemessen. Nach dieser Vorschrift sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Verletzte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene berufliche Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Arbeitsunfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige zumutbare Fähigkeiten ausgeglichen werden. Eine solche besondere berufliche Betroffenheit liegt nach Auffassung des Senats nicht vor.
Die ständige Rechtsprechung versteht die Regelung im Sinne einer Härteklausel. Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, hat das BSG (Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 14/99 R, auch zum gesamten Nachfolgenden) insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete, angesehen. Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich eine höhere Bewertung der MdE nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII ergeben, wenn der Verletzte in Folge eines Arbeitsunfalls einen Lebensberuf aufgeben muss und die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann. Bei der Prüfung, ob ein Fall unbilliger Härte gegeben ist, sind die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen.
Eine solche unbillige Härte liegt hier nicht vor. Die Klägerin ist - wie vor dem Arbeitsunfall - als Pharmareferentin tätig.
Damit rechtfertigt keine der (anerkannten) Unfallfolgen eine MdE von wenigstens 10 v.H. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.12.1976, 8 RU 14/66) ist aber eine MdE um 10 v.H. die untere Grenze dessen, was medizinisch und wirtschaftlich messbar ist. Eine von der Sachverständigen E. für die Phobie ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit angenommene nicht mehr messbare MdE ("5 v.H.") vermag ebenso wenig wie die vom Senat für den Tinnitus und den Schwindel angenommenen MdE von weniger als 10 v.H., also ebenfalls nicht messbar, im Rahmen der Bildung einer Gesamt-MdE die von der Klägerin begehrte MdE von mindestens 20 v.H. zu begründen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass aus denselben Gründen auch die Annahme einer Gesamt-MdE von 10 v.H. ausscheidet.
Kein für die Klägerin günstiges Ergebnis ergibt sich aus der Tatsache, dass sie am 24.07.2018 erneut einen Arbeitsunfall erlitten hat, als auf einem Parkplatz ein anderer Pkw beim Ausparken auf den Pkw der Klägerin auffuhr. Aus dem von der Klägerin hierzu vorgelegten Attest der Dr. Z. vom 29.11.2018 ergeben sich keine, auf diesen Arbeitsunfall zurückzuführenden Funktionseinschränkungen in Bezug auf die anerkannte Phobie. Vielmehr wird bestätigt, dass die Klägerin auf den Auslöser "Autounfall" sowohl bei Selbstbeteiligung als auch als Zeugin mit Panikattacken und Dissoziation reagiere und mehrere Wochen an reaktiven depressiven Symptomen leide. Eine darüberhinausgehende Reaktion in Form einer Verschlimmerung der anerkannten Phobie ergibt sich aus diesem Attest gerade nicht. Dabei bescheinigt Dr. Z. für den konkreten Unfall am 24.07.2018 allerdings keine mehrwöchige reaktive Depression, sondern - wie aus ihrem Befundbericht vom 02.08.2018 hervorgeht - lediglich eine Reaktion der Klägerin "über Stunden" mit starker Panik und Dissoziation.
Im Übrigen wäre eine Verschlimmerung der Phobie durch den Autounfall vom 24.07.2018 - entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen E. zur Abgrenzung der MdE zwischen den Unfällen von Januar 2012 und Dezember 2013 - dem Ereignis vom 24.07.2018 zuzuordnen. Dies gilt auch für eventuelle andere Gesundheitsstörungen in Gefolge dieses Ereignisses. Deren Ausmaß und eine dadurch verursachte MdE kann dahingestellt bleiben. Denn dieses Ereignis käme, bezogen auf den hier in Rede stehenden Anspruch auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom Januar 2012 lediglich als sog. Stützrententatbestand in Betracht und würde voraussetzen, dass der Arbeitsunfall vom Januar 2012 zumindest eine MdE um 10 v.H. verursacht. Zum einen ist dies - wie dargelegt - nicht der Fall, zum anderen macht die Klägerin eine solchen Anspruch (gestützte Rente nach einer MdE um mindestens 10 v.H.) gar nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen des Ereignisses vom 23.01.2012.
Die am 1964 geborene Klägerin war und ist als Pharmareferentin im Vertrieb und im Außendienst beschäftigt. Sie erlitt nach eigenen Angaben in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Autofahrten in Ausübung dieser Tätigkeit insgesamt sechs Arbeitsunfälle, 1997, 1998, 2009, den streitgegenständlichen Arbeitsunfall vom 23.01.2012, am 09.12.2014 und im Juli 2018. Beschwerden in Form einer Migräne und Wirbelsäulenbeschwerden u.a. auf dem Boden degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) waren bereits vor dem Jahr 2012 vorhanden (vgl. die Auflistung der Vorerkrankungen Bl. 42 ff. SG-Akte, insbesondere ab Bl. 52; MRT vom 28.02.2011, Bl. 35 SG-Akte: Fehlhaltung der HWS, u.a. älterer Bandscheibenvorfall HWK 6/7 und Protrusion HWK 5/6).
Am 23.01.2012 fuhr die Klägerin morgens auf dem Weg zu einer von der Arbeitgeberin veranlassten Fortbildungsveranstaltung (vgl. im Einzelnen VA Band I Bl. 4 ff.) auf der Autobahn auf ein vor ihr befindliches Fahrzeug auf. Unmittelbar darauf fuhr ein weiterer Pkw in ihren Wagen. Die Airbags lösten nicht aus, Bewusstlosigkeit trat nicht ein. Die Tür ihres Wagens ließ sich nach eigenen Angaben der Klägerin nicht öffnen, was zu Angstzuständen bei der Klägerin führte. Die Klägerin fuhr im Abschleppwagen mit zur Autowerkstatt, wo sie dann abgeholt wurde.
Die Klägerin begab sich gegen Mittag in das Klinikum am Plattenwald in Bad F ... Bei der D-ärztlichen Untersuchung war die HWS schmerzbedingt eingeschränkt beweglich, sensomotorische Defizite bestanden nicht, die Extremitäten waren frei beweglich. Röntgenologisch fanden sich degenerative Veränderungen ohne Anhalt für frische Läsionen. Diagnostiziert wurde eine HWS-Distorsion bei vorbestehenden degenerativen Veränderungen (D-Arztbericht des Arztes H. , VA Band I Bl. 10). Nachdem die Klägerin am 01.02.2012 bei der Nachuntersuchung weiterhin u.a. vegetative Beschwerden mit Schwindel und Übelkeit angegeben hatte, veranlasste der Arzt H. eine K. spintomographie, die jedoch keinen Anhalt für frische knöcherne Verletzungen, keinen Hinweis auf discoligamentäre Verletzungen, wohl aber die bereits vorbestehenden degenerativen Veränderungen nachwies. Zur Feststellung des radiologischen Befundes im Einzelnen wird auf den MRT-Befundbericht VA Band I Bl. 23 verwiesen. Im Rahmen einer neurologischen Konsiliaruntersuchung veranlasste der Neurologe und Psychiater Dr. G. , der die Klägerin am 02.02.2012 untersuchte und einen bis auf eine erhöhte Affektlabilität und eine gewisse Angstbereitschaft unauffälligen psychischen Befund erhob und dem die Klägerin berichtete, heute zum ersten Mal wieder Auto gefahren zu sein, im Hinblick auf die angegebenen Schwindel, Dysästhesien und Sehstörungen eine MR-Angiographie, die keinen auffälligen Befund erbrachte (keine Gefäßdissektion, keine Hirnkontusion, Hirnrinde und Marklager unauffällig, vgl. den Befundbericht VA Band I Bl. 42). Auf Grund seiner konsiliarischen Untersuchung dokumentierte der HNO-Arzt Dr. K. im Februar 2012 Angaben der Klägerin über Gleichgewichtsstörungen und einen Pfeifton, er stellte eine kalorische Untererregbarkeit des rechten Vestibularisorganes fest und er diagnostizierte eine HWS-Distorsion, einen Verdacht auf vertebragen bedingten Schwindel und einen Verdacht auf Comotio labyrinthi rechts und er hielt die Klägerin für fahruntüchtig. Bei weiteren Vorsprachen gab die Klägerin eine rückläufige Symptomatik an, sodass Dr. K. im Rahmen der Kontrolluntersuchung von April 2012 die Klägerin ab 20.04.2012 für arbeitsfähig hielt. Am Montag, dem 23.04.2012 nahm die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit als Pharmareferentin in Vollzeit im Vertrieb und Außendienst wieder auf (Bescheinigung der Arbeitgeberin VA Band I Bl. 90). Die Beklagte zahlte Verletztengeld bis 20.04.2012 (VA Band II Akten-Id 40).
Nachdem auch der D-Arzt H. die unfallchirurgische Behandlung bereits zuvor abgeschlossen hatte und von Arbeitsfähigkeit ausgegangen war, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2012 die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Arbeitsunfall habe zu einer HWS-Distorsion ohne substantielle Schädigung bei deutlichen Vorschäden geführt, welche in der Arbeitsunfähigkeit bis 20.04.2012 folgenlos ausgeheilt seien.
Während des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte zunächst das unfallchirurgische Fachgutachten von Prof. Dr. S. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. (BG-Klinik), ein. Auch er fand keinen Nachweis für stattgehabte knöcherne Verletzungen bei allerdings deutlichem Nachweis von degenerativen Veränderungen und er ging davon aus, dass es im Rahmen der HWS-Distorsion zu einer vorübergehenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, nämlich den degenerativen Veränderungen vor allem der Segmente C 5/6 und 6/7 gekommen sei. Angesichts des MRT-Befundes vom Januar 2012 ohne Nachweis einer knöchernen oder diskoligamentären Verletzung müsse von einer Ausheilung auf unfallchirurgischem Gebiet ausgegangen werden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege nicht vor.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. , der auf Veranlassung der Beklagten die Klägerin im Mai 2013 begutachtete, fand auf seinem Fachgebiet ebenfalls keine Unfallfolgen. Die von der Klägerin geschilderten Beschwerden, insbesondere Schwindel, Träume von den Autounfällen und Tinnitus, sah er überwiegend auf das vegetative System bezogen und eher persönlichkeitsbedingt. Prof. Dr. Z. von der Universitätsklinik für HNO-Heilkunde, der ebenfalls für die Beklagte ein Gutachten erstattete (Untersuchung ebenfalls im Mai 2013), diagnostizierte einen kompensierten Tinnitus beidseits und intermittierende Schwindelbeschwerden bei Zustand nach Commotio labyrinthi und HWS-Distorsion, nahm eine MdE von 10 v.H. für beide Störungen und eine Gesamt-MdE von 15 v.H. an.
Bereits im September/Oktober 2012 befand sich die Klägerin auf Veranlassung des Rentenversicherungsträgers zur stationären medizinischen Rehabilitation im Reha-Zentrum Bad Frankenhausen. Sie wurde dort bei seit August 2012 wegen Magen-Darm-Infekt bestehender Arbeitsunfähigkeit aufgenommen und als für ihre Tätigkeit als Pharmareferentin arbeitsfähig und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung weniger qualitativer Einschränkungen für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich leistungsfähig entlassen (VA Band II Akten-Id 122, S. 58 ff.).
Während einer von der Beklagten veranlassten komplexen stationären Rehabilitation in der BG-Klinik erstattete Prof. Dr. S. im Februar 2014 einen neurologisch-psychiatrischen Befundbericht, insbesondere zum Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Der von ihm erhobene objektivierbare klinisch-neurologische Untersuchungsbefund sowie der aktuelle psychiatrische Befund war vollständig regelrecht. Eine PTBS schloss er aus. Im Rahmen der testpsychologischen Zusatzuntersuchung durch die Diplom-Psychologin Dr. V.-T. wurden im Rahmen des Beschwerdenvalidierungsverfahrens erhebliche negative Anwortverzerrungen festgestellt und von Prof. Dr. S. als Beschwerdeübertreibung bewertet. Aus der komplexen stationären Rehabilitation, die vom 25.02. bis 18.03.2014 dauerte, wurde die Klägerin wegen seit dem Autounfall vom 09.12.2013 bestehender Arbeitsunfähigkeit als weiterhin arbeitsunfähig entlassen. Die Ärzte der Klinik gingen im Anschluss an die von der Verhaltenstherapeutin Dr. Z. gestellten Diagnose u.a. von einer PTBS aus.
Mit Bescheid vom 14.10.2014 (VA Band III Akten-Id 205) lehnte die Beklagte auch Verletztenrente wegen des Unfalls vom 09.12.2013 ab. In der Begründung führte sie aus, die (auch) bei diesem Unfall erlittene HWS-Distorsion sei im Rahmen der nachfolgenden Arbeitsunfähigkeit folgenlos ausgeheilt.
Vom 29.10. bis 10.12.2014 befand sich die Klägerin in der Reha-Klinik G. zur Behandlung. Dort wurde u.a. die Diagnose PTBS gestellt. Die zum jetzigen Aufenthalt führende Symptomatik habe sich im Januar 2012 im Anschluss an den Verkehrsunfall entwickelt. Im Dezember 2013 sei es dann zu einem erneuten Unfall, der zur Reaktivierung des Traumas geführt habe, gekommen. Als weitere Belastungsfaktoren wurde eine Überforderung als Kind, Probleme in der Ehe mit Trennung und Scheidung sowie Probleme am Arbeitsplatz beschrieben. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme widersprach der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. der Diagnose einer PTBS. Weder der Verkehrsunfall vom 23.01.2012 noch jener vom 09.12.2013 erfüllten die Kriterien für eine solche Diagnose. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.05.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2015 zurück.
Am 26.06.2015 hat die Klägerin gegen die Ablehnung von Verletztenrente anlässlich des Unfalles vom 23.01.2012 Klage erhoben, ebenso gegen die Ablehnung von Verletztenrente anlässlich des Arbeitsunfalles vom 09.12.2013 (S 4 U 2082/15). Sie hat u.a. angegeben, ihre Arbeitszeit auf 80 % reduziert zu haben (vier Arbeitstage in der Woche).
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Gutachten bei Dr. T. und ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten bei Dr. S. eingeholt. Bei beiden Sachverständigen hat die Klägerin - wie schon bei Prof. Dr. S. - keine Beschwerden im Zusammenhang mit dem Tinnitus und bei Dr. T. einen Schwindel nur im Zusammenhang mit einer Reklination der HWS angegeben.
Dr. T. hat auf seinem Fachgebiet eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der HWS im Rahmen des Unfallereignisses vom 23.01.2012 diagnostiziert. Spätestens mit dem MRT von Januar 2012 sei nachgewiesen, dass eine strukturelle Verletzung im Rahmen des Unfallereignisses vom 23.01.2012 nicht stattgefunden habe. Bereits vor diesem Unfallereignis seien im MRT vom Februar 2011 degenerative Veränderungen in den unteren Segmenten der Bandscheiben der HWS nachgewiesen worden. Es bestehe somit unfallunabhängig eine inzwischen mittelgradig ausgeprägte degenerative Verschleißerkrankung der HWS, welche auch vor dem Unfallereignis bereits zu Symptomen geführt habe. Wäre es tatsächlich im Rahmen des Unfallereignisses vom 23.01.2012 zu einer strukturellen Verletzung gekommen, wäre eine stärkere klinische Symptomatik mit neurologischen Ausfallserscheinungen bis hin zur Querschnittssymptomatik zu erwarten gewesen. Tatsächlich habe die Klägerin bei der polizeilichen Unfallaufnahme mitgewirkt und sei in der Lage gewesen, mit dem Abschleppdienst ins Autohaus zu fahren. Eine MdE bestehe nicht.
Gegenüber Dr. S. hat die Klägerin angegeben, sie arbeite in einem Bezirk von Frankfurt bis Nürnberg als Pharmareferentin in Teilzeit, mit einer Vier-Tage-Woche und einer täglichen Fahrleistung von 350 bis 400 km. Bis zur Umstrukturierung im Jahre 2014 habe es Schwierigkeiten am Arbeitsplatz gegeben. Dr. S. hat Berichte der Klägerin über konkrete Ängste beim Autofahren dokumentiert (hinsichtlich seines ausführlichen psychischen Befundes wird auf Bl. 130 SG-Akte verwiesen), aber eine PTBS ausgeschlossen, weil schon das Traumakriterium nicht erfüllt sei, ebenso wenig wie die anderen Kriterien für die Annahme einer solchen Diagnose, die er im Einzelnen angeführt und abgearbeitet hat. Er hat depressive Verstimmungen, eine Somatisierungsstörung und ein Migräneleiden/Spannungskopfschmerzen diagnostiziert und einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 23.01.2012 verneint. Im Hinblick auf die Somatisierungsstörung bestehe kein einheitliches Modell der Ätiopathogenese. Sowohl individuelle Faktoren wie genetische Veranlagung, biographische Belastungsfaktoren, Persönlichkeitsmerkmale, somatische Vor- und Grunderkrankungen oder eine erhöhte Körperaufmerksamkeit sowie auch soziokulturelle Gegebenheiten spielten eine Rolle (Bl. 139 SG-Akte). Die Migränesymptomatik sei genetisch bedingt, ohnehin sei eine Hirnverletzung bildgebend ausgeschlossen und die depressiven Verstimmungen seien multifaktorieller Genese.
Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das Sozialgericht ein Gutachten bei der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. eingeholt. Ihr gegenüber hat die Klägerin einen Tinnitus beidseits, Kopfschmerzen, HWS-Beschwerden und Nackenschmerzen als körperliche Beschwerden angegeben, die Ein- und besonders Durchschlafstörungen seien unter antidepressiver Medikation gebessert und seit dem Unfall von 2013 wieder verstärkt. Die Sachverständige hat ebenfalls eine PTBS ausgeschlossen (Bl. 294 SG-Akte), eine leicht ausgeprägte rezidivierende depressive Störung als durch andere Ursachen (Belastungen in der Kindheit und Jugend, belastete Beziehung zur Mutter, mehrere frühere Verkehrsunfälle, Trennung 2009, Doppelbelastung durch Beruf und Alleinerziehung der Tochter, Arbeitsplatzprobleme) hervorgerufen bzw. verschlimmert und eine durch den Unfall vom 23.01.2012 verursachte phobische Störung beim Autofahren diagnostiziert. Diese sei durch den Unfall vom 23.01.2012 verursacht und die dann gebesserte Symptomatik sei durch den Unfall vom 09.12.2013 reaktiviert und verschlimmert worden. Arbeitsunfähigkeit auf Grund des Unfalls vom Januar 2012 habe bis zur Reha-Maßnahme im September 2012 bestanden, dann sei die Klägerin wieder in ihrem alten Beruf (angegebene Fahrleistung täglich 300 bis 400 km) tätig gewesen. Durch den Unfall von 2013 sei eine Verschlimmerung ausgelöst worden mit Arbeitsunfähigkeit bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit ab 11.08.2014. Die MdE wegen des Unfalls vom 23.01.2012 hat sie mit 30 v.H. bis Oktober 2012 und danach bis zum Unfall vom 09.12.2013 mit 20 v.H. veranschlagt. Nach dem Unfall vom 09.12.2013 bis zur Wiedereingliederung ab 11.08.2014 habe die MdE 30 v.H., davon mindestens 20 v.H. durch die Verschlimmerung, betragen, danach betrage sie bis heute 20 v.H.
Dr. S. hat im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass ein Vollbild einer phobischen Störung angesichts der Tatsache, dass die Klägerin bereits ab 02.02.2012 wieder Auto gefahren sei, dass Prof. Dr. S. dokumentiert habe, die Klägerin sei wegen Schwindel nicht Auto gefahren und angesichts der jetzigen Fahrleistung von täglich 300 bis 400 km, nicht vorliege. Dem gegenüber hat die Fachärztin E. in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf hingewiesen, dass aus diesen Umständen nicht abgeleitet werden könne, dass keine Einschränkungen mehr vorlägen, wenn doch eine Reduktion der Arbeitszeit habe erfolgen müssen. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme ist Dr. B. von einer isolierten Phobie ausgegangen, die jedoch keine rentenrelevante MdE verursache. Er hat darauf hingewiesen, dass nicht die aktuell ausgeübte Tätigkeit maßgebend sei, sondern der allgemeine Arbeitsmarkt. Die MdE betrage weniger als 10 v.H.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die Beklagte im Hinblick auf den Unfall vom 23.01.2012 ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben, wonach "ein Tinnitus, ein Schwindel und eine spezifische Phobie mit Vermeidungsverhalten" als Unfallfolgen vorliegen.
Mit Urteil vom 15.11.2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die erlittene Distorsion der HWS sei folgenlos ausgeheilt. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ließen sich keine über die bereits anerkannten Gesundheitsstörungen hinausgehenden Gesundheitsschäden nachweisen, die rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 23.01.2012 zurückzuführen seien. Eine PTBS liege nicht vor, wie Dr. S. zutreffend dargelegt habe. Hiervon gehe auch die Psychiaterin E. aus. Die anerkannten Unfallfolgen rechtfertigten nicht die Bewertung mit einer MdE von wenigstens 20 v.H. Eine isolierte Phobie sei mit einer MdE von bis zu 10 v.H. zu bewerten (Bezug auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 170). Es hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch wieder am Straßenverkehr teilnehme. Der anerkannte Tinnitus und die Schwindelbeschwerden führten ebenfalls nicht zu einer unfallbedingten MdE in rentenberechtigendem Ausmaß.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.12.2017 Berufung eingelegt, mit der sie sich dagegen wendet, dass das Sozialgericht die anerkannten Unfallfolgen nicht mit einer MdE um 20 v.H. bewertet habe (Bl. 16 LSG-Akte). Sie beruft sich insoweit auf Prof. Dr. Z. , der den Tinnitus und den Schwindel mit einer MdE um 15 v.H. bewertet habe, sowie auf die Einschätzung der MdE durch die Sachverständige E ... Zusätzlich macht sie eine besondere berufliche Betroffenheit geltend.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes hat die Klägerin die ebenfalls eingelegte Berufung in Bezug auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalles vom 09.12.2013 zurückgenommen.
Die Klägerin hat weitere medizinische Unterlagen, insbesondere eine Stellungnahme der Sachverständigen E. vorgelegt, in der die Sachverständige eingeräumt hat, dass ihre bisherige Einschätzung der MdE sich auf die spezielle Phobie in der Ausführung des derzeitigen Berufes bezogen habe. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die MdE geringer. Diese betrage ab dem Arbeitsunfall bis zur Rehabilitation im September 2012 10 v.H., dann 5 v.H. bis zum Unfall vom 09.12.2013, von diesem Arbeitsunfall bis zum Eintritt von Arbeitsfähigkeit 10 v.H. und dann wieder nur 5 v.H.
Die Klägerin beantragt (Schriftsatz vom 08.01.2018, Bl. 15 LSG-Akte, teilweise sachdienlich gefasst)
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15.11.2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015 zu verurteilen, anlässlich des Arbeitsunfalls vom 23.01.2012 nach Ablauf der 26. Woche nach dem Versicherungsfall eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Beurteilung von Prof. Dr. Z. , auf die sich die Klägerin beruft, für unzutreffend.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 10.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2015 und zwar mit dem prozessualen Begehren, die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach Ablauf der 26. Woche nach dem Versicherungsfall vom 23.01.2012 zu gewähren und zwar in Höhe von mindestens 20 v.H. (Schriftsatz vom 08.01.2018). Dieser Anspruch steht der Klägerin nicht zu.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die Klägerin erlitt am 23.01.2012 einen solchen Arbeitsunfall, als sie im Rahmen ihrer bei der Beklagten versicherten Tätigkeit mit ihrem Pkw in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde und sich eine HWS-Distorsion zuzog.
Indessen ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 23.01.2012 nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, zitiert - wie alle nachfolgend genannten höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Hat ein Arbeitsunfall Schäden an mehreren Körperteilen gebracht, so ist die MdE im Ganzen zu würdigen. Dabei ist entscheidend eine "Gesamtschau" der "Gesamteinwirkung" aller einzelnen Schäden auf die Erwerbsfähigkeit (BSG, Beschluss vom 24.11.1988, 2 BU 139/88 unter Hinweis auf Rechtsprechung zum Schwerbehindertenrecht). Dementsprechend sind mathematische Formeln kein rechtlich zulässiges oder gar gebotenes Beurteilungsmittel zur Feststellung der Gesamt-MdE (BSG, Urteil vom 15.03.1979, 9 RVs 6/77), vielmehr muss bei der Gesamtbeurteilung bemessen werden, wie im Einzelfall die durch alle Störungen bedingten Funktionsausfälle gemeinsam die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (BSG, a. a. O.).
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt, dass Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet nicht bestehen und die erlittene HWS-Distorsion folgenlos ausgeheilt ist. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beurteilung des Sozialgerichts sowohl durch Prof. Dr. S. als auch Dr. T. mit seiner entsprechenden Begründung gestützt wird. Da die Klägerin im Grunde auch keine Unfallfolgen auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet geltend macht, erübrigen sich weitere Ausführungen.
Soweit die Klägerin meint (Bl. 17 LSG-Akte), die Beklagte habe im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen E. eine PTBS als Unfallfolge kurz vor dem Gerichtstermin beim Sozialgericht anerkannt, trifft weder das eine noch das andere zu. Vor dem Termin hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.11.2017 lediglich bereit erklärt, bezüglich der Unfallfolgen einen Vergleich einzugehen. Im Termin am 15.11.2017 hat die Beklagte dann lediglich ein Anerkenntnis in Bezug auf den Tinnitus, den Schwindel und die spezifische Phobie mit Vermeidungsverhalten abgegeben. Die Sachverständige E. hat entgegen der Einschätzung der Klägerin eine PTBS nicht diagnostiziert. In ihrem Gutachten hat sie vielmehr eine solche Erkrankung - wie schon Prof. Dr. S. und der gerichtliche Sachverständige Dr. S. - ausgeschlossen. Dabei hat insbesondere Dr. S. ausführlich dargestellt, dass und aus welchen Gründen eine derartige Diagnose nicht gestellt werden kann. Er hat im Einzelnen die Kriterien für eine solche Diagnose aufgeführt und im Einzelnen dargelegt, warum keines dieser Kriterien erfüllt ist. Auf diese Ausführungen (Bl. 140 ff. SG-Akte) nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Abgesehen von den anerkannten Unfallfolgen liegen auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine weiteren Unfallfolgen vor, wie insbesondere Dr. S. , aber auch die Sachverständige E. zutreffend dargelegt haben. Auf deren Ausführungen nimmt der Senat Bezug. Auch die Klägerin macht insoweit keine weiteren Unfallfolgen geltend.
Damit ist für die Bemessung der MdE lediglich von den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen auszugehen und auch nur hierauf beruft sich die Klägerin.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die MdE für die auf hno-ärztlichem Gebiet anerkannten Unfallfolgen (Tinnitus und Schwindel) - wie von Prof. Dr. Z. vorgeschlagen - nicht mit 15 v.H. anzusetzen.
Soweit Prof. Dr. Z. (Untersuchung im Mai 2013) für den Tinnitus eine Einzel-MdE um 10 v.H. annahm, folgt ihm der Senat nicht. Schon bei der Untersuchung durch Prof. Dr. S. im Februar 2014 gab die Klägerin Beschwerden wegen des Tinnitus nicht mehr an. Auch bei der Erhebung der Beschwerden durch Dr. S. fand der Tinnitus keine Erwähnung, ebenso wenig wie bei der Untersuchung durch Dr. T ... Zwar geht der Senat davon aus, dass dieser Tinnitus weiterhin vorhanden war und ist - wie von der Sachverständigen E. dokumentiert (Bl. 246 SG-Akte) -, doch belegt das Vorliegen von Ohrgeräuschen als solchen noch keine hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen. Solche tinnitusbedingten Einschränkungen hat keiner der gerichtlichen Sachverständigen dokumentiert, auch die Sachverständige E. nicht (Bl. 246 SG-Akte). Auch für den Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. Z. kann nicht von MdE-relevanten Einschränkungen ausgegangen werden. Die Klägerin gab insoweit zwar an, der Tinnitus störe noch vor allem in Ruhe und bereite Konzentrationsstörungen. Eine nähere Erhebung der daraus resultierenden funktionellen Einschränkungen nach Art und Ausmaß nahm Prof. Dr. Z. aber nicht vor. Er legte vielmehr diese allgemeinen Angaben der Klägerin und ihre Angaben im Fragebogen von Goebel und Hiller seiner Beurteilung zu Grunde, ohne auch nur im Ansatz diese Angaben zu verifizieren. Dabei stellte Prof. Dr. S. auf der Grundlage des Berichts der Diplom-Psychologin Dr. V.-T. eine Beschwerdeübertreibung bei der Klägerin fest, sodass deren subjektive Beschwerdeangaben allein keine Grundlage der Beurteilung sein können. Ohnehin ist nach dem vom Sozialgericht in Bezug genommenen und vom Senat regelmäßig der MdE-Beurteilung zu Grunde gelegten unfallmedizinischen Standardwerk von Schönberger u.a. (a.a.O., S. 367) ein Tinnitus nur dann MdE-relevant, wenn er permanent vorhanden ist und als sehr belästigend empfunden wird. Hiervon kann auch für den Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. Z. angesichts des spärlich mitgeteilten und nicht verifizierten Befundes nicht ausgegangen werden. Aus den Erhebungen von Dr. K. im selben Monat, wie die Untersuchung bei Prof. Dr. Z. , in seinem Gutachten für die Beklagte ergibt sich nicht anderes. Die Klägerin gab lediglich an, sie habe Ohrgeräusche, nachts schlimmer. Konzentrationsstörungen führte die Klägerin nicht an. Die beklagten Schlafstörungen mit nächtlichem Aufwachen führte sie in erster Linie auf Träume von den Autounfällen "oder dem eingeschlafenen Arm bzw. lauten Ohrgeräuschen" zurück. Diese Schlafstörungen erwähnte sie auch im Rahmen der Anamnese im Reha-Zentrum Bad Frankenhausen im August 2012, führte diese aber nicht auf den angegebenen Tinnitus, sondern auf Schmerzen und Grübeln zurück, und gab an, ein besonders nachts bemerkter Tinnitus belaste sie, Näheres ist nicht dokumentiert. Funktionelle Einschränkungen leiteten die behandelnden Ärzte hieraus nicht ab. Sie nahmen lediglich orthopädisch bedingte Einschränkungen an (Zwangshaltungen, undynamisches Sitzen, mittelschwere Lasten, Überkopfarbeiten). Damit ergibt sich insgesamt keine ausgeprägte Belästigung durch den Tinnitus. Die MdE für den Tinnitus bewertet der Senat daher mit unter 10 v.H.
Der anerkannte Schwindel führt ebenfalls nicht zu einer MdE um 10 v.H. Dieser Schwindel trat ausweislich der - wiederum nur auf Angaben der Klägerin beruhenden (s. hierzu oben) - Dokumentation von Prof. Dr. Z. beim Wiederaufrichten und bei schnellen Körperbewegungen auf, mit Gangunsicherheit und -abweichung. Wie beim Tinnitus erwähnte die Klägerin derartige Beschwerden bei Prof. Dr. S. mit keinem Wort, ebenso wenig wie bei Dr. S. und auch nicht bei der Sachverständigen E. , obwohl sie ausführlich nach ihren Beschwerden befragt worden ist. Bei Dr. T. gab die Klägerin zwar eine Schwindelsymptomatik an, allerdings beim Reklinieren der HWS, also nicht im Zusammenhang mit der von Prof. Dr. Z. angenommenen Vestibularisstörung. Dabei verifizierte Prof. Dr. Z. auch diese Angaben der Klägerin nicht, insbesondere fehlt jeglicher Versuch einer Provokation solcher Schwindelerscheinungen und jede Erhebung von Häufigkeit und Ausmaß der behaupteten Beschwerden. Gegenüber dem nahezu zeitgleich untersuchenden Dr. K. gab die Klägerin an, der Schwindel trete kaum noch auf und ausweislich des Entlassungsberichts über die stationäre Rehabilitation in Reha-Zentrum Bad Frankenhausen gab die Klägerin Schwindelanfälle nicht an. Damit kann der Senat dem Vorschlag von Prof. Dr. Z. , für die Schwindelbeschwerden eine MdE von 10 v.H. anzusetzen, nicht folgen. Auch die MdE für diese Beschwerden ist nach Auffassung des Senats mit weniger als 10 v.H. zu bewerten.
Die Gesamt-MdE für die Störungen auf hno-ärztlichem Gebiet erreicht damit - mangels relevanter funktioneller Einschränkungen - ebenfalls nicht 10 v.H.
Entgegen der Auffassung der Sachverständigen E. und ihr folgend der Klägerin ist auch die isolierte Phobie mit keiner MdE von wenigstens 10 v.H. zu bewerten.
Die MdE-Bewertung der Sachverständigen in ihrem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten kann schon deshalb nicht zu Grunde gelegt werden, weil sie - wie sie in ihrer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme eingeräumt hat - als Maßstab die konkret von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Pharmareferentin mit dem Erfordernis, täglich weite Strecken mit dem Auto zurückzulegen (300/350 bis 400 km) zu Grunde gelegt hat. Tatsächlich aber - und hierauf hat Dr. B. zutreffend hingewiesen - richtet sich die MdE nach der Einschränkung der Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, also gerade nicht des konkreten Arbeitsplatzes.
In ihrer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme, die sich die Klägerin wiederum zu eigen macht, hat die Sachverständige die MdE nun bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.01.2012 lediglich bis September 2012 mit 10 v.H. bewertet. Dies beruht darauf, dass die Sachverständige - wie sich aus den Ausführungen in ihrem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten ergibt - davon ausgeht, dass Arbeitsfähigkeit bei der Klägerin erst mit der Rehabilitationsmaßnahme im September 2012 eingetreten ist. Dies trifft indessen nicht zu. Denn Arbeitsfähigkeit trat bei der Klägerin ausweislich der Bescheinigung der Arbeitgeberin (VA Band I Bl. 90) bereits am 23.04.2012 ein. Mit Eintritt der Arbeitsfähigkeit geht die Sachverständige - dies ergibt sich aus ihren Ausführungen in der von der Klägerin vorgelegten ergänzenden Stellungnahme - dann von einer MdE um 5 v.H. aus. Dem entsprechend stützt diese Beurteilung das Begehren der Klägerin (Verletztenrente ab der 26. Woche nach einer MdE um mindestens 20 v.H.) nicht.
Die Annahme der Sachverständigen, die Reaktivierung der isolierten Phobie durch den Arbeitsunfall vom 09.12.2013 führe bis zum 11.08.2014 wiederum zu einer MdE um 10 v.H. betrifft nicht den hier streitigen Arbeitsunfall. Denn diese MdE um 10 v.H. ordnet die Sachverständige dem Arbeitsunfall vom 09.12.2013 zu. Dies ergibt sich wiederum aus ihren Ausführungen in dem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten, wonach die gebesserte Symptomatik durch den Unfall vom 09.12.2013 reaktiviert und verschlimmert worden sei. Nach dem Unfall vom 09.12.2013 bis zur Wiedereingliederung ab 11.08.2014 habe die MdE 30 v.H., davon mindestens 20 v.H. durch die Verschlimmerung, betragen, danach betrage sie bis heute 20 v.H. Nach diesen Ausführungen soll der Hauptanteil der MdE (zwei Drittel) somit auf den durch den Unfall vom 09.12.2013 hervorgerufenen Verschlimmerungsanteil entfallen. Dies gilt dann auch für die in der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme für diesen Zeitraum korrigierte MdE von 10 v.H. Damit ist die durch den hier streitigen Arbeitsunfall hervorgerufene MdE auch nach Auffassung der Sachverständigen E. auf weit unter 10 v.H. zu veranschlagen.
Im Übrigen bestehen Bedenken, ob eine auch nur zeitweise Bewertung der anerkannten Phobie mit einer MdE von 10 v.H. zutrifft. Nach Schönberger u.a. (a.a.O.) ist eine spezifische isolierte Phobie mit einer MdE von bis zu 10 v.H. zu bewerten (a.a.O., S. 171). Dies bedeutet, dass eine solche Phobie nicht automatisch mit 10 v.H. zu bewerten ist, sondern die MdE auch niedriger liegen kann. Bei einer täglichen Fahrleistung von 300/350 bis 400 km ist diese Phobie keinesfalls derart ausgeprägt, dass relevante Arbeitsmöglichkeiten verschlossen sind (s. schon Dr. S. in seiner Stellungnahme zum Gutachten der Sachverständigen E. ). Dies gilt auch dann, wenn man Autofahren als zentral in der allgemeinen Arbeitswelt ansieht (MdE dann bis 30 v.H., Schönberger u.a., a.a.O., S. 171). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht wegen einer Phobie bis 23.04.2012 arbeitsunfähig war, sondern wegen der von Dr. K. damals behandelten Schwindelerscheinungen, die zu einer vorübergehenden Fahruntüchtigkeit führten. Tatsächlich fuhr die Klägerin bereits am 02.02.2012 wieder Auto (Bericht des Dr. G.: " ...wobei jedoch positiv ist, dass sie heute das erste Mal wieder mit dem Auto fuhr"). Hierauf hat Dr. S. zutreffend hingewiesen. Damit ist der Grundannahme der Sachverständigen E. , die Arbeitsunfähigkeit nach dem Unfall vom Januar 2012 sei durch die isolierte Phobie bedingt gewesen, die Grundlage entzogen. Der Senat bewertet die Phobie daher in Übereinstimmung mit Dr. B. mit einer MdE unter 10 v.H.
Soweit die Klägerin die Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 80 % und ihrer Fahrleistung hervorhebt und im Einzelnen darstellt, ist dies nicht von entscheidungsrelevanter Bedeutung. Maßgebend sind - wie bereits ausgeführt - nicht die Auswirkungen einer unfallbedingten Gesundheitsstörung im konkreten Beruf, sondern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Hinblick auf die MdE-Beurteilung der anerkannten isolierten Phobie kommt es ebenfalls nicht darauf an, in wie weit die Klägerin im konkreten Beruf eingeschränkt ist. Maßgebend ist, dass die Klägerin tatsächlich Fahrleistungen von täglich 300/350 bis 400 km erbringt, was die Annahme einer MdE von wenigstens 10 v.H. nicht zulässt.
Die MdE ist auch nicht nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII höher zu bemessen. Nach dieser Vorschrift sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Verletzte dadurch erleidet, dass er bestimmte, von ihm erworbene berufliche Kenntnisse und Erfahrungen in Folge des Arbeitsunfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige zumutbare Fähigkeiten ausgeglichen werden. Eine solche besondere berufliche Betroffenheit liegt nach Auffassung des Senats nicht vor.
Die ständige Rechtsprechung versteht die Regelung im Sinne einer Härteklausel. Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, hat das BSG (Urteil vom 27.06.2000, B 2 U 14/99 R, auch zum gesamten Nachfolgenden) insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete, angesehen. Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalls kann sich eine höhere Bewertung der MdE nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII ergeben, wenn der Verletzte in Folge eines Arbeitsunfalls einen Lebensberuf aufgeben muss und die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann. Bei der Prüfung, ob ein Fall unbilliger Härte gegeben ist, sind die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen.
Eine solche unbillige Härte liegt hier nicht vor. Die Klägerin ist - wie vor dem Arbeitsunfall - als Pharmareferentin tätig.
Damit rechtfertigt keine der (anerkannten) Unfallfolgen eine MdE von wenigstens 10 v.H. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.12.1976, 8 RU 14/66) ist aber eine MdE um 10 v.H. die untere Grenze dessen, was medizinisch und wirtschaftlich messbar ist. Eine von der Sachverständigen E. für die Phobie ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit angenommene nicht mehr messbare MdE ("5 v.H.") vermag ebenso wenig wie die vom Senat für den Tinnitus und den Schwindel angenommenen MdE von weniger als 10 v.H., also ebenfalls nicht messbar, im Rahmen der Bildung einer Gesamt-MdE die von der Klägerin begehrte MdE von mindestens 20 v.H. zu begründen. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass aus denselben Gründen auch die Annahme einer Gesamt-MdE von 10 v.H. ausscheidet.
Kein für die Klägerin günstiges Ergebnis ergibt sich aus der Tatsache, dass sie am 24.07.2018 erneut einen Arbeitsunfall erlitten hat, als auf einem Parkplatz ein anderer Pkw beim Ausparken auf den Pkw der Klägerin auffuhr. Aus dem von der Klägerin hierzu vorgelegten Attest der Dr. Z. vom 29.11.2018 ergeben sich keine, auf diesen Arbeitsunfall zurückzuführenden Funktionseinschränkungen in Bezug auf die anerkannte Phobie. Vielmehr wird bestätigt, dass die Klägerin auf den Auslöser "Autounfall" sowohl bei Selbstbeteiligung als auch als Zeugin mit Panikattacken und Dissoziation reagiere und mehrere Wochen an reaktiven depressiven Symptomen leide. Eine darüberhinausgehende Reaktion in Form einer Verschlimmerung der anerkannten Phobie ergibt sich aus diesem Attest gerade nicht. Dabei bescheinigt Dr. Z. für den konkreten Unfall am 24.07.2018 allerdings keine mehrwöchige reaktive Depression, sondern - wie aus ihrem Befundbericht vom 02.08.2018 hervorgeht - lediglich eine Reaktion der Klägerin "über Stunden" mit starker Panik und Dissoziation.
Im Übrigen wäre eine Verschlimmerung der Phobie durch den Autounfall vom 24.07.2018 - entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen E. zur Abgrenzung der MdE zwischen den Unfällen von Januar 2012 und Dezember 2013 - dem Ereignis vom 24.07.2018 zuzuordnen. Dies gilt auch für eventuelle andere Gesundheitsstörungen in Gefolge dieses Ereignisses. Deren Ausmaß und eine dadurch verursachte MdE kann dahingestellt bleiben. Denn dieses Ereignis käme, bezogen auf den hier in Rede stehenden Anspruch auf Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom Januar 2012 lediglich als sog. Stützrententatbestand in Betracht und würde voraussetzen, dass der Arbeitsunfall vom Januar 2012 zumindest eine MdE um 10 v.H. verursacht. Zum einen ist dies - wie dargelegt - nicht der Fall, zum anderen macht die Klägerin eine solchen Anspruch (gestützte Rente nach einer MdE um mindestens 10 v.H.) gar nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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