L 10 R 2102/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 624/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2102/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.06.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der am 1968 geborene Kläger war mit Unterbrechungen von August 1984 bis Dezember 2012 versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2014 bezieht er Arbeitslosengeld II. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 12.03.2020 (Bl. 51/55 LSG-Akte) verwiesen.) Bei dem Kläger ist seit 01.10.2016 ein Grad der Behinderung von 50 und das Merkzeichen G zuerkannt (Bescheid des Versorgungsamtes vom 30.11.2017, Bl. 104 Verwaltungsakte -VA -).

Der Kläger beantragte erstmals am 21.10.2016 Rente wegen Erwerbsminderung unter Vorlage eines Befundberichtes der Neurochirurgen Dr. K. und Dr. K. (zugleich Arzt für Schmerztherapie) vom Oktober 2016, die ein chronisch rezidivierendes Schmerzsyndom im Lumbalbereich, fortgeschrittene degenerative Veränderungen und eine Bandscheibenprotrusion auf Höhe des Lendenwirbelkörpers (LWK) 4/5 diagnostizierten und den Befund eines unauffälligen Gangbildes, eines durchführbaren Zehen- und Fersenstandes, fehlender sensomotorischer Ausfälle der unteren Extremitäten und einer mäßigen links führenden Neuroforameneinengung im Segment L4/5 erhoben sowie unter Vorlage des Befundberichtes des Orthopäden Dr. B. vom November 2016 der die Diagnosen Lumbago, SIG-Blockierung rechts (gemeint wohl: Blockierung des ISG - Iliosacralgelenk), Hohlrundrücken, Adipositas und Hypertonie stellte (VA Ärztlicher Teil - ÄT -).

Die Ärztin für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. S. erstattete im Auftrag der Beklagten nach Untersuchung des Klägers im Januar 2017 ein Gutachten und diagnostizierte ein chronisch rezidivierendes, belastungsabhängiges Lendenwirbelsäulensyndrom mit leichtgradiger Bewegungs- und Funktionseinschränkung ohne neurologische Ausfallerscheinungen bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen und Bandscheibenprotrusionen, führend L4/5 mit mittelgradiger Spinalkanalstenose und Neuroforamenstenose L4/5, ein hochgradiges Übergewicht und eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung Stadium I bis II nach Gold sowie langjährigem Nikotingebrauch. Dr. S. gelangte zu der Einschätzung, dass der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten in zwingend wechselnder Arbeitshaltung in der Tagesschicht, ohne mehr als gelegentliches Bücken, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten größer als 5 kg, ohne anhaltende Zwangshaltungen, ohne häufige Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten in Hitze und Nässe, ohne inhalative Belastungen, ohne Erschütterung und Vibrationen in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr verrichten könne und die Wegefähigkeit gegeben sei.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 07.02.2017 (Bl. 25 VA) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2017 (Bl. 75 VA) ab.

Zudem lehnte die Beklagte einen zwischenzeitlich gestellten Antrag auf Gewährung medizinischer Rehabilitationsmaßnahme ab (Bescheid vom 05.04.2017, Widerspruchsbescheid vom 29.06.2017). In dem hiergegen gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (S 10 R 2153/17) holte das Gericht schriftliche Auskünfte der behandelnden Ärzte ein. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. W. teilte im August 2017 mit, dass der Kläger an einer COPD (chronic obstructive pulmonary disease), einer rezidivierenden Phlebothrombose und einem chronischen Schmerzsyndrom leide und er nur 200 bis 300 Meter gehfähig sei, er dann eine Pause wegen der Schmerzen einlegen müsse und häufig an Krücken gehe. Dies gehe seit Jahren progredient schlechter. Er halte den Kläger insgesamt für sehr eingeschränkt bis gar nicht erwerbsfähig. Der Neurochirurg Dr. K. teilte im September 2017 im Wesentlichen die im aktenkundigen Befundbericht vom Oktober 2016 aufgelisteten Diagnosen mit und führte aus, beim Kläger bestehe eine erhebliche Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit, die jedoch mehr aus den Auswirkungen der sehr ausgeprägten Adipositas und weniger aus den Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule resultieren würden. Die Klage wurde im November 2017 zurückgenommen.

Bereits zuvor erkundigte sich der Kläger mit Schreiben vom 05.10.2017, bei der Beklagten eingegangen am 09.10.2017 (Bl. 79 VA), ob unter Berücksichtigung eines Leistungsfalles im Oktober 2017 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt seien, was die Beklagte bejahte (Bl. 84 VA). Daraufhin teilte der Kläger mit, dass die Anfrage vom 05./09.10.2017 als Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung betrachtet werden solle und er einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung habe, da er trotz Gehstützen nicht in der Lage sei, eine Strecke von viermal 500 Meter in jeweils 20 Minuten täglich zurückzulegen (Bl. 89 VA). Im Übrigen habe sich an den Angaben im Rentenantrag vom 21.10.2016 nichts geändert. Zur weiteren Begründung fügte er die Auskunft von Dr. W. im vorangegangenen Klageverfahren bei.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Allgemeinmediziner und Sozialmediziner Dr. L. im November 2017 ein Gutachten nach Aktenlage, in dem er zu dem Ergebnis gelangte, dass sich - da aktuellere Untersuchungsberichte eines Orthopäden oder des Neurochirurgen nicht vorgelegt worden seien - bezüglich der Leistungsbeurteilung zum Vorgutachten von Dr. S. keine neuen Erkenntnisse ergeben würden und eine weitere orthopädische Begutachtung mangels Vorlage aussagekräftiger orthopädischer Befundberichte über eine zwischenzeitliche Befundverschlechterung nicht notwendig sei. Bei dem Kläger bestehe ein arbeitstägliches Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung, in der Tagesschicht, ohne häufiges Bücken, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, ohne Zwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Tätigkeiten unter Nässe und Hitze, ohne inhalative Belastungen, ohne Erschütterungen und Vibrationen bei weiterhin gegebener Wegefähigkeit.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag vom 09.10.2017 mit Bescheid vom 05.12.2017 (Bl. 99 VA) und - nachdem der Kläger im Widerspruchsverfahren bestätigte, dass aktuelle Befunde nicht vorlägen (Bl. 114 VA) - Widerspruchsbescheid vom 15.02.2018 (Bl. 118 VA) ab.

Hiergegen hat der Kläger mit dem Begehren der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung Klage zum Sozialgericht erhoben, die er im Wesentlichen mit der eingeschränkten Wegefähigkeit auf Grund fortgeschrittener Veränderungen der Lendenwirbelsäule (LWS) und des chronischen Schmerzsyndroms im Lumbalbereich begründet hat.

Das Sozialgericht hat die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K. hat mitgeteilt (Bl. 27 SG-Akte), dass der Kläger auf Grund der bereits aktenkundigen Diagnosen und Befunde im Befundbericht vom Oktober 2016 und somit der neuroorthopädischen Veränderungen eine leichte körperliche Tätigkeit von sechs Stunden täglich verrichten könne und die Hauptproblematik in der Adipositas, der Lungenfunktionsstörung und des massiven Nikotinabusus bestehe. Für die Beurteilbarkeit der aktuellen Leistungsfähigkeit solle ein Internist oder Kardiologe eingeschaltet werden. Die Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule seien als gewöhnlich und nicht besorgniserregend anzusehen. Der Kläger sei in der Lage öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen und Wegstrecken von über 500 Metern zurückzulegen. Der Orthopäde Dr. B. hat mitgeteilt (Bl. 22 SG-Akte), dass er eine aktuelle Leistungsbeurteilung nicht vornehmen könne, da der Kläger dort zuletzt im November 2016 vorstellig gewesen sei, auf Grund der bis dahin erhobenen Befunde aber Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens und der Wegefähigkeit nicht vorgelegen hätten. Der Leiter des Fachbereichs Pneumologie Dr. M. , Klinikum L. , hat mitgeteilt (Bl. 39 SG-Akte), dass der Kläger dort einmalig vorstellig gewesen sei und er eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung als Mitursache für die Kurzatmigkeit diagnostiziert habe. Er habe Zweifel daran, dass der Kläger eine leichte Tätigkeit ausüben könne. Er sei durch seine Leibesfülle und seine Beschwerden am Bewegungsapparat in seiner Mobilität stark eingeschränkt. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei eine unfallchirurgische und/oder orthopädische sowie eine allgemein-internistische und/oder pneumologische Beurteilung notwendig.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen den Internisten Dr. S. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat nach Untersuchung des Klägers im Oktober 2018 und unter Berücksichtigung einer von dem Lungenfacharzt Dr. van B. durchgeführten Lungenfunktionsdiagnostik eine ausgeprägte Adipositas, eine Lymphstauung der Extremitäten und eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung bei fortgesetzten inhalativem Zigarettenrauchen diagnostiziert und eine relevante organische Herzerkrankung ausgeschlossen (Bl. 64 ff. SG-Akte). Dr. S. hat ausgeführt, dass der Kläger durch mindestens 40 kg überschüssige Fettmassen in seiner Mobilität und auch Kraftentfaltung eingeschränkt werde. Da jedoch keine organische Herzerkrankung vorliege und die Lungenfunktion nur leichtgradig eingeschränkt sei, sei er lediglich im Bereich schwerer körperlicher Arbeiten eingeschränkt. Durch die Adipositas komme es zu Rückflussstörungen des Lymphsystems, zusätzlich sei ein operiertes Krampfaderleiden aktenkundig. Hierdurch seien Arbeiten ausschließlich im Stehen oder ausschließlich im Sitzen ausgeschlossen. Bei fortgesetztem inhalativem Zigarettenrauchen bestehe eine COPD allenfalls des Stadiums II. Es bestehe eine lediglich leichte Einschränkung der Vitalkapazität, der Einsekundenwert FEV1 liege über 70 %. Dies führe dazu, dass der Kläger keine Arbeiten unter Einwirkung reizender inhalativer Substanzen verrichten solle. Der Kläger könne noch leichte und auch mittelschwere körperliche Arbeiten im Gehen oder im Stehen oder im Sitzen, in geschlossenen Räumen, bei Anwendung entsprechender Kleidung auch im Freien, noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die Wegefähigkeit sei unter Berücksichtigung der Erkrankungen des internistischen Fachgebietes nicht eingeschränkt. Die vom Kläger im Rahmen der Untersuchung gemachten Angaben, er müsse nach fünf bis zehn Metern wegen Rückenschmerzen stehenbleiben oder könne nur maximal drei bis vier Minuten am Stück gehen, könnten durch die objektivierbaren Befunde nicht gestützt werden. Eine weitere Begutachtung sei nicht erforderlich.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat den Kläger für in der Lage gesehen, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung rentenrechtlich nicht relevanter qualitativer Einschränkungen an wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und ausgeführt, dass insbesondere die geltend gemachte Einschränkung der rentenrelevanten Wegefähigkeit nicht vorliegt. Es hat sich dabei den Gutachten von Dr. S. , der Auskunft der behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. B. sowie dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. S. angeschlossen und dies im Einzelnen begründet. Der sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. M. und - im Verfahren S 10 R 2153/17 - von Dr. W. ist es nicht gefolgt. Weiter hat es dargelegt, dass weder die Benutzung von Gehstützen die Annahme einer rentenrelevanten Einschränkung der Wegefähigkeit rechtfertigt noch im Hinblick auf die unterschiedlichen Voraussetzungen das Vorhandensein des Merkzeichens G für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ausreichend ist.

Hiergegen hat der Kläger am 28.06.2019 Berufung eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen (Bl. 17 LSG-Akte), dass er zur Frage, ob die Geh- und Wegefähigkeit entscheidungserheblich eingeschränkt sei - er habe weder ein Kfz noch einen Führerschein - mit Schriftsatz vom 29.11.2018 (Bl. 97 SG-Akte) vor dem Sozialgericht ein spezielles Gutachten beantragt habe. Diesem gestellten und aufrechterhaltenen Beweisantrag sei das Sozialgericht fehlerhaft nicht nachgekommen. Dr. S. habe seine Aufgabenkompetenz überschritten, da er einen fachfremden Arzt (Dr. van B. ) zur Begutachtung beigezogen habe und diese Beiziehung und Begutachtung durch den Gutachtensauftrag nicht gedeckt gewesen sei. Insoweit liege ein Verstoß gegen § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 407a Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Bei dem beigezogenen Arzt Dr. van B. handele es sich insoweit auch nicht um eine Hilfskraft, denn gerade die durchgeführten Tests und die hierdurch erreichten Ergebnisse seien mitentscheidend in das Gutachten von Dr. S. einbezogen worden. Dr. M. habe im Hinblick auf die bestehende Lungenerkrankung und die erheblichen orthopädischen Beschwerden die Einholung eines pneumologischen/orthopädischen Gutachtens angeregt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.06.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise zur Abklärung des medizinischen Sachverhalts hinsichtlich der Geh- und Wegefähigkeit ein pneumologisches/orthopädisches ambulantes oder/und stationäres Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 05.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2018, mit dem die Beklagte die vom Kläger im Klage- und Berufungsverfahren allein begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ablehnte.

Das Sozialgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - sowie § 43 Abs. 1 SGB VI unter Berücksichtigung der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt, weil er nicht erwerbsgemindert ist, sondern zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von der Gutachterin Dr. S. und dem Sachverständigen Dr. S. angeführten qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben kann. Das Sozialgericht hat sich dabei zu Recht den Beurteilungen von Dr. S. , Dr. S. und - mit diesen übereinstimmend - der Auskunft der behandelnden Ärzte Dr. K. und Dr. B. angeschlossen und zutreffend dargelegt, dass und aus welchen Gründen diese Leistungsbeurteilungen überzeugen. Es hat weiter zutreffend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die rechtlichen Grundlagen zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung bei eingeschränkter Wegefähigkeit darlegt und ausführlich begründet, warum beim Kläger diese Einschränkung nicht vorliegt. Schließlich hat das Sozialgericht überzeugend dargelegt, dass und warum die von Dr. M. geäußerten Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Klägers widerlegt sind und der Einschätzung der fehlenden Wegefähigkeit durch Dr. W. nicht zu folgen ist. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Sachverhalt umfassend aufgeklärt ist und daher keine Veranlassung besteht, von Amts wegen weitere Gutachten - wie vom Kläger beantragt auf pneumologischen und/oder orthopädischem Fachgebiet - einzuholen. Den entsprechenden Beweisantrag des Klägers lehnt der Senat daher ab.

Eines Gutachtens auf orthopädischem Fachgebiet bedarf es nicht, weil die orthopädischen Leiden des Klägers und deren Auswirkungen auf dessen Leistungsfähigkeit durch das - hier im Urkundenbeweis verwertete - Gutachten von Dr. S. hinreichend geklärt sind, auch im Hinblick auf die Wegefähigkeit. Die Gutachterin bejahte die Wegefähigkeit des Klägers ausdrücklich, was angesichts der von ihr erhobenen Befunde nicht zu beanstanden ist. Sie dokumentierte eine weitgehend freie Beweglichkeit der Hüft- und Kniegelenke und ein flüssiges Gangbild. Diese Leistungsbeurteilung in orthopädischer Hinsicht haben die behandelnden Ärzte Dr. B. und Dr. K. bestätigt. Dabei kommt dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, dass er bei Dr. B. letztmalig im November 2016 in Behandlung war, keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Denn zum einen stützt sich der Senat - wie das Sozialgericht - gar nicht auf die Leistungsbeurteilung von Dr. B. , sondern auf jene von Dr. S. und sieht die Beurteilung von Dr. B. lediglich als zu keiner weiteren Sachaufklärung Anlass bietenden Bestätigung, zum anderen hat Dr. B. seine Beurteilung gerade und ausdrücklich auf Grund des von ihm im November 2016 erhobenen Befundes abgegeben. Aus welchen Gründen diese Beurteilung für November 2016 unverwertbar sein soll, erschließt sich nicht. Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass der - rechtskundig vertretene - Kläger eine Verschlechterung seiner Gesundheitsstörungen nicht behauptet. Vielmehr gab er zur Begründung seines im Oktober 2017 gestellten Rentenantrags an (Bl. 89 VA), dass die Angaben im Rentenantrag vom Oktober 2016 fortgelten würden, und im Februar 2018 (Bl. 114 VA) teilte er der Beklagten mit, dass aktuelle Befunde nicht vorlägen. Gleiches gilt für die Beurteilung von Dr. K ... Dem entsprechend kommt dem Umstand, dass das Sozialgericht Dr. K. nach dem zeitlichen Rahmen der erfragten Wegstrecke (mehr als 500 Meter) nicht gefragt hat, keine durchschlagende Bedeutung zu.

Schließlich besteht auch im Hinblick auf den vom Kläger bei Dr. S. und Dr. van B. demonstrierten Gebrauch von Krücken kein Aufklärungsbedarf. Abgesehen davon, dass der Kläger - wie schon erwähnt - gar keine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seit der Untersuchung durch Dr. S. behauptet, berichtete bereits Dr. W. in seiner Auskunft gegenüber dem Sozialgericht im Verfahren S 10 R 2153/17 von einem solchen "häufigen" Gehen an Krücken, ohne dass Dr. K. - im selben Verfahren befragt - entsprechende Einschränkungen angenommen hätte, ebenso wenig wie in seiner Auskunft im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits. Ohnehin deutet der Gebrauch von Krücken gerade nicht auf eine Einschränkung der Wegefähigkeit hin. Denn bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind auch alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R). Dass der Kläger mit diesen Gehilfen seine Mobilität wahren kann, zeigt seine Angabe gegenüber Dr. S. , wonach er tagsüber etwas spazieren gehe. Seine weitere Angabe gegenüber dem Sachverständigen, lediglich fünf bis zehn Meter gehen zu können, lässt sich mit Spaziergängen schwerlich vereinbaren und ist durch die von Dr. van B. durchgeführte Spiroergometrie und einem dabei möglichen sechsminütigem Gehen bei einer Geschwindigkeit von 2 km/h widerlegt.

Auch auf pneumologischem Fachgebiet bedarf es keines Gutachtens. Sowohl Dr. S. als auch der von Dr. S. beauftragte Dr. von B. haben eine umfassende Lungenfunktionsdiagnostik des Klägers wegen der bekannten chronischen obstruktiven Atemwegserkrankung durchgeführt und den Schweregrad mit I bis II nach GOLD (Dr. S. ) bzw. II nach GOLD (Dr. S. ) eingeordnet und sind für den Senat schlüssig zu der Einschätzung gelangt, dass auch die chronisch obstruktive Lungenerkrankung weder zu einem eingeschränkten zeitlichen oder rentenrelevanten qualitativen Leistungsvermögen noch zu einer rentenrelevant eingeschränkten Wegefähigkeit führt, da nur eine leichte bis allenfalls mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung (Dr. S. , S. 8 d. Gutachtens VA ÄT) bzw. nur eine leichte Restriktion ohne Obstruktionszeichen (Dr. S. , Bl. 77 SG-Akte) vorliegt, eine darüberhinausgehende, rentenrelevante leistungslimitierende Ventilationsstörung - auch mit Blick auf die üblicherweise von und zur Arbeit zurückzulegenden Wege - aber gerade nicht. Insbesondere bei der von Dr. van B. durchgeführten Spiroergometrie (Bl. 87 SG-Akte) haben sich keine kardiorespiratorischen - also Herz und Atmung betreffende - Auffälligkeiten gezeigt, die anaerobe Schwelle ist nicht erreicht worden (zur Relevanz s. die Ausführungen von Dr. S. , Bl. 77 ff. SG-Akte) und die Blutgasanalysen sind unauffällig gewesen (Bl. 87 f. SG-Akte). Die von Dr. S. erhobenen Befunde (u.a. Belastungs-EKG, Labor) haben keine Hinweise auf eine relevante Herzerkrankung erbracht. Damit lässt sich aus den erhobenen Herz- und Lungenfunktionsbefunden keine Einschränkung der Wegefähigkeit auf internistischem Fachgebiet ableiten. Im Übrigen hat Dr. S. entgegen der Auffassung des Klägers (Bl. 17 LSG-Akte) die Einschätzung der Wegefähigkeit sehr wohl auf das internistische Fachgebiet beschränkt (Bl. 85 SG-Akte: "Die Wegefähigkeit ist nicht eingeschränkt. Diese Aussage bezieht sich auf die Erkrankungen des internistischen Fachgebietes.").

Im Ergebnis liegen somit die von Dr. M. empfohlenen Gutachten, auf den sich der Kläger bezieht (Bl. 17 LSG-Akte), vor.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers verstößt auch die Heranziehung von Dr. van B. durch Dr. S. nicht gegen die Vorschriften des § 118 Abs. 1 SGG (diese Vorschrift ist zu der vom Kläger genannten Vorschrift des § 202 SGG die Speziellere) in Verbindung mit § 407a ZPO. Ein Beweisverwertungsverbot besteht für das Gutachten von Dr. S. nicht. Nach § 407a Abs. 3 Satz 1 ZPO ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Die Grenze der erlaubten Mitarbeit - mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens - ist überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit (eines weiteren Arztes) gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert (BSG, Beschluss vom 18.09.2019, B 5 R 308/18 B). Inwieweit die Durchführung der persönlichen Untersuchung des Probanden zum sog. unverzichtbaren Kern der vom Sachverständigen selbst zu erfüllenden Zentralaufgaben zählt, hängt von der Art der Untersuchung ab (BSG, Beschluss vom 17.04.2013, B 9 V 36/12 B). Je stärker - wie hier - die Begutachtung auf objektivierbare und dokumentierbare organmedizinische Befunde bezogen ist, umso eher ist die Einbeziehung von Hilfskräften möglich (BSG, a.a.O.).

Die Heranziehung von Dr. van B. ist nicht zu beanstanden. Er hat im Auftrag von Dr. S. lediglich die Lungenfunktionsdiagnostik (Bodyplethysmografie und Ergospirometrie mit dem Laufband inklusive Laktatanalyse), die Dr. S. selbst mangels entsprechender apparativer Ausstattung nicht vornehmen kann, durchgeführt und ihm die erhobenen Befunde mitgeteilt. Dies ergibt sich aus dem, dem Gutachten beigefügten Befundbericht von Dr. van B. (Bl. 87 SG-Akte), auf den Dr. S. in seinem Gutachten Bezug nimmt (Bl. 77 SG-Akte). Ein Gutachten hat Dr. van B. gerade nicht erstattet, insbesondere hat er sich nicht zu den gestellten Beweisfragen geäußert. Seine Tätigkeit hat sich ausschließlich auf die Erhebung der objektiven Lungenbefunde beschränkt. Durch die Vorlage des Befundberichtes von Dr. van B. mit dem Gutachten hat Dr. S. Name, Qualifikation und Umfang der Mitarbeit von Dr. van B. kenntlich gemacht, die von Dr. van B. erhobenen Befunde im Gutachten ausgewertet (Bl. 77 ff. SG-Akte) und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das von ihm allein verfasste Gutachten übernommen. Dr. S. hat als Facharzt für Innere Medizin auch die Fachkunde, die Befunde der Lungenfunktionsdiagnostik selbständig auszuwerten, wie im Übrigen seine Ausführungen hierzu im Gutachten auch belegen.

Ungeachtet dessen, hat der Kläger sein Recht zur Rüge dieses - wie dargelegt gar nicht vorliegenden - Verfahrensfehlers nach § 202 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 295 Abs. 1 ZPO verloren, so dass ein etwaiger Verstoß gegen § 407a Abs. 3 ZPO geheilt wäre (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., 2017, § 118, Rdnrn. 11h, 11j). Denn sein Prozessbevollmächtigter hat die Rüge nicht in angemessener Zeit nach Eingang des Gutachtens bei ihm, jedenfalls aber nicht auf die Mitteilung des Sozialgerichts, dass es beabsichtige, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (mit Gelegenheit zur Stellungnahme), erhoben. Findet eine mündliche Verhandlung nicht statt, sondern ein schriftliches Verfahren, muss der Fehler in dem nachfolgenden Schriftsatz gerügt werden (Greger in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 295 Rdnr. 8). Damit hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Rüge spätestens nach der gerichtlichen Ankündigung einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erheben müssen (vgl. zur Warnfunktion der Rüge BSG, Beschluss vom 13.08.2018, B 13 R 397/16 B).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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