L 8 BA 228/19 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 BA 76/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 228/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 7.10.2019 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 12.888,27 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.

Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen S 10 BA 73/19 beim SG Duisburg anhängigen Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 15.6.2016 in der Gestalt der Bescheide vom 8.12.2016 und vom 16.10.2018 und des Widerspruchsbescheides vom 15.8.2019 angeordnet.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin erlassenen Bescheide, mit denen sie von der Antragstellerin Beiträge und Umlagen in Höhe von 51.553,08 Euro für die Tätigkeiten des Herrn E B (im Folgenden: B) für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2014 und des Herrn L K (im Folgenden: K) für die Zeit vom 1.1.2011 bis 31.12.2013 jeweils als Vermittler von Bausparverträgen, Versicherungsverträgen, Kapitalanlagen etc. nachfordert.

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen bzw. gem. § 86b Abs. 1 S. 2 SGG die Aufhebung einer schon erfolgten Vollziehung anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine - wie hier erfolgte - Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung.

Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. vgl. z. B. Beschl. v. 15.6.2020 - L 8 BA 139/19 B ER - juris Rn. 5 m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen, da deren Erfolg überwiegend wahrscheinlich ist. Es spricht mehr dafür als dagegen, dass sich die angefochtenen Bescheide in der Hauptsache als rechtswidrig erweisen werden. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des SG Duisburg Bezug, denen er sich inhaltlich vollumfänglich anschließt (vgl. § 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Die schlüssig begründete Auffassung des SG, K sei auf der im Wesentlichen selben vertraglichen Grundlage für die Antragstellerin tätig gewesen wie B, hat sich durch Nachreichung des zwischen der Antragstellerin und K geschlossenen "Mitarbeitervertrages" vom 8.8.2006 im Beschwerdeverfahren bestätigt.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die streitbefangenen Bescheide nicht gem. § 77 SGG bestandskräftig geworden. Sie sind gem. § 87 SGG fristgerecht und gem. §§ 90, 92 Abs. 1 SGG wirksam mit der Klage zum SG Duisburg angefochten worden. Obwohl in der Klageschrift die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund als Beklagte bezeichnet worden ist, ergibt die vorzunehmende Auslegung unter Heranziehung der Gesamtumstände (vgl. z.B. Arndt in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 69 Rn. 4), dass offensichtlich von vornherein die Antragsgegnerin, die Beklagte des Klageverfahrens gewesen ist. Denn der Klageschrift sind sowohl Kopien der von der Antragsgegnerin erlassenen Bescheide als auch eine Vollmacht mit der richtigen Bezeichnung der DRV, der Antragsgegnerin, als Beklagte beigefügt. Zudem wird in der Klageschrift ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klage sich gegen die in Kopie beigefügten Bescheide der DRV, der Antragsgegnerin richtet. Eine derartige offensichtliche Unrichtigkeit des Rubrums kann ohne weiteres berichtigt werden (vgl. Arndt a.a.O.). Eine Klageänderung in Form eines Beteiligtenwechsels ist darin nicht zu sehen (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 99 Rn. 6a).

Im Übrigen entspricht das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin im Wesentlichen ihrem bisherigen Vorbringen. Mit diesem sowie den Begründungen der streitgegenständlichen Bescheide hat sich das SG im angefochtenen Beschluss ausführlich und mit zutreffender Begründung eingehend auseinandergesetzt. Erneuter Ausführungen hierzu bedarf es daher insoweit nicht, zumal eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung im Beschwerdevorbringen nicht stattfindet. Die Ausführungen des SG insbesondere zu einer im Wesentlichen bestehenden Weisungsfreiheit von B und K hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt ihrer Tätigkeit sowie einer fehlenden Eingliederung in die Betriebsorganisation der Antragstellerin können durch das Beschwerdevorbringen nicht einmal ansatzweise in Frage gestellt werden.

Angesichts des Umstandes, dass sich die in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV gesetzlich ausdrücklich hervorgehobenen ("insbesondere") Kriterien für eine abhängige Beschäftigung einer Weisungsgebundenheit und Eingliederung nicht bzw. nur in geringem Maße feststellen lassen, könnte es ohnehin im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht an entscheidender Bedeutung gewinnen, wenn - wovon die Antragsgegnerin ausgeht - B und K in den Streitzeiträumen kein nennenswertes unternehmerisches Risiko getragen hätten (st. Rspr. des Senats vgl. z.B. Urt. v. 10.6.2020 - L 8 BA 6/18 - juris Rn. 50).

Die von der Antragsgegnerin als Indiz für abhängige Beschäftigungen von B und K angeführte "Karriereübersicht" rechtfertigt bereits deshalb keine von der des SG abweichende Beurteilung, da die Antragsgegnerin jede Darstellung der konkreten Auswirkung dieser Karriereübersicht auf die Ausgestaltung der Tätigkeiten von B und K in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht schuldig bleibt. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass sich hieraus wesentliche Aspekte einer Weisungsgebundenheit und/oder Eingliederung von B und K ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 22.4.2020 - L 8 BA 266/19 B ER - juris Rn. 30 m.w.N.).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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